Ein großer Roman über die Schönheit und Abgründe Afrikas, heißt es auf der Rückseite des Buches. Tatsächlich wird beides, Schönheit und Abgründe, für den Leser sehr deutlich spürbar. Diese Familiengeschichte lässt den Leser tief eintauchen ins Nigeria der neunziger Jahre, umreißt Lebensgefühl und
Zeitumstände dieser Jahre aus der Sicht eines Kindes. Vieles ist hier anders, als der europäische…mehrEin großer Roman über die Schönheit und Abgründe Afrikas, heißt es auf der Rückseite des Buches. Tatsächlich wird beides, Schönheit und Abgründe, für den Leser sehr deutlich spürbar. Diese Familiengeschichte lässt den Leser tief eintauchen ins Nigeria der neunziger Jahre, umreißt Lebensgefühl und Zeitumstände dieser Jahre aus der Sicht eines Kindes. Vieles ist hier anders, als der europäische Leser es kennt. Lebensweise und Lebensumstände, Sitten und Bräuche, Glaube und Aberglaube, Aspekte von Familie und Erziehung werden plastisch geschildert, und über allem Alltagsleben liegt eine durch die politischen Umstände der Zeit bedingte Atmosphäre der Unsicherheit und Gewalt, die man als Leser sehr deutlich wahrnimmt.
Die Geschichte, rückblickend erzählt aus der Sicht des neunjährigen Benjamin, dreht sich vor allem um die Erlebnisse Benjamins und seiner drei älteren Brüder, deren Welt aus den Fugen gerät, als die ordnende Autorität des Vaters (der beruflich in eine andere Stadt versetzt wird) aus ihrem Leben verschwindet. Sie verlieren die Orientierung im Leben, ungünstige Zufälle akkumulieren sich, bis die Geschehnisse in einer Katastrophe eskalieren, die die Zukunft aller vier Brüder nachhaltig beeinflusst oder gar zerstört und der nicht einmal der sanftmütige Ben entkommen kann.
Die Geschichte kann gelesen werden als Fabel über das Schicksal Nigerias, als Metapher für die unheilvolle Kollision von altem/traditionellem und neuem/nachkolonialem Afrika. Unter einer Oberfläche moderner Bildung ist noch immer der alte Glaube an Mythen und Magie tief verwurzelt. Nachvollziehbar werden die verhängnisvollen Verstrickungen der vier Jungen geschildert, die aus bestimmten tradierten Denkweisen (die in der Figur des verrückten Sehers Abulu personifiziert werden) und den unglücklichen aktuellen Umständen resultieren. Möglicherweise hätte alles ganz anders enden können, wären manche Ereignisse ein klein wenig anders verlaufen, hätte man eine andere Sichtweise auf die Dinge oder wären die Verhältnisse friedlicher.
Der Schreibstil des Autor enthält viele sehr bildhafte Vergleiche, angefangen vom Fluss und den Fischen, bis hin zu den Vergleichen der Familienmitglieder mit verschiedenen Tierarten, die die Stellung der betreffenden Person in der Welt sehr treffend charakterisieren. In einigen Aspekten ging der Roman dann zwar nicht so tief, wie ich es erwartet hatte, so durchzieht der titelgebende Fluss als Motiv beispielsweise nicht das ganze Buch, sondern ist nur anfänglich von Bedeutung.
Fazit: ein sehr lesenswerter und empfehlenswerter Roman für jemanden, der sich für Afrika interessiert oder gern mal über den europäischen Tellerrand schauen möchte.