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Frau M. aus M.
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Magdeburg

Bewertungen

Insgesamt 95 Bewertungen
Bewertung vom 13.10.2022
Die Mauersegler
Aramburu, Fernando

Die Mauersegler


ausgezeichnet

Ein großer humanistischer Roman über einen Mann namens Toni
Vor den mehr als 800 Seiten Lesestoff bin ich zunächst erstmal zurückgeschreckt. Dann interessierte mich das Thema aber doch sehr. Und es hat sich wirklich gelohnt, dass ich mich darauf eingelassen habe. Von den vielen sehr guten Büchern, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, hat mich keins so sehr berührt wie „Die Mauersegler“ von Fernando Aramburu.

Wir lernen Toni kennen, einen vierundfünfzigjährigen Gymnasiallehrer, der Spanier ist und in Madrid lebt und der sich in einer heftigen Krise befindet. Er beschließt, sein Leben zu beenden und setzt dafür einen Termin in genau einem Jahr. Bis dahin will er seine Angelegenheiten ordnen und sich von seinen Sachen getrennt haben. Er macht tägliche Notizen über die Gedanken, die ihm durch den Kopf gehen. Da er das nur für sich selbst tut, ist er absolut ehrlich und es entsteht „eine persönliche Chronik mit gnadenloser Wahrhaftigkeit“. So wird dieses Tagebuch zur Therapie für ihn. Ich war sehr fasziniert von Tonis Empfindungen, seinen Gedankengängen, von seiner Betrachtung der Welt aus seiner männlichen Sicht. Er lässt nichts aus. Seine Kindheit, seine Eltern, seine Ehe, sein Sohn, die Frauen im Allgemeinen und im Besonderen, seine Schüler, die politische Lage in Spanien und vieles mehr. Mit der Zeit gehen seine Betrachtungen mehr und mehr in die Tiefe. Ganz langsam über viele Seiten hinweg verliert sich Tonis Depression mehr und mehr und der Text bekommt zunehmend eine Tragikomik.

Toni hat drei Begleiter an seiner Seite. Da ist sein Freund aus Jugendtagen, den er Humpel nennt und der sein Spiegelbild sein könnte. Da ist seine Jugendliebe Agueda, die niemals aufgehört hat, ihn zu lieben und nie einen anderen Mann angesehen hat. Und da ist Pepa, seine Hündin, die er einst für seinen Sohn angeschafft hat, der sich aber nie wirklich dafür interessierte. Die drei halten zusammen und stehen einander bei.

Indem Toni alle nur denkbaren Themen seines Lebens betrachtet, manche davon kochen mehrmals und immer wieder hoch, verarbeitet er viel angestauten Schmerz und unterdrückte Enttäuschung und Wut. Er hat auch einigen Blödsinn verzapft, den er sich wohl auch zu vergeben hat. So lässt Toni Stück für Stück seine Vergangenheit hinter sich und trennt sich auch von seinen persönlichen Sachen, die er in der Stadt an verschiedenen Orten ablegt. Er tut dies ganz ohne Pathos und Geheule. Er tut dies mit „Witz und Stil“ und einer geradezu virtuosen Sprachgewandheit. Sehr schön finde ich auch die immer wieder mal eingestreuten philosophischen Betrachtungen.

Ich bin sehr begeistert von diesem Buch. Ich gebe eine absolute Leseempfehlung und mindestens 6 Sterne ;-).

Bewertung vom 28.09.2022
Die Wolkenstürmerin
Zimmermann, Birgit

Die Wolkenstürmerin


sehr gut

Engagiert und leidenschaftlich
"Die Wolkenstürmerin" ist die Geschichte einr selbstbewussten jungen Frau in Hamburg Ende der neunzehnhundertfünfziger Jahre. Marlene Lilienthal ist eine der Erbinnen der Flugzeugfabrik. Der Firma geht es in den fünfziger Jahren sehr schlecht, da es im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges verboten war, in Deutschland Flugzeuge herzustellen. Marlenes Onkel will die Firma verkaufen. Doch Marlene wird dagegen stimmen. Sie ist eine leidenschaftliche Pilotin und fühlt sich der Firmengeschichte sehr verbunden. Sie begegnet während eines Besuchs im Ferienhaus der Familie an der Ostsee einem jungen Mann, in den sie sich sofort sehr heftig verliebt. Schwierig ist nur, dass Bernhard Södermann im Wismar wohnt. Das liegt in der DDR, die auch schon Ende der fünfziger Jahre ihre Bürger und ihre Grenze ziemlich streng bewacht hat.
Es ist ein leicht zu lesender Roman mit HappyEnd auf allen Ebenen. Dennoch ist es ein wichtiges Buch, das ein detailliertes Schlaglicht auf die Befindlichkeiten der Menschen in dieser Zeit wirft. Der Leser erlebt vorrangig aus der Sicht der Industriellentochter Marlene Lilienthal die Jahre des Wirtschaftswunders, die Situation der Kriegsheimkehrer, den Kummer der Heimatvertriebenen, die Probleme der deutschen Teilung, aber auch die Situation der jungen Leute, die ihr Leben gestalten und glücklich werden wollen.
Ich wünsche diesem Buch viele Leser.

Bewertung vom 16.09.2022
Überlebenstraining
Böhle, Daniela

Überlebenstraining


ausgezeichnet

"Überlebenstraining" ist ein ganz wundervoller Roman über eine sehr wichtige Lebensphase von Müttern. Ellens Kinder sind erwachsen geworden und zuhause ausgezogen, um ihr eigenes Leben zu leben. Die jetzt drastisch veränderten Rahmenbedingungen ihres Lebens stürzen sie in eine tiefe Krise. Sie tat bisher viele Dinge, um das Familienleben zu managen, die jetzt weggefallen sind. Sie kann nicht mehr so weitermachen wie bisher. Ihr Leben ist neu zu justieren. Scheinbar kann sie sich ihrer Umgebung, insbesondere ihrem Mann nicht mitteilen, so dass sie ziemlich unglücklich ist. Doch dann zeigt ihr Leben ihr den Weg. Ellen bricht erstmal aus, zieht in die vorrübergeehend freie Wohnung einer Bekannten in einem anderen Stadtteil. Mit diesem Abstand wird es möglich, sich ihren Ängsten und Wünschen zu stellen. Die Menschen, denen sie dort begegnet, geben ihr wichtige Impulse. Es geht um die Herausforerungen einer sehr langen harmonischen Beziehung, um schwierige Mutter-Tochter-Beziehungen, um problematische Kollegen und den heimlichen Wunsch, eine Hutmacherin zu sein anstelle einer Job-Center-Mitarbeiterin in der Beschwerdeabteilung.
Die Protagonisten sind sehr fein gezeichnet. Die charakterlich sehr unterschiedlichen Figuren sind mit ihrer jeweiligen Geschichte sehr authentisch und vielleicht auch typisch. Mir kommen jedenfalls viele davon, Ellen an erster Stelle, sehr bekannt vor. Mit ihrer sehr leichten und bildhaften Sprache lässt die Autorin den Leser durch das Buch fliegen.
Es hat mir große Freude gemacht, dieses Buch zu lesen. Ich gebe eine klare Leseempfehlung und wünsche dem Buch sehr viele Leser.

Bewertung vom 09.09.2022
Zwischen Brüdern
Böhm, Wolfgang

Zwischen Brüdern


ausgezeichnet

Das Wien der Zwanziger und Dreißiger
"Zwischen Brüdern" ist ein ganz wunderbarer Roman über das Wien der Zwanziger und Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Die Protagonisten sind zwei Brüder, die sehr unterschiedlich sind. Der ältere namens Viktor war als Soldat im I. Weltkrieg und hat viel Schlimmes erlebt. Er ist ein ruhiger, bodenständiger Zeitgenosse, der sich ein einfaches Leben als Lehrer und Familienvater mit einem kleinen Häuschen wünscht. Der jüngere Bruder namens Hans ist vom Krieg verschont geblieben. Er ist der buchstäbliche Hans Dampf in allen Gassen. Er interessiert sich sehr für die sich neu entwickelnden Kunststile. Um als Student in der Kunstgewerbeschule überleben zu können, lässt er sich auf alle möglichen windigen Geschäfte ein. So hat er manchmal Geld im Überfluss und manchmal horrende Schulden. Sehr spannend finde ich, wie die beiden Männer diese Zeit sehr unterschiedlich erleben. Die Geschichte wird teilweise einem Tagebuch gleichend aus der Sicht von Viktor erzählt. Beide Brüder profitieren voneinander, indem sie sich gegenseitig ihre Welten zugänglich machen. Viktor ist sozusagen der Anker in diesem Buch und auch im Leben von Hans, der doch immer wieder das geordnete Leben von Viktor als Resetpoint braucht, um nicht ins hoffnungslose Chaos abzugleiten. Hans versucht mit allen Mitteln und immer wieder seine Träume von einem neuen Design in der Wohnkultur populär zu machen. Er scheitert immer wieder und fängt immer wieder neu an. Dadurch wird er immer extremer und für seine Umwelt schwerer erträglich.
Der Fokus der Geschichte bleibt konsequent auf die Beziehung der beiden Brüder konzentriert. Dennoch werden auch die anderen wichtigen Figuren und deren Lebensumstände sehr plastisch gezeichnet.
Es war eine große Freude für mich, dieses Buch zu lesen. Ich wünsche diesem Roman sehr viele Leser.

Bewertung vom 31.08.2022
Die rote Tänzerin
Weng, Joan

Die rote Tänzerin


ausgezeichnet

Anita Berber, Inbegriff ihrer Zeit. Verfall, Schönheit und Sünde
Die Autorin schreibt im Nachwort: "Die rote Tänzerin" ist ein in großen Teilen ein fiktiver Roman, der sich ausgehend von den historischen Fakten, zahlreiche Freiheiten erlaubt, um dem Leser einen kleinen Eindruck zu vermitteln, wie Anita gewesen sein könnte. Das ist Joan Weng wirklich gut gelungen. Die Handlung rankt sich um die Entstehung des Bildes "Bildnis der Tänzerin Anita Berber" von Otto Dix im Jahr 1925. Sie wählt die Sprache und den Slang, der damals vermutlich üblich war. Das Besondere ist, dass die Figuren selbst zu Wort kommen und die Geschichte aus ihrer jeweiligen Perspektive erzählen. Auf diese Weise werden verschieden Fassetten der Protagonisten sichtbar. Einige Rückblenden machen die Geschichte noch plastischer. So ist es, als ob sich Puzzleteile zueinander fügen. Der Leser versteht erst nach und nach die Zusammenhänge. Auf diese Weise lernen wir Anita Berber, die sie umgebenden Personen und den Maler Otto Dix kennen. Anita und Otto haben sehr viel gemeinsam. Jeder ist auf seine Art genial und auch unverstanden. Anita ist zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich zerstört. Exzessive Auftrittte, Konsum verschiedenster Drogen, Skandale aller Art haben sie bereits sehr zermürbt. Otto, der seine Modelle am liebsten gar nicht näher kennen möchte, ist jedoch sofort in ihren Bann gezogen.
Der Roman ist ein Schlaglicht auf die sogennannten Goldenen Zwanziger und die Zeit der Weimarer Republik.
Ich wünsche diesem Buch sehr viele Leser.

Bewertung vom 05.08.2022
Träume / Das Tor zur Welt Bd.1
Georg, Miriam

Träume / Das Tor zur Welt Bd.1


ausgezeichnet

Zwei Frauen wie Ebbe und Flut
"Das Tor zur Welt - Träume" ist ein mitreißender, spannender und dramatischer historischer Roman mit Tiefgang. Ich hätte den Roman am liebsten in einem Stück gelesen. Die fiktiven Personen, allen voran Ava und Claire, sind in der sehr realitätsnah beschriebenen Kulisse der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Hamburg angesiedelt. Dies war die Zeit der großen Auswanderungswelle von Europa nach Nordamerika. Während Ava als Ziehkind in den sehr kargen Verhältnissen eines Torfstechers im Alten Land aufgewachsen ist, ist Claire die Tochter einer wohlhabenden Hamburger Witwe mit Hauspersonal. Beide Frauen sind extrem in Bedrängnis, wenn auch aus sehr verschiedenen Gründen. So weit ihre Schicksale auch auseinanderliegen, so sind sie doch irgendwie miteinander verbunden und ziehen sich wie magnetisch gegenseitig an. Die beiden Frauen und auch alle anderen Progagonisten sind sehr plastisch und authentisch gestaltet. Besonders eindrucksvoll sind die Lebensumstände der Menschen in dieser Zeit geschildert. Das hat meinen Blick auf unseren derzeit als selbstverständlich angenommenen Wohlstand tatsächlich verändert. Sehr schön ist, dass es im Roman diverse Andeutungen über Zusammenhänge gibt, über die man sich seine eigenen Gedanken machen kann. Auf jeden Fall ist meine Erwartung an den bereits angekündigten zweiten Teil des Romans hoch.
Ich wünsche diesem Buch sehr viele Leser.

Bewertung vom 25.07.2022
Freundin bleibst du immer
Obaro, Tomi

Freundin bleibst du immer


ausgezeichnet

Mit Schicksalsschlägen vertraut
Im Zentrum dieses wundervollen Romans stehen drei nigerianische Frauen, die eine jahrzehntelange Freundschaft miteinander verbindet. Funmi, Enitan und Zaninab sind sehr unterschiedlich in Charakter und Temperament. Die Jahre an der Universität, in denen sie sich stritten und einander beistanden und schließlich erwachsen wurden, haben sie für immer zusammengeschweißt. Obwohl die drei Frauen sehr unterschiedliche Wege gegangen sind, ist ihre Freundschaft unerschütterlich. Sie treffen sich nach vielen Jahren in Lagos wieder, wo die Hochzeit von Funmis Tochter Destiny stattfinden soll.
Das Geschehen inmitten von Nigeria und besonders in der Hauptstadt Lagos spiegelt die nigerianische Kultur sowie Sitten und Gebräuche, von denen sie geprägt ist, aber auch die Einflüsse der westlichen Kultur. Da ist mir das eine oder andere Mal doch ziemlich das Herz gestockt. In Lagos, "wo Scheitern buchstäblich verhungern bedeutete, durfte man keine Skrupel haben." Oder: "Vielleicht hatte Enitan vergessen, dass sie ständige Bedrohung in Nigeria einfach dazugehörte. Nigeria erinnerte einen tagtäglich an die eigene Sterblichkeit."
Die drei Frauen treffen sehr unterschiedliche Entscheidungen für ihr Leben. Sie haben sich mit den normalen Problemen, mit denen Frauen überall auf der Welt gleichermaßen konfrontiert sind, auseinanderzusetzen und müssen auch mit den konkreten Gegebenheiten in Nigeria fertig werden. Enitan fühlt sich unattraktiv und folgt dem erstbesten Interessenten, einem Oyinbo ;o), in die USA. Zainab verzichtet auf ihre berufliche Zukuft zugunsten einer Ehe mit einem Mann, den sie sehr liebt. Funmi heiratet nach dem Verlust ihrer Jugendliebe einen sehr reichen Mann, für den sie nur ein Statussymbol ist.
Ihre Tochter Destiny soll verheiratet werden. Doch wieviel Tradition ist noch sinnvoll? Und was ist das Richtige für die nächsten Frauengeneration?
Die für europäische Ohren ungewöhnlich klingenden Namen der Protagonisten finde ich sehr spannend. Es gefällt mir gut, dass typische Vokabeln in den einheimischen Sprachen Yoruba, Igbo und Hausa in den Text integriert sind, so dass die Mentalität der Sprache plastischer wird. Ein Glossar am Ende des Buches hilft bei der Übersetzung.
Auch das Cover ist wunderschön und in für Nigeria typischen kraftvollen satten Farben gestaltet.
Ich bin sehr begeistert von diesem Roman und wünsche ihm viele LeserInnen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.07.2022
Virginia und die neue Zeit / Die Liebenden von Bloomsbury Bd.1
Martin, Stefanie H.

Virginia und die neue Zeit / Die Liebenden von Bloomsbury Bd.1


ausgezeichnet

Virginia und Vanessa
"Die Liebenden von Bloomsbury" ist der erste Roman der Trilogie über die Frauen in der Bloomsbury-Gruppe. Da die Autorin sehr viele historische Quellen nutzen konnte, ist die Geschichte, die in den Jahren 1903 bis 1909 in London spielt, sehr nah an den tatsächlichen Geschehnissen. Im Mittelpunkt stehen die Jugendjahre von Virginia Stephens, die später als Virginia Woolf bekannt wurde. Sie ist jedoch ohne ihre ältere Schwester Vanessa nicht denkbar, die mutig ziemlich eigensinnige Entscheidungen für sie beide forciert hat. Vanessa beschützt sie und kümmert sich um Virginia, die immer wieder mit heftigen psychischen Problemen zu kämpfen hat. Nach dem Tod des Vaters, werfen die Schwestern die damals noch üblichen viktorianischen Gepflogenheiten ab und beginnen ein Leben nach ihren eigenen Vorstellungen. Zusammen mit ihren beiden Brüdern gründen sie eine Wohngemeinschaft in einem nicht besonders vornehmen Viertel. Dort treffen sie auch regelmäßig ihre feinsinnigen Freunde zu wöchentlichem Gedankenaustausch. So ganz können sich die gesellschaftlich privilegierten Herrschaften dann aber doch nicht den gesellschaftlichen Zwängen entziehen. Frauen dürfen nicht studieren, Homosexualität ist ein absolutes Tabu und von Frauen wird erwartet, dass sie sich einen Ehemann suchen. Als Vanessa heiratet und einen Sohn bekommt, gerät Virginia immer mehr unter Druck, ebenfalls zu heiraten.
Der Roman ist die reine Lesefreude. Die Figuren sind sehr einfühlsam und authentisch gestaltet. Man kann den damaligen Zeitgeist sehr gut nachfühlen. Dieses Buch wird sicher sehr viele Leser finden. Ich freue mich schon auf Band 2 und 3.

Bewertung vom 27.06.2022
Tod im Trödelladen
Grue, Anna

Tod im Trödelladen


ausgezeichnet

Anne-Maj lässt nicht locker
Dies ist im Grunde ein gemütlicher dänischer Familienroman. Anne-Maj ist gerade Rentnerin geworden. Sie lebt mit ihrem Dackel Mortensen allein und hat zu ihrer Tochter und zu ihrer zehnjährigen Enkelin ein sehr inniges Verhältnis. Um noch eine Aufgabe im Leben zu haben, arbeitet Anne-Maj ehrenamtlich im örtlichen Trödelladen. Ihre Kollegen sind ebenfalls alle im Ruhestand und teilweise schon wirklich sehr betagt. Deshalb findet auch niemand etwas dabei, als kurz hintereinander drei der Mitarbeiter versterben. Anne-Maj hat jedoch ein Bauchgefühl und informiert die Polizeit. Die ist jedoch nicht davon zu überzeugen, irgendwelche Ermittlungen anzustellen. Man findet es normal, dass ein alter Mensch einfach plötzlich verstirbt. Anne-Maj lässt die Sache keine Ruhe und sie hält Augen und Ohren offen, um die Sache aufzuklären. Es gelingt ihr schließlich durch ihre Beharrlichkeit, die Polizei dazu zu bewegen, zumindest den letzten Fall genauer zu untersuchen. Sie ist inzwischen ziemlich besessen von dem Drang, die Todesfälle aufzuklären, dass sie weiterhin auch eigene Ermittlungen anstellt. Dabei stößt sie tatsächlich auf sehr interessante Zusammenhänge, verstrickt sich aber auch ziemlich und bringt sich auch schließlich selbst in Lebensgefahr.
Der Roman ist ein lockerer und teilweise humorvoller Lesestoff. Die Charaktere und ihre Beziehungen untereinander sind sehr authentisch gestaltet. Ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt.

Bewertung vom 20.06.2022
Und doch so fern
Di Paolo, Paolo

Und doch so fern


ausgezeichnet

Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben
Der Roman "Und doch so fern" ist ein wunderbar gelungener Roman zu einem sehr schwierigen, mit Tabus belasteten und oft leidvollen Thema. Es wird die Geschichte von drei Frauen erzählt, die Anfang der 80er Jahre in Rom leben. Sie sind ungeplant schwanger. Ihre jeweilige Lebenssituation ist jedoch gerade gar nicht geeignet, ein Kind zu bekommen und groß zu ziehen. Die drei Frauengestalten sind sehr authentisch und ehrlich gezeichnet.
Luciana ist Ende zwanzig. Ein Quickie mit einem eben erst kennengelernten Mann, dem Iren, hat eine Schwangerschaft zur Folge.
Valentina ist erst 17. Sie erlebt ihre erste Liebe mit einem Klassenkameraden. Sie ist mit der Situation sehr allein gelassen. Ihrem Freund kann sie sich nicht anvertrauen. Ihre Eltern empfinden sie als Schande, machen ihr Vorwürfe und bevormunden sie.
Cecilia lebt auf der Straße. Eine kurze Affäre mit dem Imbissbudenverkäufer bringt ihr die Schwangerschaft.
Sehr gut finde ich, das die Väter mit in das Geschehen eingebunden sind. Es wird klar, dass auch sie nicht in der besten Position sind, ein Vater für das kommende Kind zu sein. Auch diese Figuren sind sehr authentisch und sehr plastisch gestaltet.
Im letzten Kapitel wird aufgedeckt, dass der Autor hier seine eigene Geschichte verarbeitet. Ich bin rundum begeistert von diesem Buch. Es ist spannend von der ersten bis zu letzten Seite. Die Zuversicht, der liebevolle Optimismus und das ehrliche Verständnis für die Entscheidung der Frauen, haben mich sehr berührt.
Ich wünsche diesem Buch sehr viele Leser.