Der "Jack the Ripper" von Schönbrunn
Ehe man es sich versieht, fühlt man sich in das Österreich des 19. Jahrhunderts zurückversetzt mit seinem Gaslaternen, den Fiakern, den Kaffeehäusern und der Wiener Schmäh‘ ist auf jeder Seite zu spüren, auch geizt die Autorin nicht mit Anekdoten und
Wissenswertes rund um die Stadt Wien. Man hat praktisch sofort die prächtigen Roben der Damen, die…mehrDer "Jack the Ripper" von Schönbrunn
Ehe man es sich versieht, fühlt man sich in das Österreich des 19. Jahrhunderts zurückversetzt mit seinem Gaslaternen, den Fiakern, den Kaffeehäusern und der Wiener Schmäh‘ ist auf jeder Seite zu spüren, auch geizt die Autorin nicht mit Anekdoten und Wissenswertes rund um die Stadt Wien. Man hat praktisch sofort die prächtigen Roben der Damen, die glamourösen Salons und die pompösen Villen und Schlösser Wiens vor Augen, aber Edith Kneifl führt ihre Leser auch in die ärmeren Stadtteile von Wien. So abwechslungsreich das Leben in Wien ist, so unterschiedlich und facettenreich sind auch die Mitwirkenden des Krimis.
Mit tatkräftiger Unterstützung seiner Tante Vera und deren Patentochter Dorothea ermittelt Gustav fortan in den aristokratischen Kreisen Wiens nach dem Mörder, der seinem Morden kein Ende zu setzen scheint. Und immer wieder fallen ihm Frauen zum Opfer, die eine frappierende Ähnlichkeit mit der jungen Kaiserin aufweisen. Edith Kneifl gibt ihren Lesern kaum Anhaltspunkte an die Hand bezüglich der Identität des Täters. Klar ist eigentlich nur, dass der Täter dem Hochadel angehören muss bzw. in diesen Kreisen verkehrt. Und so dauert es auch fast bis zum Ende des Historischen Krimis, bevor man eine Ahnung in Bezug auf den Mörder erhält.
Aber der Schwerpunkt der Geschichte liegt nicht auf der Ermittlungsarbeit von Gustav. Fast mehr Wert legt die Autorin darauf, einem das Privatleben und das gesellschaftliche Umfeld ihres Protagonisten näher zu bringen. Hierdurch lernt man einen Mann kennen, der sich gewandt in den Kreisen der Aristokratie bewegt und ein eher schwieriges Verhältnis zu seinem Vater Baron von Bethany pflegt, obwohl dieser verstärkt Kontakt zu seinem unehelichen Sohn sucht. Sein schwacher Magen kommt ihm gerade bei den Tatortbesichtigungen nicht zugute und zudem ist Gustav sich noch nicht ganz schlüssig darüber, welche Gefühle er nun gegenüber der rebellischen Dorothea hegt, die wahrlich ohne Rücksicht auf Etikette frei ihre Meinung äußert. Deren Traum ist es, Medizin zu studieren, doch dies wird ihr in Wien verwehrt, nun wartet sie ungeduldig auf die Aufnahme an einer Universität in der Schweiz. Hinzu kommt noch die nicht minder resolute und modern denkende Tante von Gustav, welche sich für die Frauenrechte stark macht und von Gustav sehr geschätzt wird.
Der Sprachstil der Autorin ist dem ausgehenden 19. Jahrhundert angepasst, immer wieder durchsetzt mit Wiener-Begrifflichkeiten. Dies, wie auch der bildhafte Erzählstil sorgt für eine atmosphärische Dichte, wodurch man gerne darüber hinwegsieht, dass der Krimi sich lange Zeit wenig spannend entwickelt. Dafür aber äußerst amüsant, unterhaltsam, kurzweilig und informativ. Edith Kneifl vermittelt sehr gut die dekadente, herablassende Lebensart der österreichischen Aristokratie, die sich ihrem Monarchen entsprechend zumeist gegen jegliche Moderne ausspricht. Wogegen gerade Tante Vera und Dorothea Palme immer wieder nur zu gerne rebellieren.
Fazit: Ein faszinierender wie unterhaltsamer Einblick in die aristokratischen Kreise Wiens des ausgehenden 19. Jahrhunderts, gewürzt mit einer Prise Spannung und einer äußerst interessanten wie komplexen Handlung.