Der gelbe Diwan Walter Grond September 2009
Beziehungen gestalten, spielen, leben
Der literarische Roman ist eine sympathische Hommage an Flaubert.
Eine interessante Lektüre für frankophile 68er und Nach68er, die Freude an der französischen Literatur und Lebensart haben. Sie werden eine
geschickte Verbindung von Vergangenheit (Flaubert) und Gegenwart (Houellebecq) finden. Der Autor gibt eine…mehrDer gelbe Diwan Walter Grond September 2009
Beziehungen gestalten, spielen, leben
Der literarische Roman ist eine sympathische Hommage an Flaubert.
Eine interessante Lektüre für frankophile 68er und Nach68er, die Freude an der französischen Literatur und Lebensart haben. Sie werden eine geschickte Verbindung von Vergangenheit (Flaubert) und Gegenwart (Houellebecq) finden. Der Autor gibt eine Retrospektive der Lebensbewältigung der nach 68er von der Sinnsuche in Indien bis zur „Himmelfahrt“ und er richtet den Blick auf die heutigen Weltenbürger und wie wir unser Leben erfinden und Beziehung versuchen zu gestalten.
Der Autor beschreibt, wie der gleichgültige, glücklose, durchschnittliche Ex-Ehemann, alleinerziehende Vater und erfolgreiche Reisejournalist Paul Clement sich über fünf Jahre auf seinen gelben Diwan zurück zieht und den Schriftsteller Gustave Flaubert auf seiner Orientreise und nach Frankreich begleitet. Clement macht Notizen und Berichte, aus seinen Rückschauen und Erlebnissen entsteht ein Roman. Auf dem gelben Diwan erreicht ihn die Todesnachricht seines früheren väterlichen Schriftstellerfreundes Johan, dessen Selbst-Auslöschung in seiner Wahlheimat Saint-Marc-sur-Mer.
Clement fährt zur Beerdigung, in sein verlorenes Paradies. Er versucht den verlorenen Freund zu verstehen und spürt ihm nach. Clement lebte als revolutionierender, rebellierender Bohemien in Johans Welt, bis er verbannt wurde. Der Leser folgt dem Autor gespannt ins wildromantische Frankreich und flüchtet mit ihm in die Weltereignisse der Gegenwart. Die Spurensuche führt zu gemeinsamen Bekannten und Verwandten bis an den Ursprung Jonas, in den ehemaligen Slums, den Bulak der Großstadt, der heutigen Kommandozentrale der IT-Branche.
Clement stellt sich den Schatten seiner Vergangenheit. Die Zeiten der Trennungen und Wiedervereinigungen ziehen an ihm vorbei und wie ein roter Faden durch das Buch.
Die Beziehungen schwanken zwischen panischer Eifersucht und kalter Zurückweisung. Behle, seine Exfrau, eine wohlerzogene Weltbürgerin, ist dabei sich zu emanzipieren, von ihrem anatolischen Vorfahren(Vater) und ihrem Ehemann, von dem sie das dritte gemeinsame Kind erwartet. Sie scheint in der Mutterrolle aufzugehen und zwingt Clement, der seit seiner Kindheit geübt hat: „sich tot zu stellen“ aus seiner vergangenheitskranken Agonie zu erwachen und die Liebe zu lernen.
Ein spannendes Gegenwartspanorama über Beziehungen, über Frauen- und Männeremanzipation.
Ein Roman der Unterschiede im Okzident und Orient nachspürt. Ali, ein Mohammedaner, als Biograph auf Johans Spuren wandelt, er spürt der europäischen Conditio humana nach und sammelt okzidentale Sonderbarkeiten und humanistische Unsinnigkeiten.
Ein sehr großes, umfassendes, weit reichendes schönes Buch.