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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 04.07.2021
Feuer in der Hafenstadt
Marschall, Anja

Feuer in der Hafenstadt


sehr gut

Kapitän Hauke Sötje hat vor England sein Schiff und seine Mannschaft verloren. Er ist der einzige Überlebende der Havarie. Aber Sötje ahnt, dass es beim Untergang nicht mit rechten Dingen zuging. Zwar wurde er vor Gericht freigesprochen, was sicher auch seinem Anwalt von Lahn zu verdanken war, den die kaiserliche Marine gestellt hat, aber gleichzeitig wurde ihm ein ehrenvoller Freitod nahegelegt.

Nur noch eine Aufgabe will er vorher erfüllen und die führt in nach Glücksstadt. Dort gerät er zufällig in einen Mordfall und in eine Brandstiftung und von Lahn, der auch in Glückstadt weilt, beauftragt ihn als Sonderermittler die Intrigen gegen die neugegründete Glücksstädter Heringsfischerei aufzuklären. Bei dieser Gelegenheit lernt er Sophie Struwe kennen, eine Fabrikantentocher, die durch die Brandstiftung Ruf und Zuhause verloren hat.

Das ist der erste Band der historischen Krimireihe um Kapitän und Ermittler Hauke Sötje. Er wurde im Emons Verlag neu aufgelegt.

Der Krimi trifft die Atmosphäre des jungen 20. Jahrhunderts sehr gut. Der Kaiser plant den Aufbau einer Flotte, auch um im Vergleich zu England gut dazustehen. Gleichzeitig soll auch die Fischerei an einigen deutschen Hafenstädten ausgeweitet werden. Das weckt Begehrlichkeiten von vielen Seiten. Hauke als Hauptprotagonist ist eine aufrechte, energische Persönlichkeit. Ruhig, fast wortkarg aber immer auf Gerechtigkeit aus. Dass sein Ruf durch die Havarie Schaden nahm traf ihn sehr, aber noch schlimmer traf in der Tod seiner Leute, für die er sich verantwortlich fühlt.

Der Autorin gelingt die Zeitreise ausgesprochen gut. Jedes Kapitel beginnt mit einem kleinen Ausriss aus der Zeitung „Glückstädter Fortuna“ aus dem Jahr der Handlung. Dazu mischt sie historische Details sehr kenntnisreich mit ihrer Romanhandlung. Das versetzt den Leser perfekt in die Vergangenheit.

Intrigen und Spionage machen den Plot sehr spannend und ein Ermittler mit angeschlagenem Ruf, der sich gegen die Pickelhauben-Gendarmen durchsetzen muss, ist ein origineller Ausgangspunkt.

Ein interessanter historischer Krimi, der viel vom Alltagsleben der Kaiserzeit vermittelt und auf weitere Abenteuer von Hauke Sötje neugierig macht.

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.07.2021
Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.18
Storks, Bettina

Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.18


ausgezeichnet

Henriette Theodora Markovitch (1907 – 1997) ist den meisten wohl unter ihrem Künstlernamen Dora Maar bekannt und dieser Name ist untrennbar mit Pablo Picasso verbunden.

In Paris geboren und in Buenos Aires aufgewachsen, kehrt sie als junge Frau mit ihrer Familie nach Paris zurück. Sie ist zur Künstlerin berufen, auch wenn die namhaften Akademien Frauen damals noch verschlossen waren. Aber als Fotografin kann sie sich schon sehr früh einen Namen machen. Ihre Bilder waren vom Surrealismus geprägt, mit Doppelbelichtung erzielte sie aussagekräftige Motive und ihre Modefotos waren außergewöhnlich und neu. Sie hatte sich ihren Namen gemacht.

Als sie Picasso begegnete, war das ein Einschnitt in ihrem Leben. Eine leidenschaftliche Amour fou begann. Dora wurde zum Modell, zur Muse. Doch die Beziehung war nicht einfach. Picasso schätzte Frauen sehr, aber nicht als eigenständige Künstlerin. So wurde Dora Maars Schaffenskraft ausgebremst.

Bettina Storks hat eine Romanbiografie geschrieben und sich mit Herzblut dieser außergewöhnlichen Frau angenähert. Das Buch hat mich fasziniert und ganz gegen meinen Willen mein Picasso Bild auch verändert. Man kann diese Frau nicht ohne ihren Geliebten erfassen. Die Leidenschaft der Beziehung, aber auch die Leiden, die sie an seiner Seite erdulden musste waren außergewöhnlich. Picasso war notorisch untreu, Frauen faszinierten ihn so lange, bis er sie erobert hat und in sein Netz gezogen hat. Fast könnte man sagen, bis er sie klein gemacht hat, dann löste er sich.

Für Dora, die familiär auch eine Disposition dazu hatte, endete die Beziehung mit einem Zusammenbruch und einer Depression, die sie ihr restliches Leben begleitet hat.

Ein Leben aus Fotografien, Schriften und Nachlässen so lebendig zu gestalten, dass ich meinte, die Frau zu kennen, ist der Autorin sehr gut gelungen. Über Dora Maar wurde sehr viel geschrieben und man kann sie ihr natürlich nicht annähern, ohne Picasso mit einzubeziehen. Aber Bettina Storks gibt ihrer künstlerischen Entwicklung und ihrer Originalität als Fotografin den gebührenden Platz. Das hat das Buch für mich ausgezeichnet.

Das Cover verweist auf die lose Reihe des Aufbau Verlags, die sich den „Mutigen Frauen zischen Kunst und Liebe“ widmet.

Bewertung vom 01.07.2021
Schöner Sterben in Franken
Drüppel, Katharina;Heinlein, Heike

Schöner Sterben in Franken


sehr gut

Das Schlossgartenfest ist immer ein Höhepunkt im Erlangens Kulturkalender. Da darf Buchhändlerin Felicitas Reichelsdörfer nicht fehlen. Während die Besucher durch die Gärten flanieren, fällt Feli Paar Schuhe in einem Spalt des Brunnens auf, als sie genauer hinschaut, sieht sie auch die dazugehörigen Beine.

Das bedeutet auch für Kommissar Clemens Sartorius das Ende eines schönen Abends mit Freundin Delphine. Und ausgerechnet die Reichelsdörfer muss die Zeugin sein, denn schon einmal mischte sie sich in seine Ermittlungen ein. Gut, es war damals ganz hilfreich, aber Sartorius kann Hobbykriminologen nicht ausstehen, besonders wenn sie so temperamentvoll und spontan wie Feli sind.

Regional fränkisch geht es in diesem Krimi zu. Die Figuren sind mir schon vom ersten Band an ans Herz gewachsen. Erlangen ist auch eine wunderschöne Kulisse für diesen spannenden Roman, bei den Ermittlungen lernt der Leser nicht nur den Schlossgarten und das prunkvolle Markgräfliche Theater kennen, auch die kleinen, unbekannten Ecken von Erlangen werden in Szene gesetzt.

Dass es Feli nicht lassen kann ihre Nase in den Fall zu stecken ist klar und da sie die Schwester des Opfers kannte, hat sie auch die besten Voraussetzungen dafür. Was zu einigen urkomischen Dialogen nicht nur mit Clemens Sartorius führt, sondern auch ihren Freund mit Mitarbeiter gehörig nervt.

Daraus entstehen sehr witzige Szenen und schlagfertige, temporeiche Dialoge, die mir sehr gut gefallen haben. Fast bis zum Schluss tappte ich im Dunkeln, was Täter und Motiv angeht und musste wirklich auf die fulminante Auflösung warten. Ein temporeiches, überraschendes und auch ganz schlüssiges Ende für diesen gelungenen Regionalkrimi.

Das Autorenduo versteht sein Handwerk und die Mischung aus Spannung, Witz und Regionalität ist ausgewogen.

Ein richtiger Blickfang ist einmal mehr das Emons – Cover. Der Wiedererkennungswert für die Regio-Reihe des Verlags ist hoch und doch jedes Mal wieder neu und passend.

Eine Empfehlung für Fans der Krimiunterhaltung mit Heimat-Touch.

Bewertung vom 28.06.2021
Das Vierzehn-Tage-Date
Freund, René

Das Vierzehn-Tage-Date


sehr gut

Es ist das Frühjahr 2020, eine neue Seuche beherrscht die Nachrichten und das Denken der Menschen. Die Straßen sind menschenleer, genau wie die Lokale. Corinna und David haben über Tinder ein Date vereinbart. Schon bald wird beiden klar, dass sie überhaupt nichts gemeinsam haben. David ist Veganer, trinkt keinen Alkohol und Harmonie ist im wichtig. Corinna ist das genaue Gegenteil, chaotisch, dem Alkohol und anderen Drogen zugeneigt, lebt sie in den Tag hinein. Sie jobbt in einem Pizzaladen und will das Date genau so schnell wie David hinter sich bringen. Aber der Abend entwickelt sich anders. Corinna trinkt und kifft und als sie am nächsten Morgen erwacht, steht ein Mann vom Gesundheitsamt vor der Tür.

Der Pizzabote, der die abendliche Pizza brachte und von Corinna mit Küsschen begrüßt wurde, ist positiv und über David und Corinna wird eine Vierzehn-Tage-Quarantäne verhängt. Nun sind sie Gefangene auf engstem Raum und müssen miteinander zurechtkommen.

Das ist mein erster „Corona-Roman“ und beim Lesen wurde mir bewusst, wie ich schon den Anfang der Pandemie verdrängt habe. René Freund hat seinen Roman wie ein Kammerspiel arrangiert. Zwei Menschen auf engstem Raum müssen sich zwangsweise arrangieren und kennenlernen. Das geht nicht ohne Blessuren ab, beide müssen sich unbequemen Wahrheiten stellen. Es ist die Kunst des Autors ernste Themen und große Gefühle in eine unterhaltsame Geschichte zu verpacken. Als Leserin amüsiere ich mich, schmunzle bei wirklich witzigen Szenen und Dialogen, aber der Kern ist der Geschichte ist viel ernster. Die Einsamkeit der beiden Singles, ihre Verletzlichkeit sind die eigentlichen Themen. Corinna versteckt sie hinter ihrem ruppigen Wesen und dem Alkohol und David hinter seinem Ordnungsfimmel und seinem Harmoniebedürfnis.

Wie sich beide allmählich öffnen, ihre Enttäuschungen und Erwartungen zugeben, hatte etwas sehr anrührendes und der Autor findet auch genau die richtigen Worte dafür. Ich kenne die Bücher René Freunds und war immer begeistert.

Wenn man sich das Cover ansieht, so findet man schon den Kern der Geschichte darin abgebildet. Zwei Personen sitzen nahe beieinander, aber beide verschanzen sich hinter ihren Laptops. Kontakt per Social Media scheint beiden sicherer als persönlicher Kontakt. So ist das eine ganz aktuelle Momentaufnahme von innerer Distanz.

Nach den Vierzehn Tagen hat sich für Corinna und David das Leben verändert – wie wird nicht verraten.

Bewertung vom 28.06.2021
Happy Road
Kringe, Sarah

Happy Road


gut

Was ist das größere Wagnis: eine monatelange Reise im umgebauten VW quer durch Mitteleuropa bis in den hohen Norden oder sich auf eine Gemeinsamkeit auf engstem Raum mit einem Menschen einzulassen, den man erst kurz kennt?

Sarah lebt in Berlin, ist Pressereferentin eines Abgeordneten und lernt Mathias aus Österreich kennen, Skilehrer und Elektriker und eigentlich das genaue Gegenteil zu ihr. Doch gegen alle Bedenken siegt die Lust auf das „Vanlife“, eine Reise quer durch Europa, antizyklisch um den hohen Norden im Winter kennenzulernen.
Sarah und Mathias nehmen den Leser mit auf ihre Reise, die manchmal abenteuerlich, manchmal sehr komisch und immer ein Blick auf die Menschen ist. Es macht Spaß sich auf diese Reise einzulassen, besonders wenn man weiß, dass man selbst eine solche Reise nur noch im Buch machen kann. Ich habe die Geschichten sehr genossen, mich manchmal gewundert und immer wieder über die interessanten Begegnungen mit den Einheimischen gefreut. Die Offenheit, die den Reisenden begegnet, ist einfach nur schön. Mathias mit seinem bodenständigen Dialekt sorgt auch immer wieder für Bodenhaftung

Das Leben auf engstem Raum, oft unter widrigen Wetterbedingungen ist nicht immer einfach und bringt das junge Paar auch oft an ihre Grenzen. Aber wie Mathias schon am Anfang ihrer Reise konstatierte: „donn wiss ma’s, ob’s klappt mit ons“. Ja, es klappt schon mit den beiden, aber einen gewissen Lernprozess müssen sie schon durchlaufen. Und sie müssen bereit sein, Pläne umzuschmeissen, wenn es nicht mehr anders geht.
Ein abenteuerlicher und interessanter Reisebericht, der mich gelehrt hat, das Camping-Touren jetzt „Vanlife“ heißt und aus Campern „Vanlifer“ wurden.

Es gibt nur einen Kritikpunkt. So schön das Buch gestaltet ist, so viel Reisesehnsucht die Bilder verbreiten, die blasse hellgraue Farbe der Schrift ist eine Tortur für die Augen und hat damit einen Punktabzug verdient.

Bewertung vom 26.06.2021
Wiener Blut / Die Totenärztin Bd.1
Anour, René

Wiener Blut / Die Totenärztin Bd.1


ausgezeichnet

1908 war es nicht leicht für Frauen Medizinerin zu werden und noch viel schwieriger gestaltet es sich für Fanny Goldmann in ihrer Disziplin als „Totenärztin“, also Pathologin zu arbeiten. Sie wird von den Kollegen nicht ernst genommen und auch nur als Sektionsgehilfin eingestellt. Also hauptsächlich Neben- und Putzarbeiten beschäftigt. Aber Fanny hat Stehvermögen und lässt sich nicht unterkriegen. Als eines Abends ein Toter in die Prosektur gebracht wird, scheinen der Geruch und der schäbige Mantel sofort auf einen Obdachlosen zu deuten. Aber Fanny schaut genauer hin, gepflegte Nägel, gute Wäsche – das passt nicht zusammen und sie beschließt gegen die Anordnung zu handeln und führt nachts heimlich eine Obduktion durch. Das Ergebnis ist eindeutig und Fanny Goldmann beginnt in diesem Mordfall nachzuforschen.

René Anour hat das Wien kurz nach der Jahrhundertwende sehr schön eingefangen. Kunst, Lebensgefühl und das Anbrechen einer modernen Ära sind der lesenswerte Hintergrund. Seine Protagonistin Fanny ist eine junge Frau, die ihr Leben in die Hand nimmt. Sich nicht mehr den Konventionen beugen will, die nur Heirat und Mutterschaft für eine junge Frau vorsieht. Sie ist mutig und auch bereit Risiken einzugehen um ihrem Verdacht nachzugehen, auch wenn sie sich dabei in die Wiener Unterwelt begeben muss. Ihr anfänglicher Gegenspieler erweist sich immer mehr als Hilfe und Unterstützung.

Mir hat dieser historische Krimi ausnehmend gut gefallen. Es stimmte dabei alles, der atmosphärische Hintergrund, die gekonnte Figurenzeichnung und sehr viel Wissenswertes aus der Frühzeit der Rechtsmedizin. Das alles zusammen ergibt einen sehr spannenden Kriminalroman, bei dem ich in einen richtigen Lesesog geraten bin.

Der Schreibstil des Autors ist farbig und bildreich und historische Details sind augenscheinlich sehr genau recherchiert. Eine Reise durch die Katakomben der Wiener Altstadt hat mich sehr fasziniert. Hilfreich ist auch die historische Wienkarte auf der Innenseite des Covers. Das Nachwort, das die geschichtlichen Details erläutert und von den Romanelementen trennt, gefiel mir genauso, wie das Glossar zu Fachausdrücken aus der Gerichtsmedizin.

Fanny Goldstein und ihr erster Fall weckt die Lust auf eine Fortsetzung und für entsprechende Neugierde sorgt ein sehr geschickt eingebauter Cliffhanger in der letzten Szene.

Ein rundum gelungener historischer Krimi, den ich nicht aus der Hand legen konnte.

Bewertung vom 25.06.2021
Mord in der Mittsommernacht
Greenwood, Kerry

Mord in der Mittsommernacht


sehr gut

Miss Phryne Fisher ist mir als Detektivin aus der witzigen australischen Fernsehserie bekannt. Ich mag diese emanzipierte elegante Ermittlerin, die in den 20ger Jahren des letzten Jahrhunderts in Melbourne lebt. Vermögend wie sie ist, hätte sie einen Beruf nicht nötig. Es ist die Lust am Abenteuer und an kriminalistischen Rätseln, die sie zur Detektivin werden ließ. Gleich zwei Fälle hat sie im Band „Mord in der Mittsommernacht“ zu lösen.
Eine ältere Dame bittet sie, den Tod ihres Sohnes zu klären, denn an einem Selbstmord glaubt sie nicht. Der Sohn hatte einen erfolgreichen Antiquitäten- und Trödelhandel. liegt hier der Grund für seinen Tod? Zeitgleich kommt ein zweiter Auftrag: für eine Erbangelegenheit soll sie nach einem unehelichen Kind der Erblasserin forschen, denn ohne das unbekannte Kindes kann das Erbe nicht aufgeteilt werden. Hier wartet eine begüterte, italienischstämmige Familie auf ihren Einsatz.

Phryne löst ihre Fälle mit Scharfsinn und Eleganz. Die Beschreibung ihrer Garderobe samt Hüten war ein Genuss. Auch ihr unkonventionelles, durchaus glamouröses Leben samt attraktivem Liebhaber macht Spaß zu verfolgen. Zusammen mit ihrem unkonventionellen Haushalt geht sie die Aufgaben an. Nicht immer werden Phrynes Gedankengänge klar und der Leser hat auch nicht immer die Möglichkeit an ihren Schlussfolgerungen teilzuhaben. Aber auch wenn das Miträtseln ein wenig fehlt, ist das Buch ein spannender und kurzweiliger Lesegenuß.

Die Zwanziger Jahre sind farbig eingefangen und Melbourne in dieser Epoche war mir unbekannt. Umso mehr habe ich Phrynes Ermittlungen in der feinen australischen Gesellschaft genossen.
Kleine kursiv gedruckte Einsprengsel verweisen auf Ereignisse in der Vergangenheit, die konnte ich aber nicht immer mit der Handlung in Verbindung bringen.

Es ist immer ein Risiko, wenn Figuren oder Geschichten die man aus Filmen kennt nun in Buchform vor sich hat. Aber bei diesem Krimi, den der Insel-Verlag neu auflegte, ist das gut gelungen. Lediglich den Titel „Mord in der Mittsommernacht“ konnte ich nicht in Bezug zur Handlung bringen.

Bewertung vom 18.06.2021
Endstation Waldviertel
Pfeifer, Günther

Endstation Waldviertel


ausgezeichnet

Die Waldviertler Schmalspurbahn ist der ganze Stolz der Hobby-Eisenbahner mit viel Zeit und Geld in diese Sehenswürdigkeit investieren. Regelmäßig wird von der Lok aus auch ein prächtiges Schwammerl gesichtet und zur Freude der Fahrgäste ein Sonderstopp eingelegt. Dass der Pilz regelmäßig von Hannes Dangl am vereinbarten Platz deponiert wird, braucht ja niemand zu wissen.

Doch dann gibt es einen schrecklichen Unfall, Hannes wird von der Dampflok überrollt und „wer versteckt jetzt unsere Schwammerl?“ ist die Sorge der Eisenbahner. Huber, als umtriebiger Zeitgenosse auch „Gschaftlhuber“ genannt, beginnt mit seinen Privatermittlungen, denn der örtliche Revierinspektor ist mehr als unpopulär.

Auch die extra geschickten Beamten Frau Dr. Limbach und ihre Kollege, der Hajdusic, erfreuen sich im Ort keiner besonderen Beliebtheit.

Dieser Krimi aus dem Waldviertel hat alles was ich an Regionalkrimis mag: Eine wunderbare Atmosphäre, durchgehend viel Humor mit Situationskomik und Dialogwitz. Günther Pfeifer hat eine sehr charmante Art zu schreiben, immer mit einem Augenzwinkern und ganz viel österreichischen Schmäh. Da bleibt wirklich kein Auge trocken. Ich liebe die Fußnoten, die sich erklärend an den Leser wenden und mindestens genauso witzig sind, wie die Begriffe, die sie erklären sollen.

Die Figuren sind einfach urig und auch skurril gestaltet. Die arrogante Stadtpflanze Limbach, auf Karrierre versessen und ihr Gegenspieler Hajdusic, der es faustdick hinter den Ohren hat und natürlich all die Bewohner des Ortes und ganz besonders die Eisenbahner. Ich habe mich von der ersten Seite an köstlich amüsiert und mich mit diesem Buch so richtig wohlgefühlt.

Das Rätsel um den toten Hannes Dangl ist nicht einfach zu lösen und das Miträtseln hat mir sehr viel Spaß gemacht.

Mir scheint, dass Waldviertel ist – nicht nur kriminalistisch – eine unterschätzte österreichische Landschaft. Schön, dass der Autor sie dem Leser so nahe bringt.

Bewertung vom 18.06.2021
FLEISCHESLUST IN UNTERFILZBACH
Adam, Eva

FLEISCHESLUST IN UNTERFILZBACH


sehr gut

Max Saxinger war Unterfilzbachs Garant für delikaten Pressack, gschmackigen Leberkäse und Grillwürste zum Niederknien. Doch nun hat er die Seiten gewechselt und wie viele Konvertiten ist er gleich ins Extrem gesprungen. Er wurde zum Veganer und Tierschützer und schreckt auch vor grenzwertigen Aktionen nicht zurück um seine Umwelt zu missionieren. Auch als „Kuhflüsterer“ hat er sich einen Namen gemacht, sehr zum Ärger der örtlichen Tierärztin, die nun in ihrer leeren Praxis sitzt. Doch beim Bummerl, dem preisgekrönten Zuchtstier des Huberbauern ist was schiefgegangen. Denn am nächsten Morgen liegen Stier und Max tot im Stall.

Hansi Scharnagl vom örtlichen Bauhof, bereits als Detektiv erprobt, ist sich sicher, dass man diesen schwierigen Fall nicht dem zuständigen Kommissar Dietl überlassen kann. Allerdings hat es auch Hansi nicht einfach, der Verdächtigenliste ist ellenlang und nebenbei muss er ja schließlich auch noch das Dorfgrün kurz halten und sein Filius gibt Anlass zur väterlichen Sorge.

In Unterfilzbach geht es nicht unbedingt sehr feinsinnig zu. So deftig wie das Essen, so derb auch manche Sprüche. Eva Adam hat das auch in ihrem vierten Niederbayern-Krimi wieder sehr gekonnt in Szene gesetzt. Ein genauerer Blick auf das Titelbild lohnt auf alle Fälle. Es macht wirklich Spaß den tollpatschigen Hansi bei seinen „Ermittlungen“ zu begleiten. Er hält sich zwar für einen würdigen Nachfolger von Sherlock, aber mit dieser Einschätzung steht er allein. Er braucht schon seine geduldige Ehefrau Bettina oder Freund Sepp, die ihm auf die Sprünge helfen.

Ein typischer Humorkrimi, der auch mit und durch den Dialekt und die urig-kauzig, ein wenig überzeichneten, Niederbayern lebt. Die Gagdichte ist wirklich unglaublich hoch und über die Einfälle der Autorin bin ich immer wieder erstaunt. So manch ein Bild war mir fast zu drastisch, aber das Gesamtpaket stimmt.

Eva Adam hat einen witzigen Figurenkosmos erschaffen - man meint so eine Berta auch aus dem Nachbardorf zu kennen - auch die besorgte Ehefrau Bettina, die doch nur das Beste für ihren Hans will und ihn jedes Mal wieder in eine peinliche Situation bringt, das ist Kopfkino! Auch ihre kleinen Nebengeschichten sind gelungen und witzig. So heißt das Hausschwein des Wirts „Schweinsteiger“ und der Hofhund des Getränkehändlers hat den passenden Namen „Paulaner“.

Auf alle Fälle hat mich die „Fleischeslust in Unterfilzbach“ wieder köstlich unterhalten und gegen ein Pressack-Carpaccio hätte auch nichts.

Bewertung vom 16.06.2021
Schwedensommer
Lund, Jesper

Schwedensommer


sehr gut

Ein Toter der im Öresund angeschwemmt wird entwickelt sich zu einem komplexen und schwierigen Fall für die Kommissare Niklas Zetterberg und Emma Steen. Denn der Tote ist einer der reichsten Männer Schwedens, der total zurückgezogen lebende Reeder Lennart Fogelklou. Weder seine Familie noch in seiner Firma kommen die Ermittler weiter. Keiner scheint dem Mann näher gekommen zu sein. Allerdings stoßen sie auf Drohungen einer dänischen linksterroristischen Gruppe. Doch nach einigen Tagen wartet die Gerichtsmedizin mit einem gehörigen Schock auf die Ermittler.

Der Schweden-Krimi von Jesper Lund, das ist das Pseudonym des Krimiautors Jobst Schlennstedt und ist der Einstieg zu einer neuen Reihe. Ich fand den Plot sehr spannend und gut aufgebaut. Es fließt viel Detailwissen aus der Materie der Reedereien ein, die Jagd nach Frachten, der unglaubliche Preisdruck und man merkt mit welchen harten Bandagen in dieser Branche gekämpft wird. Lennart schien auch unfähig, seinen Mitarbeitern zu vertrauen und je weiter Zetterberg und Stehen ermitteln umso logischer erscheint sein Misstrauen. Gier, Hass und Neid – die Polizisten wissen, dass darin sehr oft die Motive für Verbrechen liegen.

Mit Südschweden verbindet man als Leser skandinavische Sommer in blutroten Sommerhäuschen an der Küste und Malmö scheint ein kleines sympathisches Städtchen mit typischem Flair. Aber dieses Bild entspricht schon lange nicht mehr der Wirklichkeit. Es gibt ganz Stadtteile, die die Behörden aufgegeben haben. Kriegsflüchtlinge der vergangenen 30 Jahre leben in ihrer Parallelwelt und sind kaum noch erreichbar. Eine Situation, die wir auch hier aus vielen Städten kennen.

Aber nicht nur die Ermittlungen sind spannend, auch die private Beziehung von Niklas und Emma bietet reichlich Konfliktstoff. Es findet eine erste Annäherung statt, was aber durch Pernille massiv gestört wird. Sie ist die frühere Ehefrau von Niklas und psychisch krank. Sie stalkt Niklas auf perfide Weise und er weiß sich kaum ihrer zu erwehren. Einer Zwangseinweisung kann sie sich immer wieder entziehen.

Ein fesselnder Einstieg in eine neue Serie, die mich auf weitere Bände neugierig macht.