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Seit zwei Jahren lebt Philipp auf den Färöer Inseln nördlich von Schottland. Er, ein Deutscher Mitte dreißig, ist ein Einzelgänger, seine Tage verbringt er mit ausgedehnten Spaziergängen durch die raue Natur. Von seiner Lebensgefährtin Johanna, einer Krankenhausärztin, entfremdet er sich immer mehr, mit ihrer kleinen Tochter Rannvá hingegen verbindet ihn ein stilles Einvernehmen. Als Johanna und Rannvá auf eine Reise gehen, macht sich auch Philipp auf den Weg: Er beginnt eine Wanderung über die Inseln, die ihn immer tiefer in die Natur führt. Wird er erst im Weggehen zu sich kommen? Wird er erst im Verschwinden seinen Ort finden?…mehr

Produktbeschreibung
Seit zwei Jahren lebt Philipp auf den Färöer Inseln nördlich von Schottland. Er, ein Deutscher Mitte dreißig, ist ein Einzelgänger, seine Tage verbringt er mit ausgedehnten Spaziergängen durch die raue Natur. Von seiner Lebensgefährtin Johanna, einer Krankenhausärztin, entfremdet er sich immer mehr, mit ihrer kleinen Tochter Rannvá hingegen verbindet ihn ein stilles Einvernehmen. Als Johanna und Rannvá auf eine Reise gehen, macht sich auch Philipp auf den Weg: Er beginnt eine Wanderung über die Inseln, die ihn immer tiefer in die Natur führt. Wird er erst im Weggehen zu sich kommen? Wird er erst im Verschwinden seinen Ort finden?
Autorenporträt
Klaus Böldl, geboren 1964 in Passau, debütierte 1997 mit dem Roman ¿Studie in Kristallbildung¿. Seither erschienen die Erzählung ¿Südlich von Abiskö, das poetische Reisebuch ¿Die fernen Inseln¿, sein Buch über Passau ¿Drei Flüsse¿ und die Romane ¿Der nächtliche Lehrer¿ und ¿Der Atem der Vögel¿. Für sein literarisches Werk wurde Klaus Böldl mit dem Tukan-Preis, dem Brüder-Grimm-Preis, dem Hermann-Hesse-Literaturpreis sowie dem Friedrich-Hebbel-Preis ausgezeichnet. Er lehrt mittelalterliche skandinavische Literatur an der Universität Kiel. Literaturpreise: Friedrich-Hebbel-Preis 2013
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2017

Im Süden des Nordatlantik
In seinem neuen Roman „Der Atem der Vögel“ folgt Klaus Böldl den Spuren eines Weltflüchtlings
„Eine Frau“, antwortet der Ich-Erzähler auf die Frage eines Einheimischen, was ihn denn auf die Färöer-Inseln verschlagen habe. Es sei ihm nämlich unangenehm „über meine Bewandtnisse zu sprechen und mich selbst mit einer Geschichte auszustatten, in der ich mich selbst im Moment des Erzählens schon nicht mehr wiederfinde.“ Inmitten atemberaubender Naturbeschreibungen, die nicht nur in der Gegenwartsliteratur ihresgleichen suchen, bewegt sich ein Protagonist, der seine eigene Unangreifbarkeit kultiviert.
Damit und auch mit seiner Lokalisierung im hohen Norden schließt sich „Der Atem der Vögel“ an die Reihe von nunmehr sechs Büchern an, die der 1964 in Passau geborene Altskandinavist Klaus Böldl vor zwanzig Jahren mit seiner „Studie in Kristallbildung“ begonnen hat.
So sehr seitdem seine Naturbeschreibungen gepriesen, mit denen Stifters und Cézannes verglichen worden sind, so verband sich damit oft ein Vorbehalt gegenüber deren Handlungsarmut, aber darum geht es ja gerade. Indem er Felsformationen und Strände, Meerblicke und Vogelschwärme heraufbeschwört, sucht auch der Ich-Erzähler des jüngsten Romans darin zu verschwinden. Erst durch das Vorhandensein einer „fast wie ein Lebewesen in die Ferne gierenden“ Klippe „ganz im Süden der Nachbarinsel“, werde man auf dem Sandágerđi genannten Strandplatz „zu einem aufregend gleichgültigen und namenlosen, mit aller Welt erfüllbarem Punkt im Raum, im Nordatlantik, auf der Erdkugel.“ Ja: „Zu einem durchscheinenden Wesen, dessen Geschichte, wenn es überhaupt eine hat, aus der Welt um es herum besteht.“ Was die unmittelbare Umwelt des Erzählers angeht, so ist diese Geschichte nicht gerade anheimelnd. Sie beginnt mit einem Blick aus dem Wohnraum des Hauses, in dem der Erzähler bei seiner Lebensgefährtin Johanna und deren kleiner Tochter Rannvá lebt, und enthüllt die Schattenseite rein kontemplativen Daseins,einen Garten, der seit Langem vernachlässigt wird.
Man mag es nicht glauben, dass ein Mann, der vor zwei Jahren mit einem Dreimonatsvertrag als Restaurator hierher gekommen ist, nicht auch einen Garten in Fasson bringen könnte. Diesem „kleinen Fleckchen Erde ein Gesicht zu verleihen“, erscheint ihm dann auch als ein „kleiner freundlicher Gedanke“. Nur folgt darauf ein kafkaesker Einspruch: „Wie sollte man wohl einen derart widerborstigen Platz wie den da draußen in einen heiteren und wohlgeordneten Garten, in einen menschlichen Lichtblick verwandeln?“
Solchen Widrigkeiten der Existenz beizukommen, wäre vielleicht seinem Nachbarn mit dessen „Gartenmaschinen“ möglich, oder auch „Jens, Johannas tüchtigem Kollegen“, räsoniert der Erzähler und lässt keinen Zweifel daran, dass ihm beide unsympathisch sind. Während er Jens mit wachsender Eifersucht begegnet, stört ihn andererseits auch das, was er Johannas „Gegenwartskunst“ nennt: deren Omnipräsenz selbst in Abwesenheit: „Überall hat sie soeben noch etwas aufgeräumt oder geradegerückt, glänzt noch das Fensterbrett, die Tischplatte, über die sie eben noch mit einem feuchten Lappen gewischt hat“.
Man fühlt sich hier an jenen bedrängenden „Ekel“ erinnert, der den Helden von Sartres gleichnamigem Roman angesichts jeglicher Existenz empfindet – zumal wenn zu solcher Existenz auch Garten- und Hauarbeit zählen. Drehpunkt aller Etüden in Sachen Weltflucht ist hier der bereits erwähnte Schwemmsandstrand von Sandágerđi. Hier ließen Möwen an ein Mobile denken, weil es einem so vorkomme, „als ob die Vögel wie durch einen Zauber an diese Stelle gebannt sind und hilflos auf und ab schwanken.“
Hier liegt auch der Angelpunkt von Böldls Poetik, denn Spuren, die man im Sand hinterlässt, sind Inbild des Vergänglichen vor dem Erhabenen einer in sich ruhenden Natur. Aber was sagt Rannvà auf Sandágerđi? „Schau dich um, unsere Füße machen keinen Abdruck im Sand. Als ob wir gar nicht wirklich hier gingen. Sondern uns das nur vorstellten.“ Es gibt nicht einmal kurzlebige Spuren. Die Natur ist die unbeeindruckte Bühne, auf der ein Erzähler uns seine Vorstellungen präsentiert, und es ist sein Blick, der die Möwen an ein Mobile fesselt.
Aber wie weit kann man diesem „aufregend gleichgültigen“ Erzähler trauen, der sich selbst einen Gast nennt, „der sich für längere Zeit hier eingenistet hat“? Sucht er, seitdem das Ende seiner Beziehung mit Johanna absehbar und sie samt Tochter zu ihrer Mutter gereist ist, nicht schon nach einem neuen Nest? Seine Kollegin Sólrun, mit der er sich eine Ehe ausmalt, hat freilich Mann und Söhne. Und bei ihrem letzten Gespräch berührt sie ausgerechnet einen wunden Punkt in seinem Naturverhältnis: „Der Garten ist kein Ruhmesblatt in eurem Viertel.“
Da steigt der Erzähler ohne ein Abschiedswort in den gerade vorbeikommenden Bus und sitzt abends noch lange vor dem ausgeschalteten Fernseher, während sich auf dem Beistelltisch leere Bierdosen ansammeln. Jenes sanfte „Durchströmtwerden von der Welt“, das dem Atem der Vögel gleicht, will sich so nicht herstellen lassen. Vielleicht wäre da ein wenig Gartenarbeit hilfreich?
Nicht bei diesem Protagonisten. Klaus Böldls Porträt eines melancholischen Weltflüchtlings ist zugleich eine fein gesponnene Studie über die Egomanie eines empfindlichen Mannes, der Gast und Einsiedler zugleich sein möchte. Deren Ironie liegt gerade in dem, was nicht erzählt oder getan, sondern allenfalls angedeutet wird.
ULRICH BARON
„Unsere Füße machen keinen
Abdruck im Sand. Als ob wir
gar nicht wirklich hier gingen.“
Klaus Böldl: Der Atem der Vögel. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2017. 140 Seiten, 18 Euro.
E-Book 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Es dürfte kaum einen deutschsprachigen Autor geben, der so raffiniert und pathosfrei psychische Minimalstverschiebungen ins Gefüge des Daseins einbettet. Christoph Schröder Frankfurter Rundschau 20170428