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Miro76
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Österreich

Bewertungen

Insgesamt 168 Bewertungen
Bewertung vom 06.06.2023
Idol in Flammen
Usami, Rin

Idol in Flammen


sehr gut

Akari hat ihr Idol gefunden und sieht in Masaki, einem J-Pop-Star ihre Mitte, ihre Wirbelsäule, ihren Halt und einen Teil ihrer Seele. Sie ist überzeugt, dass nur er sie wirklich verstehen könnte.

Sie steckt viel Zeit und Energie in ihren Fanblog und hat eine Menge Follower. Außerdem steckt sie Unmengen an Geld ins Masaki's Merchandising. CD's kauft sie in rauen Mengen, um die Beliebtheit ihres Idols steigern zu können, alle Bücher in 3-facher Ausführung und alle Bilder braucht sie sowieso.

Kein Wunder, dass da keine Zeit mehr für die Schule bleibt. Hier scheitert sie kläglich.

Als nach einem Vorfall ein Shitstorm über ihr Idol hereinbricht, steigert Akari ihre Aktivitäten in den sozialen Netzwerken noch, um ihrem Idol den Rücken zu stärken. Ob an den Anschuldigungen was dran ist, hinterfragt sie nicht, denn ein Leben ohne Idol ist kein Leben. Sie nimmt kaum wahr, dass sie im realen Leben komplett den Halt verliert, bis auch ihr Idol aus dem Showgeschäft aussteigt, um als Mensch zu leben. Nun dringt das Chaos in Akaris Welt auch in ihr Bewusstsein durch.

Rin Usami lässt uns in diesem Buch ein Jahr mit ihrer Hauptfigur erleben. Wir lernen diese obsessive Fankultur kennen und die Autorin zeigt hier auch ganz klar die Schattenseiten dieser Welt auf. Obwohl wir mit der Protagonistin tief in der Welt der Idole stecken, bleibt mir die Fankultur trotzdem fremd. Für mich ist es gänzlich unvorstellbar, dass jemand sein ganzen Leben nach einer fremden Person ausrichtet. Dennoch fand ich es interessant, einen Blick in diese Kultur zu werfen.

Als Leser*in erkennt man früh, dass diese Geschichte nicht gut ausgehen kann. Mit Akari steuern wir langsam aber sicher dem Abgrund zu und der Sturz in die große Leere nach dem Idol ist unvermeidbar. Das Drama hat die Autorin gut eingefangen. Ich hätte es aber schön gefunden, wenn auch der Weg raus aus der Misere etwas ausführlicher beschrieben worden wäre. Der Schluss weist zwar die Richtung, aber das Buch ist kurz, ein paar Seiten mehr hätten den Roman etwas runder werden lassen.

Bewertung vom 28.05.2023
Keine gute Geschichte
Roy, Lisa

Keine gute Geschichte


ausgezeichnet

Arielle erhält einen überraschenden Anruf und wird aufgefordert ihre Großmutter zu besuchen. Diese sei gestürzt und nicht mehr ganz selbständig. Sie hatte sie seit Jahren nicht besucht, denn obwohl sie bei ihr aufgewachsen sind, war ihr Verhältnis mehr als unterkühlt.

Da sie nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie derzeit nicht arbeitet, reist sie auf unbestimmte Zeit in ihre frühere Heimat und in ihr Kinderzimmer, dass immer noch so aussieht, wie sie es zurückgelassen hatte.

Es sind keine guten Erinnerungen, die Arielle überkommen. Zurück in einem lieblosen Zuhause und wieder konfrontiert mit dem Verlust ihrer Mutter, die verschwunden war, als Arielle noch sehr klein war.

Jetzt sind zwei Mädchen verschwunden. Überall hängen Plakate und in der Nachbarschaft gibt es Suchtrupps, denen sie sich anschließt. Sie fragt sich, ob ihre Mutter damals auch gesucht wurde, ob die Polizei allen Spuren gefolgt war und warum ihre Großmutter nicht so gelitten hatte, wie die Mütter, die jetzt ihre Kinder suchen.

Vieles bricht auf in Arielle, die an ihrer harten Schale fast erstickt wäre. Sie hatte ihren Verlust unter Arbeit und einem mondänen Lifestyle begraben und wirklich nie jemanden an sich herangelassen. Das Wühlen in der Vergangenheit macht sie verwundbar, ihre Depression zwingt sie tagelang ins Bett, doch alte und neue Freunde lassen nicht locker.

So erfährt sie Neues über ihre Mutter, kann weiter Puzzleteile in das Mysterium einfügen und schafft ganz langsam einen Abschluss.

Arielle ist keine sympathische Protagonistin, ihre Verhalten ist streckenweise mehr als zweifelhaft, aber Lisa Roy zeigt uns auch, warum sie so handelt und denkt. Mit viel Verständnis für diesen schwierigen Charakter zeigt uns die Autorin, was eine lieblose Kindheit anrichten kann und wie viel schwieriger es ist mit Ungewissheit zu leben, als sich mit einem Tod abzufinden.

Arielles Geschichte ist wahrlich keine gute Geschichte. Sie ist zwar erfolgreich ihren Weg gegangen, hat es raus aus dem Prekariat geschafft, aber sie hat viele Opfer dafür gebracht. Indem sie jetzt ihre Wurzeln sucht, macht sie sich auf ihre wahre Identität zu finden, um am Ende festzustellen, dass sie doch nicht so allein ist, wie sie sich immer gefühlt hat.

Lisa Roy ist hier ein beeindruckendes Debüt gelungen. Der Roman fesselt ab der ersten Seite, die Protagonistin polarisiert stark, aber ihre Entwicklung spricht für sie. Mir hat das Buch ausgesprochen gut gefallen und ich freue mich schon jetzt auf die weiteren Werke der Autorin!

Bewertung vom 24.05.2023
Schlaflose Ferien / Pferdeflüsterer-Mädchen Bd.6
Mayer, Gina

Schlaflose Ferien / Pferdeflüsterer-Mädchen Bd.6


ausgezeichnet

Endlich dürfen wir wieder mal auf die Ocean Ranch und mit Ruby ein Pferdeabenteuer erleben. Meine Tochter wartet immer schon sehnsüchtig auf den nächsten Band der Reihe. Sie ist mittlerweile 12 Jahre alt und die Reihe ist immer noch passend für sie. Auch Ruby und ihre Freunde werden älter.

Diesmal sind die Kids plötzlich alleine verantwortlich für die Ranch, denn Patrice und Kelly machen Urlaub in Kanada und Miyu, die sich eigentlich um die Ranch kümmern sollte, musste akut abreisen zu ihrem sterbenskranken Vater.

Die Clique macht sich eigentlich keine Sorgen, denn sie kennen alle Tiere auf der Ranch gut und sind die Arbeit gewöhnt. Sie helfen ja fast täglich mit um den Betrieb am Laufen zu halten und dafür reiten zu können. Doch schon am zweiten Tag wird ihnen ein schwer verstörtes und misshandeltes Pferd gebracht, dass unter mysteriösen Umständen einem bekannten Tierschützer übergeben wurden. Als dann auch noch bei diesem eingebrochen wird, beginnen die Kids einen Kriminalfall zu ahnen und versuchen mehr über die Herkunft des Tieres herauszufinden. Außerdem sind ihre Pferdeflüsterer-Fähigkeiten gefragt. Die Kids haben schon viel von Patrice gelernt und können ihr Wissen praktisch anwenden.

Meine Tochter fand diesen Band unglaublich spannend und war wie immer begeistert, wie Ruby und ihre Freunde ihre Aufgaben meistern.

Mir hat sehr gut gefallen, dass die Kids selbständig agieren, aber auch wissen, wann sie sich Hilfe von Erwachsenen suchen müssen.

Und wie in jedem Band gibt es am Ende ein kleines Gimmick. Diesmal sind es Rezepte für Pferdeleckerlis, die wir bestimmt ausprobieren werden, denn meine Tochter hat seit kurzem eine Reitbeteiligung.

Bewertung vom 12.05.2023
Als wir Vögel waren
Banwo, Ayanna Lloyd

Als wir Vögel waren


sehr gut

Ayanna Lloyd Banwo entführt uns mit ihrem Roman auf die karibische Insel Trinidad und Tobago. Wir lernen Emmanuel Darwin kennen, ein Rastafari, der sich seiner Haare und somit seiner Wurzeln entledigt, um eine Job auf einem Friedhof anzunehmen. Einem Rastaman ist es nämlich nicht erlaubt Tote anzusehen. Seine Mutter kann ihm das nicht verzeihen und seinen Vater kennt er nicht.

Und wir lernen Yejide kennen, die auf dem Berg lebt und auf die Welt unten nur hinabsieht. Sie wächst in einer matriachalen Gesellschaft auf, in der den Frauen ganz besondere Rollen zukommen. Ihre Familie sorgt seit Generationen für die Menschen auf dem Berg.

Als es für ihre Mutter Zeit wird, diese Welt zu verlassen, ärgert sich Yejide, denn sie ist noch nicht eingeweiht in die Geschäfte der Familie. Ihre Mutter soll sie zu sich rufen, doch ist sie dafür noch stark genug? Yejide hatte nie ein gutes Verhältnis zu ihrer Mutter. Diese war immer nur auf ihre Geschäfte und ihre Zwillingsschwester fixiert. Für andere Menschen schien da kein Platz zu sein.

Zwischen Yejide und Emmanuel entwickelt sich zwangsläufig eine Beziehung. Erstmals sehen sie sich in der Zwischenwelt, nur Emmanuel findet sich leider verstrickt in krumme Geschäfte und sieht keinen Ausweg aus seiner misslichen Lage. Da möchte er Yejide nicht mit reinziehen. Doch Yejide birgt eine ganz andere, ureigene Kraft, die weltliche Belange niemals beugen können.

Wer sich hier eine romantische Liebesgeschichte erwartet, liegt gänzlich falsch. Die Liebe scheint eher selbstverständlich. Die Wege der beiden wirken vorgezeichnet. Ein Abweichen wird nicht geduldet. Sie müssen sich ihren Aufgaben stellen. Die Mythologie um Leben und Sterben in Port Angeles wird hier in kraftvollen Bildern beschrieben und ich konnte mich gut in diese fremde Kultur einfühlen.

Die matriachalen Strukturen auf dem Berg prallen gegen die fiesen Mächte einer Stadt voller Gauner und Ganoven und so wird der Roman fast zu einem Krimi. Doch auch die Liebe kommt nicht zu kurz. Nur geht es häufig um die Liebe zwischen Lebenden und Toten - eine ganz andere Form der Liebe, als durch den Klappentext erwartet.

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten hat mich das Buch gut unterhalten. Nach einiger Anlaufzeit fand ich die Geschichte sehr spannend, auch wenn mir die Figuren irgendwie fremd geblieben sind. Somit empfehle ich dieses Buch allen, die an mythologischen Geschichten interessiert sind und ein bisschen Durchhaltevermögen haben, denn man braucht eine Weile, um sich in dieser Welt einzufinden.

Bewertung vom 06.05.2023
Das vorläufige Ende der Zeit
Mayer, Berni

Das vorläufige Ende der Zeit


ausgezeichnet

Horatio Beeltz hat sich der Suche nach Zeitrissen verschrieben. Zusammen mit der kosmologischen Gesellschaft, ein eher geheimer Club, ist er überzeugt, dass die 4. Dimension ebenso begangen werden kann, wie die anderen. Man muss nur einen Eingang finden.

Und diesen entdeckt er überraschend auf einem alten jüdischen Friedhof in Slubice.

Verunsichert, ob er diese Reise antreten soll, sucht er sich erst mal zwei Probanden, als "Testpersonen". In Artur und Mi-Ra wird er schnell fündig. Beide haben traumatische Erfahrungen hinter sich, die ihre aktuelle Wirklichkeit stark beeinflussen. Um ihre Gehirne auf diesen Trip gehen zu lassen, gibt er ihnen spezielle Pilze. Das Psilocybin soll ihren Geist erweitern, damit sie die Reise in die Vergangenheit antreten können.

Beide fragen sich, ob dies echt sein kann, oder nur ein Trick und ein einfacher Pilztrip. Und beide müssen sich ihren Erfahrungen stellen und sich fragen, ob sie sie wirklich ungeschehen machen wollen und was das für Auswirkungen auf ihre Gegenwart haben wird.

Mit diesem Buch begeben wir uns auf eine spezielle Reise und als Leser*in sollte man einer Brise Surrealismus nicht abgeneigt sein. Doch Berni Mayer erzählt uns auch zwei Lebensgeschichten, die mit ihren Ecken und Kanten und Erfahrungen sehr berührend sind.

Gleichzeitig regt der Autor Gedanken über die eigene Vergangenheit an und die Idee, einmal getroffene Entscheidungen zu widerrufen. Ein spannender Ansatz und mache Antworten finden wir auch im Text.

Mich hat das Buch hervorragend unterhalten. Ich fand die Reise spannend, anregend, einfühlsam und berührend. Ein rundherum liebevoller Roman, der ruhig auch einen Blick in die Zukunft hätte werfen können.

Dennoch kann ich das Buch uneingeschränkt allen empfehlen, die offen sind für ein bisschen Magie in der Realität.

Bewertung vom 25.04.2023
Going Zero
Mccarten, Anthony

Going Zero


ausgezeichnet

Kaithlyn Day sitzt gefasst in ihrer Wohnung und wartet auf das Signal. Sie ist vorbereitet. Go Zero ist der Startschuss für ein besonderes Projekt. Zehn Menschen, ausgewählt von FBI und CIA sollen 30 Tage lang unter dem Radar bleiben. Als Belohnung locken 3 Millionen Dollar.

Cy Baxter hat mit seiner Firma WorldShare, ein Social Media Anbieter, was Großes vor. Mit Fusion möchte die Kräfte von CIA, FBI, Militär und Homeland Security mit der Macht der sozialen Medien bündeln und so der Kriminalität mit neuer Stärke entgegen treten. WorldShare bzw. Fusion setzt alle Mittel des Trackings ein inclusive Satelliten und Drohnen, sämtliche Verkehrskameras, Bordcomputer und was man sich noch so alles vorstellen kann.

Kaithlyn Day ist Bibliothekarin und macht einen recht unbedarften Eindruck, doch sie hat noch eine andere Motivation, diese Challenge zu gewinnen und einige Überraschungen für Baxter in petto.

Die Jagd beginnt und man verfällt automatisch in eine fast atemlose Lektüre. Die kurzen Kapitel und der zeitliche Countdown unterstützen diesen Eindruck noch und man kann das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Die Möglichkeiten der Überwachung scheinen hier keine Grenzen zu kennen und wir erkennen den Großteil davon wieder. Wissentlich setzten wir auch jetzt schon unsere Privatsphäre aufs Spiel in der Hoffnung, dass wir eh nicht interessant sind. Dieser dystopische Roman ist also gar nicht so weit weg von unserer Realität.

Immer wieder scheint sich die Schlinge um Kaithlyn zuzuziehen und immer wieder sieht sich sich gezwungen weitere Ressourcen zu aktivieren. Sie geht definitiv an ihre Grenzen und darüber hinaus. Auch einige der anderen Anwärter haben gute Ideen und machen es den Teams schwer.

So wird ein Spannungsbogen aufgebaut, der gegen Ende hin immer mehr ansteigt. Man merkt bei der Lektüre, dass der Autor auch Drehbücher schriebt, denn die Geschichte läuft wie ein Film vor den Augen ab. Ganz klar ein Film, den ich sehen muss, sollte er tatsächlich in den Kinos landen.

Mich hat das Buch hervorragend unterhalten und es regt mich zum Nachdenken an. Ich bin mir sicher, dass Fusion auch über mich ein recht ordentliches Profil anlegen könnte und da beginnt es mich zu gruseln. Also lest alle dieses Buch! Es ist spannend und sensibilisiert vielleicht etwas, wie wir mit unseren persönlichen Daten umgehen und von welchen Seiten wir uns bespitzeln lassen!

McCarten führt und hier eine mögliche Zukunft vor Augen, die in kürzester Zeit real werden könnte und das in einem rasanten Thriller! Unbedingt lesen!

Bewertung vom 24.04.2023
Straßenmusik
Behr, Markus

Straßenmusik


sehr gut

Jonas und Chiara sind auf dem Weg nach Amsterdam. Bereits im Zug treffen sie kurz aufeinander, gehen aber getrennte Wege. Beide sind irgendwie ein bisschen auf der Flucht. Beide haben Verluste zu betrauern und müssen sich neu orientieren.

Chiara ist in Amsterdam, weil sie da Strassenmusik machen will und auf gutes Publikum hofft. Sie schreibt eigene Songs, ist aber etwas verunsichert, ob die was taugen.

Jonas will einfach nur weg und Amsterdam ist wohl das erste was ihm eingefallen ist, denn seine Band hat ihn gleichzeitig mit dem Durchbruch rausgeschmissen. Das große Konzert steht an und er möchte sich den unangenehmen Fragen nicht stellen. In Amsterdam irrt er durch die Straßen, bis er über Chiaras Gitarre stolpert, die sie in einem Pub vergessen hatte.

Endlich kann er wieder Musik machen und über die Gitarre lernen sich die beiden nun tatsächlich kennen.

Ihre Annäherung gestaltet sich etwas schwierig, denn Jonas ist sehr introvertiert und schüchtern. Er kann sich schlecht mitteilen und kommt dabei kaum auf den Punkt. Chiara ist nicht gerade die geduldigste Person und eigentlich immer kurz vor einem Wutausbruch. Diese Unterschiede könnten auch eine Stärke sein, doch tatsächlich hat man eher das Gefühl, sie schwächen das feine Gefüge, das ihr Duo bildet. Musikalisch harmonieren sie perfekt, aber privat läuft es nicht besonders rund zwischen ihnen.

Schön fand ich, dass von Anfang an klar war, dass diese Geschichte keine Romanze wird, denn Chiara steht ganz eindeutig auf Frauen und hält das vor Jonas auch nicht geheim. Sie gefällt ihm zwar sehr gut, aber es ist ihm bewusst, dass es zwischen ihnen nur Freundschaft geben kann.

Ob die beiden den großen Durchbruch schaffen, wir hier natürlich nicht verraten. Nur noch so viel: Beide finden wieder Halt in ihren Leben. Die Zeit der Orientierungslosigkeit findet nach Amsterdam ein Ende.

Schade fand ich, dass Chiaras Verhalten bis zum Schluss nicht ganz geklärt ist. Ihre unbändige Wut, die sie immer wieder explodieren lässt, bleibt unbegründet und hat auch dazu geführt, dass mir diese Figur immer fremd blieb. So sind die Sympathien recht eindeutig zugunsten des ruhigen Jonas verteilt, denn er ist zwar übermäßig selbstkritisch, aber immerhin zu Selbstreflexion fähig. Bei Chiara zeigt sich das nur ganz rudimentär.

Insgesamt hat mich das Buch gut unterhalten. Es liest sich flott und flüssig, der Stil ist nicht kompliziert und die Geschichte ist spannend und interessant. Am besten liest man das Buch im Zug, mit der passenden Playlist im Ohr!

Bewertung vom 19.04.2023
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


ausgezeichnet

Tilda zieht täglich ihre 22 Bahnen, damit sie ihren Kopf frei bekommt. Sie ist ein Mathegenie und arbeitet neben dem Studium auch noch an der Supermarktkasse, damit sie ihrer kleinen Schwester Ida was zu Essen machen kann. Denn die Mutter ist Alkoholikerin und leidet zudem an Depressionen. Wenn es ganz schlimm kommt, findet Tilda ihre Schwester im Zimmer eingesperrt und die Mutter blutend in den Scherben einer Flasche.

Zeit für ein typisches Student*innenleben bleibt Tilda nicht. Und geht sie doch mal aus, kann es leicht passieren, dass zuhause eine Katastrophe auf sie wartet.

Doch Tilda meistert ihr verqueres Leben hervorragend. Sie trägt eine Verantwortung, die ihr viel zu jung aufgebürdet wurde und stärkt ganz nebenbei ihre kleine Schwester, damit auch sie irgendwann mit der Mutter zurecht kommt.

Und dann taucht auch noch Viktor auf, der ebenfalls seine Bahnen zieht und Tilda an das Unglück vor einem Jahr erinnert, als sie einen ihrer besten Freunde verlor. In ihrem jeweiligen Unglück gefangen, nähern sich die beiden an und stützen sich weitgehend gegenseitig.

Doch keine Angst: Das Buch ist keine Romanze! Die Autorin erzählt hier wirklich feinfühlig vom Aufwachsen unter erschwerten Bedingungen und wie und warum es trotzdem gelingen kann ein zufriedenes und schönes Leben zu führen.

Tilda's Geschichte hat mich wirklich berührt und ich finde, der Autorin ist hier eine wunderbare Protagonistin gelungen, die mitten aus dem Leben gegriffen wirkt. Sie ist nicht perfekt, macht auch ihre Fehler und darf auch mal ein bisschen egoistisch sein. Und mit Ida hat sie eine zauberhafte kleine Schwester geschaffen, die man einfach liebhaben muss.

Caroline Wahl konnte mich mit 22 Bahnen wirklich begeistern. Ich wäre nur gerne etwas länger an Tilda und Idas Seite geblieben!

Bewertung vom 13.04.2023
Seemann vom Siebener (eBook, ePUB)
Frank, Arno

Seemann vom Siebener (eBook, ePUB)


gut

Ein heißer Augusttag im Freibad einer Kleinstadt: Da sitzt Renate an der Kassa, die in der Kreissparkasse von einem Automaten abgelöst wurde und jetzt kreuzworträtsellösend Eintrittskarten verkauft. Und da ist immer auch Kiontke der Bademeister, der hier eigentlich nicht mehr arbeiten sollte, denn er müsste ja schwer traumatisierte von dem schrecklichen Unfall sein, der einige Jahre vorher passiert ist.

Langsam beginnt sich das Bad zu füllen. Frau Trautenheimer kommt immer, auch wenn ihr der Weg schon schwer fällt und sie auch ihre letzte Freundin überlebt hat. Doch sie zieht ihre Bahnen, wenn auch nur mehr am Beckenrand entlang.

Ein Mädchen kommt mit ihrem Bruder. Zum ersten Mal seit langer Zeit hat sie ihr Zimmer verlassen und sie hat ein Projekt. Sie will einen Seemann vom Siebener springen und es os allen zeigen, nicht zuletzt ihr selbst.

Lennard ist auch da. Er hat die Kleinstadt schon vor Jahren verlassen, um als Fotograph die Welt zu bereisen. Der Tod seines ehemals besten Freundes hat ihn zurückgebracht, denn am Abend ist die Beerdigung. Und natürlich ist auch Josefine da, die damals die Dritte im Bunde war.

Dann gibt es noch eine Kindergartengruppe, mit einer wenig emphatischen Betreuerin, Eltern mit Kindern und Kinotkes Pappenheimer - Jugendliche, die immer wieder mal für Ärger sorgen.

Arno Frank hat sich interessante Lebensgeschichten für seine Figuren überlegt. In Rückblenden werden Erinnerungen geteilt und wir lernen die Badegäste langsam immer besser kennen. Anfangs wirkt die Geschichte sehr zerfasert. Es fehlen die Zusammenhänge und das Verständnis für die Figuren. Außerdem ist das ganze überschattet von zwei Unglücken, die ebenfalls nicht richtig fassbar sind.

Am Ende des Romans war ich sehr unzufrieden, weil mir alles zu offen erschien. Zu wenig wurde aufgeklärt und ich hatte das Gefühl, dem Autor sind ein paar Fäden abhanden gekommen.

Glücklicherweise durfte ich das Buch in einer Leserunde lesen und wurde dann aufgeklärt über eine wichtige Tatsache, die ich so nicht verstanden hatte. Ich bin zwar immer wieder über Andeutungen gestolpert, konnte sie aber nicht richtig einordnen. Da ich nicht die Einzige war, der es so ergangen ist, komme ich zu dem Schluss, dass der Autor ein bisschen zu gut im Verschleiern ist. Zumindest am Schluss hätte er etwas deutlicher werden können, denn nicht alle diskutieren das Buch im Anschluss.

Wenn man das dann weiß, fügt sich alles gut ein.

Somit empfehle ich das Buch Leser*innen die einen 7. Sinn haben. Ich kann leider nur 3 Sterne vergeben. Mehr geht nicht bei einem Buch, das mindesten die Hälfte der Leser*innen der Runde nicht verstanden haben.

Bewertung vom 02.04.2023
Gallant
Schwab, V. E.

Gallant


sehr gut

Olivia Prior lebt in einem Waisenhaus und ist ziemlich einsam da. Sie kann nicht sprechen und die anderen Mädchen meiden sie, weil sie irgendwie anders ist. Aber sie sieht Wesen, die sie Guhle nennt. Diese Wesen sehen zwar irgendwie zombieartig aus, wollen ihr anscheinend aber nicht Böses. Sie können sie auch nicht berühren und wenn sie sie direkt anschaut, verschwinden sie. Sie darf sie immer nur aus den Augenwinkeln betrachten.

Außerdem hat sie das Tagebuch ihrer Mutter, das gegen Ende hin leider immer kryptischer wird und sie vor etwas warnt, das Gallant heißt. Olivia hat keine Ahnung, was das bedeuten soll.

Doch alles ändert sich, als ein Brief eines Onkels eintrifft, der sie einlädt, auf sein Anwesen zu kommen. Sie wird Hals über Kopf in ein Auto verfrachtet, um die Reise anzutreten. Die Gouvernanten scheinen froh zu sein, sich des Mädchens entledigen zu können. Es ist bereits Abend, als sie an einem Herrenhaus ankommt, das seine Tore nur widerwillig öffnet. Olivia wird als Prior erkannt, aber erwünscht scheint sie nicht zu sein. Der Onkel ist bereits verstorben und ihr Cousin ist äußerst ablehnend. Nur die beiden Hausangestellten scheinen sich zu freuen, dass Olivia nach Hause kommt.

So ist es an Olivia herauszufinden, was an diesem geheimnisvollen Ort vorgeht, warum ihre Mutter sie von dort Fernhalten wollte und wie sie es schaffen kann, nicht wieder vertrieben zu werden, denn sie fühlt sich eindeutig in Gallant zuhause.

V. E. Schwab hat einen sehr atmosphärischen und düsteren Roman geschaffen. Bereits im Waisenhaus herrscht eine lebensfeindliche Stimmung. Alles ist grau in grau und die wenigen Farben die den Alltag durchdringen, werden von Olivia hervorgehoben und gewürdigt. Mal ist es ein kleines Blümchen, das ihre Aufmerksamkeit erregt, mal das Orange einer gestohlenen Mandarine. Die Autorin beschreibt die Szenerie sehr bildlich und man kann sich das triste Leben da gut vorstellen.

Auch die Ankunft in Gallant ist ziemlich mysteriös. Es wird von Anfang an Spannung aufgebaut um das Geheimnis, das im Dunkeln zu lauern scheint. Der Spannungsbogen ist enorm und die düstere Atmosphäre hat mich beim Lesen komplett in ihren Bann gezogen. Ich konnte das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Dementsprechend hoch waren meine Erwartungen, was den großen Showdown am Ende angeht, doch damit hat mich die Autorin leider enttäuscht. Der Schluß wird viel zu schnell abgehandelt und besticht dann nicht gerade mit Kreativität. Dadurch lässt mich das Buch etwas enttäuscht zurück.

Da mir die Lektüre aber großen Spaß bereitet hat und ich den Roman sehr stimmungsvoll und stilistisch ansprechend wahrgenommen habe, vergebe ich dennoch 4 Sterne.