Die Professorin für Erziehungswissenschaften stellt fest, dass sich im Verlauf der letzten 20 Jahre, besonders innerhalb der westlichen Kulturen, das Ideal der perfekten „Super-Mama“ etabliert hat, einhergehend mit der Forderung nach einer „intensiven Mutterschaft“.
Sie fragt nach den Quellen
dieses gesellschaftliche Konstrukts, und zeichnet nach, wie dieses Ideal entstand. Sie weist auf…mehrDie Professorin für Erziehungswissenschaften stellt fest, dass sich im Verlauf der letzten 20 Jahre, besonders innerhalb der westlichen Kulturen, das Ideal der perfekten „Super-Mama“ etabliert hat, einhergehend mit der Forderung nach einer „intensiven Mutterschaft“.
Sie fragt nach den Quellen dieses gesellschaftliche Konstrukts, und zeichnet nach, wie dieses Ideal entstand. Sie weist auf Vorzüge dieses Verhaltensmodells hin, zeigt aber besonders die schwerwiegenden Nachteile auf. Sie konstatiert, dass in den Medien die „intensive Mutterschaft“ weitgehend positiv bewertet und propagiert wird, aber insgesamt kaum kritisch diskutiert wird. Abschließend formuliert sie individuell zu nutzende wie auch gesellschaftlich zu realisierende Alternativen.
Neben Fachliteratur und Studienergebnissen liegt insbesondere eine eigens durchgeführte Studie zugrunde. Hier wurden 300 Mütter aus Familien mit beiden Elternteilen nach ihrer Mutterschaft befragt, vornehmlich aus der Mittel- und Oberschicht, wohnhaft in der Schweiz und Süddeutschland. Eine große Anzahl von ihnen hat regelmäßig Schuldgefühle in Bezug auf ihre Mutterrolle und sagt „eigentlich müsste ich doch glücklich sein...“.
Die Autorin führt das auf das Ideal der „Super-Mama“ zurück. Mütter sollen intensiv und professionell sein. Feinfühlig sollen sie stets die Bedürfnisse des Kindes erfüllen, die Kinder bestmöglich fördern und „optimieren“. Erkenntnisse aus der Bindungstheorie und Hirnforschung sind hier bestimmend. Das Kindeswohl steht über allem, das Kind selbst ist der Mittelpunkt des Lebens. Sowohl Qualität als auch Quantität der verbrachten Zeit mit dem Kind sind die Wertmaßstäbe dieses Ideals der „intensiven Mutterschaft“.
Daraus resultiert aber bei den so geforderten Müttern Stress, Druck, ein schlechtes Gewissen, Burn- Out Symptome und ein allgemein schlechter Gesundheitszustand. Zudem ist eine
Berufstätigkeit mit dieser „professionellen Mutterschaft“ sehr schwer vereinbar – von den Müttern wird Verzicht und Selbstlosigkeit erwartet, was letztlich auch bedeutet, dass eben immer noch keine gesellschaftliche Gleichstellung der Geschlechter gelingt.
„Intensive Mutterschaft“ sei zudem nicht geeignet, postuliert und schlussfolgert die Autorin, die Kinder auf das Leben vorzubereiten, der intensive und „überbehütende“ Erziehungs- und Bindungsstil führe zur Abhängigkeit des Kindes, verhindere Selbständigkeit, die Kinder wachsen unfrei und eher ungesund auf.
Die Autorin stellt dem Ideal der „perfekten Mutter“ die Alternative der „hinreichend guten Mutter“ nach Donald Winnicott gegenüber. Sie fordert dementsprechend die „intensive Mutterschaft“ durch eine „extensive Mutterschaft“ abzulösen. Diese erklärt sie genauer. Doch nicht nur auf privater Ebene müssen Änderungen vollzogen werden, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene. Hierzu gibt sie einige Ideen.
Mir erschienen die Darlegungen zwar manchmal etwas redundant, aber ich konnte mich in einigen Teilen durchaus wiederfinden sowie Beobachtungen bestätigen, so dass ich von einer guten Zustandsbeschreibung sprechen möchte.
Die Autorin benannte klar, dass sich die Situation bei Alleinerziehenden oder auch Familien in der „Unterschicht“ noch ein wenig anders darstelle, das hätte mich unbedingt genauer interessiert. Zudem wünschte ich mir eine etwas umfänglichere Beschreibung der Nachteile der „intensiven Mutterschaft“ für das Kind. (Sie verweist hierbei auf ein bereits früher veröffentlichtes Buch von ihr.) Auch der Einbezug von nichtwestlichen Kulturen hätte mich sehr interessiert, da hier die Rolle der Mutter nochmal ganz anders betrachtet wird, woraus man wichtige Erkenntnisse ableiten könnte.
Ihre Analyse hat mich in jedem Fall etwas wachgerüttelt, mir bestimmte Prozesse verstehbar gemacht, mich sehr zum Nachdenken angeregt und viele neue Fragen aufgeworfen. Dafür bin ich sehr dankbar..:)