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2 Kundenbewertungen

Leni Riefenstahl ist zweifelslos eine Legende, deren zwiespältiger Ruhm bis heute anhält. Der irische Filmexperte Liam O`Leary charakterisierte Leni Riefenstahl einmal mit einem Satz, der bald zum Lieblingszitat der Filmliteratur werden sollte: "Sie war ein Genie, aber ein politischer Trottel." Ob sie tatsächlich ein Genie war, stellt dieses Buch ebenso in Frage wie die Vorstellung, sie sei ein politischer Trottel gewesen. Ganz im Gegenteil: Riefenstahl gelang es wie kaum einer Zweiten, stets auf der Seite der Sieger und Mächtigen zu stehen.
Nina Gladitz dreht den Satz von O`Leary um.
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Produktbeschreibung
Leni Riefenstahl ist zweifelslos eine Legende, deren zwiespältiger Ruhm bis heute anhält. Der irische Filmexperte Liam O`Leary charakterisierte Leni Riefenstahl einmal mit einem Satz, der bald zum Lieblingszitat der Filmliteratur werden sollte: "Sie war ein Genie, aber ein politischer Trottel." Ob sie tatsächlich ein Genie war, stellt dieses Buch ebenso in Frage wie die Vorstellung, sie sei ein politischer Trottel gewesen. Ganz im Gegenteil: Riefenstahl gelang es wie kaum einer Zweiten, stets auf der Seite der Sieger und Mächtigen zu stehen.

Nina Gladitz dreht den Satz von O`Leary um. Riefenstahl war keine Ausnahmekünstlerin, dafür aber ein politisches Genie, was sich anhand neuer Archivfunde belegen lässt, die einen Abgrund erkennen lassen, der bislang durch ihren Geniestatus verdeckt wurde.

In ihrem Buch legt Nina Gladitz neue, belegbare Details über die Arbeitsmethoden und -strategien Leni Riefenstahls zum Schaden von 123 Menschen vor, die Riefenstahls Selbstdarstellung in einem anderen Licht zeigen und eine Neubewertung Leni Riefenstahls und ihres Tuns geradezu erzwingen.
Autorenporträt
Gladitz, NinaNina Gladitz zählt zu den bekanntesten Dokumentarfilmerinnen Deutschlands. Für ihre Arbeiten wurde sie mehrfach ausgezeichnet. So 1974 mit dem »Best Documentary of the Year« des Filmfestivals Chicago, 1985 erhielt sie den »Reinhold Schneider Preis« der Stadt Freiburg i. Br. 1979 wurde Nina Gladitz der breiteren Öffentlichkeit bekannt durch ihren Dokumentarfilm "Zeit des Schweigens und der Dunkelheit", der sich kritisch mit Leni Riefenstahls Film Tiefland und dem Schicksal der darin als Komparsen eingesetzten Sinti und Roma auseinandersetzt. Riefenstahl klagte gegen Gladitz' Film. Nach vierjähriger Prozessdauer wies das Oberlandesgericht Karlsruhe 1987 Riefenstahls Klage bis auf einen Punkt ab.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Kritik von Rezensentin Susan Vahabzadeh ist wie ein Streit mit der Filmemacherin und Autorin Nina Gladitz geschrieben. Einerseits lobt die Kritikerin deren Arbeit, insbesondere ihren Film über Riefenstahl, der früh die Selbstmythologisierung der NS-Regisseurin enthüllt habe. Riefenstahls anschließender Prozess gegen Gladitz hat, so die beindruckte Kritikerin, die hier von Gladitz vorgelegte Analyse mächtig eingefärbt mit ihrem Zorn, was sie gut findet. Dann aber hebt  die Kritikerin hervor, wie wenig "akademisch", etwa ohne manchmal nötige Fußnoten, Gladitz vorgegangen sei und überall dort, wo wenig Quellen verfügbar waren, in jedem Fall alles gegen Riefenstahl auslege. Schwierig an der Lektüre der Besprechung ist aber vor allem, dass sowohl Riefenstahl, ihr Werk und die entsprechenden Analysen und Fakten über ihre in Auschwitz ermordeten Filmkomparsen (in "Tiefland"), über Zeugen und Mitarbeiter entweder in hohem Umfang vorausgesetzt werden oder wir mit Andeutungen vorlieb nehmen müssen. So wäre ein Wort  über Riefenstahl "verqueres Menschenbild" ebenso hilfreich gewesen wie mehr Informationen über das Schicksal des Kameramannes und Cutters Willy Zielke, der laut Gladitz größeren Anteil an den berühmtesten Riefenstahlfilmen hat als bisher angenommen. Aber auch so macht die Kritikerin sehr neugierig auf das Buch und seine neuen Funde in Sachen Riefenstahl.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Unter der Protektion des Führers

Gegendarstellung: Nina Gladitz möchte zeigen, in welchem Ausmaß die Regisseurin Leni Riefenstahl eine überzeugte Parteigängerin Hitlers war.

Beim Schreiben von Biographien ist oft Bewunderung im Spiel. In manchen Fällen steht am Ende keine ausgewogene Lebensbeschreibung, man spricht dann gern von einer Hagiographie. Was aber wäre das Gegenteil einer solchen "Heiligschreibung"? Während man noch über einen denkbaren Gattungsbegriff nachdenkt - Damnatographie vielleicht? -, kann man in einem neuen Buch über Leni Riefenstahl schon einmal ein herausragendes Beispiel studieren.

Über die 2003 im hohen Alter von 101 Jahren verstorbene Filmemacherin und Fotografin gibt es bereits eine ganze Reihe von Lebensdarstellungen, denn eine Frau, die auf Anweisung von Hitler einen "Sonderfilmtrupp" einrichten durfte und die nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft noch sechzig Jahre Zeit bekam, an ihrem Mythos zu stricken, ist für die Forschung nun einmal eine Herausforderung - und für das Publikum eine Figur, auf die man alle möglichen Projektionen richten konnte. Zum Beispiel jene einer weiblichen Unschuld, die sich von männlicher Herrschaft korrumpieren ließ, dabei aber ihr Genie doch irgendwie intakt hielt. Auch wenn sie es in Filmen wie "Triumph des Willens" oder "Olympia" erwies, also mit Propaganda für die Nationalsozialisten.

In jedem Fall wurde Riefenstahl in der Nachkriegszeit zu einer Art Popstar, und man kann wahrscheinlich froh sein, dass aus keinem der verschiedenen Filmprojekte über sie bisher etwas wurde. Spätestens mit dem nun erschienenen Buch von Nina Gladitz wären wohl auch verwegenere Drehbuchentwürfe als naiv und unausgegoren einzuschätzen. Denn in der Regel geht es bei Vorstellungen und Darstellungen von Riefenstahl doch immer um einen Konflikt zwischen Individuum und System. Nina Gladitz aber geht mit ihrer starken These, die der Untertitel ihres Buchs, "Karriere einer Täterin", schon erkennen lässt, aufs Ganze: Leni Riefenstahl machte sich das NS-System mit seinen untereinander eifersüchtig wetteifernden Protagonisten von Hitler über Goebbels und Himmler bis zu Streicher virtuos gefügig und handelte bis zum Ende ganz in dessen Sinn, auch in ihrer Unterstützung der "Endlösung". Von Auschwitz wollte sie später nie etwas gewusst haben.

Es gibt zwei Schlüsselszenen für diese in hohem Maß streitbare Darstellung. Die erste liegt in einer persönlichen Begegnung von Nina Gladitz mit Leni Riefenstahl im Jahr 1984 - vor einem Gericht. Gladitz war damals eine junge Filmemacherin, die für den WDR eine Dokumentation mit dem Titel "Zeit des Schweigens und der Dunkelheit" gedreht hatte.

In ihm zeigte sie auf, dass Riefenstahl für ihren Film "Tiefland" Komparsen aus der verfolgten Minderheit der Sinti und Roma eingesetzt hatte, die nicht bezahlt worden waren und schließlich fast alle in Lagern getötet wurden. Gegen diese Behauptungen klagte Riefenstahl, bekam aber in der Mehrzahl der Punkte nicht recht. Die zweite Schlüsselszene wird von Gladitz in ihrem Buch dokumentiert. 1934 findet beim bereits nazifizierten, aber noch weitgehend nach klassischen Kinologiken funktionierenden deutschen Filmkonzern Ufa eine Sitzung statt, in der über ein Filmprojekt von Leni Riefenstahl abschlägig befunden wird: Ihr Plan, die Oper "Tiefland" von Eugen d'Albert zu verfilmen, kommt "nicht in Betracht . . . soweit möglich soll versucht werden, für Fräulein Riefenstahl ein anderweitiges, ihren Fähigkeiten entsprechendes künstlerisches Betätigungsfeld zu finden", heißt es in dem entsprechenden Protokoll.

Zu diesem Zeitpunkt war Riefenstahl als Schauspielerin vor allem aus Berg- und Abenteuerfilmen bekannt und durch "Der Sieg des Glaubens" (1933), ihren ersten Parteitagsfilm, zu dem sie von Goebbels beauftragt worden war. Dass ihr das Kino-Establishment in diesem Moment das Misstrauen aussprach, erwies sich als wenig wirksam, verlieh ihrer Karriere aber eine spezifische Dynamik: Sie arbeitete nun vorwiegend unter direkter Protektion des Führers. Und "Tiefland", ihr einziges Spielfilmprojekt, das nach einer langwierigen Produktionsgeschichte erst 1954 herauskam, wird für Gladitz zu ihrem zentralen Werk, zum "gemeinsamen Traumprojekt" mit Adolf Hitler.

Mehrfach macht Nina Gladitz deutlich, dass sie ihr Buch auch gegen eine Filmwissenschaft und Geschichtsschreibung des Films positioniert, die sich von Riefenstahl viel zu einfach faszinieren ließ. Zwar teilt heute kaum noch jemand die Auffassung von der technisch und formal brillanten Filmkünstlerin, die so von ihren Kamerafahrten und Blickexperimenten besessen war, dass sie nicht bemerkte, sich einem verbrecherischen System anzudienen. Aber selbst in kanonischen Texten wie Susan Sontags "Fascinating Fascism" - den Gladitz nicht erwähnt - zeigt sich eine Ambivalenz, die in der Darstellung der "Karriere einer Täterin" durch Eindeutigkeit ersetzt werden soll.

Allerdings schaffen auch die vielen neuen Dokumente, die Gladitz zusammengetragen hat und von deren Beschaffung sie erzählt, auch nur eine prekäre Eindeutigkeit. Denn der ganze Text bebt förmlich vor Engagement, immer wieder klingt er geradezu obsessiv, und das ist umso bemerkenswerter, als Gladitz einen Mann zu ihrem Kronzeugen macht, der unter Riefenstahl zeit seines Lebens gelitten hat: den Fotografen Willy Zielke, der von der NS-Medizin wegen psychischer Probleme entmündigt und zwangssterilisiert wurde. Das Schicksal von Zielke geht für Gladitz auf einen "Plan" von Riefenstahl zurück, die sich einerseits seines künstlerischen Talents für "Tiefland" versichern wollte, ihn aber andererseits sadistisch mit Hilfe der Ärzte in absoluter Verfügbarkeit, also in Unmündigkeit, halten wollte.

Die Bipolarität, mit der Zielke in seinen schwierigsten Phasen auf Riefenstahl blickte, wird für Gladitz zu einer erkenntnisleitenden Intuition. Bezeichnend dafür ist auch, dass sie seine unveröffentlichten Erinnerungen, viele Jahre später geschrieben und von einer bemerkenswerten Luzidität geprägt, wie einen autoritativen Text behandelt, wo dieser doch ebenso sehr einer Hermeneutik bedürfte wie die "Memoiren" von Leni Riefenstahl. Die wurden auch jahrelang als Quelle gelesen und sind das doch allenfalls als Modell für Entlastungsstrategien.

Die obsessive Erhöhung Riefenstahls zu einer Zentralgestalt des Nationalsozialismus gipfelt schließlich in einer Deutung von "Tiefland". Bisher hat die Forschung diesem Film gegenüber tatsächlich weitgehend versagt, was wohl auch damit zu tun hat, dass er als peinlich schlecht angesehen wird. Gladitz hingegen versucht nachzuweisen, dass Riefenstahl und Hitler den endgültigen antisemitischen Film im Sinn hatten, der Veit Harlans "Jud Süß" "weit in den Schatten stellen" und nach der Schoa die Zeit der "gelungenen" Judenfreiheit vor Augen führen sollte. Mit ihrer charakteristischen Verbindung von "ira et studio" vermutet Gladitz in diesem Zusammenhang auch noch, dass Riefenstahl, als sie 1944 in Prag letzte Szenen für "Tiefland" inszenierte, noch in Theresienstadt - für Gladitz ein "Vernichtungslager" - einen Film drehte, den sie dann 1945 vor Kriegsende rechtzeitig verbrannt haben soll.

Das Buch zeigt so an vielen Stellen die Spuren der Leidenschaft, mit der es geschrieben wurde. Dass Riefenstahl sich 1936 den afroamerikanischen Athleten Jesse Owens "zum Liebhaber genommen" habe, bleibt unvermittelt und ohne Beleg so stehen, und es kann wohl nur in einem ästhetisch übertragenen Sinn verstanden werden. Mit diesem Buch wird allen latenten Riefenstahl-Hagiographien eine wuchtige Gegendarstellung präsentiert. Für die Forschung aber wird es wohl eher einen Ausgangspunkt als eine abschließende Position darstellen.

BERT REBHANDL

Nina Gladitz:

"Leni Riefenstahl". Karriere einer Täterin.

Orell Füssli Verlag, Zürich 2020. 432 S., Abb., geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung

Beweglich wie ein Betonklotz
Nina Gladitz räumt in ihrem Buch „Leni Riefenstahl. Karriere
einer Täterin“ mit einem Mythos auf
VON SUSAN VAHABZADEH
Man sollte vielleicht, um die Perspektive von Nina Gladitz zu verstehen, mit einer der Lügen anfangen, die sie so wütend gemacht haben: Leni Riefenstahl hat mehr als einmal behauptet, die Statisten aus dem Lager Maxglan für Sinti und Roma, die in ihrem Film „Tiefland“ mitspielten, habe sie nach dem Krieg wohlauf wiedergesehen. Hat sie nicht. Es gibt eine Liste der Komparsen, und viele dieser Menschen darauf stehen auch in den Listen in Auschwitz, wo sie ermordet wurden.
Mit der Geschichte der Statisten beginnt Nina Gladitz ihr Buch „Leni Riefenstahl. Karriere einer Täterin“. Die Komparsen, allen voran Josef Reinhardt, spielen eine große Rolle im eigenen Leben von Nina Gladitz. 1977 begann die Filmemacherin mit der Arbeit an einer Dokumentation für den WDR. Es ging um die Menschen aus dem Zwangslager Maxglan in Salzburg, die sich Riefenstahl für die Arbeit an „Tiefland“ ausgeliehen hatte, und darüber drehte Gladitz nun ihren Film und sprach mit mehreren Überlebenden. Bis dahin war dieser ganze Vorgang nicht belegt, in dem Film, wie Riefenstahl ihn nach dem Krieg herausbrachte, gab es kaum Szenen mit ihnen. Und sie hatte schon direkt nach dem Krieg einen Prozess gegen einen Verleger angestrengt, der die Geschichte publik zu machen versuchte.
Auch Nina Gladitz zerrte Riefenstahl nach der Ausstrahlung ihres Films vor Gericht, 1987 fiel das Urteil, und in weiten Teilen hat Gladitz gewonnen. Nur die Behauptung, Riefenstahl habe gewusst, dass die Komparsen später nach Auschwitz kommen würden, musste aus dem Film heraus. Er ist trotzdem ganz in der Versenkung verschwunden, und mit ihm seine Schöpferin, die es gewagt hatte, das damals geltende, überwiegend von Riefenstahl selbst gestaltete Bild der überaus talentierten Mitläuferin anzukratzen.
Es ist richtig, dass Nina Gladitz ihr Buch mit diesem persönlichen Furor anfängt, sein ganzer Tonfall erklärt sich so. Die Recherchen über Leni Riefenstahl, „Tiefland“ im Besonderen und deren Hang dazu, sich mit fremden Federn zu schmücken, im Allgemeinen, sind eigentlich aufregend genug, aber geschrieben hat Gladitz das Buch nicht wissenschaftlich und kühl, sondern hitzig und wütend und betroffen, manchmal erholsam sarkastisch.
Es geht nicht nur um „Tiefland“, es geht um alles. Gladitz will mit dem Mythos Leni Riefenstahl aufräumen, und das ist ihr gelungen. Die Produktionsgeschichte von „Tiefland“ – dass sie die Sinti aus dem Lager aussuchte und dann auch nicht gerade pfleglich mit ihnen umging, ist inzwischen ausreichend belegt, unter anderem durch den Prozess gegen Gladitz. Man kann die Ungereimtheiten in der Familiengeschichte, wie Riefenstahl sie in ihren Memoiren darstellte, unerheblich finden – auf alle Fälle ist das, was Gladitz dazu herausgefunden hat, plausibel. Und wenn man die entsprechenden Stellen aus den Memoiren mit den Recherchen von Gladitz abgleicht, bekommt man noch einmal sehr eindrucksvoll vor Augen geführt, wie Riefenstahls Verhältnis zur Wahrheit war.
Riefenstahl war als Tänzerin sicher nicht die Größte, dann spielte sie in Bergfilmen, und erst nach der Machtergreifung wurde sie, in Windeseile, die Super-Regisseurin, im Ausland geachtet, mit Hitler befreundet, von Goebbels gelobt. Hat Riefenstahl, über das normale Maß hinaus, dann auch noch die Mitarbeit eines Kameramanns und Cutters als die eigene ausgegeben? Gladitz zeigt wenig Interesse an den Filmen an sich. Nicht an den Bergfilmen von Arnold Fanck, mit denen Leni Riefenstahl sich als Schauspielerin etablierte; und auch nicht an Riefenstahls eigenen Arbeiten, von denen ja überhaupt nur zwei ihr überhaupt einen Eintrag in die Filmgeschichte verschafft haben: „Triumph des Willens“ und „Olympia“. Es sind zwei zweifelhafte Meisterwerke. Und es ist alle Schönheit in ihren Bildern unterkühlt. „Tiefland“, erst nach dem Krieg veröffentlicht, galt und gilt ohnehin eher als kalter Kitsch.
Gladitz befasst sich nun vor allem mit dem Beitrag, den Willy Zielke dabei leistete, im Schnitt und als Kameramann. Manche Sequenzen hat er wohl sogar ganz allein gedreht, und er war beim Parteitagsfilm „Triumph des Willens“ (1934), bei „Olympia“ (1938) und auch bei „Tiefland“ dabei, der ab 1940 gedreht worden war. Zielke, dessen eigener Arbeit sich 2011 eine Ausstellung in der Münchner Seidlvilla widmete, war nach dem Verbot eines eigenen Dokumentarfilms, „Stahltier“ (1935), in Haar gelandet, wo er zwangssterilisiert wurde. Riefenstahl hat ihn herausgeholt, und Gladitz meint, das habe sie getan, weil sie ihn für ihre Arbeit gebraucht habe. Sie forschte in den Unterlagen von Zielkes Vormund, suchte nach Änderungen in Abspännen, las alte Briefe und Aufzeichnungen von Zielke.
Nun ist Film immer Teamwork, und viele Regisseure sind Narzissten, die sich am Ende dennoch als alleinige Schöpfer sehen. Im Fall von Leni Riefenstahl und Zielke geht das allerdings nach diesen Recherchen sehr viel weiter. Noch lange nach dem Krieg hat Riefenstahl wohl Fotografien von Zielke, die sie ihm, man muss es so nennen, gestohlen hatte, als ihre eigenen verkauft.
Wie das nun wirklich war, als Riefenstahl ihn nach Kitzbühel holte, ob seine Memoiren eine absolut zuverlässige Quelle sind? Es ist da viel Interpretation im Spiel. Ob „Tiefland“ ursprünglich tatsächlich ein antisemitisches Machwerk war, das sie fix mit anderem belastenden Material verbrannte, als die amerikanischen Truppen näher kamen, ist Mutmaßung. Und was genau in Helmut Newtons Kopf vorging, als er sie ein halbes Jahrhundert später fotografierte, kann man eben auch nicht wissen. Und es stellt sich eben schnell der Eindruck ein, dass Gladitz alles, was der Auslegung bedarf, gegen Riefenstahl verwenden würde.
Mit den Quellen wird hier nicht immer sehr akademisch verfahren –es gibt keine Fußnoten, wenige Anmerkungen, allerdings einiges Material, das richtig abgebildet ist. Da ist beispielsweise die Episode, in der Goebbels herumschreit, Riefenstahl sei keine Arierin. Da sieht man die Zeitungsausschnitte von 1937, und wie Riefenstahl selbst bis zum Schluss die Verhältnisse zu verschleiern versuchte, in denen sie geboren wurde, und gerne mit einer möglichen jüdischen Abstammung kokettierte, die sie nicht hatte, hat Gladitz sehr genau herausgearbeitet. Dass sie aber bei einem Verhör durch die Amerikaner ausgesagt habe, Goebbels habe gar gedroht, sie ins KZ zu schicken; an dieser Stelle wäre eine ordentliche Fußnote hilfreich. Denn angeblich hat sie ja nichts von den Lagern gewusst, und wenn, dann waren die doch, nach ihrem Kenntnisstand, gar nicht so schlimm.
Gladitz beklagt andererseits, dass sich Filmhistoriker, von wenigen Ausnahmen abgesehen, viel zu wenig mit genau jenen Nachweisen und Zusammenhängen befasst hätten, die nun ihr Buch ausmachen, und lieber Riefenstahls Werk als künstlerische Großtat verklärten. Deren Sicht, sie hätte ja nur dokumentiert, was schon da war, wurde immer wieder gerne übernommen, bei ihr wurden nicht nur Person und Werk getrennt, sogar innerhalb des Werks wurde Propaganda nicht einfach als Propaganda klassifiziert.
Nun ist zwar die Wahrnehmung von Leni Riefenstahl schon lange nicht mehr die der großen, missverstandenen Künstlerin, die von nichts wusste, zumindest nicht in Deutschland – es gab da immerhin den wenig schmeichelhaften Dokumentarfilm von Ray Müller, „Die Macht der Bilder“, das war 1993. Und mit ihren öffentlichen Auftritten – sie starb erst 2003, mit 101 Jahren – machte sie sich keineswegs nur Freunde. Sie legte dabei gern die geistige Beweglichkeit eines Betonklotzes an den Tag. Sie hat den Kampf um die Deutungshoheit noch zu Lebzeiten verloren. Aber trotzdem ist es vielleicht Zeit, ein paar Dinge geradezurücken. Riefenstahl und ihr Werk wurden auch von Feministinnen verteidigt – die Geschichte mit den Komparsen aus dem Lager, die dann in Auschwitz ermordet wurden, disqualifiziert sie aber als respektable Filmemacherin. Ihr verqueres Menschenbild wird in ihren Filmen sichtbar, man kann hier Person und Werk nicht trennen. Das zu versuchen und gleichzeitig Roman Polanski zu ächten, dessen Vergehen in seinen Filmen nicht sichtbar ist, wäre Heuchelei. Leni Riefenstahls Begeisterung für Hitler war keineswegs eine Privatangelegenheit.
Nina Gladitz: Leni Riefenstahl. Karriere einer Täterin. Orell Füssli, Zürich, 2020. 432 Seiten, 25 Euro.
In welchem Ausmaß Riefenstahl
die Arbeit anderer als ihre ausgab,
ergeben diese Recherchen
Man hat ihr Werk verklärt und
die Propaganda darin nicht
als solche klassifiziert
Leni Riefenstahl und der Kameramann Sepp Allgeier bei Dreharbeiten zum Reichsparteitagsfilm
„Triumph des Willens“.
Foto: ScherL/Süddeutsche Zeitung Photo
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