Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, CY, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, IRL, I, L, M, NL, P, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Christoph Ransmayrs Reden
Ein freier Schriftsteller hat manche Verpflichtungen. Wenn er zum Beispiel einen Literaturpreis bekommt, muss er bei der Entgegennahme in der Regel eine Dankesrede halten. Und wenn ein Freund zu verabschieden ist, muss er ihm schon einmal eine Laudatio mit auf den Weg geben. Als Claus Peymann im Jahre 1998 das Burgtheater verließ, hat Christoph Ransmayr ihm die Abschiedsrede gehalten. Darin schlug der Schriftsteller ein „Luftburgtheater” auf, ein Theater im Freien, das en passant beim Wandern entsteht. Die Stücke aber, die Ransmayr für dieses Theater entwarf, wurden nicht aufgeführt. Sie wurden lediglich erzählt.
Diese Geste – jeden von Pflicht oder Neigung gesetzten Anlass ins eigene Genre, das Erzählen zu überführen – prägt die Reden und Gelegenheitstexte des Schriftstellers Ransmayr, der in den neunziger Jahren zahlreiche Literaturpreise erhielt. Am nächsten kommt er dem Ziel, jede Dankesrede in eine Erzählung zu verwandeln, bei der Entgegennahme des Hölderlin-Preises im Jahre 1998. „Am See von Phoksundo” montiert das Gedicht „Hälfte des Lebens” in den Bericht über die seltsame Rolle einer kleinen Flasche mit Reisschnaps bei einer Schneewanderung des Autors im Himalaya.
Ransmayr hat als Reporter bei Geo, Transatlantik und Merian angefangen. Das Wechselspiel von Reisen und Schreiben hat er als Erzähler beibehalten. Zum 70. Geburtstag von Enzensberger erzählt er vom Schriftstellertreffen in Hongkong, den Salzburger Festspielen 2000 liefert er den Bericht einer Wanderung durch den Osten Sri Lankas, im Nordostmonsun, zwischen Armeeposten und den aufständischen „Tamil Tigers”.
Stärker haften als die Abenteuer des Weitgereisten bleibt der Text „Ach, Carlos”, ein Epitaph auf Karl Markus Michel, geschrieben 2001, ein Jahr nach dessen Tod. Er handelt von einem auf seine Weise chinesischen Anti-Reisenden, der seine Abenteuer am liebsten im Kopf erlebte. Vielleicht konnte Ransmayr auch deshalb zum Erzähler werden, weil er bei Transatlantik einen Redakteur wie Michel hatte.
lmue
CHRISTOPH RANSMAYR: Die Verbeugung des Riesen. Vom Erzählen. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2003. 92 Seiten, 12 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH