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Die Geschichte einer westdeutschen Unternehmerfamilie und ihres Verfalls. Als sie sich kennenlernen, ist Adenauer noch Kanzler: Arzttochter Inga und Wilhelm, der erfolgreiche Dressurreiter - ein Traumpaar. Doch kurz nach der Geburt des zweiten Kindes stirbt Inga an Leukämie. Die jüngere Tochter wird zu den Großeltern mütterlicherseits gegeben, die ältere bleibt beim Vater. Der baut sich, um seiner strengen Mutter und ihrer noch strengeren Kirche zu entfliehen, ein Haus in der Einsamkeit. Nach sieben Jahren holt Wilhelm seine Jüngste zu sich, wie im Märchen. Aber ein Märchen ist dies le...
Die Geschichte einer westdeutschen Unternehmerfamilie und ihres Verfalls. Als sie sich kennenlernen, ist Adenauer noch Kanzler: Arzttochter Inga und Wilhelm, der erfolgreiche Dressurreiter - ein Traumpaar. Doch kurz nach der Geburt des zweiten Kindes stirbt Inga an Leukämie. Die jüngere Tochter wird zu den Großeltern mütterlicherseits gegeben, die ältere bleibt beim Vater. Der baut sich, um seiner strengen Mutter und ihrer noch strengeren Kirche zu entfliehen, ein Haus in der Einsamkeit. Nach sieben Jahren holt Wilhelm seine Jüngste zu sich, wie im Märchen. Aber ein Märchen ist dies leider nicht ...
Eva Sichelschmidt wuchs am grünen Rand des Ruhrgebiets auf. 1989 zog sie nach Berlin, wo sie als Kostümbildnerin für Film und Oper arbeitete und erst ein Maßatelier für Abendmode, dann das Geschäft 'Whisky & Cigars' eröffnete. 2017 erschien ihr erster Roman, 'Die Ruhe weg'. Ihr zweiter, 'Bis wieder einer weint', war u.a. für den Deutschen Buchpreis nominiert. 2022 war sie zum Bachmann-Wettbewerb eingeladen. Eva Sichelschmidt lebt in Rom und Berlin.
Produktdetails
- rororo Taschenbücher 29183
- Verlag: Rowohlt TB.
- Artikelnr. des Verlages: 21320
- 1. Auflage
- Seitenzahl: 480
- Erscheinungstermin: 26. Januar 2021
- Deutsch
- Abmessung: 190mm x 124mm x 38mm
- Gewicht: 414g
- ISBN-13: 9783499291838
- ISBN-10: 3499291835
- Artikelnr.: 59386034
Herstellerkennzeichnung
Rowohlt Taschenbuch
Kirchenallee 19
20099 Hamburg
produktsicherheit@rowohlt.de
Eva Sichelschmidt beschreibt mit gekonnten Zeitsprüngen den Aufstieg und Fall einer westdeutschen Familie in der Nachkriegszeit. Sie zeichnet voller Freude am Detail Lebenswelten, die uns prägten. Der Kern ihres Buches aber ist das Schicksal eines Mannes, der trotz Erfolg nicht das Leben führen durfte, das er ersehnte, und für dessen Unglück alle bezahlen müssen. Brigitte 20200603
Am Rande des Reviers
Eva Sichelschmidts Roman "Bis wieder einer weint"
Dass der Rezensent einmal das Wort "Klümpchen" in einem Roman finden würde, hätte er nicht erwartet. Bei der Lektüre weckt es ganze Erinnerungskaskaden an Kindertage. Der Proust'sche Madeleine-Effekt funktioniert also auch mit einem Bonbon, und es braucht den Geschmack gar nicht dazu (erfreulicherweise, denn Klümpchen waren und sind eine reichlich vollsaftige Angelegenheit), sondern der Klang eines umgangssprachlichen Begriffs genügt, um eine Zeit, eine Gegend, eine Stimmung heraufzubeschwören. Dergleichen Signalwörter (Markennamen, Fernsehsendungen, westfälisches Idiom) gibt es einige in Eva Sichelschmidts Roman "Bis wieder einer
Eva Sichelschmidts Roman "Bis wieder einer weint"
Dass der Rezensent einmal das Wort "Klümpchen" in einem Roman finden würde, hätte er nicht erwartet. Bei der Lektüre weckt es ganze Erinnerungskaskaden an Kindertage. Der Proust'sche Madeleine-Effekt funktioniert also auch mit einem Bonbon, und es braucht den Geschmack gar nicht dazu (erfreulicherweise, denn Klümpchen waren und sind eine reichlich vollsaftige Angelegenheit), sondern der Klang eines umgangssprachlichen Begriffs genügt, um eine Zeit, eine Gegend, eine Stimmung heraufzubeschwören. Dergleichen Signalwörter (Markennamen, Fernsehsendungen, westfälisches Idiom) gibt es einige in Eva Sichelschmidts Roman "Bis wieder einer
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weint".
Angesiedelt ist er allerdings auf zwei Zeitebenen, in zwei fiktiven Gemeinden am südlichen Rand des Ruhrgebiets und in zwei Stimmungen: einer Familie erst im Aufbruch und dann im Zusammenbruch. Die zwanzigjährige Arzttochter Inga Lüdersheim verguckt sich in den elf Jahre älteren Unternehmersohn Wilhelm Rautenberg, und am Ende des ersten von vier Teilen des Romans sind beide verheiratet. Dann schlägt das Schicksal bürgerlich bitter zu: Geld-, Ehe- und Gesundheitsprobleme stellen sich ein, und wenn man der Handlung ihren Reiz nicht nehmen will, verrät man hier nichts weiter. Die zweite Zeitebene setzt zehn Jahre später ein, mit der Geburt von Susanne, der zweiten Tochter des Ehepaars. Sie begleiten wir beim Aufwachsen im Zeichen der erwähnten Probleme bis hinein ins junge Erwachsenenalter, und sie ist für ihre Hälfte des Buchs auch dessen Ich-Erzählerin (bei einer auffälligen biographischen Schnittmenge mit der Autorin).
Es ist Eva Sichelschmidts zweiter Roman nach "Die Ruhe weg", der 2017 bei Knaus herauskam. Diesen Verlag gibt es nicht mehr, er ging in Penguin auf, und ein Teil seiner Autoren verließ das Haus - über die Frage, von welcher Seite jeweils die Trennung ausging, mag man spekulieren. Jedenfalls ist Eva Sichelschmidt zu Rowohlt gewechselt, also einer prominenten Adresse, allerdings in den dortigen "Hundert Augen"-Imprint, wo man sein Glück mit etwas leichtfüßigerer Literatur versucht als im Hauptprogramm. Und die Erzählung aus weiblicher Perspektive über die sechziger bis neunziger Jahre passt ja auch genau ins Beuteschema des Buchhandels, dem die Babyboomer der lohnendste Kundenkreis sind. Da es so viele Angehörige dieser Generation gibt, erscheinen heute auch recht viele Romane über jene reizvollen Jahre, als die Babyboomer noch jung waren und sich nicht nur so fühlten.
So zwangsläufig wenig originell dadurch der Inhalt von "Bis wieder einer weint" ist, so ambitioniert ist die Form des Buchs. Erzählt wird im ständigen, auch typographisch hervorgehobenen Wechsel zwischen mit Schlagworten betitelten Abschnitten aus Ich-Perspektive (zu Susannes Leben) und durchnumerierten, dafür jedoch namenlosen auktorialen Kapiteln (parallel zum Leben von Susannes Vater Wilhelm). Die Namen der Ich-Abschnitte geben jeweils ein Leitmotiv vor, das dann auch das folgende, zeitlich jedoch stets früher angesiedelte Kapitel prägt. So wird der Kurzschluss, dass die Fehler des Vaters sich auf die Tochter vererbt haben könnten, subtil ausgehebelt, weil man zunächst immer von der Jüngeren erzählt bekommt. Erst ganz zum Schluss werden beide Zeitebenen zusammengeführt, in zwei Sätzen verschmelzen Ich- und auktoriale Perspektive. Die alten Leben sind zu Ende, ein neues wird für Susanne beginnen, aber nicht mehr in diesem Roman.
Im ersten Teil ist die Handlung noch fesselnd, auch weil da die frühen sechziger Jahre Thema sind, also eine mittlerweile weit zurückliegende Zeit, und sich Eva Sichelschmidt bisweilen brillante Sarkasmen erlaubt wie den über Susannes Großvater mütterlicherseits, der nach der Schule kurzzeitig erwogen hatte, Eisenbahner zu werden. Er wurde dann Augenarzt und darum beneidet, weil man es in dieser Profession selten mit großem Leid oder gar dem Tod zu tun habe. Auf diese Binsenweisheit folgt aber der Satz: "Ein Beamter der Deutschen Reichsbahn hätte mit beidem noch weniger zu schaffen gehabt, keine Frage." Bösartiger geht es kaum, bei einem Abiturienten des Jahres 1929, also kurz vor dem "Dritten Reich" und dessen Deportationen.
Später gehorcht das Geschehen dann den gängigen Schemata eines Familienromans; nur einige Krankenhausaufenthalte anlässlich Kindsgeburt und Therapie bieten noch einmal mitreißende Schilderungen. Manche wohl als Clou gedachte Volte dagegen verpufft, weil zu absehbar ist, was passieren wird. "Übermut tut selten gut", weiß Susannes Großmutter und sagt dann das, was dem Roman den Titel gegeben hat: "Bis wieder einer weint." Das Zitat steht auf Seite 159. Dann kennt man das Programm der noch folgenden zwei Drittel.
ANDREAS PLATTHAUS.
Eva Sichelschmidt: "Bis wieder einer weint". Roman.
Rowohlt Verlag, Hamburg 2020. 476 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Angesiedelt ist er allerdings auf zwei Zeitebenen, in zwei fiktiven Gemeinden am südlichen Rand des Ruhrgebiets und in zwei Stimmungen: einer Familie erst im Aufbruch und dann im Zusammenbruch. Die zwanzigjährige Arzttochter Inga Lüdersheim verguckt sich in den elf Jahre älteren Unternehmersohn Wilhelm Rautenberg, und am Ende des ersten von vier Teilen des Romans sind beide verheiratet. Dann schlägt das Schicksal bürgerlich bitter zu: Geld-, Ehe- und Gesundheitsprobleme stellen sich ein, und wenn man der Handlung ihren Reiz nicht nehmen will, verrät man hier nichts weiter. Die zweite Zeitebene setzt zehn Jahre später ein, mit der Geburt von Susanne, der zweiten Tochter des Ehepaars. Sie begleiten wir beim Aufwachsen im Zeichen der erwähnten Probleme bis hinein ins junge Erwachsenenalter, und sie ist für ihre Hälfte des Buchs auch dessen Ich-Erzählerin (bei einer auffälligen biographischen Schnittmenge mit der Autorin).
Es ist Eva Sichelschmidts zweiter Roman nach "Die Ruhe weg", der 2017 bei Knaus herauskam. Diesen Verlag gibt es nicht mehr, er ging in Penguin auf, und ein Teil seiner Autoren verließ das Haus - über die Frage, von welcher Seite jeweils die Trennung ausging, mag man spekulieren. Jedenfalls ist Eva Sichelschmidt zu Rowohlt gewechselt, also einer prominenten Adresse, allerdings in den dortigen "Hundert Augen"-Imprint, wo man sein Glück mit etwas leichtfüßigerer Literatur versucht als im Hauptprogramm. Und die Erzählung aus weiblicher Perspektive über die sechziger bis neunziger Jahre passt ja auch genau ins Beuteschema des Buchhandels, dem die Babyboomer der lohnendste Kundenkreis sind. Da es so viele Angehörige dieser Generation gibt, erscheinen heute auch recht viele Romane über jene reizvollen Jahre, als die Babyboomer noch jung waren und sich nicht nur so fühlten.
So zwangsläufig wenig originell dadurch der Inhalt von "Bis wieder einer weint" ist, so ambitioniert ist die Form des Buchs. Erzählt wird im ständigen, auch typographisch hervorgehobenen Wechsel zwischen mit Schlagworten betitelten Abschnitten aus Ich-Perspektive (zu Susannes Leben) und durchnumerierten, dafür jedoch namenlosen auktorialen Kapiteln (parallel zum Leben von Susannes Vater Wilhelm). Die Namen der Ich-Abschnitte geben jeweils ein Leitmotiv vor, das dann auch das folgende, zeitlich jedoch stets früher angesiedelte Kapitel prägt. So wird der Kurzschluss, dass die Fehler des Vaters sich auf die Tochter vererbt haben könnten, subtil ausgehebelt, weil man zunächst immer von der Jüngeren erzählt bekommt. Erst ganz zum Schluss werden beide Zeitebenen zusammengeführt, in zwei Sätzen verschmelzen Ich- und auktoriale Perspektive. Die alten Leben sind zu Ende, ein neues wird für Susanne beginnen, aber nicht mehr in diesem Roman.
Im ersten Teil ist die Handlung noch fesselnd, auch weil da die frühen sechziger Jahre Thema sind, also eine mittlerweile weit zurückliegende Zeit, und sich Eva Sichelschmidt bisweilen brillante Sarkasmen erlaubt wie den über Susannes Großvater mütterlicherseits, der nach der Schule kurzzeitig erwogen hatte, Eisenbahner zu werden. Er wurde dann Augenarzt und darum beneidet, weil man es in dieser Profession selten mit großem Leid oder gar dem Tod zu tun habe. Auf diese Binsenweisheit folgt aber der Satz: "Ein Beamter der Deutschen Reichsbahn hätte mit beidem noch weniger zu schaffen gehabt, keine Frage." Bösartiger geht es kaum, bei einem Abiturienten des Jahres 1929, also kurz vor dem "Dritten Reich" und dessen Deportationen.
Später gehorcht das Geschehen dann den gängigen Schemata eines Familienromans; nur einige Krankenhausaufenthalte anlässlich Kindsgeburt und Therapie bieten noch einmal mitreißende Schilderungen. Manche wohl als Clou gedachte Volte dagegen verpufft, weil zu absehbar ist, was passieren wird. "Übermut tut selten gut", weiß Susannes Großmutter und sagt dann das, was dem Roman den Titel gegeben hat: "Bis wieder einer weint." Das Zitat steht auf Seite 159. Dann kennt man das Programm der noch folgenden zwei Drittel.
ANDREAS PLATTHAUS.
Eva Sichelschmidt: "Bis wieder einer weint". Roman.
Rowohlt Verlag, Hamburg 2020. 476 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Ich habe mich anfangs mit diesem Buch sehr schwer getan. Das lag am Schreibstil der sehr kühl und nüchtern ist. Das ganze Buch über bleibt er irgendwie distanziert... und im Endeffekt war es dann genau dieser Schreibstil der mich an das Buch gefesselt hat!
Das Buch besteht …
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Ich habe mich anfangs mit diesem Buch sehr schwer getan. Das lag am Schreibstil der sehr kühl und nüchtern ist. Das ganze Buch über bleibt er irgendwie distanziert... und im Endeffekt war es dann genau dieser Schreibstil der mich an das Buch gefesselt hat!
Das Buch besteht eigentlich aus 2 Geschichten. Die eine ist die Geschichte des Vaters Wilhelm und seiner Frau Inga, die kurz nach der Geburt des zweiten Kindes stirbt.
Parallel dazu erzählt dieses Kind, eine Tochter, von ihrem Leben. Vom Aufwachsen bei den Großeltern, von der Rückkehr zum Vater usw. Dieser Teil des Buches ist eine Ich Erzählung.
Beide Stränge stimmen zeitlich nicht überein, wodurch vielleicht die Distanz in der Erzählung zustande kommt - ich fand es auf jeden Fall faszinierend und habe das so auch noch nicht gelesen.
Die Geschichte selber ist stimmig und ein wenig traurig. Jeder hat sein Päckchen zu tragen und muss sein Leben leben, so gut er es vermag.
Ein gutes Buch, aber keine leichte Unterhaltungsliteratur!
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Gebundenes Buch
Ein schreckliches Kind
Eine der frühen Neuerscheinungen dieses Jahres, der zweite Roman von Eva Sichelschmidt, spielt mit seinem Titel «Bis wieder einer weint» auf die Warnung der Erwachsenen an, wenn Kinder übermütig herumalbern. Weil ja, wer kennt das nicht, oft das …
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Ein schreckliches Kind
Eine der frühen Neuerscheinungen dieses Jahres, der zweite Roman von Eva Sichelschmidt, spielt mit seinem Titel «Bis wieder einer weint» auf die Warnung der Erwachsenen an, wenn Kinder übermütig herumalbern. Weil ja, wer kennt das nicht, oft das Kichern und Getobe plötzlich umschlägt. Die nach Bekunden der Autorin autobiografisch gefärbte Geschichte, beginnend in der Adenauerzeit und bis in die frühen neunziger Jahre hineinreichend, schildert Aufstieg und Fall einer westdeutschen Unternehmerfamilie am Rande des Ruhrgebiets.
«Am 29. Juni 1971 hat niemand fotografiert» heißt es zu Beginn des Romans, es war der Tag, an dem die Mutter der damals knapp zehn Monate alten Ich-Erzählerin beerdigt wurde. An diesen Tag glaubt Suse sich später erinnern zu können, sie hatte eine Blumenvase umgerissen und ihren Laufstall damit unter Wasser gesetzt. Diese nonverbale Erinnerung bezeichnet ein Kinderpsychologe, dem sie am Ende privat von ihrem verkorksten Leben erzählt, als das bekannte Phänomen ‹emotionaler Erinnerung› in Bildern. In permanentem Wechsel zwischen personalem und auktorialem Erzähler wird zunächst die Geschichte von Inga und Wilhelm erzählt, dem glamourösen Elternpaar von Suse. Schönheit und Reichtum kamen da zusammen, die siebzehnjährige Tochter eines praktizierenden Augenarztes eine geradezu strahlende Erscheinung, der zwölf Jahre ältere Bräutigam glamouröser Dressurreiter und erfolgreicher Geschäftsmann. Inga stirbt bald nach Suses Geburt an Leukämie, das Baby wird zu den mütterlichen Großeltern gegeben, ihre sechs Jahre ältere Schwester bleibt beim Vater. Der holt dann aber auch die inzwischen achtjährige Suse wieder zu sich, sie kommt damit unter die Fuchtel der pietistischen Großmutter und leidet sehr darunter. Was sich dann in einer permanenten Widerborstigkeit im familiären Umgang ausdrückt und ebenso in einem eklatanten schulischen Versagen. Sie entwickelt sich zu einer allerseits gemiedenen Außenseiterin und weist keinerlei erkennbare Talente auf, ihre Zukunft bleibt bis zum Ende ungewiss.
Das chronologisch erzählte Geschehen nimmt seinen Anfang in den Jahren der zunehmend prosperierenden BRD, deren wirtschaftlicher Aufschwung auch Wilhelms mittelständische Maschinenfabrik mitreißt. Ein Erfolg, den er in vollen Zügen genießt, er wirft geradezu um sich mit dem reichlich vorhandenen Geld, verwöhnt seine junge Frau und nach deren Tod auch die beiden Töchter. Mit einer überbordenden Fülle an Details, vor allem aus der schillernden Konsumwelt, erzählt die Autorin, den Leser damit auf Dauer ermüdend, Alltägliches aus jener Zeit, - vieles davon ist unübersehbar klischeehaft. Diese materielle Dominanz beeinträchtigt narrativ leider allzu sehr das Seelenleben ihrer Figuren. Deren Psyche bleibt auffallend blass, es wird auch nicht angemessen differenziert beim Blick auf die verschiedenen Charaktere. Denn auch Wilhelm hat seine dunklen Seiten. Vor allem hat er eine heimlich ausgelebte homosexuelle Prägung, er ist mit der ahnungslosen Inga einmal sogar als Gast geladen zu einem Empfang von Arndt von Bohlen und Halbach in der Essener Villa Hügel.
In der zweiten Hälfte kommt endlich ein wenig Schwung in die bis dahin eher langweilige, deutlich zu breit ausgewalzte Geschichte, die Lebenslügen werden entlarvt, die glamouröse Fassade bekommt zunehmend Risse. Denn irgendwann endet auch Wilhelms Firma im Konkurs, die Zeiten haben sich geändert, für ihn eine harte Landung nach den Höhenflügen der glorreichen Vergangenheit. Wilhelm ist zum Alkoholiker geworden, leidet an verschiedenen Krankheiten, er lässt sich nahezu willenlos von seinem Liebhaber finanziell ausnehmen. Den Töchtern bleibt nur die Flucht aus dieser Misere in ein selbstbestimmtes Leben, das für sie ganz bei Null anfängt. Dieser Gesellschaftsroman endet mit dem an Suse gerichteten, resignierenden Satz ihrer Tante: «Du warst wirklich ein schreckliches Kind». Und das ist es auch schon, was sich dem Leser eingeprägt hat, mehr ist da nicht.
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Gebundenes Buch
Bis wieder jemand weint ist eine Familiengeschichte Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland. Natürlich ist es eine erfolgreiche Unternehmerfamilie und es wird über mehrere Generationen erzählt. Von dieser Art gibt es viele Bücher im Unterhaltungsgenre und fast alle sind …
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Bis wieder jemand weint ist eine Familiengeschichte Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland. Natürlich ist es eine erfolgreiche Unternehmerfamilie und es wird über mehrere Generationen erzählt. Von dieser Art gibt es viele Bücher im Unterhaltungsgenre und fast alle sind gleich gemacht. Aber diese Romane landet normalerweise nicht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Wie konnte das nur passieren?
Eva Sichelschmidt gestaltet ihren Roman im Prinzip nicht anders als andere. Besonders literarisch finde ich ihren Stil leider nicht, obwohl es gut versteckt ein paar bemerkenswerte Motive gibt.
Zu den verhaltenen Figuren konnte ich keine Zugang finden. Weder zu Inga noch zu Wilhelm, eher noch zu der jüngeren Generation.
Vielleicht unterschätze ich den Roman ja auch, aber für mich war er nur gehobenes Mittelmaß.
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