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"Unterkünfte über dem Abgrund" sind diese Gedichte, die zwischen Angst und Traum den schmalen Spalt der Hoffnung suchen. Dichtung wird zum Versprechen von Leben. Ulla Hahn bleibt unverwechselbar jenseits aller Moden und Programme.
Neben Momentaufnahmen funkensprühenden Jubels und verhaltener Melancholie stehen erzählende Gedichte und Balladen, die Lebensgeschichten in einem einzigen Bild gerinnen lassen und alle Muster dieses Genres auf den Kopf stellen.

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Produktbeschreibung
"Unterkünfte über dem Abgrund" sind diese Gedichte, die zwischen Angst und Traum den schmalen Spalt der Hoffnung suchen. Dichtung wird zum Versprechen von Leben. Ulla Hahn bleibt unverwechselbar jenseits aller Moden und Programme.

Neben Momentaufnahmen funkensprühenden Jubels und verhaltener Melancholie stehen erzählende Gedichte und Balladen, die Lebensgeschichten in einem einzigen Bild gerinnen lassen und alle Muster dieses Genres auf den Kopf stellen.
Autorenporträt
Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen Universitäten, anschließend als Literaturredakteurin bei Radio Bremen. Schon ihr erster Lyrikband, »Herz über Kopf« (1981), war ein großer Leser- und Kritikererfolg. Ihr lyrisches Werk wurde u. a. mit dem Leonce-und-Lena-Preis und dem Friedrich-Hölderlin-Preis ausgezeichnet. Für ihren Roman »Das verborgene Wort« (2001) erhielt sie den ersten Deutschen Bücherpreis. 2009 folgte der Bestseller »Aufbruch«, der zweite Teil des Epos, und auch Teil drei, »Spiel der Zeit« (2014), begeisterte Kritiker wie Leser. »Wir werden erwartet« (2017) bildet den Abschluss ihres autobiografischen Romanzyklus um das Arbeiterkind Hilla Palm. Zuletzt erschien 2021 ihr Gedichtband »stille trommeln« mit Gedichten aus 20 Jahren.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.1997

Schlaf mit dem Kopf auf dem Koffer
Tradition ist, was dableibt: Ulla Hahns neue Erkundungen der Moderne · Von Wulf Segebrecht

Was gibt's Neues von Ulla Hahn? Ganz so harmlos ist die Frage nicht. "Danke ich brauch keine neuen / Formen", hatte die Dichterin so selbstbewußt wie selbstironisch in ihrem schnell bekannt gewordenen Gedicht "Ars poetica" aus dem Band "Herz über Kopf" (1981) formuliert, um dann, im gleichen Gedicht, furios zu zeigen, daß der spielerische Umgang mit den "alten Normen", die sie intim kennt und souverän beherrscht, immer noch und immer wieder zu überraschenden Erneuerungen der Lyrik führen kann. Andererseits muß man wohl zu bedenken geben, daß allzuviel Neues in der Lyrik Ulla Hahns deren beliebte und bewährte Eigenart gefährden würde, und die beruht nun einmal auf der permanenten Gegenwärtigkeit des Alten, der Tradition.

In der aktualisierenden Variation, im ironischen Zitat, in der wiederholten Reflexion der Poesie auf sich selbst und in den erneuten Antworten auf längst gestellte Fragen sind solche Traditionsbeziehungen in Ulla Hahns Gedichten auch in ihrem neuen Gedichtband unmittelbar greifbar. Der Kenner darf es genießen, Anspielungen auf Nietzsche, Hofmannsthal, Rilke und Benn, auf Slogans und Redensarten, Werbesprüche, Bibelstellen und Operettenlieder zu dechiffrieren; er wird verwöhnt. Der Wiedererkennungseffekt macht einen erheblichen Teil der Wirkung der Gedichte Ulla Hahns aus. Aber es bleibt doch nicht dabei. Schritt für Schritt behutsam führt sie ihre Leser in die Ausweg- und Heimatlosigkeit der Moderne ein, die, als Zitat, zur Postmoderne wird. Schon das Gedicht, mit dem der Band einsetzt, ist symptomatisch dafür: Immer in fremden Häusern gewohnt und in Wörtern. Angst etwas könnte mir einmal ganz gehören Bloß keine Bilder aufhängen bloß keinen Herd um das Feuer Flüssig halten die Zeit und dazwischen Schlaf mit dem Kopf auf dem Koffer voller Lebnzerschmissn.

Brechts politisch begründetes Exil ("Schlag keinen Nagel in die Wand") wird hier zum Exempel einer gegenwärtigen ästhetischen Existenz. Unterwegs zu sein, sich zu entziehen, ist hier, kaum weniger pathetisch formuliert als bei Brecht, poetisches Programm, nicht politisches Schicksal. Und dementsprechend enthält auch der Koffer des Flüchtlings keine Lehren und Botschaften mehr (wie bei Brecht), sondern ruinöse Relikte eines Lebens, das sich einer zusammenhängenden Lesart nicht erschließen mag: "Lebnzerschmissn" - was immer dieses Wort über seine offensichtliche Destruktion hinaus zu bedeuten haben mag - ist der Kofferinhalt der postmodernen Exilantin.

Wehe denen aber, die es wagen, Ulla Hahns Wörter allzu kritisch unter die Lupe zu nehmen! Ihnen, ihren böswilligen Kritikern, hext sie unter Berufung auf Hofmannsthal ("Manche freilich") den Tod oder doch wenigstens einen exkrementalen Abgang an: "Daß sie dir deine Wörter im Mund umdrehn bis / dir die Zähne rausfallen daß sie dir / deine Wörter zerreißen bis du sie nur noch / auffegen kannst . . ." Mit immer unwirscher werdender Geste geht Ulla Hahn gegen jede Form der Instrumentalisierung ihrer Poesie vor. Sie kämpft tapfer und frech gegen die Bilder an, die man sich von ihr macht. Sie will sich weder als triviale Singsang-Poetin noch als weltanschaulich fixierte Emanzipierte mit sozialem Touch vereinnahmen lassen, und im Zuge dieses Abwehrkampfes gegen gängige Vorur- teile gelingt es ihr, die Zumutungen an ihre bisher treuen Leser erheblich zu steigern; diese müssen sich schon mit sehr ungewöhnlichen formalen und inhaltlichen Neuerungen, mit zynischen, bösartigen und rätselhaften Formulierungen arrangieren, wenn sie an "ihrer" Ulla Hahn festhalten wollen.

Neu ist es darüber hinaus, daß sie einen ganzen Abschnitt ihres neuen Gedichtbandes mit Balladen bestückt hat, vierzehn an der Zahl. Ausgerechnet Balladen! Ihnen traut man gewiß nicht von vornherein avantgardistische Innovationen zu, denn selbst dem modernisierten Bänkelsang, dem sogenannten Erzählgedicht und dem Polit-Song aus dem Repertoire der Liedersänger oder -macher haftet doch der ein wenig mottenkugelige Geruch des Althergebrachten an. Dieser ehrwürdigen Gattung gewinnt Ulla Hahn dadurch neue Aspekte ab, daß sie ihr Märchenelemente zuträgt, ihre Historizität mit Aktualität konfrontiert oder die herkömmlichen gattungstypischen erzählenden und ausschmückenden Partien radikal zurückschneidet oder ganz eliminiert, so daß beispielsweise aus der langen und bedeutungsreichen Lebens-, Verführungs- und Sterbensgeschichte der Kleopatra gerade zwei Zeilen übrigbleiben: Die "Ballade von Kleopatras Schlange" ist die kürzeste "Ballade", die ich kenne: "Eine schöne Seide Fühlt sich gut an Das / Sterbebrüstlein ist schon aufgedeckt."

Die neuen Gedichte von Ulla Hahn bieten den professionellen Lesern und den Lyrikliebhabern hinreichend Gelegenheit zu fröhlichen Wiederentdeckungen und zur irritierenden Befremdung. Sie sind provozierend und vertrauenerweckend zugleich. Was will man mehr!

Ulla Hahn: "Galileo und zwei Frauen". Gedichte. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1997. 108 S., br., 26,- DM.

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