Pathetisch
Die Presse bezeichnet ihn als "das Krokodil", den Serienmörder, der in Neapel junge Menschen aus nächster Nähe erschießt und am Tatort benutzte Taschentücher zurücklässt. Der Täter tarnt sich offensichtlich mit seiner Durchschnittlichkeit; niemand hat ihn an den Tatorten beobachten
können. Die Polizei tappt bei der Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen den jungen Opfern zunächst im…mehrPathetisch
Die Presse bezeichnet ihn als "das Krokodil", den Serienmörder, der in Neapel junge Menschen aus nächster Nähe erschießt und am Tatort benutzte Taschentücher zurücklässt. Der Täter tarnt sich offensichtlich mit seiner Durchschnittlichkeit; niemand hat ihn an den Tatorten beobachten können. Die Polizei tappt bei der Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen den jungen Opfern zunächst im Dunkeln; denn die Jugendlichen lebten in verschiedenen Stadtvierteln und unterschiedlichen sozialen Verhältnissen. Lojacono, der einzige Ermittler, dem zu dem sonderbaren Fall etwas einfällt und der selbst Vater einer Tochter im Teenageralter ist, muss seinen Arbeitstag mit dem Legen von Patiencen vertrödeln, kaltgestellt wegen eines nicht bewiesenen Dienstvergehens. Der gemeinsame Nenner der Taten ist ganz offensichtlich das Elternsein. Die junge Staatsanwältin Laura Piras untersucht, was den Mörder mit dieser Eigenschaft verbinden oder ihn davon unterscheiden könnte und befreit Lojacono aus seiner erzwungenen Untätigkeit. Maurizio de Giovanni lässt eine Vielzahl von Personen auftreten, von denen zunächst völlig unklar ist, welche Beziehung zwischen ihnen besteht. Durch die teils altertümlich verschnörkelte Sprache könnte man sogar auf die Idee kommen, dass die Figuren in verschiedenen Epochen gelebt haben. Eingeschoben zwischen die sehr kurzen Kapitel werden Briefe des Täters an eine geliebte Frau. Der Zusammenhang zwischen den Taten ist zwar schon frühzeitig zu ahnen, aber bis zur Auflösung des Falles müssen in Neapel bei den Ermittlungen erst einige Hindernisse überwunden werden.
Herausragende atmosphärische Schilderungen bietet der Krimi nicht, der Schauplatz im Einflussgebiet der Camorra wirkte auf mich beliebig austauschbar. Die Darstellung der Figuren fällt unterschiedlich aus, sehr sympathisch und glaubwürdig fand ich Laetizia, Inhaberin einer Trattoria, und die couragierte Staatsanwältin. Die das Handeln der Figuren steuernden Wertvorstellungen erinnern eher an die 50er und 60er Jahre als an die Zeit zwischen 1990 und 2010, in der die Handlung spielt. Selbst als Person mit großer Sympathie für kleine Kinder finde ich das süßliche Pathos schwer erträglich, mit dem hier ein 1958 geborener Mann über das Muttersein schreibt.