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Es ist schon jetzt der längste Krieg, in den die Bundesrepublik seit 1945 involviert ist. Ein Krieg, in dem deutsche Soldaten töten und getötet werden. Dieses Buch erzählt davon, wie die Wahrheit über den brutalen Alltag in Afghanistan von der Politik seit Jahren vertuscht wird. Wie Journalisten bedroht werden, damit sie nicht von "Krieg" schreiben. Wie die Bundeswehr in Afghanistan eine bürokratische Fantasiewelt geschaffen hat, inklusive Geschwindigkeitskontrollen, Mülltrennung, deutschem Bier und Currywurst. Wie die deutsche Politik den Soldaten der Bundeswehr schwere Waffen verwehrte, weil…mehr

Produktbeschreibung
Es ist schon jetzt der längste Krieg, in den die Bundesrepublik seit 1945 involviert ist. Ein Krieg, in dem deutsche Soldaten töten und getötet werden. Dieses Buch erzählt davon, wie die Wahrheit über den brutalen Alltag in Afghanistan von der Politik seit Jahren vertuscht wird. Wie Journalisten bedroht werden, damit sie nicht von "Krieg" schreiben. Wie die Bundeswehr in Afghanistan eine bürokratische Fantasiewelt geschaffen hat, inklusive Geschwindigkeitskontrollen, Mülltrennung, deutschem Bier und Currywurst. Wie die deutsche Politik den Soldaten der Bundeswehr schwere Waffen verwehrte, weil die allzu sehr nach Krieg aussehen würden. Und wie den Soldaten der Mund verboten wurde, damit sie nicht die Wahrheit über die blutigen Gefechte mit den Taliban erzählen. Als der deutsche Oberst Georg Klein im September 2009 zwei Tanklaster bombardieren ließ und dabei bis zu 142Menschen getötet wurden, darunter zahlreiche Zivilisten, zerbrach die Fantasiewelt mit einem Schlag. Hinzu kommt, dass die Bundeswehr heute in Afghanistan von den Alliierten immer dringlicher aufgefordert wird, diesen Krieg auch tatsächlich als Krieg zu führen. Und das alles, obwohl er - wie jeder weiß - nicht mehr zu gewinnen ist.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2010

Augen rechts! Und durch?
Das Verteidigungsministerium soll einen Krieg "verschleiert" und "verschlafen" haben

Jeder, der einmal "gedient" hat, ist erstaunt. Ein Oberst kommandiert in Kundus: "Die Augen rechts", als sich Rolltore eines Hangars öffnen und vier Särge sichtbar werden. Dabei unterscheidet die Kommandosprache klar zwischen "Augen rechts" und "Die Augen links", was der Offizier in diesem todtraurigen Moment vielleicht vergisst. Oder die Reporter hören nicht genau hin. Wie auch immer. Vieles von dem, was Julian Reichelt und Jan Meyer berichten, bereitet alles andere als Lesevergnügen. Der Inhalt ist zu ernst, die Erzählform mit Zeitsprüngen erschwert manchmal den Durchblick. Berichtsschluss war der 12. Mai 2010: "Bis zu diesem Tag starben in Afghanistan 43 deutsche Soldaten, 146 wurden verwundet. Deutschland müsse, so Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, ,auch künftig mit Gefallenen und Verwundeten rechnen'."

Guttenbergs Vorgänger bis Herbst 2009 war Franz Josef Jung (CDU). Mit Jungs Wirken gehen die Autoren hart ins Gericht. Als die "Bild"-Zeitung am 12. Juni 2009 schrieb: "In Afghanistan ist Krieg, erzählt die Statistik", habe es einen Anruf aus dem Bundesverteidigungsministerium gegeben. Ein Sprecher drohte einem der Autoren, der Minister frage sich schon, "warum er Sie noch auf seine Kosten mit ins Einsatzland nehmen soll, wenn Sie so was schreiben". Die ganze Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums habe sich seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes und besonders unter Jung "zu einer bizarren, hoch bürokratischen Verschleierungsmaschine entwickelt". Die Deutschen hätten daher den Kontakt zu ihren Soldaten verloren, lautet der Vorwurf. Nach einem Bonmot des SPD-Verteidigungsministers (bis 2005) Struck werde die "Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auch am Hindukusch verteidigt". Dies geschehe "weitestgehend" unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Überhaupt kommen Presseoffiziere schlecht weg, am schlechtesten Jungs ziviler Chefsprecher Thomas Raabe, der eigentlich nur durch Arroganz auffiel - so im Herbst 2006, als "Bild" jene Fotos "zugespielt" wurden, auf denen Bundeswehrsoldaten in Afghanistan mit Totenschädeln "posierten". Vorab wurde das Ministerium informiert, worauf Raabe und ein Oberstleutnant in das "Bild"-Hauptstadtbüro eilten: "Raabe nahm ein Foto auf, begutachtete es, kniff die Augen dabei zusammen und urteilte: ,Das sieht mir doch sehr nach Fake aus.' Sein Afghanistan-Experte assistierte: ,Das kann genau so gut in der Lüneburger Heide sein.' Die Fotos waren echt. Sie waren aufgenommen auf einem Grabfeld für sowjetische Soldaten."

Bei der "Katastrophe von Kundus" - so Reichelt und Meyer über die von Oberst Klein angeforderte Tanklasterbombardierung vom 4. September 2009 - sei das Ministerium seiner Linie "tarnen, täuschen, vertuschen" treu geblieben, habe dadurch die Krise erst verschärft. Jung und Generalinspekteur Schneiderhan hätten schon vorher die Bedrohung der Truppe bei öffentlichen Auftritten "heruntergespielt". Demgegenüber lesen sich (nach Meinung der Autoren) die nüchternen Meldungen für die Bundestagsabgeordneten vom Frühjahr 2009 "wie ein Logbuch des verheimlichten Krieges".

Die "Beschwichtigungen in Berlin" hätten dazu geführt, dass sich die Soldaten im Einsatz alleingelassen fühlten, "vernachlässigt und unverstanden von der Politik. Zu wenige waren sie, und ohne schwere Waffen, die zu sehr nach Krieg ausgesehen hätten." Viele kritische und verzweifelte Stimmen fangen die Autoren bei Afghanistan-Besuchen ein. Unterbelichtet bleiben jedoch das Innenleben im Bendlerblock, die Entlassung Schneiderhans, der Planungsstab unter der wohl eher künstlerischen Leitung des historisch-politischen Bildners Ulrich Schlie. Zu pauschal erfährt der Leser nur, dass das Ministerium die "moderne Aufstandsbekämpfung" und die Bekämpfung der heimtückischen IED-Sprengsätze "verschlafen" haben soll.

Immerhin knüpfen die Autoren Hoffnungen an den neuen Generalinspekteur Wieker, der sich zuvor in Afghanistan als Chef des Stabes bei dem (am 23. Juni abberufenen) Isaf-Kommandeur McChrystal bewährte, und an Guttenberg. Der Minister habe mit der Verlegung von Panzerhaubitzen nach Kundus - eine feuerte am vergangenen Wochenende erstmals fünf Schüsse gegen die Taliban ab - eine militärische "Fähigkeitslücke" geschlossen, "deren Existenz sein Vorgänger im Amt stets geleugnet hatte". Es sei eine "unbequeme, symbolträchtige Entscheidung" gewesen.

Guttenberg wird dafür gelobt, dass er Ende 2009 vom "nicht-internationalen bewaffneten Konflikt" in Afghanistan sprach, später zutreffend vom "Krieg", und am 24. April 2010 die undankbare "Rolle des ersten Grabredners der Nation" annahm, ja bei der Trauerfeier für vier Gefallene mit seinem "Ruhet in Frieden, Soldaten!" rhetorisch glänzte. Dies markiere "einen Wendepunkt" in der Wahrnehmung des Einsatzes, eines "verkorksten Krieges", wie die Autoren bilanzieren: "Die Soldaten, die wir nach Afghanistan schicken, sind ungleich besser als die Institution, in der sie dienen."

Die Soldaten wollten "halbwegs intakt aus einem Krieg" zurückkehren, während das Verteidigungsministerium "noch immer als größtes, schmutziges Schlachtfeld politischer Intrigen" gelte. Daher darf man gespannt sein, wann der mutige Freiherr denn sein "Wachet auf, Generale und Ministeriale!" ausruft. An diesem Mittwoch findet die Buchvorstellung von "Ruhet in Frieden, Soldaten!" in einem Berliner Edelcafé statt. Der Verteidigungsminister will dort erscheinen.

RAINER BLASIUS

Julian Reichelt/Jan Meyer: Ruhet in Frieden, Soldaten! Wie Politik und Bundeswehr die Wahrheit über Afghanistan vertuschten. Fackelträger Verlag, Köln 2010. 224 S., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.07.2010

Das leidige K-Wort
Guttenberg lobt ein Buch über den Krieg in Afghanistan
Was sagt der Verteidigungsminister zu einem Buch mit dem Untertitel: „Wie Politik und Bundeswehr die Wahrheit über Afghanistan vertuschten“? Karl-Theodor zu Guttenberg ist Profi genug, diese Klippe elegant zu umschiffen. Vertuschen enthalte Vorsatz, meint Guttenberg am Mittwoch in Berlin, wo er das Buch „Ruhet in Frieden, Soldaten“ der beiden Bild -Reporter Julian Reichelt und Jan Meyer vorstellt. „Da wage ich zu widersprechen.“
Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, der mit dem Jahreswechsel 2001/2002 im Gefolge der Al-Qaida-Anschläge auf die USA begann, sei von Anfang an verharmlost worden, räumt der Minister ein. Auch von ihm selbst, der er seit 2002 für die CSU im Bundestag sitzt. Doch dieses „kritikwürdige Fehlverhalten“ sei der „gemeinsamen Überforderung“ geschuldet gewesen, nicht einer Vertuschungsabsicht. „Es wurde viel herumgedruckst“, sagt der Minister und bekundet Verständnis für jene Soldaten im Einsatz, die sich von Politik und Gesellschaft in der Heimat im Stich gelassen fühlen.
Er habe sich gefragt, ob er sich für die Buchvorstellung überhaupt zur Verfügung stellen solle, erzählt Guttenberg. Schließlich hätten ihm die Autoren mit ihrer Berichterstattung über den Luftschlag von Kundus einen „sehr ruhigen Herbst“ verschafft, sagt der Minister mit deutlich erkennbarer Ironie. Allein die Ankündigung der Bild -Zeitung, den sogenannten Feldjäger-Bericht zu veröffentlichen, hatte Guttenberg Ende November 2009 veranlasst, binnen weniger Stunden den damaligen Staatssekretär Peter Wichert und Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan zu entlassen – ein Vorgang, der bis heute den Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestags beschäftigt.
Diese Turbulenzen werden in dem Buch überhaupt nicht erwähnt. Wie überhaupt Guttenberg sehr gut wegkommt, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Franz Josef Jung und eben Schneiderhan. Dem ehemaligen Generalinspekteur werfen die Autoren vor, er habe mit „seiner verdrucksten, verschleiernden Sprache“ zwar Karriere gemacht, aber die „elendige Realität des Krieges“, die er als Soldat nie habe durchleben müssen, ausgeblendet. „Deutschlands ranghöchster Soldat fürchtete den Krieg“, schreiben Reichelt und Meyer. Und beklagen, dass Deutschland, seine Politiker und viele seiner Karriereoffiziere nicht „kriegsfähig“ seien. Muss man das bedauern?
Da ist Guttenberg aus anderem Holz geschnitzt. Seit er im Amt sei, dürfe Krieg auch Krieg genannt werden, lobt der Geschäftsführer des Fackelträger-Verlags, Jürgen Horbach. Und Guttenberg selbst bekräftigt: „Ich spreche seit geraumer Zeit vom Krieg. Ich lasse mich von dieser Begrifflichkeit auch nicht abbringen.“ Immerhin hat er noch ein Wort der Verteidigung für seinen Vorgänger parat, der das K-Wort immer vermieden hat. Für sein Konzept des „vernetzten Ansatzes“ von zivilem Aufbau unter militärischem Schutz sei Jung zu Unrecht verspottet worden, sagt Guttenberg. Den Buchtitel findet er hingegen gut gewählt. Ist er doch ein Zitat aus jüngsten Trauerreden, die Guttenberg für gefallene Soldaten gehalten hat. Er wird ihn noch öfter sagen müssen. Es ist ja Krieg in Afghanistan.
Peter Blechschmidt
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