Benutzer
Benutzername: 
Azyria Sun

Bewertungen

Insgesamt 709 Bewertungen
Bewertung vom 01.11.2025
Lillegraven, Ruth

Düsteres Tal


ausgezeichnet

Psychoempatisch – kalt, klug, gnadenlos

Worum geht’s?
Um ihrer Vergangenheit zu entkommen, flieht Clara Lofthus nach Nairobi. Dort baut sie für UNICEF eine Schule auf – ein Ort des Lichts in einem Land voller Schatten. Bei einem Terroranschlag beweist Clara einmal mehr ihre eiserne Kontrolle. Sie rettet die meisten Kinder, aber rettet sie sich selbst? Zurück in Oslo wird ihr erneut das Amt der Justizministerin angeboten. Eine zweite Chance – oder der letzte Schritt in den Abgrund?

Meine Meinung:
Nach dem letzten Thriller um Clara Lofthus hatte ich ehrlich nicht mit einer Fortsetzung gerechnet. Umso größer die Überraschung, als „Düsteres Tal“ von Ruth Lillegraven plötzlich auf meinem Stapel lag – und mich sofort in seinen Bann zog. Die Autorin versteht es meisterhaft, uns mit kurzen Rückblicken in Claras Vergangenheit zurück ins Spiel zu holen. Schnell sitzt man wieder in dieser beklemmenden, kühlen Atmosphäre, in der Moral nur noch ein Wort ist und Gerechtigkeit etwas, das Clara selbst definiert.

Clara bleibt ein faszinierendes Rätsel: eine Frau, die Mitgefühl ausstrahlt – und zugleich ohne mit der Wimper zu zucken tötet. Eine Psychoempathin, halb Engel, halb Rächerin. Man will sie hassen, aber sie lässt es nicht zu. Vielleicht, weil sie so eiskalt ehrlich ist. Und dann sind da Erik Heier, der plötzlich mehr als nur eine Nebenrolle bekommt, und Axel, Claras neuer Ehemann – beide auf ihre Weise Gefangene in Claras perfekt kontrolliertem Kosmos. Jeder Charakter ist kantig, beschädigt und doch präzise aufeinander abgestimmt wie Zahnräder in einer Uhr, die unaufhaltsam auf Explosion tickt.

Die Geschichte entfaltet sich wie ein politisch-psychologisches Labyrinth. Alte Sünden steigen an die Oberfläche – vom ersten Mord an Magne bis hin zu den jüngsten Taten. Heier verfolgt Claras Spuren mit verbissener Akribie, Axel kämpft mit der Wahrheit, und Claras Kinder beginnen zu ahnen, in welcher Dunkelheit sie aufwachsen. Terrorismus, Machtgier, Rache – und irgendwo dazwischen: Freundschaft, Schuld und der Wunsch nach Kontrolle. Die Spannung bleibt konstant hoch, bricht aber immer wieder eruptiv aus, wenn neue Puzzleteile ans Licht gezerrt werden. Lillegraven schreibt mit messerscharfer Präzision, schafft Szenen, die wie kalter Nebel über der norwegischen Landschaft hängen – und Figuren, die man selbst nach der letzten Seite nicht loswird.

Und das Ende? Ist es wirklich vorbei? Was ist mit Clara und Andreas? Bereitet Clara schon ihren nächsten Zug vor?

Fazit:
Ein düster-intelligenter Thriller, der zwischen Gefühl und Wahnsinn balanciert wie eine Klinge im Mondlicht. „Düsteres Tal“ von Ruth Lillegraven ist kein einfaches Buch – es ist eine psychologische Achterbahnfahrt durch Schuld, Macht und Moral. Wer sich traut, in Claras Kopf zu blicken, wird belohnt: mit Gänsehaut, Abgründen und brillantem Nervenkitzel.

5 Sterne – eiskalt, fesselnd, grandios.

Bewertung vom 01.11.2025
Lehmenkühler, Lissa

Ete Petete & Tohu Wabohu - Gegensätze ziehen sich an


sehr gut

So schön kann Durcheinander sein

Worum geht’s?
Ete Petete und Pico Bello haben ihr Leben perfekt sortiert – alles glänzt, glitzert und steht akkurat an seinem Platz. Doch dann ziehen Tohu Wabohu und Ramba Zamba nebenan ein … und schwupps, ist’s vorbei mit der feinen Ruhe! Statt Tee und Tischdecke gibt’s plötzlich Chaos, Krach und ganz viel Farbe!

Meine Meinung:
Was für ein herrlich verrücktes Buch! „Ete Petete & Tohu Wabohu – Gegensätze ziehen sich“ an hat uns vom ersten Reim an begeistert. Lissa Lehmenkühler jongliert mit Sprache wie ein Zauberclown – ihre Reime sind frech, klangvoll, voller Witz und gehen Großteils leicht über die Zunge. Dazu die Illustrationen von Julia Bierkandt: ein Farbenfest! So leuchtend, so lebendig – jedes Detail erzählt eine eigene kleine Geschichte.

Die Figuren sind einfach großartig. Schon die Namen sind ein Volltreffer: Ete Petete – die pinke Perfektionistin mit Pünktchen, Schleifchen und Haltung – und Tohu Wabohu, der kleine Wildfang, halb Rübezahl, halb Wirbelwind. Und dann diese Haustiere! Besser hätte man das Chaos-und-Ordnung-Duo gar nicht zeichnen können.

Mein 2,5-Jähriger war sofort hin und weg. Besonders, wenn ich Ete mit piepsiger Stimme sagen ließ: „Um Himmels Willen! Wir trinken nur Tee!“ – da hat er sich kugelig gelacht und es immer wieder nachgequietscht. Inzwischen kann er fast den ganzen Text mitsprechen und erzählt stolz die Geschichte anhand der Bilder nach. Ganz besonders schön fand ich Etes Verwandlung nach dem Sturz ins Loch – aus der steifen Ete wird plötzlich ein richtig liebenswertes, fast elfenhaftes Mädchen. Nur eine kleine Szene habe ich vermisst: den Moment, in dem Tohu sie wirklich rettet. So eine Rettungsaktion hätte besser gezeigt, wie die Freundschaft zwischen den beiden entstand und das Freundschaftsgefühl selbst noch stärker gemacht. Aber auch ohne das ist die Geschichte rund und herzerwärmend.

Nach sicher zwanzigmal Vorlesen entdecken wir immer noch neue Kleinigkeiten: winzige Witze in den Bildern, witzige Wortspiele wie „ordentliches Durcheinander“ oder „außerordentlich ordentlich“ – pure Sprachfreude! Dieses Buch bringt kleine und große Leser zum Lachen, Staunen und Mitreimen.

Fazit:
„Ete Petete & Tohu Wabohu – Gegensätze ziehen sich an“ von Lissa Lehmenkühler und illustriert von Julia Bierkandt ist ein fröhliches, buntes Chaos mit Herz und Witz, das zeigt: Gegensätze machen das Leben erst spannend! Wegen der fehlenden Rettungsszene gibt’s einen winzigen Punktabzug – aber ansonsten eine absolute Leseempfehlung.

4 kunterbunten Sterne von uns!

Bewertung vom 01.11.2025
Garcia, Jessie

The Business Trip


sehr gut

Business Trip – One Way Only

Worum geht’s?
Zwei Frauen, zwei Welten – und ein Mann, der sie beide verbindet. Stephanie, erfolgreiche Nachrichtenchefin mit glänzender Karriere, hat alles, was man sich von außen so wünscht. Jasmine dagegen hält sich mit Kellnerjobs über Wasser, gefangen in einer Beziehung, die mehr Schmerz als Liebe kennt. Was sie nicht wissen: Beide erzählen von demselben Mann. Und dann verschwinden sie – spurlos.

Meine Meinung:
„The Business Trip“ war mein erstes Buch von Jessie Garcia, aber ganz sicher nicht mein letztes. Der Aufbau erinnert stellenweise an Julie Clark – die wechselnden Perspektiven, die Zeitsprünge und diese klare, treibende Erzählweise, die einen sofort packt. Trotzdem hat Garcia ihren ganz eigenen Stil: direkter, dunkler, kompromissloser und mit einer Raffinesse, die sich erst nach und nach entfaltet.

Die Geschichte wird aus mehreren Blickwinkeln erzählt – nicht nur aus Sicht von Stephanie und Jasmine, sondern auch aus der des vermeintlichen Mörders Trent und verschiedene Nebenfiguren wie Robert, Lucy und Anna. Normalerweise kann eine solche Vielzahl an Stimmen schnell unübersichtlich werden, aber hier funktioniert es erstaunlich gut. Jessie Garcia schafft es, jeder Figur eine unverwechselbare Stimme und Tiefe zu geben, sodass man nie den Überblick verliert. Gerade diese unterschiedlichen Blickwinkel machen den Thriller so lebendig und psychologisch dicht.

Der Spannungsbogen ist von Beginn an straff gespannt und zieht sich gnadenlos bis zur letzten Seite. Schon der erste größere Twist – etwa im ersten Drittel – sitzt. Plötzlich werden Teile der Geschichte wiederholt, diesmal aber aus völlig anderer Perspektive, und auf einmal steht alles Kopf. Ich liebe solche Momente, in denen man denkt: Das kann doch jetzt nicht ernsthaft so gemeint sein! Doch Garcia meint es genau so. Und sie dreht weiter. Im letzten Drittel überschlagen sich die Ereignisse. Die Spannung steigt ins Unerträgliche, und zwischen all den Enthüllungen tun sich menschliche Abgründe auf, die einen gleichzeitig schockieren und faszinieren. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, ständig auf der Hut sein zu müssen, weil hinter jeder Seite ein neuer Schlag ins Gesicht lauert.

Ein paar Passagen waren mir fast zu viel. Dennoch: Das Buch ist kein seichter Thriller, sondern ein emotionaler Wirbelsturm, der dich durchrüttelt und am Ende mit offenem Mund zurücklässt.

Fazit:
„The Business Trpi“ ist spannend, vielschichtig und mit Twists, die man so nicht kommen sieht. Jessie Garcia schreibt mit Tempo, Biss und psychologischem Tiefgang.

4 Sterne – und ein großes Wow für diesen Achterbahntrip zwischen Illusion und Wahrheit.

Bewertung vom 15.10.2025
Graf, Lisa

Zwei Rivalen, ein Traum. / Lindt & Sprüngli-Saga Bd.2


ausgezeichnet

Ein Buch wie eine zartschmelzende Versuchung

Worum geht’s?
Rudolf Lindt weiß nicht so recht, wohin mit sich und seinem Leben. Der Tod seiner Schwester Fanny lässt ihn zu seinem Onkel Charles in die Schweiz fliehen – in eine Welt aus Schokolade, Handwerk und ehrgeizigen Träumen. In der Fabrik seines Onkels erwacht in ihm die Vision einer Schokolade, wie sie noch niemand zuvor gekostet hat: zarter, cremiger, vollkommener.

Meine Meinung:
In „Lindt & Sprüngli – Zwei Rivalen, ein Traum“ entführt Lisa Graf uns erneut in die köstlich duftende, hitzig brodelnde Welt der Schokoladenpioniere. Nach dem Fokus auf die Sprünglis im ersten Band stehen diesmal die Lindts im Mittelpunkt, allen voran Rudolf, der sich bald Rodolphe nennt – und mit seiner Leidenschaft, seinem Eigensinn und seinem Gespür für Genuss die Geschichte der Schokoladenherstellung revolutioniert.

Frau Graf gelingt erneut diese magische Mischung aus Historie und Emotion, aus Fakt und Fiktion, die ihre Romane so unverwechselbar macht. Man schmeckt den Kakao, riecht das Feuer der Röstöfen und spürt, wie sich Leidenschaft und Ehrgeiz zu einer Melange verbinden, die einfach süchtig macht. Besonders bezaubernd fand ich Binia aus der Matte – ein quirliges, starkes Mädchen, das sich ins Herz schleicht und dort bleibt. Und auch Nebenfiguren wie Dr. Studer oder der ganz eigene Köbi und sein Neffe Bean bereichern die Geschichte mit Witz und Menschlichkeit.

Was mich dabei besonders beeindruckt hat, ist, wie Lisa Graf es schafft, die industrielle Umbruchzeit mit so viel Leben zu füllen. Sie zeigt nicht nur, wie aus bitterem Kakao ein süßer Traum wird, sondern auch, wie sehr diese Epoche von sozialen Gegensätzen, von Mut und Aufbruch geprägt war. Zwischen der einfachen Matte und der wohlhabenden Oberstadt, zwischen Erfindergeist und Existenzangst entsteht ein kraftvolles Panorama, das nie trocken wirkt, sondern glüht vor Energie.

Faszinierend ist, wie geschickt Lisa Graf den technischen Teil – die Erfindung der Conche und die Entwicklung der Schokoladenherstellung – mit den persönlichen Kämpfen ihrer Figuren verbindet. Als Leserin mit juristischem Hintergrund hat mich zudem der Einblick in das damals noch wilde, ungeordnete und teils nicht bestehende Patentrecht begeistert. Wie schützt man eine bahnbrechende Idee in einer Zeit ohne klaren Schutzmechanismus? Raffiniert verwebt die Autorin auch hier historische Realität mit einer Andeutung von Intrige und Industriespionage – und macht schon jetzt Lust auf den nächsten Band.

Dieses Buch ist ein Genuss von der ersten bis zur letzten Seite – intensiv, lebendig und voller Wärme. Man taucht ein in die Zeit, hört das Rühren, das Klingen der Maschinen, das Murmeln der Arbeiter in der Matte – und merkt irgendwann, dass man unwillkürlich zur Schokolade greift.

Fazit:
„Lindt & Sprüngli – Zwei Rivalen, ein Traum“ von Lisa Graf ist ein historischer Roman so samtig und verführerisch wie eine frisch conchierte Tafel. Spannend, sinnlich und herzerwärmend.

5 Sterne – und bitte ein Stück Schokolade dazu!

Bewertung vom 12.10.2025
Hjorth, Michael;Rosenfeldt, Hans

Die Frauen, die er kannte / Sebastian Bergman Bd.2


ausgezeichnet

Rache – ein mörderisches Spiel

Worum geht’s?
Ein Serienmörder zieht eine blutige Spur. Seine Opfer werden grausam inszeniert – auf genau jene Weise, wie es einst der berüchtigte Frauenmörder Hinde tat. Doch Hinde sitzt seit Jahren isoliert im Hochsicherheitsgefängnis, ohne Kontakt zur Außenwelt. Niemand sollte Zugang zu diesen intimen Details haben. Niemand außer ihm. Als Torkel den eigenwilligen Sebastian ins Team holt, erkennt dieser eine Verbindung, die ihn erschüttert und die Ermittlungen in eine völlig neue Richtung lenkt. Der Fall wird zum Spiel auf Leben und Tod – für das Team, für Sebastian, für alle Beteiligten.

Meine Meinung:
Schon den Auftakt der Reihe habe ich verschlungen – und nach dem Cliffhanger war klar: „Die Frauen, die er kannte“ musste ich sofort lesen. Hjorth & Rosenfeldt enttäuschen auch diesmal nicht. Sie schaffen es, einen Protagonisten wie Sebastian Bergman, unsympathisch, verletzend und egozentrisch, gleichzeitig brillant und faszinierend wirken zu lassen. Diese widersprüchliche Figur trägt das Buch mit einer Sogwirkung, die man kaum erklären kann.

Das Team liefert dazu die perfekte Bühne: Vanja, die ahnungslos Sebastians Tochter ist, voller Abneigung gegen ihn; Billy, der immer stärker aus sich herausgeht; Ursula, deren Vergangenheit mit Sebastian erneut an die Oberfläche drängt; Mikael, Ellinor – auch diese Nebenfiguren bekommen interessante Rollen in diesem Band. Jeder mit eigenen Abgründen, jeder Teil dieses dichten, vibrierenden Beziehungsgeflechts. Es ist genau diese Mischung aus persönlichen Konflikten und dem harten Polizeialltag, die die Reihe so einzigartig macht.

Und dann der Fall: Wieder sind es grausame Taten, die von Anfang an unter die Haut gehen. Der Täter inszeniert kaltblütig, lässt die Opfer wie in einem makabren Spiel zurück und hält das Team mit jeder neuen Wendung in Atem. Es gibt Tote en masse, Manipulation, Verfolgungsjagden und brenzlige Situationen, die einem beim Lesen den Puls hochtreiben. Dazu die psychologischen Feinheiten: Hinde, der auch im Gefängnis noch mit den Gedanken seiner Besucher spielt, und Sebastian, der in Verhören eine geniale Schärfe entwickelt. Dazu immer die Angst, ob Sebastians Geheimnis ans Licht kommt. Die wechselnden Schauplätze sorgen zusätzlich für Tempo, mal bedrückend, mal voller Action. Die Ermittlungsarbeit selbst ist spannend geschildert – Überwachungen, Täuschungen, falsche Spuren, Vertuschung. Alles läuft auf ein packendes Finale hinaus, bei dem einem Angst und bange wird. Und wie schon im ersten Band endet auch dieser mit der möglichen Enthüllung eines Geheimnisses, das nur darauf wartet, im nächsten Teil zu explodieren.

Fazit:
„Die Frauen, die er kannte“ ist ein meisterhaft komponierter Thriller aus der Feder von Hjorth & Rosenfeldt. Düster, nervenaufreibend und psychologisch brillant. Figuren, die man nicht vergisst, Dynamiken, die fesseln, und eine Handlung, die man verschlingt.

Ein Pageturner, wie er im Buche steht – und für mich ganz klar 5 Sterne.

Bewertung vom 11.10.2025
Herrmann, Elisabeth

Der Teegarten / Der Teepalast Bd.2


ausgezeichnet

Zwischen Tee und Träumen

Worum geht’s?
Bettina Vosskamp will ihrer Familie entfliehen, die sie aus finanziellen Gründen mit dem unangenehmen Freiherrn von Püsken verheiraten will. Als ihre Familie alles zu verlieren droht, flüchtet sie nach Indien, zu Brenny’s Garden, dem Vermächtnis ihrer Großmutter. Doch auch dort ist es nicht einfach, Fuß zu fassen.

Meine Meinung:
Mit „Der Teegarten“ setzt Elisabeth Herrmann ihre historische Erzählung um die Familie Vosskamp fort. Auch hier hat mich ihr Schreibstil wieder sofort hineingezogen in das bunte, laute, fremde Land, zu den Menschen, Irrungen und Wirrungen – und die Seiten flogen nur so dahin.

Was im ersten Band Lene war, ist in diesem Band Bettina. Sie ist das Herz des Buches, eine junge Frau, die wie einst ihre Großmutter gegen die gesellschaftlichen Zwänge aufbegehrt. Schritt für Schritt dürfen wir sie beim Erwachsenwerden begleiten, auf ihrem Weg hin zu Mut, Selbstbestimmung und Verantwortung. Neben ihr treten viele schillernde und liebenswerte Charaktere ins Rampenlicht: alte Bekannte wie Paula und Herr Groth, die bereits Lene zur Seite standen, und neue Figuren wie Sabine, Pauls Frau. Und natürlich die Männer, die ihr Herz berühren, allen voran Jacob und Finn. Sie alle verleihen der Geschichte Wärme und Tiefe, aber auch Spannung.

Besonders gelungen fand ich den feinen Mix aus historischer Faktentreue und mitreißender Fiktion. Gesellschaftliche Zwänge, das Kastensystem, die Bedingungen der Arbeiter auf den Plantagen, die ersten Aufstände gegen die britische Kolonialmacht – all das rahmt Bettinas Kampf um das Vermächtnis ihrer Familie. Herrmann schafft es, Geschichte lebendig werden zu lassen, ohne je belehrend zu wirken. Dazu kleine Highlights wie den Hurenball, die Vorgeschichte, die sich am Ende schließt. Und überhaupt dieses Ende! Offene Fragen, kleine Cliffhanger und die Hoffnung auf einen weiteren Band. Was wird aus dem Teepalast? Welche Wege gehen Paula, Sabine und Groth? Was verbirgt sich hinter Pauls Erlebnissen? Und natürlich die zwei Henrys – ihre Zukunft schreit förmlich nach einer Fortsetzung.

Fazit:
„Der Teegarten“ ist ein Roman, der Geschichte greifbar macht und zugleich das Herz berührt. Elisabeth Herrmann entführt uns nicht nur nach Indien, sie lässt uns förmlich den Duft des Tees in der Luft riechen, den Staub der Wege spüren und das Ringen einer jungen Frau um Freiheit und Würde miterleben. Ein Buch voller Farben, Emotionen und Fragen, die neugierig auf mehr machen.

Für mich ganz klare 5 Sterne und eine definitive Leseempfehlung.

Bewertung vom 11.10.2025
Adler-Olsen, Jussi;Bolther, Stine;Holm, Line

Tote Seelen singen nicht / Carl Mørck. Sonderdezernat Q Bd.11


ausgezeichnet

Same same, but different

Worum geht’s?
Seit Carl sich aus der Ermittlerarbeit verabschiedet hat, ist es dem Sonderdezernat Q nicht gelungen, einen würdigen Nachfolger zu finden. Mit Helena Henry soll das nun anders werden. Als erst ein Schiff explodiert und kurz darauf ein Wohnwagen, steht Helena mitten in ihrem ersten großen Fall. Doch während sie ihre neue Rolle behauptet, wird klar: Sie trägt selbst ein Geheimnis mit sich herum, das sie schneller einholt, als ihr lieb ist.

Meine Meinung:
Betrübt habe ich damals mit dem 10. Fall den vermeintlichen Abschluss der Reihe gelesen. Umso begeisterter war ich, als nun ganz unerwartet ein 11. Fall erschien – und umso gespannter, was mich erwartet, denn nicht Jussi Adler-Olsen, sondern das Autorinnenduo Line Holm und Stine Bolther führt die Ermittlungen fort. Außerdem hieß es, Carl sei nicht mehr dabei. Doch keine Angst: „Tote Seelen singen nicht“ muss nicht ohne Carl auskommen, und auch der typische Olsen-Charme ist zwischen den Zeilen noch spürbar. Es ist eben „same same, but different“, wie man in Tinglish sagen würde.

Was heißt das konkret? Rose ist ganz die Alte: eigen, launisch, mit einem kleinen Geheimnis im Gepäck. Assad bleibt der Assad, den wir lieben – vorsichtig im Umgang mit den Launen der Frauen und immer für einen Kamelspruch gut. Gordon huscht eher am Rand vorbei, doch auch Carl hat weiterhin seine Daseinsberechtigung. Und neu im Spiel: Helena Henry, frisch aus Lyon. Ein Hauch Tomb Raider, aber mit dunklem Geheimnis, das nur stückweise offenbart wird. Ich mag ihre Art, auch wenn ich sie noch nicht ganz greifen kann: ein wenig berechnend, klar im Kopf und potenziell ein starker Teil von Q, sobald sie den Keller als Einsatzgebiet akzeptiert.

Und der Fall? Vergangenheit prallt auf Gegenwart, und die Lunte brennt heiß: gewachsener Hass, zerstörte Zukunft, alte Jungsstreiche, Mobbing, dazu Fentanyl – das in nordischen Thrillern gerade oft auftaucht. Wir springen durch verschiedene Perspektiven, blicken Ermittlern und Täter in die Köpfe. Grausam, erschreckend, psychotisch – und durchweg packend. Die Story zieht mit der gewohnten Brisanz und Schnelligkeit, die Seiten fliegen nur so. Vertraut wie ein echter Q-Fall, zugleich ein wenig kühler und strategischer mit Helena, ohne an Sog zu verlieren. Zwischendurch gibt es die typischen humorigen Momente, die das Dunkel kurz auflockern. Ich freue mich auf das neue Team, hoffe, dass wir erfahren, was etwa mit Hardy und Morton ist, und bin gespannt auf viele weitere Fälle.

Fazit:
Ein würdiger Neustart, der Fans abholt und zugleich neue Wege geht. „Tote Seelen singen nicht“ beweist, dass das Sonderdezernat Q auch ohne Adler-Olsen nichts von seiner Intensität verliert – im Gegenteil: Mit frischer Energie, neuen Perspektiven und einem Fall, der tief in menschliche Abgründe blickt, gelingt dem Duo Holm & Bolther ein Auftakt, der sich sehen (und spüren) lassen kann. Wer nordische Spannung mit Tiefgang, bissigem Humor und psychologischer Finesse liebt, wird auch dieses Kapitel der Sonderdezernat Q-Reihe verschlingen.

Vertraut, düster, anders – und absolut fesselnd. 5 Sterne!

Bewertung vom 11.10.2025
Tack, Stella

Die letzte Stunde / Ever & After Bd.3


ausgezeichnet

Die Unendlichkeit zwischen Anfang und Ende

Worum geht’s?
Rains Wunsch nach Rettung katapultiert sie zurück zum Punkt null – dorthin, wo alles begann. Eine letzte Chance, den endlosen Kreis der Zeit zu durchbrechen. Doch wie soll man ein Schicksal verändern, das von den Göttern selbst geschrieben wurde? Wie den Zauber lösen, der alles gefangen hält?

Meine Meinung:
Schon die ersten beiden Bände der Ever & After-Reihe haben mich völlig in ihren Bann gezogen – und „Ever & After - Die letzte Stunde“ ist das magische, schillernde Finale, auf das ich gehofft hatte. Stella Tack schreibt mit so viel Fantasie, Gefühl und Witz, dass man gar nicht anders kann, als mitzufiebern. Ihre Welt pulsiert – sie glitzert, flackert, lebt. Jeder Satz ist wie ein Zauberspruch, der einen tiefer hineinzieht in dieses märchenhaft-verrückte Universum aus Licht und Schatten.

Rain ist eine Heldin, die man einfach lieben muss: mutig, stur, verletzlich und mit einer Zunge, die manchmal schneller ist als ihr Verstand. Ihre Gedanken und Kommentare bringen einen immer wieder zum Lachen, selbst in Momenten, in denen alles auf Messers Schneide steht. Und dann sind da Coalblack/Smugaid, Avery, die Götter und all die fantastischen Wesen, die Stella Tack so liebevoll und detailreich erschafft, dass man sie direkt vor sich sieht. Jeder Charakter ist ein kleines Kunstwerk – eigenwillig, unvollkommen und doch perfekt im Gesamtbild dieser Geschichte.

Besonders faszinierend ist, wie gekonnt die Autorin mit Zeit und Erinnerung spielt. Die Handlung setzt dort an, wo Band zwei endete, und führt uns gleichzeitig zurück zum Anfang. Dieses Spiel mit der Zeitschleife, mit den kleinen Veränderungen, die alles ins Wanken bringen können, ist einfach grandios. Der goldene Palast mit seinen lebenden Türen, die mal da sind und mal verschwinden, die Wälder voller flüsternder Geheimnisse, die drohenden Gefahren hinter jeder Ecke – das alles ist bildgewaltig und wunderbar schräg zugleich. Und ja, es ist romantisch. Und ja, es ist spannend, unvorhersehbar und manchmal herzzerreißend. Aber vor allem ist es eins: magisch. Ein Buch, das Funken schlägt und uns daran erinnert, warum wir Geschichten lieben – weil sie uns glauben lassen, dass alles möglich ist. Ich habe jede Seite genossen, mit Rain gekämpft, gezweifelt und gehofft. Keine Seite war überflüssig, keine Sekunde langweilig. Am Ende bleibt dieser bittersüße Moment – die Traurigkeit, dass es vorbei ist, und gleichzeitig die leise Hoffnung, dass da noch mehr sein könnte.

Oder?
Das Haar am Ende – ist es wieder der Anfang?

Fazit:
Ein würdiges Finale voller Magie, Gefühl und göttlicher Rätsel, das mit Humor, Herz und einer Prise Wahnsinn begeistert.

5 Sterne – ein krönender Abschluss, der Märchenträume wahr und die Zeit selbst zum Staunen bringt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.10.2025
Ægisdóttir, Eva Björg

Verschworen / Mörderisches Island Bd.5


ausgezeichnet

Blutiges Echo der Vergangenheit

Worum geht’s?
Elma kehrt nach ihrer Elternzeit zurück in den Polizeidienst und hofft auf einen sanften Wiedereinstieg. Doch diese Hoffnung erstickt im Nebel der isländischen Küste, als im Sommerhaus der grausam zugerichtete Leichnam von Porgeir entdeckt wird. An der Wand: eine mysteriöse Botschaft, die wie ein Echo aus alten Zeiten wirkt. Bald wird klar – dies ist nur der Auftakt einer Mordserie, in der die Vergangenheit mit blutigen Fingern nach der Gegenwart greift.

Meine Meinung:
Mit „Verschworen“ spinnt Eva Björg Ægisdóttir bereits den fünften Faden ihres tödlichen Teppichs in der Mörderisches-Island-Reihe. Und wieder packt sie ihre Leser mit einer Mischung aus frostiger Atmosphäre, düsteren Geheimnissen und einem Erzählstil, der sich wie eiskalter Wind durch die Seiten zieht.

Elma, frisch zurück im Job, während ihr Mann und Kollege Saevar noch Elternzeit genießt, wird sofort in den Strudel hineingezogen. Neben ihr ist auch Hördur wieder mit dabei, und selbst der ehemalige Polizeichef Otto tritt ins Spiel – in Akranes kennt eben jeder jeden, und jeder hütet ein Geheimnis. Doch als Saevar beim Einräumen des neuen Hauses auf dem Dachboden auf alte Dokumente stößt, öffnet sich eine Tür zu Abgründen, die besser verschlossen geblieben wären.

Der Fall selbst hat es wieder in sich: Fentanyl als tödliche Droge, Kindesmisshandlungen, blutige Aufnahmerituale, mafiöse Geldwäsche und Scheinfirmen – doch das Grauen liegt nicht nur im Verbrechen selbst, sondern in der Frage, wie tief die Vergangenheit in die Haut der Gegenwart schneidet. Ægisdóttir jongliert meisterhaft mit Perspektiven: Wir blicken in die Köpfe der Ermittler, begleiten Nebenfiguren in ihren dunklen Momenten und tauchen in Rückblenden ab, die Schicht für Schicht ein Bild enthüllen, das mit jedem Kapitel unheilvoller wird. Dieses Spiel aus Vergangenem und Gegenwärtigem steigert sich wie ein pochender Herzschlag – bis alle Fäden zusammenlaufen, explodieren und in einer erschütternden Klarheit enden. Doch auch dann bleibt ein Nachhall zurück, Fragen, die weiter unter der Erde brodeln: Kristjana und die Knochen. Alte, unentdeckte Tote. Uralte Schuld. Was wird ans Licht gezerrt, wenn Elma im nächsten Band die Schatten wieder aufscheucht?

Fazit:
Mit „Verschworen“ beweist Eva Björg Ægisdóttir erneut, dass sie die Meisterin des isländischen Schauerkrimis ist. Sie schreibt Geschichten, die nicht nur spannend sind, sondern in die Knochen kriechen und noch lange nachhallen. Ein eiskalter Pageturner, der mit jeder Seite tiefer ins Dunkel zieht – und Lust auf noch mehr Abgründe macht.

5 Sterne von mir – und ein blutiges Versprechen: Ich bin bereit für Fall 6!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.09.2025
Izquierdo, Andreas

Über die Toten nur Gutes / Ein Trauerredner ermittelt Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Letzte Worte, dunkle Wahrheit – Mads Madsen ermittelt

Worum geht’s?
Mads Madsen ist Trauerredner – einer, der es wagt, mehr zu sagen als die üblichen Floskeln. Er will die Wahrheit erzählen, auch wenn das unbequem sein kann. Als sein Kindheitsfreund Patrick stirbt und er die Rede halten soll, steht er vor einer Frage, die alles verändert: Wer war Patrick wirklich?

Meine Meinung:
Andreas Izquierdo hat diese seltene Gabe, mit Sprache ganze Welten entstehen zu lassen. Seine Worte sind nie zufällig, sie sind wie Pinselstriche, die Bilder malen, Gefühle auslösen und mitten ins Herz treffen. Auch in „Über die Toten nur Gutes – ein Trauerredner ermittelt“ gelingt ihm ein Auftakt, der unter die Haut geht und dabei so viel mehr ist als ein Krimi.

Mads ist eine Figur, die man nicht nur liest, sondern kennenlernt. Ein junger Mann, kaum dreißig, aber mit einer Aura, als sei er aus einer anderen Zeit herübergeschlendert. Intelligent, empathisch, mit einem ganz eigenen Charme. Um ihn herum versammelt Izquierdo ein Figuren-Ensemble, das man sofort ins Herz schließt: sein verschrobener Vater Fridtjof, der mit seinen Eigenheiten Szenen voller Humor und Wärme schenkt, aber auch im richtigen Moment ernst sein kann; seine Geschwister und Famkes Ehemann Robert, die zusammen einen chaotisch-liebenswerten Familienhaufen bilden; Fietje vom Beerdigungsinstitut, Mads’ unverzichtbarer Begleiter im Alltag; und der stille Herr Barnardy, dessen Präsenz so unscheinbar wie unverrückbar ist. Jeder von ihnen trägt dazu bei, dass diese Geschichte lebendig wirkt, voller Farben und voller Herz.

Das Buch selbst ist ein Wechselbad der Gefühle: Es gibt Szenen, die Tränen in die Augen treiben, so ehrlich und feinfühlig sind sie geschrieben. Dann wieder Momente voller Spannung, packende Ermittlungen, lebensgefährliche Wendungen. Und mittendrin Humor, der wie kleine Sonnenstrahlen zwischen die Wolken fällt. Es geht um Drogen, verlorene Freundschaften, Abhängigkeiten, mafiöse Strukturen und um die stille, wichtige Arbeit eines Trauerredners, der zwischen den Toten und den Lebenden Brücken baut. Izquierdo verknüpft all das so kunstvoll, dass die Seiten im Flug vergehen. Dazu dieses Finale! Ein Showdown, der einen förmlich durchrüttelt: klug aufgebaut, emotional aufgeladen und so fesselnd, dass man das Buch am Ende mit Herzklopfen zuklappt – und gleichzeitig sofort nach mehr lechzt. Denn Mads und seine Welt fühlen sich nicht wie Romanfiguren an, sondern wie Menschen, die man ins Herz geschlossen hat. Man will wissen, wie es mit Mills weitergeht, welche Geheimnisse Laura noch birgt, die unscheinbare Frau mit dem spitzbübischen Kern, und welche neuen Facetten dieser wundervollen Figuren Izquierdo uns noch zeigen wird.

Fazit:
Andreas Izquierdos Krimi „Über die Toten nur Gutes – ein Trauerredner ermittelt“ ist ein Auftakt, der alles hat: Spannung, Gefühl, Humor und eine Sprache, die selbst die dunkelsten Themen in leuchtende Geschichten verwandelt. Für mich ein Lese-Highlight, das lachen lässt, bewegt, mitreißt und nachklingt.

Glasklare 5 Sterne – und die ungeduldige Vorfreude auf Band zwei!