Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Alais

Bewertungen

Insgesamt 185 Bewertungen
Bewertung vom 01.11.2020
Wonderlands

Wonderlands


ausgezeichnet

Dieses Buch liebte ich von der ersten Seite an! Die vorgestellten „fantastischen Welten“ reichen von alten Mythen wie „Beowulf“ über Klassiker der Fantasy und Science-Fiction bis hin zu moderneren Werken wie „Die Tribute von Panem“ oder „1Q84“. Viele mir bekannte Schriftsteller sind in den insgesamt 100 Vorstellungen vertreten, aber auch viele mir völlig unbekannte. Auch die geographische Spannbreite ist fantastisch, auch wenn leider die westliche Literatur dominiert.
Die Vorstellungen sind in einem ansprechenden Schreibstil verfasst. Sie bieten eine große Fülle an Informationen und lesen sich dennoch angenehm und fesselten mich. Oft wird kurz die jeweilige Geschichte skizziert und dennoch wird nicht zuviel verraten. Die Hintergrundinformationen und Interpretationsansätze sorgen dafür, dass auch die Kapitel über Geschichten, die ich bereits kannte, spannend blieben.
Ich weiß, bei Büchern kommt es auf den Inhalt an, aber bei diesem möchte ich auch gerne die Gestaltung lobend herausstellen. Zunächst verzauberte mich die reiche und auch abwechslungsreiche Bebilderung – von Fotografien alter Schriften oder Gemälde mit vielen faszinierenden Details über Original-Illustrationen verschiedener Ausgaben der vorgestellten Werke bis hin zu Fotografien der Autoren und Bildern von Verfilmungen ... Hinzu kommt eine hochwertige und erstaunlich robuste Konstruktion, sodass das Buch bei mir schon mehrere Ausflüge mit meinem Katerchen in seinen geliebten Innenhof überstanden hat, obwohl mir das Katerchen nie genügend Zeit gibt, mein Lesematerial sicher zu verstauen und auch die Witterung zurzeit nicht die Beste ist.
Wenn das Buch einen Nachteil hat, dann sicher den, dass es den Leser zwar mit Informationen bereichert, gleichzeitig aber Begehrlichkeiten weckt und meine Liste der Bücher, die ich unbedingt einmal lesen oder noch einmal lesen möchte, wuchs und wuchs … Ein schönes Lesevergnügen für Freunde wundersamer Bücherwelten!

Bewertung vom 25.10.2020
Ostfriesische Mission / Rupert undercover Bd.1
Wolf, Klaus-Peter

Ostfriesische Mission / Rupert undercover Bd.1


ausgezeichnet

Wer schon einmal einen Band aus der ostfriesischen Krimireihe von Klaus-Peter Wolf gelesen hat, kennt Rupert als einen etwas speziellen, eigentlich total unmöglichen Charakter mit Macho-Sprüchen. Man gewinnt ihn frühestens auf den zweiten Blick, dafür dann aber erstaunlicherweise umso mehr lieb, sorgt er doch immer wieder für einen Lacher. Meine Vorfreude auf dieses Buch, dessen vordere Innenklappe mit Ruperts Sprüchen gestaltet ist und in dem er zum ersten Mal die Hauptrolle einnimmt, war entsprechend groß und ich wurde nicht enttäuscht – hinreißend komisch, wendungsreich und, vor allem zum Schluss hin, hochspannend!
Ein bisschen unglaubwürdig ist es allerdings schon, dass Rupert seine Undercover-Mission länger als eine Buchseite überlebt – soll er doch ohne jegliche Vorbereitung in die Rolle des Gangsterboss-Sohnes Frederico, eines intellektuellen Kunstkenners, Weinliebhabers und Vegetariers, drei Rupert völlig wesensfremde Welten, schlüpfen und sich mit hochgefährlichen Verbrechern unterhalten, von denen er nicht weiß, wie gut sie den echten Frederico kennen und wodurch er sich verraten könnte … Aber das fand ich nicht so wichtig, denn mir machten die Erzählung und die Schilderung von Ruperts unglaublichen Abenteuern einfach ganz viel Spaß. Schon der Kontrast zwischen dem so herrlich politisch unkorrekten Rupert und dem feingeistigen Frederico sorgt für Erheiterung. Und Rupert, der mit immer wieder neuen gefährlichen Situationen konfrontiert wird, kann in diesem Roman beweisen, dass er durchaus Heldenqualitäten hat …
Von den ersten Seiten an schwebt über dem Ermittlerteam neben der Sorge um Rupert und seine gefährliche Mission jedoch noch eine weitere Bedrohung, die kein bisschen amüsant ist. Und im hinteren Teil wurde dieses Buch so spannend, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte ...
Ich empfehle, parallel dazu „Mein Ostfriesland“, das Klaus-Peter Wolf zusammen mit dem Journalisten Holger Bloem zu den Handlungsorten aus Wolfs Kriminalromanen geschrieben hat, zu lesen. Darin findet man beispielsweise ein schönes Foto vom Café Pudding und den Seehund-Statuen, die in „Rupert undercover“ erwähnt werden, Informationen über einige erwähnte Personen, die es auch im echten Leben gibt, und sogar ein Rezept für die erwähnte Ostfriesentorte.

Bewertung vom 11.10.2020
Der fremde Feind / Doctor Who Monster-Edition Bd.2
Tucker, Mike;Perry, Robert

Der fremde Feind / Doctor Who Monster-Edition Bd.2


ausgezeichnet

Eine tolle Mischung aus klassischer Detektivgeschichte und Science Fiction!
Diese Geschichte zur britischen Science-Fiction-Serie „Doctor Who“ ist schon etwas älter und setzt den siebten Doctor und seine taffe Begleiterin Ace mit dem großen Herzen und dem Faible für Sprengstoffe aus der Classic-Who-Zeit in Szene. Dennoch wirkte sie, neben ein wenig Vintage-Charme (beispielsweise Kassetten), auf mich so frisch wie die Erzählungen der New-Who-Ära.
Wie das Cover schon verrät, geht es um Cybermen (Wesen, bei denen die biologischen Organe durch mechanische ersetzt wurden, wodurch sie sich in hochleistungsfähige, aber gefühllose Maschinen verwandeln) und damit auch um die spannenden und stets aktuellen Fragen rund um das Thema Verantwortung, die mit Neuentwicklungen in der Technik einhergeht. Vor allem aber ist „Der fremde Feind“ eine rasante Abenteuergeschichte, die eine klassische Detektivgeschichte mit Science Fiction verbindet und trotz Actionlastigkeit mit Tiefgang aufwarten kann.
Die Geschichte beginnt während des Zweiten Weltkriegs in London und nahm mich gleich durch die eindrucksvolle Beschreibung der Atmosphäre während der Bombardierungen gefangen. Und in all der Angst und dem Schrecken treibt auch noch ein unheimlicher Mörder sein Unwesen und auch ein Industrieller scheint ein dunkles Spiel zu spielen …
Neben der spannenden Geschichte hat mich die Darstellung der einzelnen Figuren begeistert. Es passiert unheimlich viel und doch gelang es den Autoren, erstaunlich viele Handlungsfiguren, beispielsweise den Privatdetektiv McBride (vielleicht später ein Vorbild für Melody Malone?), aber auch die kleineren Rollen, lebendig und facettenreich zu schildern, sodass sie sich nicht so leicht in eine Schublade stecken lassen (mit Ausnahme eines ganz besonders üblen Nazi-Bösewichts).
Den siebten Doctor habe ich in diesem Roman ganz neu kennengelernt. In einem Internetforum habe ich gelesen, dass selbst Capaldis frühe Interpretation von Doctor Who im direkten Vergleich zum stets etwas distanziert und unterkühlt wirkenden siebten Doctor regelrecht knuddelig wirken würde. Tatsächlich erkennt man diesen seltsamen kleinen Mann, der von seiner Begleiterin Ace auch Professor genannt wird, in dieser Erzählung zwar gut wieder, dennoch gelang es den Autoren (und meiner Meinung viel besser als den Verfilmungen, die ich bisher sehen konnte), seine für den Doctor typische Güte zu vermitteln.
Die Heldin der Geschichte war für mich jedoch eindeutig die mutige Ace, ungestüm, selbstbewusst, aber nie überheblich.
Ein schönes Leseerlebnis – vor allem (aber nicht nur) für Doctor-Who-Fans!

Bewertung vom 16.09.2020
Heimat muss man selber machen
Trinkwalder, Sina

Heimat muss man selber machen


ausgezeichnet

„[…] Heimat. Das kann überall dort sein, wo Menschen einen Raum erschaffen, der auf Respekt und Wertschätzung fußt und in dem Würde einzieht.“ S. 205
Wir merken es alle: Die Kommunikation untereinander ist oft schwierig. Die Spaltung unserer Gesellschaft scheint immer größer zu werden und in der für viele Menschen in vielerlei Hinsicht belastenden Situation, in der wir uns 2020 befinden, wird dieses Problem leider nicht kleiner. Sina Trinkwalder – die mich gleich begeisterte, weil sie das, was ich mir für den Fall eines Lottogewinns vorgenommen habe, einfach auch so durchgezogen hat: nämlich ein Unternehmen zu gründen, das nicht nur schöne Produkte herstellt, sondern auch Wert darauf legt, Menschen, die sonst auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance haben, zu beschäftigen, ihnen eine faire Arbeitsumgebung zu bieten und sie so wieder zum Strahlen zu bringen – präsentiert in diesem Buch neben einer scharfsinnigen Gesellschaftsanalyse eine Reihe von Regeln, die sie ihren Mitarbeitern vorgestellt hat, als sie bemerken musste, dass die Spaltung auch in ihrem Betrieb Einzug hielt. Und was im Kleinen in ihrem Betrieb Wirkung zeigte, lässt sich auch gut auf die gesamte Gesellschaft übertragen …
Einige dieser Regeln mögen banal wirken, aber wenn wir ganz ehrlich sind, ist vieles, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, in unserem aktuellen Zusammenleben ganz und gar nicht selbstverständlich. Und die konkrete Ausgestaltung, die Analysen und die Gedanken, die in den einzelnen Kapiteln zu finden sind, waren für mich sehr spannend zu lesen.
Mir ging dieses Buch persönlich sehr nahe. Manches empfand ich als unangenehm und zugleich hilfreich, weil es mir meine eigenen Fehler aufzeigte, manches brachte mich zum Nachdenken, manches begeisterte und motivierte mich.
In einigen wenigen Punkten war ich nicht ihrer Meinung und es machte mich traurig, dass wieder einmal nur die ALG-II-Empfänger beim Thema Armut betrachtet werden – und die Solo-Selbstständigen und Freiberufler vergessen werden, von denen gerade dieses Jahr viele in große Not geraten und finanziell weit unter ALG-II-Niveau gerutscht sind, ohne dass der deutsche Staat ihnen auch nur einen Cent Hilfe für ihre Lebenshaltungskosten (die aufgrund der übermäßig hohen Krankenkassenbeiträge besonders hoch sind) zugestanden hat (in anderen Ländern lief das besser!). Allerdings ist dieses Buch vermutlich auch zum großen Teil vor der Corona-Krise geschrieben.
Dafür spricht die Autorin viele wichtige Themen an, über die es wichtig ist nachzudenken, beispielsweise das Thema der sozialen Ausgrenzung durch Technik (unter anderem jetzt in der heiklen Kombination einer Pandemie mit Wirtschaftskrise aufgrund des fehlende Zugangs zu wichtigen Apps wie der Corona-Warn-App oder der Katastrophenschutz-Warn-App NINA für Menschen ohne Handy oder mit „älterem“ Smartphone ein Thema, das dringend Einzug in die politischen Diskussionen finden sollte), und weist auf Mechanismen hin, die insbesondere in den sozialen Medien wie Twitter ein gutes Miteinander stören.
In mir hat das Buch einiges bewegt und angestoßen. Ich habe mir vieles angestrichen und hoffe, daraus zu lernen. Eine lohnenswerte Lektüre!

Bewertung vom 09.09.2020
Tödliche Algarve / Anabela Silva ermittelt Bd.3
Conrad, Carolina

Tödliche Algarve / Anabela Silva ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Das traumhaft schöne Cover, das ich eher mit seichten Krimis in Verbindung bringen würde, täuscht: Die Erzählung, in der es um das rätselhafte Verschwinden von Wanderern geht, die unabhängig voneinander auf der Wanderweg Via Algarviana unterwegs waren, bietet sowohl Spannung mit unerwarteten Wendungen als auch einen Schreibstil voller Witz und Esprit.
"Tödliche Algarve" ist der dritte Band einer Reihe, aber in sich abgeschlossen und falls mir Informationen aus den ersten beiden Bänden gefehlt haben sollten, so habe ich es zumindest nicht bemerkt. Als mir sehr willkommenes Extra befindet sich im vorderen Teil eine Karte.
Die Kriminalgeschichte war für mich so knifflig, wie man es sich nur wünschen kann, aber für mich war dieser Krimi auch in anderer Hinsicht außergewöhnlich gut:
Erstens wendet sich die freiberufliche Übersetzerin Anabela Silva, aus deren Ich-Perspektive die Geschichte erzählt wird, am Anfang des Buches gelegentlich direkt an den Leser. Das war für mich zwar ungewohnt, wirkte aber ganz natürlich und half mir, in die Geschichte einzutauchen.
Zweitens ging mir Anabelas Verhältnis mit dem Leiter der Mordkommission von Faro, der zufällig auch der Halbbruder einer der vermissten Personen ist, ausnahmsweise nicht auf die Nerven, wie das oft bei anderen Krimis der Fall ist, die immer wieder dieselben Klischees (vielbeschäftigter Ermittler vernachlässigt gezwungenermaßen seine Beziehung/dümmliche Partnerin macht ihm deshalb Vorwürfe) bedienen. Das liegt auch an dem tollen Charakter von Anabela: Sie ist lustig, taff, furchtbar neugierig, hat klare Ansichten, ist aber doch immer bereit, in eine andere Richtung zu denken. Vor allem verfügt sie über eine doppelte Superkraft, die zurzeit nur wenige beherrschen: Sie kann sich sowohl durchsetzen als auch deeskalieren.
Drittens vermittelt die Autorin nicht nur südlichen Flair, sondern streut gelegentlich auch portugiesische Redensarten ein, die in mir große Lust weckten, Portugiesisch zu lernen (die Redensarten werden gleich erklärt und im hinteren Teil befindet sich zusätzlich noch eine Übersichtsliste dieser Redensarten in portugiesischer und deutscher Sprache) - als Sprachenfreak war ich begeistert!
Ganz verliebt war ich auch in den Schreibstil. Carolina Conrad schreibt so locker und lässig, dass der Krimi eine leichte, unterhaltsame Lektüre bietet und gleichzeitig verwendet sie immer wieder wunderbare Wörter oder gelungene Bilder wie "In meinem Innern knallte ein kleiner Sektkorken" (S.143), die mich zum Lächeln brachten - eine schöne Lektüre!

Bewertung vom 04.09.2020
Nordsee-Nacht
Häffner, Hannah

Nordsee-Nacht


sehr gut

Als am Strand nahe des kleinen Ortes Hulthave eine Frau mit Gedächtnisverlust aufgefunden wird, erinnern sich die Menschen wieder an den 25 Jahre alten Fall eines vermissten kleinen Mädchens …
„Nordsee-Nacht“ durchweht ein kühler Küstenwind, der frösteln lässt. Und zugleich beschreibt die Autorin ihre Handlungsfiguren mit erfreulich viel Wärme und Einfühlungsvermögen, denn in dieser eher ruhigen Kriminalerzählung stehen die Gefühle der Beteiligten und die Auswirkungen, die ein Verbrechen auch nach vielen Jahren noch auf Menschen haben kann, im Vordergrund. Ihre Einsamkeit, ihre Verletzlichkeit, das Weiterleben nach einem schlimmen Ereignis, mit es sich umso schwieriger umgehen lässt, da man nicht weiß, was eigentlich genau geschehen ist – all dies wird auf sehr berührende Weise geschildert. Hinzu kommt das beunruhigende Wissen, dass einer von ihnen Täter oder Täterin sein könnte …
Gleich begeistert hat mich der Schreibstil, der literarisch anspruchsvoll ist, wunderbare Bilder erschafft und dennoch flüssig lesbar ist. Es handelt sich also um einen Krimi, der etwas andere Wege geht, als andere Bücher dieses Genres und der vielleicht auch deshalb auf dem Cover als „Roman“ bezeichnet wird.
In der ersten Hälfte wurde dieser Roman für mich allerdings manchmal etwas zu ruhig, als würde er die Ermittlungen, die auf der Stelle treten, imitieren. Ab dem Auftauchen der „Nixe“, wie die unbekannte Frau vom Strand genannt wird, stieg jedoch die Spannung wieder ins Unermessliche und ich konnte mich gar nicht mehr von dem Buch trennen …

Bewertung vom 24.08.2020
Cursed - Die Auserwählte
Wheeler, Thomas;Miller, Frank

Cursed - Die Auserwählte


sehr gut

In dieser opulenten Fantasy-Erzählung wirbelt der Autor einige Figuren aus der Artussage munter durcheinander und lässt sie an oft unerwarteter Stelle und in spannenden neuen Konstellationen zueinander auftauchen, um eine Geschichte zu erzählen, die von Gewalt und Unterdrückung, Mut und Bewährungsproben handelt. Von der Gestaltung her gleicht das Buch einem Kunstwerk und bietet eine Vielzahl von Illustrationen im Comicstil von Frank Miller, die unheimlich viel Kraft und Dynamik ausstrahlen.
Bei diesem Buch bin ich hin- und hergerissen. Einerseits bereitete es mir große Freude, alles um mich herum zu vergessen und in diese detailreich ausgestaltete Welt mit ihrer Fülle faszinierender Gestalten einzutauchen. Wheeler erschuf starke Charaktere und mit den verschiedenen Fey-Wesen eine einfallsreiche Vielfalt, die mein Fantasyfan-Herz erfreut. Die Magie in dieser Erzählung hat nichts Künstliches, Unwirkliches, sondern ist fest mit der Natur verbunden, was ihr etwas Unbändiges, Ungezähmtes und einen mysteriösen Charakter verleiht – auch das gefiel mir sehr.
Andererseits ist die Erzählung für meinen Geschmack zu stark handlungsbasiert. Zwar genoss ich die eindrucksvollen, filmreifen Szenen mit schillernder Kulisse und/oder ebenso schillernden Handlungsfiguren, die dieses Buch zu bieten hat, aber wie in Filmen fehlt eben oft auch ein tieferer Einblick in das innere Erleben der Handlungsträger. Außerdem spielt stupide Gewaltanwendung leider eine stark vorherrschende Rolle und wird immer wieder als scheinbar einzige Lösung dargestellt, so etwas langweilt mich. Allerdings wird diese Gewaltlastigkeit durchaus auch kritisch thematisiert und zwar durch Merlin, der in dieser Erzählung als jung wirkender, in Wirklichkeit aber uralter Druide auftritt und mich von allen Handlungsfiguren aufgrund seiner Weisheit und seines Eigensinns am meisten beeindruckte. Und durch ihn kommt es auch zu Gesprächen, die etwas mehr in die Tiefe gehen.
Im Mittelpunkt der Erzählung steht jedoch die junge Nimue, für mich eine "perfekt unperfekte" Heldin, die mich manchmal mit ihrem Blutdurst irritierte, aber auch mit ihrem Mut und ihrer Entwicklung beeindruckte. Die spannende Erzählung bietet darüber hinaus zahlreiche Wendungen, Überraschungen und Wow-Momente. Das Ende bleibt offen, eindeutig der Auftakt einer Reihe, und fühlte sich dennoch für mich "rund" an.
Die Illustrationen befinden sich, das ist anfangs etwas verwirrend, nicht immer nahe der Stelle, auf die sie sich beziehen, und beim Lesen hatte ich auch ganz andere Bilder im Kopf als der Zeichner. Doch gerade diesen von meinen Vorstellungen abweichenden, so ganz anderen Blick des Künstlers auf die Geschichte empfand ich als Bereicherung. Die Linienführung ist einfach grandios und die Wucht der Bilder beeindruckend.
Alles in allem ein Buch, das mich mitgerissen hat und das ich sehr genossen habe, wenn es auch für mich nicht ganz perfekt war.

Bewertung vom 02.08.2020
Die siehst du!
Schmolz, Michael

Die siehst du!


ausgezeichnet

Porträts der Vögel aus unserer Umgebung – voller Wissensperlen, erfrischend unterhaltsam geschrieben und in einem handlichen Format!
Die Beobachtung von Tieren ist spannend und entspannend zugleich und der Autor berichtet mit so viel Begeisterung von seiner Leidenschaft, dem „Birding“ (Vögelbeobachten), dass ich am liebsten gleich loslaufen wollte, mich aber zumindest schon mal strategisch günstig in der Nähe eines Fensters positionierte. Aufstrebende Birder erhalten in diesem Buch viele praktische Tipps.
Der Schwerpunkt liegt jedoch auf den Vogelbeschreibungen, wobei die Auswahl der Vogelarten wohl bewusst viele vertraute Vögel aus der menschlichen Umgebung aufgreift. Vertraute Wesen wie die Amsel, über die sich dann in den Porträts doch noch so manches Erstaunliches erfahren lässt, und auch einige, denen ich leider noch nie begegnet bin, jetzt aber gestärkt mit den Tipps aus diesem Buch doch einmal auf die Spur zu kommen hoffe.
Ich habe das Buch nun schon eine Weile und nehme es immer wieder gerne in die Hand, um darin zu blättern, zu lesen, zu staunen. Es ist unterhaltsam geschrieben, enthält dennoch viele Wissensperlen und die Liebe des Autors zu den Tieren ist deutlich spürbar.
Die Beschreibungen werden von Bildern begleitet, auf denen die Vögel deutlich zu erkennen sind, sodass dieser Vogelführer auch seinen Zweck als Bestimmungsbuch gut erfüllen kann. Die angenehme Haptik (nicht zu glatt) und die handliche Größe empfinde ich außerdem als ideal für dieses Buch, das natürlich zum Mitnehmen auf Birding-Touren einlädt.
Zum Buch kann man sich im Übrigen auch eine App des Verlags herunterladen, um die Stimmen der vorgestellten Vögel anzuhören. Nur leider zähle ich zurzeit zu den Ausgeschlossenen, auf deren Oldie-Smartphone viele Apps und so anscheinend auch diese nicht oder nicht mehr richtig funktionieren. Aber die Idee an sich finde ich gut und ich freue mich schon auf bessere Zeiten (und das Gesicht meines Katers), wenn ich mit neuem Handy die App auch mal ausprobieren kann.
Für mich ein Lieblingsbuch, das bei mir nicht so schnell ins Bücherregal wandert, sondern lieber noch eine Weile griffbereit auf dem Tisch liegen wird oder natürlich gelegentlich für Birding-Expeditionen in den Rucksack kommt.

Bewertung vom 04.07.2020
Die Frauen von der Purpurküste - Isabelles Geheimnis / Die Purpurküste Bd.1
Ziegler, Silke

Die Frauen von der Purpurküste - Isabelles Geheimnis / Die Purpurküste Bd.1


ausgezeichnet

Feinfühlig erzählter Wohlfühlroman, lenkt erfolgreich von dunklen Gedanken ab!
Dieser weise und mit zarter Leichtigkeit erzählte Roman hat mich in einem schwierigen Moment im Leben erwischt und mir trostreiche, schöne Lesemomente beschert.
Erzählt wird in zwei Handlungssträngen, von denen es in dem einen um eine in der Vergangenheit angesiedelte Geschichte rund um die junge Bäckerstochter Isabelle geht und der andere, in dessen Mittelpunkt die trauernde Amélie steht, in der Gegenwart spielt. Wichtige Themen in diesem Buch waren für mich unter anderem der Mut zum Leben und zur Liebe und wie schwer es manchmal ist, einen neuen Weg zu finden. Durch Amélies ärgerliche Situation, das Haus ihrer Familie im kleinen französischen Küstenort Collioure unerwarteterweise mit einem Fremden, den sie am liebsten vertreiben möchte, teilen zu müssen, wird für etwas Auflockerung und Komik gesorgt.
Zunächst empfand ich es als etwas irritierend, dass immer wieder einfach zu übersetzende Wörter wie „Bonjour“ eingestreut wurden, weil sich „im wirklichen Leben“ die meisten Handlungspersonen, außer den Zweisprachigen, ja auch nur in einer Sprache und nicht in einem Mischmasch unterhalten würden. Aber im weiteren Verlauf änderte ich meine Meinung, denn diese französischen Wörter tragen zum Charme und zur Atmosphäre des Romans bei und sie sind auch so gewählt, dass sie sicherlich selbst von Menschen, die eigentlich kein Französisch sprechen, verstanden werden.
Ich muss außerdem gestehen, dass Liebesgeschichten nicht gerade zu meinen Lieblingsgenres zählen, und ich dieses Buch nur wegen des mir bekannten Handlungsortes, in dessen Nähe ich mal zwei Jahre gelebt habe, gelesen habe. Das erwies sich für mich letztendlich jedoch als großer Glücksfall, denn der Autorin gelang es tatsächlich, mich aufgrund ihrer schwierigen Umstände mit der Liebesgeschichte, die in der Vergangenheit spielt, zu fesseln.
Im Handlungsstrang der Gegenwart interessierte mich hingegen vor allem die Entwicklung von Amélie. Die Darstellung von Trauer und Depression, der typischen Gefühlskälte, des Rückzugs in sich selbst und der Unfähigkeit, andere und ihre Gefühle wahrzunehmen, erscheint mir sehr überzeugend – und ich fand es schön mitzuerleben, wie Amélie in dem Maße, in dem es ihr besser geht, auch einen anderen Blick auf die Menschen in ihrer Umgebung gewinnt.
Ich kenne Collioure als ein einfach unfassbar schönes kleines Küstenstädtchen, so bilderbuchschön, dass es eigentlich kitschig sein müsste, dabei ist es authentisch, geschichtsträchtig und voller Leben – und ich finde, dass dieses Buch seinem Handlungsort voll und ganz gerecht wird, denn genau diese Eigenschaften hat auch dieser Roman!

Bewertung vom 17.06.2020
Schwestern im Tod / Commandant Martin Servaz Bd.5
Minier, Bernard

Schwestern im Tod / Commandant Martin Servaz Bd.5


ausgezeichnet

Dieser Thriller aus der Feder des französischen Schriftstellers Bernard Minier hat einen leicht verruchten Charakter und blickt in tiefe Abgründe der menschlichen Seele. Er entstammt der Buchreihe um den Ermittler Servaz, der in diesem Band mit einem Verbrechen konfrontiert wird, das ihn an den ersten großen Fall seiner Laufbahn erinnert – einen Fall, dessen Aufklärung nun nicht mehr ganz so sicher erscheint …
Zu Beginn eilen zwei junge Mädchen in weißen Kommunionskleidern durch einen Wald und Minier gelingt es, mit diesem Handlungsort und einer bildhaften Schilderung diesem Einstieg einen fast schon märchenhaft-verzauberten Charakter zu verleihen – natürlich inklusive der Ahnung einer finsteren Gefahr ... Ich fühlte mich sofort in den Bann gezogen, auch von dem ansprechenden Schreibstil, den ich als sehr viel künstlerischer als bei so vielen anderen Büchern dieses Genres empfand.
Später treten die Handlungsfiguren ganz in den Vordergrund. Und sowohl auf der Zeitebene des ersten Verbrechens als auch bei dem Verbrechen in der Gegenwart scheint sich alles vor allem um eine Person zu drehen: den Schriftsteller Erik Lang. Dieser Narzisst von dunklem Charisma ist einer jener Menschen, die auf manche verführerisch, auf andere hingegen unerträglich und widerwärtig wirken, immer jedoch einen starken Eindruck hinterlassen.
Ähnlich erging es mir so auch mit der Erzählung, die mich stets fesselte, manchmal aber auch abstieß. Zwar badet Miniers Thriller nicht so tief im Blut wie andere Werke dieses Genres, er enthält aber einige grauenvolle Details und handelt von beunruhigenden Gefühlswelten und Abhängigkeiten. Überblättern musste ich die für mich schier unerträgliche Leidensgeschichte einer gequälten Katze.
An einigen wenigen Stellen wird spürbar, dass dieses Buch Teil einer Reihe ist, aber es steht für sich und lässt sich ohne Kenntnisse der vorherigen Bände lesen. Mir hat dieser dunkle und verstörende Thriller sehr gut gefallen!