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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Country-Ikone Dolly Parton hat ihren ersten Roman mit Thriller-Autor James Patterson veröffentlicht. Er kann gar nicht schlecht sein
Wenn Dolly Parton einen Roman schreibt, schreibt sie natürlich keinen Roman. Wenn Dolly Parton einen Roman schreibt, setzt sie ein glitzerndes Räderwerk an großer Unterhaltung und besten Gefühlen in Bewegung. Aber noch mal von vorn: Wenn Dolly Parton ihren Roman „Run, Rose, Run“ vorlegt, hat den eigentlich James Patterson geschrieben, Bestsellermaschine mit mehreren Millionen verkaufter Bücher und ähnlich vielen Dollar auf dem Konto. Co-Autorin Dolly Parton bringt gleichzeitig ein Album mit neuen Songs heraus, die von der Story inspiriert sein sollen (oder umgekehrt) und deren Texte hinten im Buch abgedruckt sind. Dolly Parton hat die Filmrechte zum Roman längst verkauft an die Produktionsfirma von Reese Witherspoon und wird in der geplanten Verfilmung selbstverständlich selbst mitspielen. Gut möglich, dass genau in diesem Moment bereits die Musicalversion des Romans einstudiert wird in „Dollywood“, Dolly Partons ganz eigenem Vergnügungspark in Knoxville, Tennessee.
Country-Star Dolly Parton, 76, ist längst eine eigene Unterhaltungsklasse, nicht nur, aber vor allem in den USA. Sie mit anderen Künstlern zu vergleichen, muss man gar nicht erst versuchen. Sie singt und komponiert nicht nur, sie sagt auch das Richtige zur richtigen Zeit, sie ist selbstironisch, setzt sich für die Rechte von queeren Menschen ein, hat eine Million Dollar in die Corona-Impfstoffforschung gespendet und macht neuerdings auch Tiktok-Videos, in denen sie Backmischungen präsentiert oder von einem TV-Moderator gefragt wird: „Dolly, wie lang dauert es, deine Haare zu machen?“ und sie, lachend: „Keine Ahnung, da bin ich ja nie dabei“, in Anspielung auf ihre Perücke. Gerade hat Dolly Parton ein paar Lieder auf der Silvesterparty ihrer Patentochter Miley Cyrus performt. Parton, geradezu altersloser Sopran, hautenges Outfit, singt: „I will always love you“. Und die Leute rasten aus. Deutschen zu vermitteln, dass es die Summe aus alldem ist, die Dolly Parton so überirdisch beliebt macht, ist eher schwierig. Deutsche sind ja misstrauisch gegenüber allem, was glitzert und pompös ist. Dieses Misstrauen muss man einfach mit dem Argument stummschalten, dass Dolly Parton nicht weniger als einen der größten Songs des 20. Jahrhunderts geschrieben hat: „Jolene“. So kann Dolly Partons Romandebüt „Run, Rose, Run – Eine Nacht in Nashville“ also gar kein schlechtes Buch sein. Egal, wie schlecht das Buch ist.
Jetzt ist es auf Deutsch erschienen bei Blanvalet. Parton und Patterson erzählen darin die Geschichte der Country-Musikerin AnnieLee Keyes, einer jungen Frau mit zerrissenen Jeans, lockerer Zunge und dem Herz am rechten Fleck, um mal im Sound des Buches zu bleiben. AnnieLee marschiert eines Tages in den „Cat’s Paw Saloon“ in Nashville, Tennessee (wo sonst), ohne einen Cent in der Tasche. Kleine Frau, große Träume. „Ich beherrsche meine Akkorde“, sagt sie bei ihrem ersten Auftritt dort, „und genau die scheint ihr gerade zu brauchen – einfach nur drei Akkorde und die Wahrheit.“ Sie singt, „als hinge ihr Leben davon ab: Is it easy? No it ain’t. Can I fix it? No, I cain’t. But I sure ain’t gonna take it lyin’ down“.
So ist es nur konsequent, dass Ruthanna Ryder, ortsansässige Country-Ikone im Ruhestand, das junge Talent fördert. Bald stehen der Plattendeal und eine kleine Tour. Die Leute lieben AnnieLee, eine Journalistin schreibt, sie hätte „den Blick einer Heiligen und die Stimme eines Engels“. Wenn da nur nicht AnnieLees finstere Vergangenheit wäre – schließlich ist Patterson als Thriller-Autor bekannt.
Der 500 Seiten schwere Roman selbst schnurrt wie ein perfekt durchproduzierter Country-Song, ohne jegliche Überraschung, dafür aber voller Herzschmerz, Augenzwinkern und kecker Sprüche „starker Frauen“, die Knarren mit sich herumtragen und ständig ihren „Mann stehen“ – „Woman up and take it like a man“, singt Dolly Parton. Die Männer sind Machos oder, meist, Kerle, die wissen, dass man Frauen beschützen muss. Bisweilen kommt Übersetzerin Leena Flegler gar nicht hinterher, das alles ins Deutsche zu übertragen, weil es diesen rotzigen „Darling“-Sound hier ebenso wenig gibt wie eine Dolly Parton.
„Ich will wirklich nicht so tun, als wäre ich ein Big-City-Girl“, sagt AnnieLee zu einem arroganten Plattenboss, „aber Sie dürfen gern aufhören, mit mir zu sprechen, als wäre ich strohdumm. Auch ich rede gern Klartext – und bin hier, um Ihnen zu erzählen, dass Ihnen in diesem Moment eine gottverdammte Goldmine gegenübersitzt.“ Damn, da hat der Plattenboss natürlich keine Gegenargumente.
Was man dem Roman vorwerfen kann, ist klar: stereotype Figuren und Klischees, eine mediokre Geschichte nach Schema F zusammengezimmert, viel zu viele Worte in schnoddriger Sprache und ein thrillerartiger Twist, der so richtig nicht zünden will. Nur darum geht es bei Dolly Parton ja gar nicht.
Ein paar Monate lang hätten Dolly Parton und James Patterson Gedanken zum Roman ausgetauscht und sich Notizen hin- und hergeschickt, die Zusammenarbeit sei wunderbar gewesen. Zwei beinharte Geschäftsleute, zwei „Storyteller“, wie Patterson in der New York Times erklärte. Dolly Parton hat sich dann selbst ins Buch mit reingeschrieben, als Country-Ikone Ruthanna Ryder, die sie in der Verfilmung auch spielen wird. Doch auch die Geschichte von der blutjungen Country-Sängerin, die „es schaffen“ will, ist ja ihre eigene.
Aufgewachsen ist sie als eines von zwölf Kindern in den Smoky Mountains in Tennessee. Die wilde Natur, das kleine Häuschen, die erste Gitarre. Das Mädchen, das sich aufmachte, die Country-Welt zu erobern, und sich nichts von Männern sagen lassen wollte, Parton erzählt das immer wieder. Eine Nachbildung des kleinen Häuschens kann man in „Dollywood“ besuchen. (Nachzuhören ist Dolly Partons Lebensgeschichte sehr schön in dem Podcast „Dolly Parton’s America“.) So funktionieren auch „Run, Rose, Run“ und das dazugehörige Album perfekt in Dolly Partons glitzernder Unterhaltungsmaschinerie. Der Mythos lebt, die Frau ist eine gottverdammte Goldmine.
CHRISTIANE LUTZ
Mit „Jolene“ hat Dolly Parton
einen der besten Songs
des 20. Jahrhunderts geschrieben
Sie pflegt den eigenen Mythos
vom mittellosen Country-Girl
aus den Tennessee Mountains
Dolly Parton und Bestsellerautor James Patterson begeistern beide Millionen – er mit Thrillern, sie mit Dolly Parton.
Foto: JB Rowland / Courtesy of Butterfly Records
Dolly Parton, James Patterson: „Run, Rose, Run: Eine Nacht in
Nashville.“ München, Blanvalet 2022.
528 Seiten, 18 Euro.
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