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Mit "Häuser, komplett aus Licht" legt Martina Weber ihren zweiten Gedichtband vor. Ihre Dichtung ist weltbewusst und lebenserfahren und bezieht auf vielschichtige Weise persönliches Erleben ein. Da, wo fast nichts mehr geschieht und wo fast nichts mehr gesprochen wird, wo behutsam Möglichkeiten des Daseins ertastet werden, ist diese Poesie angesiedelt, schrieb der Kritiker Michael Braun. Sie beherrscht die Kunst, mit leiser Stimme zu sprechen und ein poetisches Geflecht aus feinsten Beobachtungen und kunstvollen Verschiebungen zu entwerfen und uns damit in den Bann zu ziehen. Das Licht…mehr

Produktbeschreibung
Mit "Häuser, komplett aus Licht" legt Martina Weber ihren zweiten Gedichtband vor. Ihre Dichtung ist weltbewusst und lebenserfahren und bezieht auf vielschichtige Weise persönliches Erleben ein. Da, wo fast nichts mehr geschieht und wo fast nichts mehr gesprochen wird, wo behutsam Möglichkeiten des Daseins ertastet werden, ist diese Poesie angesiedelt, schrieb der Kritiker Michael Braun. Sie beherrscht die Kunst, mit leiser Stimme zu sprechen und ein poetisches Geflecht aus feinsten Beobachtungen und kunstvollen Verschiebungen zu entwerfen und uns damit in den Bann zu ziehen. Das Licht durchzieht bei alledem leitmotivisch ihre Gedichte, sei es als kosmisches oder künstliches Licht oder metaphorisch als streunendes und letztlich immer nur geliehenes Licht.
Autorenporträt
Martina Weber, 1966 in Mannheim geboren, lebt in Frankfurt am Main. Lyrikerin, wissenschaftliche Autorin (als Juristin), Übersetzerin, Fachjournalistin und Bloggerin auf manafonistas.de. Seit dem Jahr 2005 leitet sie die Textwerkstatt II in dem von Kurt Drawert gegründeten Zentrum für junge Literatur in Darmstadt. "Häuser, komplett aus Licht" ist ihr zweiter Gedichtband nach ihrem Debüt "erinnerungen an einen rohstoff" (poetenladen Verlag 2013).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.03.2020

Schönheit ist eine Frage des Lichts
Und dichten heißt Assoziationskreise ziehen: Martina Webers Lyrik verliert geregelt die Kontrolle

Nach "erinnerungen an einen rohstoff" von 2013 bringt Martina Weber mit "Häuser, komplett aus Licht" ihren zweiten Gedichtband heraus, ebenso konzentriert wie der erste und in fünf Kapitel geordnet, die gut aufeinander abgestimmt sind. Liest man die Teilüberschriften wie eine Geschichte, dann ergibt sich eine Lineatur des Sehens vom Symbolischen ("Essay über eine Verschiebung") über das Reale ("Ich will nichts, was mich hält") zum Imaginären ("Mit der Vorstellung eines Meeres im Hintergrund"), die in einem einzigen Satz zum psychopolitischen Drama kollidiert: "Ich wusste nicht mehr, was ausgedacht und was Wirklichkeit war". Der Blick wird zur unendlichen Täuschung und lässt das Subjekt des Sehens ratlos zurück: "Was in meinem Gehirn gehört mir?"

Die Gedichte, die ihre lyrische Kohärenz erst in der Serie einlösen, im Kontext der Nachbarschaftsmotive und semantischen Verschiebung, kreisen um diesen einen zentralen Punkt einer Selbstvergewisserung. Sie sind der fortwährende Versuch, hinter einer Vielzahl von Spiegelbildern das Original herauszulösen, das erste und mit sich selbst identische Bild. Aber es bleibt unwiederbringlich von Dubletten umstellt, die es zugedeckt halten, und damit findet das Subjekt auch keinen Ort der Repräsentanz. Allenfalls "gelingt zu filmen, was nicht existiert", aber das ist schon mehr Wahnsystem als Wirklichkeit und Welterkenntnis. In diesem Möbiusband der Ungewissheiten, das Innen- und Außenseite, reale und vorgestellte Welt, Bild und Abbild mit- und gegeneinander verschiebt, wird Licht zu einem zentralen Topos der Lyrik. Denn um sehen zu können, müssen die Dinge angestrahlt werden, brauchen sie Licht, von dem es schon in einem früheren Gedicht einmal hieß: "Schönheit ist eine Frage des Lichts". Allerdings hat sich die Konnotation des Begriffes verschoben - Licht verzerrt mehr, als es aufdeckt, scheint nicht an, sondern hindurch, es wird, in seiner Überbetonung, selbst zum Objekt und damit zu einem Instrument der Arroganz, über die Dinge zu herrschen. Die Metapher des Lichts, die für Erkenntnis und Transparenz stand, wird zu einem Dispositiv - grell, scharf und fordernd - , so wie auch rationale Vernunft dem Leben schaden und es auslöschen kann.

Im Titel des Bandes ist diese Intention schon erkennbar: Die Fatalität der Geheimnislosigkeit durch "Überbelichtung". Angezeigt wird diese Bedeutungsumkehr im kleinen Wort "komplett", das natürlich komplett unsinnig ist, denn mehr als Licht kann Licht niemals werden. Aber hinter dieser rhetorischen Figur steht ein System, dessen interne Steigerungslogik genauso absurd ist. Die Grafik des Umschlags hat das großartig erfasst: ein grelles gelbgrünes Raster, das so dicht gewebt ist, als wolle es "komplett" nur aus Licht sein, aber eben gerade dadurch auf die Zonen der Dunkelheit hinweist, die sich ins Unendliche dehnen. Mit jeder Erkenntnis, so könnten wir das Bild übersetzen, nimmt das Unerkennbare zu. In diese Matrix von Hell und Dunkel, Bild und Abbild, Wissen und Blindheit sind die Gedichte gestellt, immer auch mit dem Gegenteil dessen beschäftigt, was sie gerade ausgesagt haben und notorisch sich selbst widersprechend: "Glaubst du an das, was du siehst, oder an das, was du nicht siehst?"

Einmal heißt es: "Ich glaube alles, was du mir sagst", dann wieder: "Ich will alle Bilder vergessen". Eben noch waren wir an einem Ort, schon ist der Ort eine Fotografie. Ein realer Fluss wird plötzlich "von unten beleuchtet. / Schaltkreis, Holographie". - "Nichts ist logisch, aber alles dreht sich in einem Kreis, der / kein Kreis ist." Das lyrische Ich, das hier spricht, hat keinen Boden unter den Füßen, keine Achse des Blicks, die stabil ist - es spricht von irgendwoher, wie eine Stimme im Netz. Wo es sich territorial verortet, wächst gleich der Verdacht, dass die Wirklichkeit nur eingebildet ist. - "Manchmal spielt sich alles nur an einer Stelle ab. Da ist das Haus, das ist der Gehweg, und hier die Laterne. Der Atem über frisch gefallenen Schnee." So konkret beginnt ein Gedicht, das im französischen St-Mihiel entstanden ist, wo die Autorin ein Stipendium hatte. Am Ende aber ist alles wieder nur fiktional, denn: " da waren gar keine Menschen, man hätte stolz den Hals des Hundes gestreichelt, aber da war gar kein Hals, und da war auch kein Hund, und niemals fiel eine Nacht lang Schnee." Das erinnert an Beckett: "Dann ging ich in das Haus zurück und schrieb: ,Es ist Mitternacht. Der Regen peitscht gegen die Scheiben.' Es war nicht Mitternacht. Es regnete nicht." Aber was hier poetisches Bekenntnis ist - nämlich falsch zu erinnern, um die Wahrheit zu sagen -, ist bei Weber Irritation und Orientierungslosigkeit. Nicht im Sinne geistiger Verwirrtheit, sondern in einem Kraftfeld der Gegensätze, das sich aus den Interferenzen von realer und irrealer Welt produziert. Die Grenzmarkierungen dieses Feldes sind "das Bild" und "das Licht". In schier unendlicher Variation erleben wir Licht: als "Schwarzlicht", "Brechung des Lichts", "überflutetes Licht", "Doppelbelichtung", "Neonsplitter", "leuchtende Punkte", "Leuchtschilder" und vieles mehr. Ebenso die Assoziationskreise, die um das Grundwort "Bild" gelegt sind: "verwischte Bilder", "Röntgenbilder", "die Kamera rückt so nah, dass das Bild immer unschärfer wird". Auf die Referenzwörter "Licht" und "Bild" strebt alles zu, von ihnen strahlt alles ab, sie sind der Text hinter den Texten, ihre tiefere Substanz, Offenbarung und Rätsel zugleich.

Bemerkenswert an dieser Lyrik nun ist, dass sie gerade dort, wo sie kontrolliert erscheint, kühl, streng und durchdacht, ihre Kontrolle verliert und von einem Außen kommt, das unbewusst mitspricht. Das ist kein Mangel, sondern ein Überschuss, ein Mehr an Sprache und Erkenntnis. Isoliert man die Teile, dann geht man schnell in einem hermetischen Sprachlabor verloren; zieht man sie zu einem Ganzen zusammen, zu einem geschlossenen lyrischen System, entdeckt man ein Panorama der zersprungenen Welt, wie sie ist. Diese Gedichte belehren uns nicht - sie zeigen.

KURT DRAWERT

Martina Weber:

"Häuser, komplett aus Licht". Gedichte.

Poetenladen, Leipzig 2019. 81 S., br., 17,80 [Euro].

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