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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
mrs-lucky
Wohnort: 
Norddeutschland

Bewertungen

Insgesamt 189 Bewertungen
Bewertung vom 28.02.2021
Hard Land
Wells, Benedict

Hard Land


ausgezeichnet

ein intensiver Roman über einen bittersüßen Teenagersommer mit viel Flair der 80er Jahre:
„In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.“ Dieser erste Satz aus Benedict Wells aktuellem Roman „Hard Land“ sagt kurz gefasst aus, worum es in dieser Geschichte geht. Liebe und Tod, Freude und Leid sind einerseits gegensätzlich, stehen hier jedoch eng beieinander und symbolisieren die widersprüchlichen Gefühle, mit denen die Hauptfigur zu kämpfen hat. Schon der erste Satz wirkt wie ein Peitschenhieb und ist einer von vielen Sätzen, für die man beim Lesen Zeit zum Verarbeiten braucht.
Die Geschichte spielt im Sommer 1985 in der kleinen Stadt Grady irgendwo in Missouri. Sam ist zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt, ein eher schmächtiger und schüchternen Junge, dessen bester Freund vor kurzem weggezogen ist, so dass Sam mit Grauen an die bevorstehenden 12 Wochen der Sommerferien und die damit verbundene Langeweile denkt. Zudem sorgt die Krebserkrankung seiner Mutter, die jederzeit wieder auszubrechen droht, bei ihm zuhause für eine bedrückende Stimmung. Um diesem zu entgehen, nimmt Sam einen Ferienjob im örtlichen Kino an und findet Anschluss an eine Clique von Jugendlichen, die etwas älter sind als er und kurz vor dem Wechsel zum College stehen.
Der Roman ist ein Buch über das Erwachsenwerden, es spiegelt die wechselnden Gefühle eines Teenagers zwischen Freundschaft und erster Liebe einerseits, Verlustängsten und Abschied andererseits. Sam erlebt einen sehr intensiven Sommer, strampelt sich gewissermaßen frei von seinen Eltern, was in diesem Alter ein normaler Prozess ist, für Sam durch den Tod seiner Mutter jedoch eine weit größere Tragweite erlangt und in ihm Gefühle weckt, an denen er zu zerbrechen droht.
Es ist faszinierend, wie es Benedict Wells gelingt, die unterschiedlichen Stimmungen in diesem Roman einzufangen. Man spürt, wie nahe ihm die Figuren stehen, wie lange er an diesem Roman gearbeitet hat, um diesen bittersüßen Sommer in lebendigen Bildern wirklich werden zu lassen. Bei mir mag mitspielen, dass ich selbst zu dieser Zeit aufgewachsen bin mit den Coming-Of-Age Filmen, die diesen Roman geprägt haben, aber auch mit „Zurück in die Zukunft“, dessen Held Marty McFly auf Sam großen Einfluss besitzt, oder auch den Songs von Billy Idol, dessen „Dancing With Myself“ durch das ganze Buch mitschwingt.
Trotz der nostalgischen Anmutung ist das Thema alles andere als veraltet, ich erkenne auch meine eigenen Kinder wieder, die jetzt im selben Alter sind wir die Figuren des Buches, und die heute an einem ähnlich Umbruchpunkt ihres Lebens stehen mit einer ähnlichen Achterbahn der Gefühle. Für mich ist dies ein großartiger Roman, mit seiner unglaublichen Intensität und seinen liebevoll angelegten Charakteren hat er mich ebenso zum Schmunzeln gebracht wie zu Tränen gerührt.

Bewertung vom 22.02.2021
Homefarming (eBook, ePUB)
Rakers, Judith

Homefarming (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Jetzt, wo der winterliche Frost nahtlos in Frühlingstemperaturen über gegangen ist, kommt Judith Rakers Buch mit dem Titel „Homefarming“ genau richtig.
Ein wenig Erfahrung habe ich schon mit dem Gärtnern, Rückschläge sorgen jedoch immer wieder zu Demotivation, Gartenbücher sind mir oft zu wissenschaftlich oder auf größere Flächen ausgelegt, als mir zur Verfügung steht.
An Judith Rakers aus dem GU-Verlag gefällt mir besonders, dass aus ihren eigenen praxisnahen Erfahrungen berichtet, und Anfängern Mut macht, auch ohne grünen Daumen zu gärtnerischen Erfolgen zu kommen. Das Buch enthält viele pragmatische Tipps und hilfreiche Hinweise, wie Fehler vermieden werden können.
Die Gliederung und Bebilderung finde ich sehr ansprechend, die Themenauswahl reicht vom Anlegen des ersten Beetes bis zur Verarbeitung der geernteten Produkte, dazu gibt es nicht nur Tipps zur Auswahl pflegeleichter Obst- und Gemüsesorten sondern auch zur Düngung oder Schädlingsbekämpfung. Dabei hat man nie den Eindruck, von Informationen erschlagen zu werden, kleine Geschichten aus Judith Rakers eigenen Erlebnissen mit ihrem Garten lockern die Lektüre auf. Dazu gibt es am Ende der Kapitel Kästen einer Zusammenfassung der wichtigsten Infos.
Der Ratgeber wendet sich auch an Leser, die über keinen eigenen Garten verfügen, sondern auf dem Balkon oder der Fensterbank Kräuter und Gemüse ziehen wollen, das würde ich jedoch eher als Ergänzung sehen, dieser Bereich bildet nur einen kleinen Bereich des Buchs und lohnt aus meiner Sicht die Anschaffung nicht.
Die Haltung von Hühnern nimmt ebenfalls einigen Umfang der 240 Seiten ein, ist sehr speziell und sicher nicht jedermanns Fall. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Aus den Schilderungen Judith Rakers klingt eine Begeisterung, die Ansteckend wirkt, ich habe schon einige Pläne für das kommende Frühjahr geschmiedet unter anderem für ein Hochbeet und den Anbau von Kartoffeln. Jetzt warte ich sehnsüchtig darauf, dass die Gartenmärkte in ein paar Tagen wieder öffnen und ich loslegen kann.

Bewertung vom 19.02.2021
Die Mitternachtsbibliothek (MP3-Download)
Haig, Matt

Die Mitternachtsbibliothek (MP3-Download)


sehr gut

In seinem aktuellen Roman „Die Mitternachtsbibliothek“ setzt sich Matt Haig erneut mit dem Thema Depressionen auseinander, das ihm aus eigener Erfahrung sehr am Herzen liegt.
Nora Seed ist Mitte dreißig, als sie in ihrem leben einen Tiefpunkt erreicht. Nach vielen privaten Tiefschlägen gehen ihre sozialen Kontakte gegen Null, ihr Job wurde ihr gekündigt, und dann wird auch noch am selben Tag ihr Kater Voltaire tot am Straßenrand aufgefunden. Es ist kurz vor Mitternacht, als Nora beschließt zu sterben und sich unversehens statt im Jenseits in einer scheinbar unendlichen Bibliothek wieder findet. In der Mitternachtsbibliothek stehen nicht nur die Zeiger der Uhren still, auch die Bücher dort sind etwas besonderes. Sie erzählen die Variationen von Noras Leben, die möglich geworden wären, wenn sie andere Entscheidungen getroffen hätte. Nun bekommt Nora die Möglichkeit herauszufinden, welche Entscheidungen sie bedauert. Jedes Buch führt sie in eine andere parallele Welt, in der sie in ihr Alter Ego schlüpfen und erfahren kann, ob sich dieser Lebensweg für sie besser anfühlt.
Die Idee hinter diesem Buch ist ebenso zauberhaft wie seine Umsetzung. Vermutlich wird jeder Mensch schon einmal eine Entscheidung bereut haben oder sich gefragt haben, wie sein Leben anders hätte verlaufen können.
Der Einstieg in die Geschichte ist düster, Noras depressive Gedanken sind schwer zu ertragen, sie ertrinkt in Selbstmitleid und scheint sich kein selbst Glück zu gönnen. In der Mitternachtsbibliothek wird sie gezwungen, sich mit sich selbst und ihrem Leben auseinander zu setzen. Hier liegt für mich einer der Haken der Geschichte, denn durch die Bücher wird Nora in eine andere Version ihres Lebens versetzt, muss sich dort in einer fremden Umgebung zurecht finden, weiß nicht, wie sich ihr anderes Ich in dieser Welt verhält, und mit wem es Umgang hat. Das sind stressige Situationen, in denen man aus meiner Sicht nicht wirklich empfinden kann, ob man sich in diesem Umfeld wohl fühlt.
Dennoch ist der Gedanke reizvoll erleben zu dürfen, was einem im Leben entgangen ist, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Auch Nora wird schnell klar, dass anders nicht unbedingt besser sein muss. Im Vergleich zu diesen unzähligen Möglichkeiten lernt sie nach und nach zu schätzen, was sie in ihrem eigenen Leben hat. Nora verfügt über viele Talente, die sie nicht ausgelebt hat, hier sehe ich eine weitere Schwäche des Romans. Ihre Figur verfügt über sehr viel Potential, was hier zu interessanten Geschichten führt, es dem Leser aber schwer macht, sich in ihr wieder zu finden.
Insgesamt ist dies ein Buch, das Mut macht, man selbst zu sein mit allen Stärken und Schwächen, sich auf das Wesentliche zu besinnen, das uns ausmacht. Der Roman enthält viele philosophische Gedanken und das nicht nur, weil Nora Philosophie liebt und studiert hat. Die Sprache bleibt dennoch einfach, die Geschichte ist bildhaft und sehr lebendig erzählt und lässt dennoch Raum für eigene Gedanken.
Anette Frier vermittelt bei der Hörbuchfassung sehr authentisch Noras unterschiedliche Stimmungen und lässt die Geschichte lebendig werden.

Bewertung vom 08.02.2021
Der andere Sohn / Karlstad-Krimi Bd.1 (eBook, ePUB)
Mohlin, Peter; Nyström, Peter

Der andere Sohn / Karlstad-Krimi Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Peter Mohlin und Peter Nyström verbindet schon seit Kindheitstagen das Interesse am Schreiben, mit „Der andere Sohn“ haben sie ihren ersten gemeinsamen Kriminalroman veröffentlicht, den Auftakt einer geplanten Reihe von Krimis aus der südschwedischen Stadt Karlstad.
Vor 10 Jahren ist dort die junge Emelie, Tochter aus reichem Elternhaus, spurlos verschwunden. Trotz eines dringend Tatverdächtigen konnte der Fall nicht abschließend geklärt werden, nun soll eine neu ins Leben gerufene Cold-Case-Gruppe einen erneuten Versuch unternehmen, den Täter dingfest zu machen.
Hier kommt der FBI-Agent John Adderley ins Spiel, der nach einem missglückten Undercover-Einsatz eine neue Identität benötigt und sich an seine schwedischen Wurzeln erinnert. Zudem hat ihn seine Schwedische Mutter gerade um Hilfe geben, da ausgerechnet Johns Halbbruder Billy des Mordes an Emelie verdächtigt wird und erneut ins Kreuzfeuer nicht nur der Polizei sondern auch der Bevölkerung Karlstads geraten ist.
Als Fredrik Adamsson kehrt John nach Schweden zurück, um in dem Cold-Case-Team bei der Aufklärung von Emelies Verschwinden mitzuwirken und herauszufinden, ob Billy zu Recht seine Unschuld beteuert. Johns Position ist nicht ganz ungefährlich, da seine Tarnung jederzeit auszufliegen droht und zudem aus seinem letzten FBI-Einsatz ein Drogen-Kartell noch eine Rechnung mit ihm offen hat.
Der Krimi verläuft in zwei Zeitebenen, neben den aktuellen Ermittlungen im Jahr 2019 werden die Ereignisse im Jahr 2009 geschildert und bringen wie Puzzlesteine die Einzelheiten Stück für Stück zusammen.
Man merkt dem Krimi deutlich an, dass Peter Nyström als Drehbuchautor und Regisseur Erfahrung darin hat, eine Geschichte spannend und bildhaft zu erzählen. Kleine Details sorgen für Abwechslung, die Dialoge wirken lebendig und authentisch wie die Charaktere. Ich habe mich lediglich schwer getan, mit der Hauptfigur John Adderley warm zu werden. Aufgrund seiner Vorgeschichte und seiner Zeit als Under-Cover-Agent ist seine eigene Persönlichkeit in der Hintergrund geraten, er wirkt als Person wenig greifbar. Seine Angststörung macht ihn ein wenig menschlicher, lässt seinen Einsatz in Schweden aber unglaubwürdiger erscheinen und die Geschichte konstruiert wirken. Abgesehen davon bietet der Krimi auf über 500 Seiten spannendes Lesevergnügen und macht neugierig auf die sich am Ende abzeichnende Fortsetzung.

Bewertung vom 01.01.2021
Miss Bensons Reise (eBook, ePUB)
Joyce, Rachel

Miss Bensons Reise (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

In ihrem aktuellen Roman nimmt Rachel Joyce den Leser mit auf „Miss Bensons Reise“ auf der Suche nach dem Goldenen Käfer von Neukaledonien.
Margery Benson lebt allein in London zu Beginn der 1950er Jahre. Eines Tages erfährt sie in ihrem Job als Hauswirtschaftslehrerin eine Demütigung zu viel, verläßt Hals über Kopf die Schule und beschließt, einen Traum aus ihrer Kindheit in die Tat umzusetzen. Seit ihr Vater ihr vor vielen Jahren in einem Buch über Insekten Abbildungen des Goldenen Käfers von Neukaledonien gezeigt hat, hat sie für die Gattung der Käfer eine Passion entwickelt und träumt davon, insbesondere von dieser seltenen Art einige Exemplare zu fangen, um ihre Existenz zu beweisen.
Für diese Mission benötigt sie eine Assistentin und gerät ausgerechnet an die junge und extrovertierte Enid Pretty, die in krassem Gegensatz zu der schüchternen Margery steht.
Das ungleiche Paar hat auf ihrer mehrere Wochen dauernden Reise ins Ferne Neukaledonien einige Hindernisse zu überwinden, zumal Enid Pretty hinter ihrem plauderhaften Wesen ein Geheimnis zu verbergen scheint.
Ich habe etwas Zeit benötigt, mich auf den Stil der Erzählung einzulassen. Die Geschichte wirkt stellenweise überdreht bis bizarr, fließt aber nur scheinbar leicht dahin, während hinter den Charakteren mehr steckt, als es auf den ersten Blick scheint. Die komisch anmutenden Szenen beim Zoll oder auf dem Schiff täuschen darüber hinweg, welch harte Schicksale die Hauptfiguren auf die ein oder andere Weise während des Krieges haben erleiden müssen. Insbesondere in Mr. Munic manifestiert sich eine tragikomische Gestalt, aber auch Margery Benson und Enid Pretty müssen erst einige Tiefen durchlaufen, bevor sie die Stärken der anderen erkennen und wertschätzen lernen. Mich hat das Buch sehr berührt, es zeigt mit seiner zauberhaften Geschichte nicht nur den Wert von Freundschaft, sondern macht auch Mut, an den eigenen Träumen festzuhalten und sich vom Schicksal nicht unterkriegen zu lassen.
Nach dieser unterhaltsamen Lektüre muss ich unbedingt endlich auch Rachel Joyces Debüt „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ lesen.

Bewertung vom 28.12.2020
Vergessene Gräber / Mara Billinsky Bd.5 (eBook, ePUB)
Born, Leo

Vergessene Gräber / Mara Billinsky Bd.5 (eBook, ePUB)


sehr gut

„Vergessen Gräber“ ist bereits der 5. Thriller aus der Mara-Billinsky-Reihe von Leo Born und wieder ebenso spannend und komplex wie seine Vorgänger.
Eine Reihe grausamer Morde hält die Ermittler der Frankfurter Mordkommission auf Trab. Scheinbar willkürlich sucht sich der Täter seine Opfer aus, allerdings eint sie, dass alle jung und erfolgreich mitten im Leben stehen. Als Mara Billinsky und Jan Rosen einen weiteren gemeinsamen Nenner darin entdecken, dass einige der Opfer einen russischen familiären Hintergrund besitzen will ihr Chef, Kommissar Klimt, nichts davon wissen.
Doch wenn Mara Billinsky sich etwas in den Kopf gesetzt hat, lässt sie nicht locker. Dass einige der Angehörigen der Opfer nicht mit der Polizei zusammen arbeiten wollen und offensichtlich Informationen zurückhalten, weckt erst recht ihren Ehrgeiz, dem Täter auf die Spur zu kommen, zur Not auch ohne den Segen Klimts.
Mit Mara Billinsky und Jan Rosen hat Leo Born ein sehr ungleiches Ermittlerduo geschaffen, dass sich jedoch gut ergänzt, im Laufe der Zeit gelernt hat einander zu vertrauen und im Zweifelsfall den Rücken frei zu halten. In diesem Band gefällt es mir, dass Rosen aus dem Schatten Maras heraus treten darf. Er überwindet seine Schüchternheit und wird auf eigene Faust aktiv, was ansonsten eher Maras Naturell entspricht. Aber auch Rosen muss ähnlich wie Mara feststellen, dass Alleingänge ein hohes Risiko bergen können.
Auch in diesem Band ist das Tempo der Geschichte hoch, verschiedene Handlungsstränge und Perspektiven greifen ineinander, trotzdem behält man als Leser stets den Überblick. Man ist beim Lesen den Ermittlern oft einen Schritt voraus, muss aber dennoch für die Auflösung der Geschichte bis zum Ende warten. Aufhänger ist für diesen Band ein tatsächliches Ereignis, dass geschickt in eine fiktive Handlung eingebaut wird. Die Geschichte ist fesselnd und glaubhaft, lediglich mit der Motivation des Täters habe ich mich etwas schwer getan.
Im Laufe der Reihe sind mir die Charaktere regelrecht ans Herz gewachsen. Mara Billinsky mit ihrem anfangs spröden Auftreten und ihrem provokanten Aussehen hat mittlerweile ihren Platz im Team der Frankfurter Mordkommission gefunden, darf auch ihre weiche Seite zeigen und bleibt trotzdem ihrem Charakter treu. Die Figuren entwickeln sich schlüssig weiter und tragen viel zum Charme dieser Thrillerreihe bei. Die Bände enthalten zwar in sich abgeschlossene Geschichten, es gibt jedoch auch immer wieder Bezüge zu vorherigen Geschichten, so dass es durchaus anzuraten ist, die Bände chronologisch zu lesen.

Bewertung vom 27.12.2020
Der Mädchenwald (MP3-Download)
Lloyd, Sam

Der Mädchenwald (MP3-Download)


sehr gut

Der Thriller „Der Mädchenwald“ ist der Debütroman des britischen Schriftstellers Sam Lloyd und hat mich auf Anhieb begeistert.
Die 13-jährige Elissa nimmt an einem Schachturnier für junge Talente teil, als sie an helllichtem Tag in einen Lieferwagen gezerrt und entführt wird. Als sie wieder zu sich kommt, findet sie sich angekettet in einem dunklen Kellerverlies wieder. Überraschenderweise bekommt sie dort Besuch von dem 12-jährigen Elijah, von dem sie sich Hilfe erhofft, der jedoch selbst Angst vor den Entführern zu haben scheint. Er sucht Elissa heimlich auf, da er in ihr eine mögliche Freundin sieht in seinem ansonsten einsamen Leben im Wald mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder, der ihm Angst einflößt. Doch obwohl Elijah oft einfach gestrickt wirkt, sich mit Handys nicht auskennt und vom Internet noch nie etwas gehört hat, durchschaut er Elissas Versuche, ihn auszutricksen und durch ihn eine Chance zu erhalten, ihren Peinigern zu entkommen oder Hilferufe abzusenden.
Der Leser, oder in meinem Fall Hörer, ahnt schnell, dass hier einiges nicht so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Insbesondere der Handlungsstrang aus der Sicht Elijahs weist immer wieder Lücken und Ungereimtheiten auf.
Zwei weitere parallele Erzählstränge geben die Eindrücke Elissas wieder sowie der zuständigen Polizistin, für die aufgrund privater Probleme die Ermittlungen eine große Herausforderung darstellen. Die Sprache ist in den verschiedenen Handlungssträngen den Charakteren angepasst, im Hörbuch werden die Figuren von unterschiedlichen Sprechern verkörpern, was hilfreich ist, der zum Teil auch zeitlich verschachtelten Handlung zu folgen. Alle drei Sprecher machen ihre Sache sehr gut und tragen dazu bei, dass man beim Zuhören ab und an eine Gänsehaut verspürt.
Die Figuren erscheinen zum Teil sehr vage, was aber zum Aufbau der Geschichte passt, die mit verschiedenen Wahrnehmungen spielt und erst im Verlauf erkennen lässt, was hier tatsächlich passiert ist. Am wenigsten konnte ich mit der Figur der Polizistin warm werden, sie ist eher eine Randfigur, ihre persönliche Geschichte soll vermutlich ihre emotionale Nähe zu dem Fall erklären, wird aber sehr konstruiert und eher irritierend. Auch die Motivation hinter den Kriminalfällen wird nur beiläufig behandelt, was einerseits enttäuschend ist, andererseits aber vermutlich dem Alltag in der Ermittlungsarbeit entspricht.
Mich hat der Thriller von Anfang bis Ende gefesselt, ich werden mir den Namen des Autors auf jeden Fall merken und bin gespannt auf weitere seiner Bücher.

Bewertung vom 15.10.2020
Eines Menschen Flügel
Eschbach, Andreas

Eines Menschen Flügel


sehr gut

Der aktuelle Roman von Andreas Eschbach mit dem Titel „Eines Menschen Flügel“ entführt den Leser in eine sehr fremdartige Welt und verlangt mit seinen mehr als 1200 Seiten einiges an Ausdauer.
Die Geschichte spielt in ferner Zukunft auf einem fremden Planeten, der gut 1000 Jahre zuvor von einer kleinen Gruppe von Ahnen besiedelt wurde. Da der Boden des Planeten in weiten Teilen aufgrund eines nicht ergründbaren Phänomens beim Betreten tödlich wirkt, haben die Ahnen ihre Nachkommen genetisch so verändert, dass sie Flügel besitzen und sich in dort wachsenden Riesenbäumen ansiedeln können. Die Menschen leben in überschaubaren Gemeinschaften unter einfachen Bedingungen in teils erstaunlicher Harmonie nach den Regeln, die ihnen von den Ahnen in sorgfältig gehüteten Büchern mitgegeben wurden.
Ein Junge aus dem Stamm der Wen kann sich jedoch nicht damit anfinden, dass es den Menschen angeblich nicht möglich sein soll, die Grenze des Himmels zu durchstoßen und die Sterne zu sehen, die dahinter verborgen sind. Er beginnt mit unerschütterlichem Ehrgeiz zu trainieren und Flugtechniken zu entwicklen, die ihn bis zu den Sternen vorstoßen lassen. Er ahnt nicht, dass er damit Ereignisse in Gang setzt, die für die Existenz der Menschen auf diesem Planeten lebensbedrohlich sind.
Der Einstieg in die Geschichte ist nicht einfach, viele Begriffe sind fremd, es tauchen eine Vielzahl von Charakteren auf, deren fremdartige Namen erst einmal schwierig zu merken sind. Diese Vielfalt wird von einigen Lesern als verwirrend kritisiert, in meinen Augen macht gerade die Komplexität des Romans viel von seinem Charme und seiner Faszination aus. Zudem ergibt sich gerade in Bezug auf die Namensgebung schnell eine logisch nachvollziehbare Systematik und es kristallisieren sich einige Hauptfiguren heraus, denen die Geschichte in den einzelnen Handlungssträngen folgt.
Trotz der Länge des Romans schafft es Eschbach, den Spannungsbogen in weiten Teilen hoch zu halten und nebenbei weitere Details dieser komplexen Welt darzulegen. Den Mittelteil habe ich jedoch als etwas in die Länge gezogen empfunden, da zeitgleiche Ereignisse aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden, während spannende Szenen mit einem Cliffhanger enden und erst etliche Kapitel später wieder aufgegriffen werden.
Doch die Fäden laufen auch immer wieder zusammen, man kann es so beschreiben, dass sich aus vielen verschiedenen Bildern Schritt für Schritt ein Gesamtwerk entwickelt.
Es gab zwischendurch Momente, in denen ich die Erzählung und die Darstellung der Menschen sehr naiv fand, im Verlauf wird jedoch deutlich, wieso diese Welt so funktioniert, wie sie ist. Mich fasziniert, wie feinsinnig hier anhand einer Zukunftsvision Kritik an unserer heutigen Lebensweise und unserer Gesellschaft geübt wird.
Trotz seiner teilweise schlicht erscheinenden Sprache und Erzählweise hat mich der Roman beim Lesen immer weiter in den Bann gezogen und sind mir die Figuren immer stärker ans Herz gewachsen.

Bewertung vom 29.09.2020
Spiele / Carl Edson Bd.2 (eBook, ePUB)
Svernström, Bo

Spiele / Carl Edson Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Robert Lindström wird beschuldigt, im Alter von 11 Jahren seinen Schulfreund mit einem Betonklotz erschlagen zu haben. Das ist zumindest das Ergebnis der damaligen Polizeiermittlung, Robert selbst kann sich an die Tat nicht erinnern, ebenso wie die Erinnerungen an seine gesamte Kindheit aus seinem Gedächtnis gelöscht sind. Er wurde aufgrund seines Alters nicht verurteilt, dennoch hat die Tat sein Leben nachhaltig beeinflusst, er ist menschenscheu und lebt zurückgezogen.
Als 28 Jahre später die Journalistin Lexa Andersson ein Buch über sein Leben schreiben will und zur selben Zeit in der Nähe des damaligen Tatorts ein 11-jähriges Mädchen ermordet wird, gerät Roberts Leben aus den Fugen. Kann Lexa recht haben mit ihrer Theorie, dass Robert unschuldig ist? Ist es Zufall, dass ausgerechtet dann ein neuer Mord geschieht, als Robert mit Lexa in den Stockholmer Vorort seiner Kindheit zurückkehrt?
Bo Svernström spielt mit den Gedankengängen und Spekulationen des Lesers. Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt, einer folgt Lexa und Robert, der andere dem aktuellen Geschehen und den Ermittlungen Carl Edsons und seines Teams. Zu Beginn des Buches liegt dabei der Handlungsstrang um Robert ein paar Tage in der Zeitlinie zurück und lässt damit offen, inwieweit er in die aktuellen Ereignisse involviert ist. Während der überwiegende Teil des Buchs in der 3. Person erzählt wird, erzählt Robert aus der Ich-Perspektive von seinen Erinnerungen und Gedanken, was eine besondere Nähe zu seiner Person schafft.
Der Spannungsbogen des Thrillers ist hoch, Nebenhandlungen und Rückblicke erhöhen die Komplexität, es wird immer wieder infrage gestellt, was hier die Wahrheit sein könnte, und wo die Wahrnehmung der einzelnen Personen die Sichtweise beeinflusst. Nach und nach kristallisiert sich heraus, dass vieles nicht so verlaufen ist, wie es auf den ersten Blick scheint.
Obwohl sich der ein oder andere Verdacht meinerseits bestätigt hat, konnte mich das Buch immer wieder überraschen, es ist erschreckend, wie nachhaltig einige der Ereignisse das Leben einzelner Protagonisten beeinflusst haben.
Mir hatte schon der erste Band um Carl Edson mit dem Titel „Opfer“ gut gefallen, ist dieser alleinstehenden Geschichte konnte mich Bo Svernström mit seinem Erzähltalent wieder überzeugen.

Bewertung vom 21.09.2020
Raum der Angst (eBook, ePUB)
Meller, Marc

Raum der Angst (eBook, ePUB)


sehr gut

In den letzten Jahren habe ich gemeinsam mit Freunden und Familie schon mehrfach versucht, mich durch das Lösen verschiedener Rätsel aus einem Escape-Room zu befreien. Wir hatten viel Spaß dabei und waren meist erfolgreich. Doch wie wäre es, wenn diese Szenarien kein Spiel sondern Ernst wären?
Auf dieser Idee baut Marc Mellers Auftakt einer neuen Thriller Reihe auf mit dem Titel „Raum der Angst: Ein Escape-Room-Thriller“. Eine Gruppe von sieben aufgrund ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten ausgewählten Personen soll für ein wissenschaftliches Experiment in einem extra dafür entwickelten Escape-Room-Szenario gemeinsam verschiedene Rätselsituationen meistern.
Doch schnell wird klar, dass hier einiges nicht so ist, wie es sein sollte, aus dem Spiel wird bald blutiger ernst. Eine Figur, die sich nach dem römischen Gott Janus benennt, hat nicht nur diese Gruppe entführt sondern auch die Psychologiestudentin Hannah, die gemeinsam mit der Gruppe um ihr Leben kämpfen muss.
Die Atmosphäre der Geschichte ist oft beklemmend, der Spannungsbogen ist nicht zuletzt aufgrund einiger unerwarteter Wendungen hoch. Der Leser begleitet zum einen die Teilnehmer des Escape-Rooms, zum anderen die ermittelnden Polizisten, die in einem Wettlauf gegen die Zeit versuchen, die Gruppe zu finden und zu befreien, und bekommt dadurch einen unmittelbaren Blick auf die Geschehnisse. Dabei kristallisieren sich nach und nach die Zusammenhänge und Motive der Geschichte heraus.
Das Szenario des Thrillers ist stimmig wenn auch nicht unbedingt realistisch, die Geschichte wird temporeich erzählt, trotz der Erzählperspektive bleiben die Hauptfiguren jedoch recht blass, es kommen keine wirkliche Nähe oder gar Empathie auf, da die Handlung in den Vordergrund gestellt wird.
Gestört hat mich die Klischeehaftigkeit, mit der die Figuren angelegt sind, auch wenn die Teilnehmer des Experiments möglicherweise bewusst als Stereotypen ausgesucht wurden. Die Brutalität ist für meinen Geschmack etwas zu viel und selbst mit dem Hintergrund des Täters nur bedingt nachvollziehbar, außerdem spielt in zu vielen Punkten der Zufall dem Täter zu sehr in die Hände und lässt die Geschichte konstruiert erscheinen.
Insgesamt ist „Raum der Angst“ ein solider Thriller, mir fehlte das gewisse etwas, so dass mich auch die offenen Fragen am Ende nicht zwingend zum Lesen der Fortsetzung reizen werden.