Zauberhafte Quendelwelt
Die Quendel sind ein friedliches Völkchen kleiner Leute, die ein einfaches Leben in ländlicher Umgebung im Hügelland führen, keine großen Taten vollbringen und hauptsächlich an ihren Gärten, der Familie, gutem Essen und guter Nachbarschaft in ihren Dörfern interessiert
sind. In dieser Hinsicht erinnern sie ein wenig an die Hobbits, doch sie sind etwas ganz Eigenes. Das…mehrZauberhafte Quendelwelt
Die Quendel sind ein friedliches Völkchen kleiner Leute, die ein einfaches Leben in ländlicher Umgebung im Hügelland führen, keine großen Taten vollbringen und hauptsächlich an ihren Gärten, der Familie, gutem Essen und guter Nachbarschaft in ihren Dörfern interessiert sind. In dieser Hinsicht erinnern sie ein wenig an die Hobbits, doch sie sind etwas ganz Eigenes. Das größte Ereignis in ihren Dörfern ist das Maskenfest am Jahresende, mit dem sie dunkle Kräfte bannen und besänftigen, was aber leider in letzter Zeit mehr und mehr in Vergessenheit geraten ist.
Einer unter den Quendeln, Bullrich Schattenbart, hat ein besonderes Steckenpferd: er kartographiert das Hügelland. Die von ihm gezeichnete Karte ziert das Vorsatzblatt des Buches, und dient dem Leser im weiteren Verlauf der Geschichte zur Orientierung. Hier findet man alle Orte und Wege, die eine Rolle spielen werden.
Mitten im Hügelland befindet sich der Finster: ein bislang unerforschter, verwunschener und gefährlicher Wald. Eines Tages bricht Bullrich auf, um den Finster zu kartographieren, und als er abends nicht wieder zurück ist, folgen einige Freunde seiner Spur... Diese Wanderungen werden geruhsam, gründlich und akribisch beschrieben in einer Sprache, die ihresgleichen sucht und treffend, detailreich, sehr atmosphärisch und der Sprache von Märchen, Sagen oder der deutschen Romantik nachempfunden ist. Lange habe ich kein Buch mehr gelesen, in dem ein Autor eine mythisch-sagenhafte Atmosphäre sprachlich so präzise trifft. Sprache und Inhalt passen perfekt zusammen. Die Personen mit ihren Eigenheiten werden genau gezeichnet. Sagenelemente wie die Anderwelt, Wechselbälger, geisterhafte Wesen und die wilde Jagd werden gekonnt in die Handlung eingewoben. An den Kapitelanfängen gibt es passende Zitate aus Werken von Goethe, Eichendorff, Hoffmann und anderen.
Ganz allmählich nimmt die Handlung Fahrt auf, etwas Unheilvolles nähert sich. Der Leser folgt jedem Gedanken und jedem einzelnen Schritt Bullrichs und seiner Freunde, ohne dass es jemals langweilig wird. Gleichzeitig wird ein zweiter Handlungsstrang aufgebaut, der räumlich getrennt vom ersten sich ebenfalls schnell vom harmlosen Alltagsleben ins Schaurig-Unheimliche wendet (und natürlich teilweise in einem Sumpf spielt).
Man taucht in die Welt der Quendel ein, liest mit größter Spannung und ist doch ein wenig enttäuscht, wenn man am Ende des Buches angekommen ist und vieles ungeklärt bleibt. Die Handlung bricht praktisch mittendrin ab und ist alles andere als abgeschlossen, erwartete Zusammenhänge werden nicht hergestellt.
Wer detailreich ausgemalte phantastische Welten, eine bedächtig ausgearbeitete Handlung und ein leichtes Gruselgefühl mag, als Kind gerne Sagen und Märchen oder die Werke der deutschen Romantiker gelesen hat und mit Worten wie "Muhme" noch etwas anzufangen weiß, für den ist "Quendel" genau das richtige Buch.