Boris von Brauchitsch (Hg.), Alles außer Arbeit. Berliner Lust in den Zwanziger Jahren, Edition Braus 2016, ISBN 978-3-86228-141-1
In seiner kurzen Einleitung zu dem vorliegenden Buch beschriebt der Herausgeber Boris von Brauchitsch die Jahre, die die dann abgebildeten Fotos einfangen wollen.
Die Alltagswelt der Zwanziger Jahre, die entstehende Freizeitkultur und ihre bevorzugten…mehrBoris von Brauchitsch (Hg.), Alles außer Arbeit. Berliner Lust in den Zwanziger Jahren, Edition Braus 2016, ISBN 978-3-86228-141-1
In seiner kurzen Einleitung zu dem vorliegenden Buch beschriebt der Herausgeber Boris von Brauchitsch die Jahre, die die dann abgebildeten Fotos einfangen wollen. Die Alltagswelt der Zwanziger Jahre, die entstehende Freizeitkultur und ihre bevorzugten Etablissements: das Varieté, die Kneipe, der Lunapark, das Strandbad und die Wälder. Die Weimarer Jahre waren geprägt durch die neu entstehende Massenkultur, medial begleitet von Radio und Film.
Berlin war 1920 die drittgrößte Stadt der Welt, nach New York und London. 1925 übersprang die Einwohnerzahl die 4-Millionen-Marke. Das Berliner Leben zeichnete sich vor allem durch sein hohes Tempo aus: Hier musste alles sofort erledigt werden; Stillstand bedeutete schon damals Rückstand. Wer nicht mitmachte, fiel hinten runter. So ging es vielen damals.
Die Dynamisierung nahezu aller Lebensbereiche machte auch vor der Freizeitkultur nicht Halt. Schon damals kannte man die Vergnügungspflicht und den Anspruch, in der zur Verfügung stehenden Zeit möglichst viel zu erleben — ein Gefühl, dass uns auch heute nicht ganz unbekannt ist.
In Berlin gab es wirklich alles — „Alles außer Arbeit“, denn die gab es tatsächlich nicht für jeden, und viele blieben auf der Strecke. Doch der Aufbau einer kapitalistischen Warenwirtschaft im modernen Stil führte zur Herausbildung eines neuen Standes: den Angestellten. Das Heer dieser kleinen Ladenmädchen, Büro-Angestellten und Arbeitnehmern im Dienstleistungssektor ließ auch ganz neue Arbeitsbedingungen entstehen, die plötzlich neben der Arbeitszeit auch eine „Frei-Zeit“ ermöglichten.
Berlin war eine Stadt im Umbruch. Die alten Mietskasernen wurden nach und nach abgerissen, und neue Bauten wurden errichtet, mit mehr Raum, mehr Luft und Sonne. Die Stadt wechselte ihr Gesicht. Und doch gab es noch viele dunkle Ecken, wo im sechsten, siebten, achten Hinterhof das Licht kaum bis zum Boden kam.
All die politischen Kämpfe und Zuspitzungen in den Zwanziger Jahren sind in diesem Buch nicht oder nur in Andeutungen dokumentiert.
Es geht hier weniger um die akribische Dokumentation des Großstadtlebens, als um ein Nachspüren des Lebensgefühls jener Zeit. Dieses Lebensgefühl lässt sich erahnen, wenn man die Bilder in diesem Buch auf sich wirken lässt.