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Er galt als »König der Romantik«, brachte Deutschland mit seinen Übersetzungen Shakespeare und Cervantes nahe, war genialer Entdecker, Förderer, Vorleser - doch seine eigenen frühen Erzählungen, in denen er Wahnsinn, Raserei, Furcht und Schrecken literaturfähig macht, gilt es erst noch zu entdecken.
Schon als Junge war Tieck ein Bücherfresser par excellence. Und seine eigene Phantasie schlug wilde Volten. Der Fremde, Der Psycholog, Liebeszauber, Der Runenberg und ähnlich heißen seine frühen Geschichten, die freilich kaum jemand kennt. Ein großer Fehler, sagen Jörg Bong und Roland Borgards -
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Produktbeschreibung
Er galt als »König der Romantik«, brachte Deutschland mit seinen Übersetzungen Shakespeare und Cervantes nahe, war genialer Entdecker, Förderer, Vorleser - doch seine eigenen frühen Erzählungen, in denen er Wahnsinn, Raserei, Furcht und Schrecken literaturfähig macht, gilt es erst noch zu entdecken.

Schon als Junge war Tieck ein Bücherfresser par excellence. Und seine eigene Phantasie schlug wilde Volten. Der Fremde, Der Psycholog, Liebeszauber, Der Runenberg und ähnlich heißen seine frühen Geschichten, die freilich kaum jemand kennt. Ein großer Fehler, sagen Jörg Bong und Roland Borgards - und liefern zu Tiecks 250. Geburtstag eine brillante Auswahl davon. Sie erzählen zudem in kurzen Zwischentexten vom Genie ihres Erfinders.

Tiecks Erzählungen haben bis heute nichts von ihrer mitreißenden Intensität verloren. Denn sie haben es in sich: Tieck entwickelt darin Arten des Erzählens, die bis heute bestimmend geblieben sind, von der Literatur über das Kino bis zur Netflix-Serie, im Dreiklang von Comedy, Horror und Fantasy.
Autorenporträt
Jörg Bong, geboren 1966, promovierter Literaturwissenschaftler, Autor, freier Publizist sowie ehemaliger Verleger des S. Fischer Verlags (bis 2019). Schrieb unter anderem für die FAZ, DIE ZEIT und den SPIEGEL. Unter dem Namen Jean-Luc Bannalec veröffentlicht er Kriminalromane. Zuletzt Herausgeber des Buches '57 Interventionen für die Kultur' zusammen mit Marion Ackermann, Gesine Schwan und Carsten Brosda. Roland Borgards, geb. 1968, ist Professor für deutsche Literaturgeschichte an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und großer Kenner der Romantik.  Ludwig Tieck (31.5.1773-28.4.1853), erster deutscher Großstadtautor, Übersetzer- und Herausgebergenie. Einer der vielfältigsten, spannendsten und überraschendsten Autoren der deutschen Literaturgeschichte. 
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Tilman Spreckelsen lernt in diesem Sammelband den Schriftsteller Ludwig Tieck als "Meister der Perspektivenvielfalt" in jungen Jahren kennen. Der Band, zusammengestellt von Jörg Bong und Roland Borgards, versammelt Geschichten aus der frühen Schaffenszeit Tiecks, in der Spreckelsen allerdings schon die literarische Raffinesse des versierten, älteren Romantikers erkennen kann. Sowohl Tiecks Fähigkeit, Schwärmerisches subtil ins Lächerliche zu ziehen, als auch sein Talent, die Realität aus ganz unterschiedlichen Perspektiven zu erzählen, findet der Kritiker in den Texten wieder. Er ist fasziniert von diesem Porträt "eines sich entfaltenden Künstlers", das durch Texte der Herausgeber ergänzt wird, die bestimmte Deutungsaspekte hervorheben und Übergänge schaffen: eine rundum "erhellende" Lektüre.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.2023

Leiser Spott für Schwärmerei

Kurioser Naturfreund: Ein Sammelband mit Texten des jungen Ludwig Tieck zeigt einen Meister der Perspektivenvielfalt.

Als der junge Mann in die fremde Stadt kommt, wo er, wie er meint, dank Protektion die einflussreiche und bestens bezahlte Stelle bei der Regierung schon in der Tasche hat, läuft er abends noch durch die neue Umgebung, die ihm Heimat werden soll. Der Mond steht am Himmel, aus den Fabriken kommen "jauchzend" die Arbeiter, Mädchen ziehen fröhlich plaudernd durch die Straßen, in den Häusern wird "froh und lebhaft kauend" das Abendbrot gegessen, und jener junge Mann namens Siegmund ist im Anblick der Stadt "mit sich und seinem Schicksale außerordentlich zufrieden".

Am nächsten Tag stellt der Bewerber fest, dass er den Präsidenten, der über die Stelle entscheidet, unwissentlich am Vortag öffentlich bloßgestellt hatte und zudem ein anderer noch engere Verbindungen zur Macht hat und deshalb statt seiner im Amt angestellt werden soll. Auch die Stadt trägt nun ein anderes Gesicht: "Siegmund stieß an manche Lastträger, die ihm ihre Flüche nachschickten; Kutscher schimpften von ihrem Bocke herunter, weil er ihnen zwischen die Pferde lief; eine alte Frau fing ein jämmerliches Geheul an, weil er ihr einige Töpfe zerbrochen hatte, die er in der zerstreuten Eil mit dem sechsfachen Preise bezahlte." Siegmund, der am Vorabend noch eine Stadt und eine Gemeinschaft von Menschen sah, in die er sich bestens einzufügen glaubte, ist jetzt nur noch allen im Weg. Und seufzt: "O hätte ich nur meine gestrigen Empfindungen zurück!"

Als Ludwig Tieck die Erzählung "Die beiden merkwürdigsten Tage aus Siegmunds Leben" schrieb, war er Anfang zwanzig und bereits dabei, den Literaturbetrieb als Grundlage für den Broterwerb zu nutzen. Seine ersten Schritte auf diesem Gebiet hatte der heute vor 250 Jahren geborene Sohn eines Berliner Seilermeisters bereits als Schüler zurückgelegt, als er den Kolportageroman eines seiner Lehrer auf dessen Bitte hin für ihn mit einem Schlusskapitel versah. Es folgte ein Studium, das Tieck nach wenigen Semestern abbrach. Das Angebot, für den Verleger Nicolai dessen Almanach "Straußfedern" fortzuführen, war dann entscheidend für Tiecks Karriere als professioneller Autor: Der junge Mann bezog eine eigene Wohnung in Berlin, übernahm wie seine beiden Vorgänger als Herausgeber Stoffe aus französischen Vorlagen und erzählte sie auf Deutsch nach, allerdings mit großer Freiheit und eigener Färbung.

Nicht alle Geschichten in den von ihm verantworteten "Straußfeder"-Bänden stammen von Tieck, aber bei denjenigen, die er viele Jahre später teils überarbeitet in seine Werkausgabe übernahm, kann man seine Autorschaft annehmen. Sie zeigen einen bei aller Jugend belesenen Schriftsteller, der sich ausprobiert, literarische Techniken adaptiert und eigene erfindet, der sich an den Erwartungen des Publikums und des Verlegers Nicolai orientiert und zugleich seinen Spielraum listig erweitert. Vollständig liegen Tiecks "Straußfeder"-Beiträge in einer dreibändigen Ausgabe des Golkonda-Verlags vor.

Der Band "Wilde Geschichten", zusammengestellt von Jörg Bong und Roland Borgards, der eine Reihe von Texten des jungen Tieck enthält, darunter fünf aus den "Straußfedern" (in der Fassung der Werkausgabe), zeigt das so deutlich, dass man dabei ein faszinierendes Bild eines sich entfaltenden Künstlers erhält. Der Autor nutzt das dezidiert der Unterhaltung verschriebene Medium "Straußfedern", um, wie die Herausgeber richtig schreiben, das Publikum an die Erkenntnis heranzuführen, dass einer vermeintlichen Wahrheit immer die unterschiedlichen Perspektiven aller Beteiligten gegenüberstehen und dass selbst die überwältigendste Erfahrung eine Relativierung, bei Tieck nicht selten auch eine Verkasperung, sehr gut verträgt.

Wie diese Perspektivenvielfalt im Inneren einer Person aussehen kann, führt "Die beiden merkwürdigsten Tage aus Siegmunds Leben" vor, wenn die Stadt je nach Stimmung ihres Besuchers ganz unterschiedliche Gesichter trägt, und wie sich konträre Sichtweisen auf dieselben Erlebnisse bei unterschiedlichen Personen auswirken, zeigt die Parallelerzählung "Der Naturfreund", wenn die Briefe eines erklärten Junggesellen an einen Freund und die einer jungen Frau an eine Freundin spaltenweise nebeneinander gedruckt und so auch gegeneinandergehalten werden - geschickt zeigt Tieck, warum sie einander schließlich heiraten, obwohl sie eigentlich alles andere vorhaben als das.

Hier zeigt sich bereits ein Zug in Tiecks Prosa, der bis an sein Lebensende sichtbar ist: Der Autor übergießt Schwärmerei gern mit leisem Spott, nur stehen dem späten Tieck, dem Autor von "Waldeinsamkeit" etwa, ganz andere Mittel zur Verfügung als dem jungen, und wenn es vom bemühten "Naturfreund" bei der Kutschfahrt durch die Landschaft erst heißt, "er empfand ungemein viel", er dann einschläft und "das Konzert der Natur mit einem lauten Schnarchen" begleitet, dann ist er so sehr als lächerliche Figur gezeichnet, dass seine spätere Auffassung eher defizitär als komplementär zu anderen erscheint und die Parallelgeschichte etwas ins Leere läuft.

Dass neben den "Straußfeder"-Geschichten auch Tiecks sagenhafte Märchen entstehen, allen voran der "Blonde Eckbert", zeigt der Band auch, und es fällt nicht schwer, die feinen Linien zu erkennen, die sich von der einen Gruppe zur anderen ziehen. In "Wilde Geschichten" finden sich die Hinweise darauf in Texten der Herausgeber, die zwischen den von Tieck stammenden Texten stehen, Aspekte zur Deutung bereitstellen und den Übergang von der einen zur anderen Geschichte bereiten.

Denn dass dem blonden Eckbert alles entgleitet, woran er sich je gehalten hat, ist wesentlich vorgeprägt in den "Straußfedern", nur dass die halbherzigen Versuche des Erzählers dort, die Diskrepanzen aufzulösen, in den Märchen, die Tieck später in den "Phantasus"-Roman aufgenommen hat, keinen Raum finden oder sich selbst höchstens als hilf- und sinnlos entlarven. Und angesichts eines so erhellenden Lesebuchs wie "Wilde Geschichten" wird man umso mehr bedauern, dass die große Tieck-Ausgabe im Deutschen Klassiker-Verlag auf halber Strecke stehen geblieben ist. TILMAN SPRECKELSEN

Ludwig Tieck: "Wilde Geschichten".

Hrsg. von Jörg Bong und Roland Borgards. Galiani Berlin, Berlin 2023. 288 S., geb., 25,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Angenehm zugänglich öffnet sich doch ein immens weiter Horizont: von Fichtes Philosophie bis zu den ersten Anfängen der psychologischen Wissenschaft. Eine Wiederentdeckung, die lohnt! Dierk Wolters Frankfurter Neue Presse 20230606