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Benutzername: 
mrs-lucky
Wohnort: 
Norddeutschland

Bewertungen

Insgesamt 189 Bewertungen
Bewertung vom 17.09.2020
Die App - Sie kennen dich. Sie wissen, wo du wohnst.
Strobel, Arno

Die App - Sie kennen dich. Sie wissen, wo du wohnst.


gut

wenig Spannung, sehr konstruiert und unrealistisch:
Ehrlich gesagt, kann ich den Rummel um Arno Strobels neues Buch „Die App – Sie kennen dich. Sie wissen, wo du wohnst“ nicht verstehen. Das Thema ist zugegebenermaßen interessant und bietet viel Potential, das der Autor jedoch mit seiner zu vorhersehbaren Geschichte verspielt hat. Von einem Psychothriller ist dadurch leider nicht viel zu merken.
Hendrik Zemmer lebt mit seiner Verlobten Linda in einem Haus, das von einem Smart-Home-Programm namens Adam gesteuert wird. Die beiden fühlen sich in ihrem Haus sicher, das System ist nicht nur durch einen Zahlencode, sondern auch durch einen Augen-Check vor fremden Zugriffen geschützt. Doch dann verschwindet Linda eines Nachts spurlos. Da es keine Einbruchsspuren gibt, vermutet die Polizei, dass Linda aus freien Stücken gegangen ist, doch Hendrik glaubt nicht an diese Version, zumal auch Freunde und Verwandte nichts von derartigen Plänen wissen. Er beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und stößt auf einige Ungereimtheiten.
Die Vorstellung, jemand Fremdes könnte unbemerkt in die eigene Privatsphäre eindringen und über eine Smart-Home-App das Privatleben nicht nur beobachten, sondern auch aktiv eingreifen und zu einer Bedrohung werden, vermittelt ein Unbehagen und ein Gänsehautgefühl. Diese Stimmung hätte ich mir gern in dem Buch gewünscht, diese geht jedoch leider in der sehr plumpen und vorhersehbar angelegten Geschichte unter. Die Charaktere wirken sehr flach, sie agieren zum Teil sehr unglaubwürdig, die Dialoge wirken meist steif und sehr aufgesetzt unnatürlich.
Es gibt eingeschobene Abschnitte aus der Opfersicht, die in Abgrenzung zum Hauptteil im Präsens geschrieben sind, obwohl sich zeitlich parallel ablaufen. Die Schilderungen wirken dadurch eher wie Regieanweisungen und sorgen für eine Distanz zu den Personen, die der vermutlich eigentlich beabsichtigten Spannung und eindringlichen Atmosphäre entgegenwirkt.
Der Autor versucht hier und da falsche Fährten zu legen, dennoch ist beim Lesen schnell klar, worauf die Geschichte hinausläuft und wer zu den „Bösen“ gehört. Statt subtiler Hinweise werden hier die Hinweise so deutlich wiederholt, dass man gar nicht anders kann, als die richtigen Schlüsse zu ziehen und in der zweiten Hälfte des Buches nur noch auf die offizielle Auflösung wartet. Spannung kommt dabei nicht auf. Selbst der Showdown am Schluss bekommt noch eine kleine Pause, in der die Zusammenhänge in Kurzfassung noch einmal dargelegt werden, was aber weder der abenteuerlich konstruierten Geschichte noch den Motiven der Hauptfiguren zu mehr Glaubwürdigkeit verhilft.
Als banale Krimigeschichte ist das Buch okay, für Fans von Psychothrillern kann ich es nicht empfehlen.

Bewertung vom 02.09.2020
Im Zeichen des Killers / Jigsaw Man Bd.1 (eBook, ePUB)
Matheson, Nadine

Im Zeichen des Killers / Jigsaw Man Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Mit „Jigsaw Man - Im Zeichen des Killer“ hat die Londonerin Nadine Matheson, die Hauptberuflich als Verteidigerin in Strafrechtsverfahren tätig ist, ihren ersten Roman und Auftakt einer geplanten Thriller-Reihe veröffentlicht.
In London werden eines frühen Morgens an verschiedenen Orten in der Nähe der Themse Leichenteile gefunden. Wie Teile eines Puzzles wurden diese gut auffindbar positioniert, und schnell wird deutlich, dass es sich um mehr als ein Opfer handeln muss. Detective Inspector Anjelica Henley und ihre Kollegen sind schnell an ein ähnliches Szenario vor drei Jahren erinnert, doch Peter Olivier, der Serienmörder von damals, sitzt inzwischen im Gefängnis. Ist hier ein neuer Nachahmungstäter am Werk? Aber wie kann es sein, dass dieser Täter die Opfer mit demselben Zeichen kennzeichnet wie Olivier, obwohl dieses Detail nie an die Öffentlichkeit gelangt ist? Hatte er einen Komplizen, oder gibt es eine undichte Stelle bei der Polizei?
Anjelica Henley setzt dieser Fall persönlich sehr zu, er weckt nie ganz verheilte Traumata und stellt zudem ihre bereits seit längerem unter Spannungen leidende Ehe auf eine weitere Belastungsprobe. Dagegen entpuppt sich der zunächst lästig erscheinende Anwärter Salim Ramouter, der ihr zur Seite gestellt wird, mit seinen intelligenten Fragen und Ermittlungsansätzen als wichtige Bereicherung zur Lösung des Falls.
Die Geschichte beginnt spannend, es gibt verschiedene Ermittlungsansätze und einige rätselhafte Fakten, die Szenen wirken unter anderem durch viele Dialoge sehr lebendig.
Für meinen Geschmack sind einige Szenen zu blutig geraten, weiden sich die Darstellungen zu sehr an Grausamkeit, aber damit hätte ich bei dem Titel wohl rechnen müssen. Mir liegen Psychothriller mit einem raffinierter angelegten Plot mehr.
Einige der Hauptcharaktere haben mir gut gefallen, insbesondere der persönliche Druck, unter dem Anjelica Henley leidet, ist gut heraus gearbeitet, Ramouter ist eine der sympathischsten Figuren und kann sich im Verlauf glaubhaft weiterentwickeln. Andere Charaktere erscheinen jedoch sehr klischeehaft, die Motivation zu den Taten wird kaum herausgearbeitet und erscheint wenig schlüssig.
Nach einem vielversprechenden Beginn ist meine Begeisterung zunehmend abgeflacht. Die Geschichte entwickelt sich zu vorhersehbar, es fehlt an überraschenden Wendungen.
Der Thriller ist gut geschrieben und wirkt solide, auch wenn die Autorin viel Erfahrung in die Geschichte einfließen lassen kann, mangelt es letztendlich an Originalität.

Bewertung vom 25.08.2020
Geburtstagskind / Ewert Grens ermittelt Bd.6 (eBook, ePUB)
Roslund, Anders

Geburtstagskind / Ewert Grens ermittelt Bd.6 (eBook, ePUB)


sehr gut

Vor 17 Jahren wurde der Stockholmer Ermittler Ewert Grens zu einem besonders grausamen Tatort gerufen. Ein kleines Mädchen hüpft fröhlich „Happy Birthday“ singend durch die Wohnung, doch ihre Familie kann nicht mehr mit ihr feiern, sie wurde ausgerechnet an Zanas 5. Geburtstag ermordet, die Geburtstagstorte steht seit Tagen unberührt auf dem Küchentisch.
Als nun genau aus dieser Wohnung ein Einbruch gemeldet wird, muss Grens fürchten, dass Zanas Verfolger nach knapp 20 Jahren ihre Spur aufgenommen haben und sie sich in Gefahr befindet. Weitere Indizien bestärken diesen Verdacht. Zeitgleich werden der ehemalige Undercover-Agent Piet Hoffmann und seine Familie von einer Gruppe skrupelloser Waffenhändler bedroht, in beiden Handlungssträngen beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.
Die Geschichte ist temporeich mit einem durchgehend hohen Spannungsbogen, es hat mir sehr gut gefallen, wie dicht man beim Lesen an den Gedanken aber auch Zweifeln der Hauptcharaktere teilhat, ihre innere Unruhe wirkt oft greifbar. Insbesondere die Figur Ewert Grens’ habe ich als sehr authentisch und glaubhaft empfunden.
Mit Piet Hoffmann habe ich mich da deutlich schwerer getan, er ist zu sehr Superheld, die Story um ihn wirkt oft sehr konstruiert. Was er zum Teil in wenigen Stunden erledigt und auf die Beine stellt, ist selbst bei einem Mann mit seinem Hintergrund unrealistisch und erinnert zu sehr an Actionfilme, die sich selbst nicht ganz ernst nehmen. Weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen und hätte der Spannung nicht geschadet.
Insgesamt haben mir der Schreibstil und die Atmosphäre sehr gut gefallen, ich habe mich selbst gefragt, wieso zwar schon länger ein paar Bände der Reihen um Ewert Grens und Piet Hoffmann auf meiner Merkliste stehen, ich aber bislang keinen davon gelesen habe. Während Anders Roslund die vorherigen Bände gemeinsam mit Börge Hellström verfasst hat, erscheint dieser Krimi nur unter seinem Namen und vereint die Geschichten den beiden Hauptfiguren. Als Neueinsteiger hatte ich jedoch nie den Eindruck, mir würde Hintergrundwissen fehlen, und trotz einiger Anspielungen auf die Vorgeschichten ist mein Interesse geweckt, mehr aus der Reihe zu lesen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.07.2020
Ich bin dein Tod / Kommissar Dühnfort Bd.9 (eBook, ePUB)
Löhnig, Inge

Ich bin dein Tod / Kommissar Dühnfort Bd.9 (eBook, ePUB)


sehr gut

die perfide Masche der Loverboys:
Der inzwischen 9.Fall für Kommissar Dühnfort mit dem Titel „Ich bin Dein Tod“ ist für ihn eine Art Neuanfang, denn er ist gerade zur OFA, der Operativen Fallanalyse, gewechselt und muss sich erst noch an die dortige Arbeitsweise gewöhnen und in das Team einfügen.
Als die OFA bei mehreren Morden an verschiedenen Orten hinzugerufen wird, erkennt Dühnfaort in den scheinbar ganz unterschiedlich ausgeführten Taten einen gemeinsamen Nenner. Sein Vorgesetzter ist nicht davon überzeugt und glaubt nicht an einen Serientäter, doch zum Glück lässt Dühnfort nicht locker und kommt dem Täter mithilfe seiner neuen und früheren Kollegen auf die Spur.
In diesem Band geht es um gleich mehrere Verbrechen, unter anderem macht Inge Löhnig aufmerksam auf eine besonders perfide Masche, mit der sogenannte „Loverboys“ die Unsicherheit und Einsamkeit junger Mädchen ausnutzen, um diese für sich anschaffen zu lassen.
Der Leser folgt nicht nur Dühnfort und seinen Mitstreitern bei den Ermittlungen, sondern auch dem Täter bei seinen Eindrücken und Vorbereitungen, wobei seine Identität im Unklaren bleibt. Besondere Nähe schafft das Videotagebuch eines jungen Mädchens, das in eingeschobenen Kapiteln seinen Leidensweg beschreibt und mit seinen bedrückenden Schilderungen aufrüttelt.
Ich kenne alle Bände, und mir hat dieser Fall ausgesprochen gut gefallen. Er greift eine wichtige Thematik auf, ist wie immer spannend und sehr lebendig erzählt und insich schlüssig. Dühnforts private Geschichte wird weitergesponnen, nimmt aber nicht zu viel Raum ein. Mir gefällt, wie er sich weiter entwickeln kann. Die Ermittlungsarbeit der OFA unterscheidet sich stark von seinen gewohnten operativen Ermittlungen, seine und die Reaktionen der Kollegen auf die neue Situation habe ich als sehr realistisch empfunden.
Ich werde die Reihe auf jeden Fall weiter verfolgen und hoffe, dass es bald auch einen neuen Band mit Dühnforts Ehefrau Gina Angelucci als Hauptfigur geben wird.

Bewertung vom 30.06.2020
Die Taten der Toten / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.8 (eBook, ePUB)
Voosen, Roman; Danielsson, Kerstin Signe

Die Taten der Toten / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.8 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

spannender Krimi mit vielen interessanten Hintergrundinfos zum Olof-Palme Mord :
Als ich den aktuellen Krimi um Stina Forss und Ingrid Nystöm zu lesen begonnen habe, war es gerade ein paar Tage her, dass ich im Radio von dem Abschluss der Ermittlungen um den Olof-Palme-Mord gehört habe sowie von den verschiedenen Theorien und Ermittlungsrichtungen.
In „Die taten der Toten“ spielt dieses Ereignis eine wichtige Rolle, und somit beschäftigt sich auch dieser Band wieder mit einem Fall aus der Vergangenheit, greift aber durchaus ein aktuelles Thema auf. Gleichzeitig wird die persönliche Geschichte Stina Forss’ weiter in den Fokus gerückt.
Nach den dramatischen Anschlägen auf Stina in den letzten Bänden war klar, dass es mächtige Gegner darauf abgesehen haben, sie um jeden Preis zum Schweigen zu bringen. In dem Haus ihres Vaters hatte Stina Hinweise gefunden, die auf eine unglaubliche Spur hinweisen. Kann es sein, dass Stinas Vater in den legendären Mord an dem damaligen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme beteiligt war? Der Mordfall gilt heute als gelöst, lässt aber weiterhin viele Fragen offen.
Während Stina Forss von ihren Verletzungen halbwegs genesen untertaucht, um in dem Nachlass ihres Vaters nach weiteren Spuren und Hintergrundinformationen zu suchen, setzt Ingrid Nystöm ihr Team gezielt darauf an, neue Ideen und Spuren zu dem Olof-Palme-Mord zu finden. Geschickt nutzt sie dazu die unterschiedlichen Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter, die zu unterschiedlichen Theorien recherchieren. Der Leser erfährt dabei viel über die politischen Stimmungen und Hintergründe der damaligen Zeit. Das Autorenduo schafft es, dabei gleichzeitig den Spannungsbogen hoch zu halten. Auch wenn die Recherchen zu der Vergangenheit schon genug spannendes Material bieten, eskaliert zusätzlich die Situation um Stina Forss in der Gegenwart, je mehr sie und ihre Kollegen durch ihr Stöbern in der Vergangenheit mächtige Kreise aufschrecken.
Die Handlung verläuft in mehreren Bahnen, Rückblicke in die Vergangenheit sowie tagebuchartige Einblendungen sorgen zusätzlich dafür, dass man beim Lesen unweigerlich anfängt über die Zusammenhänge zu spekulieren.
Mir hat auch dieser Band mit seiner komplexen Geschichte wieder sehr gut gefallen, er ist spannend und wirkt gut recherchiert, für das Verständnis insbesondere des Parts um Stina ist es auf jeden Fall hilfreich, die Vorgängerbände zu kennen.
In meiner ebook-Version gab es einige ärgerliche Fehler, an mehreren Stellen endeten Absätze mitten in einem Satz. Allerdings hatte ich nicht den Eindruck, wichtiges verpasst zu haben.

Bewertung vom 28.06.2020
Ich bleibe hier (eBook, ePUB)
Balzano, Marco

Ich bleibe hier (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Geschichte eines Dorfes in Südtirol wird lebendig :
Bei Urlaubsfahrten nach Südtirol bietet der aus dem Reschensee aufragende Kirchturm ein markantes und nachhaltiges Bild, so dass das Cover des Romans „Ich bleibe hier“ schnell meine Blicke auf sich gezogen hat. Während mehrerer Aufenthalte in der Region bin ich häufiger auf Spuren der schicksalhaften Geschichte der Region gestoßen, so dass der Roman meine Neugierde geweckt hat.
Schwerpunkt der Erzählung ist die Zeit zwischen 1939 und 1943, er setzt jedoch schon ein paar Jahre früher an in der Jugend der Erzählerin Trina, die in Rückblicken ihre persönliche Geschichte zu Papier bringt. Sie richtet sich mit ihren Worten und Gedanken an ihre Tochter und versucht dieser die Lebensumstände der damaligen Zeit nahe zu bringen und den Verlauf ihrer Lebensgeschichte zu erzählen. Trinas Erzählung wirkt oft sehr reserviert und schroff, dennoch berührt ihre Geschichte.
Die unbeschwert wirkende Jugend Trinas und ihrer Freundinnen findet ein jähes Ende, als mit der Machtausweitung der Faschisten unter Mussolini ihre Träume von einer Arbeit als Lehrerinnen zerstört werden. Die Region soll Italienisiert werden, in den Schulen wird nur noch Italienisch unterrichtet, Straßen- und Ortsnamen werden ins Italienische übersetzt, eine gezielte Neuansiedelung italiensicher Bewohner soll die traditionell deutschsprachige Bevölkerung in die Minderheit drängen. Widerstand wird zunehmend gewalttätig geahndet, so dass sich Trina in Lebensgefahr begibt, als sie mithilft, im Untergrund die Kinder der Region in deutscher Sprache zu unterrichten. Gemeinsam mit ihrem Mann Erich bleibt Trina ihrer Heimat in wechselnden Machtverhältnissen treu, sie übersteht schicksalhafte Zeiten, nicht zuletzt der zweite Weltkrieg stellt für die Bevölkerung Norditaliens eine harte Probe dar. Auch die Pläne und Arbeiten zum Bau eines Staudamms, die bereits seit den 1920er Jahren die Region mit großflächigen Überschwemmungen bedrohen, sorgen nach Ende des Krieges für neue Unruhen.
Marco Balzano versteht es, mit einer schnörkellosen und gleichzeitig sehr präzisen und eindringlichen Sprache den Leser an dem oft entbehrungsreichen und durch wechselnde politische Einflüsse geprägten Leben der Bewohner dieser Region teilhaben zu lassen. Er fängt ihr Wechselspiel der Gefühle ein zwischen Resignation, Ohnmacht und erbitterter Wut. Vieles dreht sich in dem Roman um Entscheidungen, die den Lebensweg prägen und um die Optionen, die den Menschen trotz aller Unterdrückung bleiben.
Der Roman hat mich ausgesprochen beeindruckt und mein Verständnis wachsen lassen für den gelebten Stolz in der Region und ihr Bestreben für Unabhängigkeit.

Bewertung vom 10.06.2020
Schwestern im Tod / Commandant Martin Servaz Bd.5
Minier, Bernard

Schwestern im Tod / Commandant Martin Servaz Bd.5


ausgezeichnet

Bernard Miniers aktueller Thriller „Schwestern im Tod“ ist der bereits 5.Band um den französischen Ermittler Martin Servaz, führt den Leser jedoch zunächst in dessen Vergangenheit.
Martin ist junger Familienvater und erst seit kurzem in der Mordkommission in Toulouse tätig, als auf der Île de Ramier die Leichen zweier jungen Studentinnen aufgefunden werden. Die beiden blonden Mädchen sind an Baumstämme gefesselt und in weiße Kommunionskleider gehüllt, eine wurde von hinten erschlagen, der anderen wurde das Gesicht grausam entstellt. Die Opfer sind schnell als zwei Schwestern identifiziert, die Ermittlungen deuten unter anderem auf den Krimi-Autor Erik Lang als Täter, der zu den Schwestern engeren Kontakt hatte, doch dann führen Spuren zu einem anderen Täter und der Fall wird schnell abgeschlossen.
25 Jahre später werden bei Martin Servaz unangenehme Erinnerungen geweckt, als er zu einem Tatort gerufen wird im Haus des damals verdächtigen Krimiautors. Diesmal wurde seine Ehefrau Opfer eines grausamen Mordes. Servaz‘ Vorbehalte werden noch dadurch verstärkt, dass auch hier das Opfer ein weißes Kommunionskleid trägt. Kann das ein Zufall sein, oder wurde der Doppelmord 25 Jahre zuvor zu vorschnell zu den Akten gelegt? Während Servaz nicht zuletzt durch private Entwicklungen psychisch und physisch an seine Grenzen gerät, nimmt er auch den alten Fall genauer unter die Lupe und erlangt durch neue Untersuchungsmethoden zu erstaunlichen neuen Erkenntnissen.
Für mich ist es nicht der erste Thriller aus dieser Reihe, und wieder einmal hat mir die Geschichte insbesondere aufgrund ihrer sprachlichen Ausgestaltung besonders gut gefallen. Die beiden Teile unterscheiden sich deutlich voneinander, die Persönlichkeit Martin Servaz‘ wirkt im ersten Teil unsicherer und unreifer, dennoch scheint hier schon sein intuitiver Ermittlungsstil durch. Im zweiten Teil, der 25 Jahre später angesiedelt ist, spürt man seine Erfahrung aber auch die Spuren, die die vergangenen Fälle an ihm hinterlassen haben.
Mich fasziniert auch hier wieder, wie geschickt der Autor mit den Empfindungen nicht nur seiner Figuren sondern auch der Leser spielt. Eine zentrale Rolle kommt in diesem Band dem Krimiautoren Erik Lang zu, der sehr manipulativ auftritt. Insbesondere bei ihm ist oft nicht klar, wo bei ihm Wahrheit und Fiktion ineinandergreifen und in wieweit er seine Fans für seine Zwecke benutzt. Es gibt einige Szenen, die mir beim Lesen ein eindringliches Gefühl von Unbehagen hervorgerufen haben.
Liebe, Verehrung und die sogartige Wirkung des geschriebenen Worts sind zentrale Themen dieses Thrillers, der mich beim Lesen mit seiner Atmosphäre in den Bann gezogen hat. Manches erscheint klischeehaft, dann gibt es wieder Szenen, die erschaudern lassen aufgrund der Abgründe der menschlichen Seele, die sie offenbaren.
Mir hat der Thriller mit seinem hohen Spannungsbogen gut gefallen, ich mag die Komplexität der Geschichten ebenso wie die sprachliche Intensität.

Bewertung vom 17.05.2020
Tödliches Spiel / Secret Protector Bd.1
Lane, Andrew

Tödliches Spiel / Secret Protector Bd.1


sehr gut

ein actionreicher Jugendthriller:
Lukas Crowe ist ein Einzelgänger, der im Alltag versucht möglichst wenig aufzufallen.  Als er auf einem Event zu einem aktuellen Computerspiel miterlebt, wie der Bruder der Profi-Gamerin Una Britcross, reagiert er blitzschnell und nimmt die Verfolgung der Entführer auf.
Leider können diese entkommen, doch Lukas sagt Una seine weitere Hilfe zu und gerät nicht nur zwischen die Fronten eines Bandenkriegs sondern riskiert außerdem mehr als einmal sein Leben bei dem Versuch, ihren Bruder zu befreien.
Das Buch ist ebenso tempo- wie actionreich und super dazu geeignet, auch lesefaule Fans von Filmen oder Games um risikofreudige Helden zum Lesen zu animieren. Lukas scheut kein Risiko, kennt sich mit Waffen ebenso aus wie mit schnellen Autos und Motorräder, er reagiert schnell, geht dabei aber auch überlegt und besonnen vor und ist gesamt eine sympathische Hauptfigur, die nicht zu draufgängerisch wirkt.
Hier liegt in meinen Augen ein Schwachpunk des Buches, denn für seine 17 Jahre hat Lukas einen unglaubwürdig großen Erfahrungsschatz und reist schon etwas zu lange allein durch die Weltgeschichte. Derartige Details stören mich als Erwachsene aber vermutlich mehr als die anvisierte Zielgruppe der Jungen ab 12 Jahren.
Der Fokus der Geschichte liegt klar in der rasant verlaufenden Geschichte, die Logik darf man nicht zu sehr hinterfragen, ähnlich wie bei vielen Actionfilmen kommen dem Helden einige Zufälle bei der Lösung des Falls zugute und tragen dazu bei, dass die Situation für ihn glimpflich ausgeht. Die Geschichte ist abwechslungsreich und angenehm zu lesen mit eher kurzen Sätzen und lebendigen Dialogen als Auflockerung. Aber auch wissenswerte Hintergrundinformationen kommen nicht zu kurz und sich geschickt in das Geschehen mit eingeflochten, zum Beispiel zu technischen Details wie dem Einsatz von Nanopartikeln im Motortuning, Tätowier-Techniken oder auch der Geschichte von Berlin, neben New Orleans und Dubai einem der Hauptschauplätze des Romans.
Mein 13-jähriger Sohn zieht in der Regel eine Spielekonsole einem Buch vor, hier hat er aber tatsächlich beim Lesen die Zeit vergessen und mich am Ende gefragt, ob es noch mehr Bände davon gäbe, ein klarer Pluspunkt für dieses Buch.

Bewertung vom 04.05.2020
Pandatage (eBook, ePUB)
Gould-Bourn, James

Pandatage (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

eine wunderbare, ebenso anrührende wie witzige Vater-Sohn-Geschichte:
Danny ist 28 Jahre alt und in seinem Leben an einem Tiefpunkt angelangt. Seine große Liebe und Ehefrau Liz ist vor etwas mehr als einem Jahr bei einem Autounfall tödlich verunglückt, ihr gemeinsamer 11-jähriger Sohn Will, der mit im Auto saß, hat seitdem kein Wort mehr gesprochen. Danny schafft es selbst kaum über den Verlust hinweg zu kommen und den Alltag zu meistern und ist damit überfordert, seinem Sohn zu helfen. Als er dann auch noch seinen Job verliert und sein Vermieter ihn wegen seiner Mietrückstände bedroht, spitzt sich Dannys Lage zu. Die Straßenkünstler, die in einem Park scheinbar mühelos ihren Lebensunterhalt verdienen, inspirieren Danny sein letztes Geld in ein zugegeben heruntergekommenes Pandakostüm zu investieren und mit Tanzen sein Glück zu versuchen. Glück braucht er wahrlich, denn mit seinem Talent ist es nicht weit her.
Eines Tages beobachtet Danny, wie sein Sohn im Park von ein paar Jungs schikaniert wird. Als Will sieht, wie der Panda seine Angreifer verscheucht, fasst er Zutrauen und beginnt mit dem vermeintlich fremden Panda zu sprechen.
Der Stil der Erzählung hat mich beim Lesen an Filme wie „Ganz oder gar nicht“ oder „About a boy“ erinnert, auch diese Geschichte eignet sich mit ihrer gelungenen Mischung aus Situationskomik und anrührender Vater-Sohn-Geschichte perfekt für einen Film. Die Figuren wirken lebendig, insbesondere die Nebencharaktere wie Krystal und mein besonderer Favorit Ivan sind echte Typen und gleichzeitig für einige Überraschungen gut.
Trotz mancher trauriger und anrührender Szene gleitet der Roman nie ins Kitschige ab, es gibt ernsthafte Dialoge, die zum Nachdenken anregen, aber auch immer wieder saukomische Einlagen und überraschende Entwicklungen. Der Autor versteht es, leise Töne ebenso wie schrille Momente glaubhaft zu vermitteln und beim Leser eine große Nähe und Sympathie für seine Figuren zu schaffen.
Für mich ist dieses Buch eines der Highlights des Jahres, es ist eines dieser Bücher, das man nicht nur allein lesen mag, sondern bei dem ich immer wieder das Bedürfnis hatte, meiner Familie einzelne Szenen vorzulesen.

Bewertung vom 24.03.2020
Der Sommer, in dem Einstein verschwand
Hermanson, Marie

Der Sommer, in dem Einstein verschwand


ausgezeichnet

eine stimmungsvolle Zeitreise mit kleinen Schwächen :
In ihrem aktuellen Roman „Der Sommer, in dem Einstein verschwand“ verbindet die schwedische Autorin Marie Hermanson eine Anekdote aus dem Leben des Nobelpreisträgers Albert Einstein mit einer unterhaltsamen Geschichte.
Der Roman ist angesiedelt zur Zeit des 300.Gründungsjubiläums der Stadt Göteborg, die im Jahr 1923 mit einer großen Jubiläumsausstellung gefeiert wird. Im Sommer dieses Jahres soll Einstein dort in Göteborg seine Nobelpreisrede halten, nachdem er bei der Verleihung im Dezember 1922 nicht persönlich anwesend sein konnte. Doch Einstein trifft erst 2 Tage nach dem vereinbarten Termin in Göteborg ein. Was mag zu seiner Verspätung geführt haben?
Der Roman entwickelt in Anlehnung an Eckpunkte aus Einsteins Biographie eine interessante und spannende Idee zu möglichen Ereignissen und entwickelt gleichzeitig ein stimmungsvolles Bild der 20er Jahre mit ihren widersprüchlichen Einflüssen.
Eine Erzählebene folgt dabei der jungen Ellen Grönblad, die bei der offiziellen Zeitung zur Ausstellung erste Erfahrungen als Journalistin sammelt. Sie steht beispielhaft für einen Wandel im Weltbild der Frau, die beginnt sich zu emanzipieren aber dabei gleichzeitig angreifbar wird für sexistische Übergriffe. In dem Roman ist Ellen eine Schlüsselfigur um das Verschwinden Albert Einsteins, da sie ungewollt Zeugin wird von Verschwörungen um dessen Person und Kontakt aufnimmt zu der örtlichen Polizei.
Eine andere Erzählschiene beleuchtet das private Leben Albert Einsteins und die Ablehnung, die ihm und seinen wissenschaftlichen Theorien entgegen gebracht werden, nicht zuletzt begründet auf seiner jüdischen Abstammung.
Die Leichtigkeit der Erzählung täuscht manchmal über die schwerwiegenden Umstände der zum Teil dramatischen Entwicklungen hinweg. Und auch in den auf den ersten Blick unbeschwert wirkenden Schilderungen des damaligen Lebens und der Euphorie zur Jubiläumsausstellung verstecken sich Hinweise zu Gesellschaftskritik, zu den ungleichen Chancen in der damaligen Zeit und auch zu dem aufkeimendem Nationalismus.
Es ist mir leicht gefallen, gedanklich in das Buch einzutauchen und mich von der Stimmung einfangen zu lassen. Der Roman beginnt ruhig und gibt den Hauptpersonen Zeit sich zu entwickeln, bevor die Spannung zunimmt und sich die Ereignisse zu einem rasanten Ende entwickeln. Gestört hat mich beim Lesen lediglich, die Naivität, die den Figuren überwiegend anhaftet. Insbesondere bei Albert Einstein hat mich sein oft unbeholfen wirkendes Agieren überrascht, ich weiß zu wenig über seine Persönlichkeit, um dies abschließend zu beurteilen, habe diese Charakterisierung aber als unpassend empfunden.