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Links zu sein, ist in Deutschland kein Problem. aber kann man auch konservativ sein? Oder ist man dann rechts? Ulrich Greiner nimmt für sich das Recht in Anspruch, konservativ geworden zu sein. und er stellt fest, dass der konservative Gedanke in Deutschland politisch und intellektuell heimatlos geworden ist. Weil er vom Diskurs der Mehrheit abweicht, ist er in der rechten Ecke gelandet. Doch die alten Kategorien greifen nicht mehr, die ideologischen Fronten nehmen einen neuen Verlauf. Was also kann es in Zeiten von Homo-Ehe, Flüchtlingskrise und Trump bedeuten, konservativ und dabei doch…mehr

Produktbeschreibung
Links zu sein, ist in Deutschland kein Problem. aber kann man auch konservativ sein? Oder ist man dann rechts? Ulrich Greiner nimmt für sich das Recht in Anspruch, konservativ geworden zu sein. und er stellt fest, dass der konservative Gedanke in Deutschland politisch und intellektuell heimatlos geworden ist. Weil er vom Diskurs der Mehrheit abweicht, ist er in der rechten Ecke gelandet.
Doch die alten Kategorien greifen nicht mehr, die ideologischen Fronten nehmen einen neuen Verlauf. Was also kann es in Zeiten von Homo-Ehe, Flüchtlingskrise und Trump bedeuten, konservativ und dabei doch aufgeklärt zu sein? Wer vertritt die Kritik an einer immer stärkeren Verflechtung Europas? Woher kommt der deutsche Selbsthass? Wie elitär ist der Multikulturalismus? Was gilt es von der geistigen Tradition des christlichen Abendlandes in der globalisierten Welt zu bewahren?
Solchen Fragen stellt sich der langjährige Feuilleton-Chef der «Zeit». Sein Buch ist der streitbare Versuch, im Jahr der Bundestagswahl den politischen und intellektuellen Raum für einen modernen Konservativismus auszuloten - jenseits von politischer Korrektheit und diesseits der AfD.
Autorenporträt
Ulrich Greiner, 1945 geboren, war Feuilleton-Chef der 'Zeit' und verantwortlicher Redakteur des Ressorts Literatur und ist nun Autor der 'Zeit'. Als Gastprofessor lehrte er in Hamburg, Essen, Göttingen und St. Louis. Er ist Mitglied des Pen sowie Präsident der Freien Akademie der Künste in Hamburg. Seine jüngsten Buchveröffentlichungen sind 'Ulrich Greiners Lyrikverführer' (2009) und 'Das Leben und die Dinge: Alphabetischer Roman' (2015). 2015 wurde er mit dem Tractatus-Preis für philosophische Essayistik ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.08.2017

Deutschland,
privat
Ulrich Greiners „Bekenntnisse eines Konservativen“
Die meisten Ismen leisten nicht, wofür man sie braucht. Sie sorgen nicht für Übersichtlichkeit, sondern erhöhen die Verwirrung. Der immer klare Max Horkheimer überraschte 1971, am Beginn des „roten Jahrzehnts“, im Spiegel mit der Behauptung, „daß richtige Aktivität nicht bloß in der Veränderung, sondern auch in der Erhaltung gewisser kultureller Momente besteht“, weshalb der „wahre Konservative“ dem „wahren Revolutionär“ verwandter sei als dem Faschisten. In der Ideengeschichte der Bundesrepublik fehlten konservative Gedanken nie, so wenig wie sozialistische, aber offenkundig muss alles immer wieder neu entdeckt werden. Das hat in diesem Herbst der Zeit-Literaturkritiker Ulrich Greiner übernommen. Seine „Bekenntnisse eines Konservativen“ privatisieren den Konservatismus. Anstelle von Argumenten wirft er seine Person in die Waagschale. Er fühlt sich heimatlos, weil die „Leitmedien“ einen „Anpassungsmoralismus“ pflegen. Keine Partei ist in Sicht, in der er sich mit seinen „Überlegungen und Bedenken “ wiederfinden könnte.
Es geht um die Ehe für alle und die Reproduktionsmedizin, um das christliche Abendland und den Islam, das Eigene und das Fremde, die Flüchtlingspolitik, die EU, um Gleichheit, Staat, Identität. Greiner verwickelt sich dabei in eine Reihe performativer Widersprüche. Das beginnt mit der Klage, die „Internationalisten“ würden die Freunde des historisch Gewordenen „in die rechte Ecke“ abschieben. Aber hat sich nicht der Autor selbst in diese Ecke gestellt? Der im März 2016 in der Zeit erschienene Artikel, aus dem dieses schmale Buch hervorging, trug den Titel „Vom Recht, rechts zu sein“. Er unterwarf sich freiwillig dem erkenntnishemmenden Links-rechts-Schema. Greiners Buch schwankt nun unentschlossen zwischen diesem Schema und der Sehnsucht nach demokratischem Streit. Der wird aber durch die Neigung des Autors erschwert, Andersmeinende als Opportunisten, Moralisten, Selbsthasser herabzusetzen.
Ein Konservativer wie er – „jenseits von politischer Korrektheit und diesseits der AfD“ – müsse heute einige Unbequemlichkeiten in Kauf nehmen. Dennoch seien Intellektuelle wie „Rüdiger Safranski und Sibylle Lewitscharoff, Martin Mosebach oder Peter Sloterdijk“ konservativ. Zu den Unbequemlichkeiten, die unter der vermeintlichen Herrschaft eines „linken“ Zeitgeistes die Abweichler erdulden müssen, gehören also Büchner- und Börnepreis oder eine langjährige Karriere bei der Zeit. Auch müssen sie es ertragen, dass ihnen gelegentlich heftig widersprochen wird. Der Shitstorm ist nun einmal der Applaus des öffentlichen Intellektuellen, Ideen setzen sich im Streit durch. Was heute gern als Aufklärung beschworen wird, als sei dies eine Brosche, die sich Europa irgendwann angesteckt habe, entfaltete sich in einer nie abreißenden Kette von Zänkereien, Polemiken, literarischen Schlachten. Das sähe man von einem konservativen Verteidiger des Abendlandes gern als das „historisch Gewordene und halbwegs Bewährte“ verteidigt.
Stattdessen sorgt sich Greiner um den deutschen Weihnachtsmarkt, der von Selbsthassern in „Wintermarkt“ umgetauft worden sei. Seit Jahren ist bekannt, dass es mit den skandalisierten Wintermarkt-Beispielen nicht weit her ist und landauf, landab nach wie vor Weihnachts- oder Christkindlmärkte um die Glühweinliebhaber konkurrieren. Aber in diesen „Bekenntnissen“ eines Journalisten wird wenig Recherche betrieben. Die Herleitung steht vorab fest: Schuld sind Irrtümer, moralgestützte Verblendung der „Linken“.
Diese äußere sich auch in der „Universalisierung der Moral“, etwa wenn Plastiktüten als Gefahr für die Weltmeere angeprangert werden. An die Stelle des christlichen Gewissens sei das „Weltgewissen“ getreten, „dessen Kommissare niemanden ungeschoren davonkommen lassen“. Und Rauchverbote, Anschnall- und Helmpflicht, hässliche Bilder auf Zigarettenschachteln belegen: „Wir sind auf dem besten Weg in eine Diktatur der Fürsorge.“ Nach diesem rhetorischen Muster – kleiner Anlass, maximale Erregung – dramatisiert und hysterisiert Greiner normale Meinungsdifferenzen und alltägliche Irritationen. Es gab eine Zeit, da hätte man, zumal in Hamburg, derlei Unverhältnismäßigkeiten unbürgerlich genannt.
Kopfnickend liest man den Literaturkritiker Greiner, wenn er die Vernachlässigung der deutschen Sprache beklagt, wenn er analysiert, welche literarischen Folgen es hat, in „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ die Wendung „ein kleiner Neger“ zu streichen. Er will Bibel und Koran nicht gleichgesetzt sehen, sieht im Islam ein nahezu unüberwindliches Hindernis für ein friedliches Zusammenleben und bemerkt zutreffend: „Eine Versöhnung mit dem radikalen Islam ist nicht möglich, eine Versöhnung mit den moderaten Muslimen nicht notwendig.“ Aber will man sich von einem Autor über den Islam belehren lassen, der den Ayatollah Chomeini noch 1989, im Jahr seiner Fatwa gegen Salman Rushdie, im Pariser Exil auf die Machtübernahme warten lässt? Chomeini war 1979 nach Iran zurückgekehrt.
Die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 behandelt Greiner, ohne außenpolitische Probleme oder ein Dilemma zuzugestehen. Die Botschaften des Papstes Franziskus zum Umgang mit Fremden übergeht er, obwohl er großen Wert darauf legt, katholisch zu sein. Naivitätsvorwürfe treffen die „Willkommenskultur“, die NSU-Morde, der NSU-Prozess und die NPD-Demo in Heidenau im August 2015 kommen nicht vor. Der Moralismus wird gegeißelt, zugleich urteilt Greiner selbst unentwegt moralisierend. Moralismus ist nach einer bündigen Definition Hermann Lübbes „der Triumph der Gesinnung über die Urteilskraft“. An diesen „Bekenntnissen“ kann man den Sieg der Gesinnung über die Welt- und Selbstwahrnehmung studieren. Statt in die Wirklichkeit der Merkel-Jahre führt Greiner ins Innere eines Lebensgefühls, das akklamiert werden will. Die Heimat, die er sucht, ist das Publikum.
Zu Recht fragen Konservative nach der Rechtfertigung des Neuen. Wo andere den Fortschritt begrüßen, sehen sie – oft mit guten Gründen – Verlust. Deshalb besaß das konservative Denken bei großen Autoren der Bundesrepublik wie Joachim Ritter, Arnold Gehlen, Helmut Schelsky, Robert Spaemann wirklichkeitserschließende Kraft. Diese „Bekenntnisse“ zeigen einen neuen Konservatismus, der sich mit Zerrbildern und der Stilisierung seiner selbst zum bedrohten Außenseiter begnügt. Der Verlust, der mit diesem Neuen einhergeht, ist beträchtlich.
JENS BISKY
Heute müssen Abweichler
Büchner- und Börnepreis oder
eine Zeit-Karriere erdulden
Statt in die Wirklichkeit der
Merkel-Jahre führt Greiner
ins Innere eines Lebensgefühls
Ulrich Greiner: Heimatlos. Bekenntnisse eines Konservativen. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2017. 160 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.2017

Auch weiß er nicht, wen er wählen soll
Ulrich Greiner bekennt sich als Konservativer, dem etwas Entscheidendes fehlt

Zur Buchmesse 1975 beklagte Ulrich Greiner, damals Literaturredakteur dieser Zeitung, die großen Verlage publizierten kaum mehr linke Titel. Die "Reduzierung mißliebiger Texte" sah er einer "neuen Generation lernwilliger, autoritätsfixierter, erfolgsorientierter Studenten" geschuldet, die durch "äußere Pressionen" zur Stromlinienförmigkeit gezwungen worden seien: "Nummerus clausus und Radikalenbeschluß züchten einen neuen Typus des Anpassers." Zugleich gab Greiner aber hinsichtlich einer konservativen Tendenzwende Entwarnung, "weil es auf diesem Gebiet nichts zu drucken gibt".

Das hat sich offensichtlich geändert. Denn Greiner trägt nun selbst zu einem mittlerweile reich bestellten Feld bei. Mit seinen "Bekenntnissen eines Konservativen" reiht er sich ein in die Schar ehedem sich links verstehender Journalisten und Intellektueller, die nun auf konservativen Kurs gehen. Bei Greiner begann die Abkehr von der Linken 1990 nach einem Gespräch mit Joseph Rovan, der ihm die mit der intellektuellen Anziehungskraft und Theoriehöhe begründete vermeintliche Höherwertigkeit des Kommunismus gegenüber anderen Totalitarismen ausredete.

Greiner fand so zu einer Äquidistanz gegenüber den Extremen. Warum "links" angesichts der Hinterlassenschaften des Sozialismus moralisch privilegiert sein soll, leuchtete ihm nicht länger ein. Das politische Engagement hatte auch ihn moralisch blind werden lassen. Im Hinblick auf seine damalige, rein die politischen Folgen abschätzenden Reaktion auf den Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback empfindet Greiner heute Scham ob seines Mangels an Mitgefühl. Entspricht Greiners neugewonnene Äquidistanz einer liberalen Haltung, so trifft dies auf das zweite Motiv seiner Neuorientierung nicht zu, denn die Gretchenfrage beantwortet er im Grundsatz doch sehr eindeutig: Greiner ist wieder in die katholische Kirche eingetreten.

Deren politische Stellungnahmen waren es sicher nicht, die ihn dazu veranlassten, auch nicht die Profanierung der Messfeier in der reformierten Liturgie und schon gar nicht die Moralisierung der Politik, welche die Unzuständigen und Unverständigen betreiben. All das kritisiert Greiner nämlich. Und angesichts der Geschichte des Christentums tut er etwas sehr Konservatives: Er kritisiert nicht, er hadert nicht, er staunt.

Sein Staunen auch über das Wunder des Lebens sieht Greiner freilich durch die Biotechnologie bedroht. Die Abkopplung der Reproduktion von der Familie zerstöre die Genealogie, den familiären Zusammenhang, die Herkunft. Die linke Identitätspolitik mit ihrer Ächtung diskriminierender Begriffe und unliebsamer Straßennamen tut das Übrige, um sich dem Szenario von Orwells in "1984" zu nähern: die permanente Austilgung oder Umschreibung der Vergangenheit. Greiner sieht nun die Religion nicht nur als schutzwürdiges Kulturgut an, er nimmt das Christentum auch in seinem Absolutheitsanspruch ernst.

Und das heißt, gerade keine Äquidistanz gegenüber den Religionen zu wahren, wie Greiner mit einem Schuss Kapitalismuskritik, die er sich bewahrt hat, proklamiert: "Entweder wir berufen uns auf unser Herkommen (das, ob man will oder nicht, abendländisch ist), oder wir folgen einem Kulturrelativismus, dessen einziges Credo ein Anpassungsdenken ist, wie wir es von jenem global agierenden Kapitalismus kennen, dem alles gleich gültig ist, sofern nur profitabel.

Dieser Zynismus wird uns nicht retten. Die Vorstellung, die monotheistischen Religionen seien einander im Wesentlichen ähnlich, es empfehle sich also, von beiden Missgeburten Abstand zu halten, führt in die Irre. Es ist kein geringer Unterschied, dass die eine Religion von einem gekreuzigten Wanderprediger gegründet wurde und die andere von einem kriegführenden Kaufmann."

Greiner gehörte in den siebziger Jahren nicht zu den Linksextremen, und er hält auch nun Maß und plädiert eher für eine Art von Traditionsschonung im Sinne Hermann Lübbes als für Fundamentalopposition. Greiner hat auch kein klares Feindbild und weiß nicht, wen er bei der Bundestagswahl wählen soll. Er wendet sich mit Grausen von den etablierten Parteien ab, obgleich er de Maizières Auffrischung der Leitkulturdebatte goutiert. Nach der Lektüre von Greiners Essay ist man freilich weniger darauf gespannt, wie nun am Ende seine Wahlentscheidung ausfällt (wäre trotzdem nett, wenn er das nach so viel öffentlichem Räsonieren mitteilte), als wer nun der Nächste im Renegatenkreis ist.

PETER HOERES

Ulrich Greiner:

"Heimatlos". Bekenntnisse eines Konservativen.

Rowohlt Verlag,

Reinbek 2017.

160 S., geb., 19,95 [Euro].

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Ein gründlicher, bedachter Leser, dessen Urteil eine Art Goldstandard darstellt. Gustav Seibt Süddeutsche Zeitung