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Der neue große Roman des spanischen Autors - ein psychologisches Kammerspiel über unser Erinnern und die Angst
Handwerker beaufsichtigen, die Wohnung einrichten, mit dem Hund die Stadt erkunden: Voller Vorfreude erwartet ein Mann die Ankunft seiner Frau in Lissabon. Während Cecilia, eine Forscherin, die Verlegung ihres wissenschaftlichen Projekts vorantreibt, organisiert er den Umzug. Das Paar, so erfahren wir aus seiner Schilderung, lässt ein Leben in New York hinter sich, das durch die Ereignisse des 11. September nachhaltig erschüttert wurde. Umso verheißungsvoller scheint die Zukunft in…mehr

Produktbeschreibung
Der neue große Roman des spanischen Autors - ein psychologisches Kammerspiel über unser Erinnern und die Angst

Handwerker beaufsichtigen, die Wohnung einrichten, mit dem Hund die Stadt erkunden: Voller Vorfreude erwartet ein Mann die Ankunft seiner Frau in Lissabon. Während Cecilia, eine Forscherin, die Verlegung ihres wissenschaftlichen Projekts vorantreibt, organisiert er den Umzug. Das Paar, so erfahren wir aus seiner Schilderung, lässt ein Leben in New York hinter sich, das durch die Ereignisse des 11. September nachhaltig erschüttert wurde. Umso verheißungsvoller scheint die Zukunft in einer hübschen Wohnung und einem ruhigen Viertel der südländischen Stadt. Doch je länger der Mann wartet und aus der gemeinsamen Vergangenheit erzählt, desto mehr drängt sich ein Verdacht auf, der seine friedlichen Routinen und die idyllische Ruhe in ein anderes Licht rückt. Mit »Tage ohne Cecilia« ist Antonio Muñoz Molina ein spannendes psychologisches Kammerspiel gelungen: Sein Roman zeigt eindringlich, wie Erinnerungen und Angst unser Erleben bestimmen - und wie unsere Realität bei näherer Betrachtung dem nicht standhält, was wir uns über unser Leben einreden.
Autorenporträt
Antonio Muñoz Molina, 1956 im andalusischen Úbeda geboren, zählt zu den wichtigsten Gegenwartsautoren Spaniens und hat mehr als ein Dutzend Romane veröffentlicht, darunter »Die Augen eines Mörders« (1997), »Die Nacht der Erinnerungen« (2011), »Schwindende Schatten« (2019) und »Gehen allein unter Menschen« (2021). Sein belletristisches Werk wurde vielfach ausgezeichnet, so gleich zwei Mal mit dem spanischen Staatspreis für Literatur. 1995 wurde er in die Königlich Spanische Akademie für Sprache und Dichtung aufgenommen, 2019 ins Präsidium des Museo del Prado. Muñoz Molina lebt in Madrid und Lissabon.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Antonio Muñoz Molinas neuer Roman ist nur auf den ersten Blick die Geschichte einer scheiternden Beziehung. Eigentlich geht es um viel mehr, denkt Rezensentin Insa Wilke, nämlich um Zeitbewusstsein, Zukunft(slosigkeit), Erkenntnis und Bewusstsein. Das mag zunächst seltsam anmuten, räumt die Rezensentin ein, bisweilen ist es auch ein wenig verwirrend, etwa, wenn plötzlich die Funktionsweisen des menschlichen Gehirns ins Feld geführt werden, aber dennoch hält sie "Tage ohne Cecilia" für eine gelungene und vielschichtige Gegenwartsdiagnostik, die zahlreiche Verbindungen und Anknüpfungspunkte zu aktuellen Diskursen ermöglicht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.10.2022

Die Zukunft ist verdächtig
Reich an Wissen, arm an Erfahrung: Der spanische Schriftsteller
Antonio Muñoz Molina macht sich Sorgen um die Menschheit
Dies ist keine Liebesgeschichte. Sie tut nur so: Ein Mann wartet in der neuen Wohnung auf die Ankunft seiner Frau. Er ist nach Lissabon vorausgereist und errichtet ihr den Tempel seiner Liebe, indem er alles exakt der alten Stätte des gemeinsamen Glücks in New York nachbildet. Aber die Frau kommt nicht.
Was den Plot eines Psychothrillers von Joy Fielding ankündigen könnte, inszeniert Antonio Muñoz Molina in seinem Roman „Tage ohne Cecilia“ vordergründig als melancholisches Beziehungsdrama aus einer einzigen Perspektive. Das Drama der Geschichte, die Willi Zurbrüggen mit feinem Sinn für ihre Tonabstufungen übersetzt hat, vermittelt sich indirekt: Während der Erzähler seiner Beziehung die Bühne baut, setzt Muñoz Molina von Beginn an Zeichen, die den Monolog der Figur untergraben. Schon mit dem ersten Satz beschwört Bruno, obwohl er sich doch ein Idyll ausmalt, die Apokalypse: „Ich habe mich in dieser Stadt niedergelassen, um dort auf das Ende der Welt zu warten.“ Die feinen Störsignale bemerkt man erst im Laufe der Lektüre. Zum Beispiel das Spiel mit den Zeitformen. Die Zukunft gibt es in diesem Roman nur in einer verdächtigen Retrospektive: „Es wird dunkel werden, wir werden unser Abendessen beendet haben und uns satt und zufrieden im Licht, das aus der Küche fällt, unterhalten, als säßen wir bei einem letzten oder vorletzten Glas Wein in einem sommerlichen Garten.“ Antonio Muñoz Molina, einer der Festredner für das Gastland Spanien bei der Buchmesse Frankfurt, hat in den 1980er-Jahren angefangen zu schreiben. Um zu verstehen, um was es in „Tage ohne Cecilia“ gehen könnte, muss man einen Blick ins Werk dieses Autors werfen, der selbst in New York gearbeitet hat und heute in Madrid und Lissabon lebt. Wo er herkommt, erzählt Muñoz Molina anrührend in seinem Roman „El viento de la Luna“ (2006). Er handelt von einem jungen Mann in einem andalusischen Dorf im Jahr der Mondmission „Apollo 11“ und davon, wie sich dieser Junge in die Zukunft träumt.
Im Gespräch erzählte Muñoz Molina einmal von der Zäsur, die diese Zeit für Spanien bedeutet hat, als Franco Anfang der Sechzigerjahre das geschlossene Wirtschaftssystem öffnete: „Das Paradox meiner Generation ist, dass wir Erinnerungen haben, die älter zu sein scheinen als wir selbst. Ich erinnere mich an den ersten ausländischen Touristen, den ich gesehen habe. Der erste Erwachsene in kurzen Hosen!“ 1956 geboren, wuchs er im ländlichen Teil Andalusiens auf. Man habe damals dort wie im 19. Jahrhundert gearbeitet: „Besonders die Menschen meiner sozialen Klasse und meiner Generation wurden in einer Welt geboren, die es nicht mehr gibt.“ Der Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg sei schwierig gewesen, so Molina: „Wenn man jetzt sieht, wie heutzutage auf das, was damals aufgebaut wurde, herabgesehen wird, gefriert mir das Blut in den Adern. Wir kommen aus der Katastrophe. Stellen Sie sich das vor!“
Was hat das alles mit „Tage ohne Cecilia“ zu tun, dem Roman, der im geschichtslosen Raum eines einzigen Bewusstseins spielt, das womöglich dement wird, vielleicht aber auch nur vor dem Terror, dem Lärm, der Rücksichtslosigkeit des 21. Jahrhunderts kapituliert? Merkwürdig, dass ein Autor wie Muñoz Molina eine solche Leere, eine so geschichtsvergessene Figur entwirft, wie in seinem aktuellen Roman. Dabei verweist sein Erzähler Bruno ständig auf historische Ereignisse, aber seltsam pointillistisch im Vergleich zu den genauen historischen Panoramen früherer Romane.
Für Bruno und Cecilia lässt das Trauma „9/11“ das „fragile Räderwerk der Normalität“ zusammenbrechen. In Lissabon will Bruno es wieder in Gang setzen, als wäre nichts gewesen. Sein Autor scheint sich für den Mechanismus des menschlichen Gehirns zu interessieren, der die Eingemeindung des Extremen ins Alltägliche und also auch die Dissonanz des Romans ermöglicht: „Das Erkennen ist sehr viel schneller als das Bewusstsein, sagt Cecilia“, erinnert sich Bruno im Präsens. Ein Gedanke, wie ihn etwa Roger Willemsen 2015 über eine Menschheit formuliert hat, die reich an Wissen, aber mager an Erfahrung sei: „So gingen wir, nicht aufgehalten von uns selbst“, sagte Willemsen. Wer also hindert bei Muñoz Molina das Bewusstsein am Werden? Neuronen, sagt Cecilia, seien wie die Pilzgemeinschaften der Bäume, im Gehirn gebe es ein ständiges Gemurmel. Vor allem Angst bleibe in den Neuronenverbindungen gegenwärtig. Und Angst blockiert. Wie diese Verbindungen der Angst aufzulösen seien, erforscht sie. Besonders das Militär interessiert sich dafür. Was Bruno eher interessiert: Die Amygdala, das Angstzentrum im Gehirn, aktiviere für Erinnerung und Vorstellung dieselben Synapsen.
In diesem Roman spricht ein Mann, dem „das Eis der Wirklichkeit zu dünn“ geworden ist, der keine Angst verspürt, sich nicht erinnern will und keine Zukunft hat, weil er nur für die Zukunft lebt, die, so Cecilia, nur rückwärtsgerichtet vorstellbar ist. Brunos Unvernunft wird zum Gegenpol einer furchterregenden Rationalität, die noch etwas anderes sein muss als das Bewusstsein, um das es Muñoz Molina geht: Cecilia steht für die rationale Sprache der Wissenschaft. Bruno erzählt: „Sie sagt, in der Literatur gefällt ihr Darwins Prosa am besten und in der Kunst die Neuronenzeichnungen von Ramón y Cajal.“ Genau hier findet sich der Link zum bisherigen Werk des ästhetisch eher unscheinbar und gesellschaftsanalytisch so vielschichtig erzählenden Autors Muñoz Molina.
Santiago Ramón y Cajal war nicht nur Neurowissenschaftler und 1906 der erste Nobelpreisträger Spaniens. 1910 gründete er die „Residencia des Estudiantes“ mit, um in Spanien eine Entwicklung durch den Austausch von Wissen möglich zu machen. „Dieser Ort ist das Herz der bestmöglichen Vision unseres Landes“, sagt Muñoz Molina, dessen Roman „Nacht der Erinnerung“ von 2009 dort beginnt. Eine „Elegie auf die Zukunft“ nannte den eine Kritik, und Bruno aus dem neuen Roman ist nun die Verkörperung dieser Elegie in verdrehter Form: hängen geblieben, als habe man ihm die Amygdala entfernt. Ist es das, woran die Gegenwart laboriert?
Man bedenke, dass Antonio Muñoz Molina diesen Roman vor 2019, also vor Pandemie, Ukraine-Krieg und „Fridays for Future“ geschrieben hat. Man könnte ihn für einen Nostalgiker halten. Jemanden, der sich vor dem Lärm der Welt in eine retrospektive Ästhetik flüchtet. Er selbst sagt, Nostalgie sei immer eine Lüge. Anders als Marx, Hegel und das Christentum behaupten, habe Geschichte keine Richtung: „Die Geschichte ist nicht unbeeinflussbar. Das ist das Herz meines literarischen Bewusstseins und meiner politischen Weltsicht.“
Vielleicht also plädiert „Tage ohne Cecilia“ dafür, die Positionen von Cecilia und Bruno zu vereinen, wie auch immer das vorstellbar sein mag. Denn keine der beiden Figuren taugt als Vorbild, beider Geisteshaltung führen in eine Sackgasse, will man sich die Zukunft anders als destruktiv, einsam und schrecklich vorstellen. Was Bruno über eine der Krisen mit Cecilia sagt, lässt sich kaum anders als Prognose für die heutige Weltlage lesen: „Die unsichtbaren Mauern hatten wir selbst errichtet. Wir spürten instinktiv, dass wir uns ebenso leicht retten wie einander verlieren konnten, dass der Aufwand, mit dem wir unser stilles Elend betrieben, genauso gut fürs Glücklichsein eingesetzt werden konnte.“
Klingt nach Binsenweisheiten und ästhetisch finden andere, jüngere Autorinnen und Autoren gerade neue Wege, auf unsere Zeit zu antworten. Aber es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass Antonio Muñoz Molina mit „Tage ohne Cecilia“ die zeit- und gesellschaftskritischen Gedanken seiner Generation in eine Erzählung gebracht hat, die an kein Ende führt und also das tut, was Santiago Ramón y Cajal wichtig war: Verbindungen und Funktionsweisen aufzuzeigen, um ganz klassisch der Erkenntnis das Bewusstsein folgen zu lassen.
INSA WILKE
Man könnte ihn für einen
Nostalgiker halten. Er selbst sagt,
Nostalgie sei immer eine Lüge.
Antonio Muñoz Molina wuchs im ländlichen Andalusien auf, einer Welt, „die es nicht mehr gibt“.
Foto:imago images/Lagencia 
Antonio Muñoz Molina: Tage ohne Cecilia.
Roman. Aus dem
Spanischen von
Willi Zurbrüggen.
Penguin, München 2022. 266 Seiten, 25 Euro.
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»Ein Roman, so melancholisch wie witzig, am Puls der Gegenwart und doch ganz zeitlos, existenziell und berührend.« Deutschlandfunk "Büchermarkt", Dirk Fuhrig