Sierra Santiago verbringt die Ferien damit ein Kunstprojekt umzusetzen. An die Fassaden eines großen Turmes sprüht sie einen riesigen Drachen. Doch plötzlich fangen die vorhandenen Graffiti an zu weinen, bevor sie allmählich verblassen. Über ihren Großvater, der seit einem Schlaganfall eigentlich
nur noch verständnisloses Zeug vor sich hinbrabbelt, erfährt sie in einem klaren Moment, dass sie…mehrSierra Santiago verbringt die Ferien damit ein Kunstprojekt umzusetzen. An die Fassaden eines großen Turmes sprüht sie einen riesigen Drachen. Doch plötzlich fangen die vorhandenen Graffiti an zu weinen, bevor sie allmählich verblassen. Über ihren Großvater, der seit einem Schlaganfall eigentlich nur noch verständnisloses Zeug vor sich hinbrabbelt, erfährt sie in einem klaren Moment, dass sie einer Familie von "Shadowshapern" (Schattenbildnern) entstammt, die die Fähigkeit besitzt den Geist von Verstorbenen in die Bilder hineinfließen zu lassen und diese somit zum Leben erweckt. Ihr Großvater gibt ihr zu verstehen, dass er sehr dringend ist den Drachen fertig zu stellen, und dass sie sich dafür Hilfe eines Mitschülers holen soll, der ebenfalls Schattenbildner ist. Schon bald wird Sierra von unheimlichen Wesen verfolgt und gemeinsam mit Robbie, der die bei der Arbeit an ihrem Drachen unterstützt hat und sie in die Gemeinschaft der Schattenbildner eingeführt hat, versucht sie nicht nur ihr Leben zu retten, sondern den Geheimnissen dieses urbanen und magischen Totenkults auf die Spur zu kommen.
Die Idee hinter "Stadt der tanzenden Schatten" ist erfrischend und genial, trotzdem konnte Daniel José Older mich mit seinem Debüt nicht vollständig abholen.
Die Geschichte startet gleich zu Beginn sehr rasant mit den weinenden Graffiti und den geheimnisvollen Fragmenten, die sowohl bei Sierra als auch beim Leser Angst und Spannung schüren. Da die Geschichte aus Sierras Sicht erzählt wird, ist der Leser immer nur genauso schlau, was die Geheimnisse der Shadowshaper angeht wie sie, und nur nach und nach kommt man diesen auf die Spur, so dass man dank der anhaltenden Spannung und des flüssigen Schreibstils durch die bildhaften und kurzen Kapitel getrieben wird. Langeweile kommt an keiner Stelle auf, dennoch hätte ich mir manches Mal eine Atempause gewünscht, da die Schauplätze zwar zum Anfassen realistisch und detailliert geschildert werden, die Figuren aber recht oberflächlich und blass bleiben.
Außer Sierra, ihrer engsten Familie und Robbie, konnte ich ihre Freunde bis zum Ende kaum auseinanderhalten und habe die meisten Namen bereits kurz nach dem Lesen vergessen. Sierras Bruder Juan kommt bei weitem am authentischsten rüber, da der Autor ihm sein eigenes Hobby auf den Leib geschneidert hat, so singt Juan in einer Band und schreibt auch Songs und Texte, worunter einer ist, der Sierra gegen Ende des Buches auf die richtige Spur bringt, das Geheimnis um die Schattenbildner zu lösen.
Die Schauplätze Brooklyn und Coney Island werden jedoch sicher das Herz jedes New York Liebhabers höher schlagen lassen und das Manko der unzureichend ausgearbeiteten Figuren eher verzeihen können.
Die Passagen, in denen der Autor spanisches Vokabular verwendet, sind zwar sehr authentisch, leider stolpert man beim Lesen aber auch darüber, wenn man keine Kenntnisse in dieser Sprache besitzt, da die Bedeutung der eingesetzten Wörter weder als Fußnote noch in einem Glossar erklärt wird.
So fällt mir die Bewertung des Titels wirklich schwer, da viele Pluspunkte gleichzeitig einen Minuspunkt ergeben. Der rasante, durch die Erzählung treibende Stil sorgt für konstante Spannung, geht aber zu Lasten der Charaktere. Das verwendete Vokabular lässt Sierras puertorikanische Abstammung noch authentischer wirken, sorgt aber für Stolpersteine beim Lesen.
Insgesamt ist Older so ein Debüt gelungen, welches mit einer erfrischenden Idee punkten kann und eine stimmungsvolle, den Leser komplett vereinnahmende Atmosphäre erzeugt, nur in der Ausarbeitung der Charaktere hapert es noch, sowie den Leser an den richtigen Stellen "Atem holen" lassen, damit er eine Bindung zum Personal aufbauen und ab und an einen Moment innehalten kann, um die erlangten Informationen zu verarbeiten. Denn ich merke schon beim Schreiben: so schnell ich die Geschichte gelesen habe, so schnell werde ich den Inhalt auch vergessen.