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Gueret, Hauslehrer in einem verschlafenen französichen Provinznest, ist früh gealtert und vom Leben enttäuscht. Kraft zu einem Ausbruch hat er nicht. Von Anfang an scheint ihm auch die Leidenschaft, die ihn zu der hübschen Angele hinzieht, aussichtslos. Als er begreift, daß die 'Liebe' des Mädchens durchaus zu erlangen ist und daß zahlreiche Männer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, gerät er außer sich.

Produktbeschreibung
Gueret, Hauslehrer in einem verschlafenen französichen Provinznest, ist früh gealtert und vom Leben enttäuscht. Kraft zu einem Ausbruch hat er nicht. Von Anfang an scheint ihm auch die Leidenschaft, die ihn zu der hübschen Angele hinzieht, aussichtslos. Als er begreift, daß die 'Liebe' des Mädchens durchaus zu erlangen ist und daß zahlreiche Männer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, gerät er außer sich.
Autorenporträt
Green, Julien
Julien Green wurde am 6. September 1900 als Sohn amerikanischer Eltern in Paris geboren, er wuchs zweisprachig auf und wurde protestantisch erzogen. 1916 konvertierte er zum Katholizismus. 1919 bis 1922 studierte er in Charlottesville/Virginia unter anderem Geschichte und Griechisch. Ab 1922 wieder in Paris. Bereits mit seinem dritten Roman, 'Leviathan' (1929), erlangte er Weltruhm. 1940-45 Emigrant in Amerika. 1971 Mitglied der Académie française. Green starb am 13. August 1998 in Paris.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.01.2005

Band 43
Gefallene Engel, zerstörte Zärtlichkeit
Julien Greens Roman „Leviathan”
Dieser Roman liegt auf halbem Weg zwischen den „Blumen des Bösen” und dem Theater der Grausamkeit. Er ist ein Liebesroman, aber keiner der flammenden Leidenschaften, keine Leuchtspur der offenbarten Gefühle, sondern ein Glimmen in dunkler Nacht, ein jähes Aufflackern, ein fahles Verglühen. Die dumpfe Verbissenheit, mit der Paul Guéret sich nachts an der Hausfassade unterm Fenster der Angèle abarbeitet, die Finger in den Stein und das Eisengitter verkrallt, sich hochstemmt, zurückfällt, neu gegen die Wand springt, ächzt, die Hände sich blutig reibt, hat man so nirgends sonst gelesen. Ist das ein wild nagendes Feuer oder eher ein vegetabilisch wucherndes Ranken und Erdrosseln? Jedenfalls ist es kein lauschiges Rendezvous im Mondschein: Edle Gefühle sind den Helden Julien Greens versagt. Auf dem abschüssigen Gelände ihrer Obsessionen und Triebe müssen diese sich mit ihrer verworrenen inneren Leere abmühen.
Vielleicht beginnt es schon damit, dass Guéret den Namen des Wäschereimädchens Angèle zu wörtlich nimmt. Engelhaft rein können Menschen nicht sein, mag man sie noch so intensiv aus der Ferne umträumen. Wenn Guéret im Speiselokal der Madame Londe beim Mittagstisch erfährt, dass Angèle es mit all den Herren treibt, dass die Termine und Tarife am besten am Tresen ausgemacht werden, dass die kommenden Sonntage aber wohl schon ausgebucht sind, ist das zu viel. Nicht, dass da eine Welt zusammenbräche - die stand im Leben des aus Paris im abgelegenen Chanteilles gelandeten Hauslehrers schon lange schief. Nur treibt die gerade erfahrene Wahrheit den, dem Zärtlichkeit stets zum brüsken Zupacken gerät und der als Liebesgeschenk nur einen gestohlenen Ring seiner Frau mitzubringen weiß, in die letzte Konsequenz seines Seins: unbeherrschte Schläge, verstümmelnde Gewalt, beiläufig ein Mord und dann Vegetieren.
Green war neunundzwanzig, als dieser Roman 1929 erschien, und stand noch in der finsteren, von Gewalt geprägten Schaffensphase seiner frühen Romane. Es ist nicht die befreiende Gewalt der Ekstase auf den Spuren von Nietzsche zu Georges Bataille, sondern das aus unerfüllter Glückserwartung resultierende Grübeln und eruptive Aufbrechen, wie es Freud oder den jungen André Gide interessierte. Greens scharfer Realismus, der Figuren und Landschaften wie eine Filmkamera auf Risse, Hohlräume und verborgene Abgründe abtastet, taucht die unterschwellige Liebesgeschichte in ein faszinierendes Schwarz-Weiß der Profile und Halbschatten, deren Grautöne in allen Nuancen schimmern.
Madame Londe thront über den gebeugten Rücken der Suppe löffelnden Stammgäste. Madame Grosgeorge, die strenge Herrin der Villa „Mon Idée”, bei der Guéret im Hauslehrerdienst steht, teilt ihrem Sohn mit jener geballten Konzentration Ohrfeigen aus, mit der ein Kugelwerfer seine Kugeln von sich stößt. Frauen sind bei Julien Green, und in diesem Roman ganz besonders, die raffinierten, einschüchternden und nie ganz durchschaubaren Drahtzieherinnen des Geschehens. Sie spielen ihre Spiele mit Guéret selbst dort, wo ihre Schönheit verunstaltet, ihre Macht gebrochen, ihr Ansehen lädiert ist. Dieser Liebesroman im Zeichen der Psychoanalyse, der Perversion, der Moral, der Provinz- und Familienenge bietet kein erotisches Schauern, kein Aufbäumen und beglücktes Hinsinken. Er bietet mehr als Erotik: die Spannung stets am Rand der Ermattung, die Schläge erteilt und Sinnlichkeit meint.
JOSEPH HANIMANN
Julien Green
Foto: Isolde Ohlbaum
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