Eine Biografie ist gewöhnlich ein dicker Wälzer mit wahren, manchmal jedoch auch mit erfundenen Erinnerungen. Hier haben wir eine Biografie, die fast ohne Worte auskommt - eine gezeichnete Biografie - und von keinem Geringeren als dem bekannten französischen Zeichner und Cartoonisten Jean-Jacques
Sempé, der 1932 in Bordeaux geboren wurde.
Mit achtzig Jahren hat man natürlich viel zu erzählen…mehrEine Biografie ist gewöhnlich ein dicker Wälzer mit wahren, manchmal jedoch auch mit erfundenen Erinnerungen. Hier haben wir eine Biografie, die fast ohne Worte auskommt - eine gezeichnete Biografie - und von keinem Geringeren als dem bekannten französischen Zeichner und Cartoonisten Jean-Jacques Sempé, der 1932 in Bordeaux geboren wurde.
Mit achtzig Jahren hat man natürlich viel zu erzählen oder zu malen. Und obwohl sich Sempé auf seine Kinderjahre beschränkt, ist es ein opulenter Bildband geworden, der nun pünktlich zu seinem 80. Geburtstag im Diogenes Verlag erschienen ist.
Sempé nimmt den Leser (Betrachter) mit auf eine Entdeckungsreise zu den Erlebnissen und Träumen seiner Kindheiten. In vielen Zeichnungen sehen wir ihn als winzig kleines Menschlein in einer meist übergroßen Kulisse. Dieses Missverhältnis von menschlicher Winzigkeit und gigantischer Umwelt gehört immer wieder zu Sempés Themen.
Überhaupt ist Sempés Humor von einer sehr persönlichen Art. Man lacht nicht einfach los - nein, man überlegt, ob es etwas Ernstes ist oder ob es etwas zu lachen gibt. Dieser Dualismus von Humor und Ernsthaftigkeit zeichnet Sempés Kunst von jeher aus. Dabei kommt er fast ohne Worte aus, d.h. seine Zeichnungen tragen fast nie einen Titel. Den soll der Leser selbst erfinden.
Ganz ohne Worte kommt der Diogenes-Band aber nicht daher: in einem umfangreichen Interview mit dem französischen Journalisten Marc Lecarpentier offenbart Sempé dann doch interessante Einzelheiten aus seinem Leben. Er erzählt von seinen Jugendstreichen, von seiner Liebe zum Meer oder von der Zusammenarbeit mit dem Comic-Autor René Goscinny, dem Erfinder des kleinen Nick. Manchmal wird Sempé aber auch philosophisch und entpuppt sich als ein Verehrer von Immanuel Kant.
„Kindheiten“ zeigt Sempé als einen einfühlsamen Menschenbeobachter. Seine farbigen oder Schwarz-Weiß-Zeichnungen sind humorvoll, witzig, melancholisch, hintergründig … man könnte noch andere Attribute finden und würde damit die kleinen Kunstwerke doch nur zum Teil beschreiben.
Fazit: Der üppige Bildband ist eine wahre Fundgrube des Humors oder besser: der gezeichneten Poesie.
Manfred Orlick