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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Katjuschka
Wohnort: 
Gießen

Bewertungen

Insgesamt 230 Bewertungen
Bewertung vom 06.11.2022
Feldpost (MP3-Download)
Borrmann, Mechtild

Feldpost (MP3-Download)


ausgezeichnet

"Adele ist verschwunden."
Mehr mag die Fremde nicht sagen, die sich in einem Café einfach so an den Tisch der Anwältin Cara setzt - und kurz darauf ebenfalls spurlos verschwindet.
Die Frau lässt lediglich ihre Handtasche zurück und die kryptische Bitte, Cara möge sich um den Inhalt kümmern.
Neben anrührenden Feldpostbriefen aus dem Zweiten Weltkrieg finden sich in der Tasche Unterlagen über den Verkauf einer Villa in Kassel zu einem symbolischen Preis.
Caras Recherchen decken nicht nur die tragische Geschichte einer großen, verbotenen Liebe auf, sondern auch die Schuld einer Liebenden und einen bitteren Verrat.

Cara Russo und ihre Recherche sind der Rahmen einer Handlung, die sich den Leser(innen) nach und nach offenbart und dabei mitnimmt auf eine sehr bewegende und emotionale Reise in die Vergangenheit.
Im Fokus stehen die Familien Kuhn und Martens.
Es ist deren persönlicher Lebensweg, der eindringlich und bewegend beschrieben wird.
Das Ehepaar Kuhn flüchtet vor den Repressalien der NSDAP über Frankreich und Spanien nach Portugal, die erwachsenen Kinder bleiben in Deutschland.
Diese Reise unter ständiger Angst, sowie den späteren Aufenthalt in Coimbra fand ich sehr intensiv beschrieben.
Die Eheleute Martens sind überzeugte Mitglieder der Partei und auch Tochter Dietlind ist eine große Anhängerin. Nur Sohn Richard distanziert sich - bis er inhaftiert wird und sich entscheiden muss.
Abwechselnd wird aus der Sicht der jungen Geschwister Adele und Albert Kuhn, deren Eltern oder von Richard Martens erzählt.
Wie in einem Kaleidoskop erfährt man bruchstückhaft von den verschiedenen Ereignissen, die sich am Ende zu einem Gesamtbild zusammenfügen.
Ich habe das Buch fast am Stück durchgelesen, so hat mich die Geschichte fasziniert und gefesselt.
Die Protagonist(inn)en und deren Entscheidungen werden sehr lebensnah beschrieben und oft habe ich gedacht "Wie wird dies nur enden? Ob das gutgeht?"
Cara Russo trifft den mittlerweile gealterten Richard Martens, der eine Lebenslüge lebt und sich erst jetzt eine alte Schuld eingesteht.
Seine Schwester Dietlind in ihrem gestohlenen Leben, hätte ich gerne gewürgt.
Das Schicksal von Adele Kuhn, die Zeit ihres Lebens in Richard verliebt war, klärt sich erst ganz zum Schluss, das Ende von Albert fand ich unglaublich traurig - beides hat mich sehr berührt.
Nachdem mich der Schreibstil der Autorin in "Trümmerkind" sehr beeindruckt hatte, hat mich das Buch direkt angesprochen.
Und da ich die wohlklingende Stimme der Sprecherin Vera Teltz sehr mag, musste es diesmal das (zum Glück ungekürzte) Hörbuch sein.
"Feldpost" ist sowohl eine Liebes- als auch historische Familiengeschichte und für mich am Ende des Jahres nochmal ein Lesehighlight.

Bewertung vom 02.11.2022
Der Häftling aus Moabit / Felix Blom Bd.1 (eBook, ePUB)
Beer, Alex

Der Häftling aus Moabit / Felix Blom Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Berlin, 1878: Felix Blom wird nach drei Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen.
Doch in Freiheit ist nichts mehr so, wie es mal war: Sein Hab und Gut gepfändet, seine Verlobte ist mit jemand Neuem liiert.
Alle Versuche, an Geld oder Arbeit zu kommen, scheitern.
Aber dann hat Blom eine Idee: Warum sich nicht mit der neuen Nachbarin zusammentun?
Die ehemalige Prostituierte Mathilde führt eine Privatdetektei, doch sie hat kaum Aufträge, da man ihr als Frau diese Arbeit nicht zutraut.
Ein erster "Fall" führt die beiden auf die Spur eines mysteriösen Mörders, der seinen Opfern Briefe mit der Botschaft zukommen lässt: „In wenigen Tagen wirst Du eine Leiche sein.“
Da auch Blom eine solche Karte unter seiner Tür durchgeschoben bekommen hat, ist die Sache persönlich!

Felix Blom ist der klassische Gentleman-Gauner und es macht richtig Spaß ihn zu begleiten, wenn er durch das historische Berlin streift.
Der erste offizielle Auftrag ist die Aufklärung mysteriöser Diebstähle von chinesischem Porzellan bei einem Händler für Orientwaren.
Zeitgleich versucht Blom Beweise dafür zu finden, dass Albert von Mesar, sein früherer Nebenbuhler um die schöne Auguste, ihn vor 3 Jahren gelinkt und so in den Knast gebracht hat.
Und natürlich, wer ihm diese mysteriöse Karte geschickt hat.
Das versucht auch der Polizist Ernst Cronenberg, der Blom lange gejagt und dann auch überführt hatte, denn nach und nach gibt es mehrere Karten - und Tote.
Und ja, Cronenberg will Blom auch wieder in Moabit sehen!
In sämtlichen "Fällen" ergeben sich verschiedene Spuren, mögliche Motive und Verdächtige, die Spannung wird durchgehend hoch gehalten.
Autorin Alex Beer schafft es grandios Felix, Mathilde und auch die Leser(innen) auf verschiedene Fährten zu locken und Ahnungen zu erwecken, die sich aber nicht fassen lassen.
In kurzen Einschüben erfährt man außerdem von Vorkommnissen von vor 3 Jahren. Wie passt dies in das aktuelle Geschehen?
Es zeigen sich irgendwann unerwartete Zusammenhänge, die aber in sich stimmig sind und im Finale entwirrt werden.
Die Lösung ist... Wow! Die Hinweise waren alle da - warum habe ich es nicht gesehen? Respekt Frau Beer!

Bewertung vom 31.10.2022
Fräulein Wünsche und die Wunder ihrer Zeit
Michel, Juliane

Fräulein Wünsche und die Wunder ihrer Zeit


sehr gut

Frankfurt/Main 1950: Zwischen den Trümmern ist der Wiederaufbau der Stadt in vollem Gange.
Auch Familie Wünsche will sich nach der Flucht aus dem sowjetischen Sektor hier eine neue Existenz aufbauen.
Die 20-jährige Karin liebt Bücher und Geschichten, ihre jüngere Schwester Vera entdeckt ihre Liebe zur Musik.
Als Karin sich in den afroamerikanischen GI Billy verliebt, schwebt sie im siebten Himmel. Doch dann muss dieser zurück in die USA - und Karin ist schwanger!
Das Leben für die Mutter eines Besatzerkindes wird nicht leicht sein. Aber Karin will für sich und ihr Kind kämpfen.

Schon das Cover lässt den zeitlichen Rahmen der Handlung erahnen - die 1950er Jahre.
Die Zeit des "Wirtschaftswunders" in der jungen Bundesrepublik im Westen des geteilten Deutschlands.
Über den Zeitraum von 10 Jahren erlebt man an der Seite der Familie Wünsche nach Krieg und Flucht den Weg in eine neue, positive Zukunft.
Die Autorin schafft es ganz hervorragend, die Atmosphäre dieser Anfangsjahre zu beschreiben.
Dabei werden historische Begebenheiten und Entwicklungen, sowie der technische Fortschritt sehr gut in der Geschichte verwoben.
Die Moralvorstellungen und das antiquierte Frauenbild der damaligen Zeit sind aus heutiger Sicht erschreckend und die Ablehnung, sowie die Vorurteile unverheirateter Müttern gegenüber, selbst innerhalb der eigenen Familie, ungeheuerlich.
Die Diskriminierungen und Beleidigungen gegenüber den Müttern der "Brown Babies" - und auch den Kindern selbst - machen sprachlos.
Mir hat sehr gefallen, dass in den Überschriften der einzelnen Kapitel auf jeweils aktuelle Bücher oder Filme Bezug genommen wird und das diese dann auch ganz unaufdringlich Gesprächsthemen der Protagonist(inn)en sind.
Überhaupt ist die Geschichte eine kleine Zeitreise, die einem bei allen ernsten Themen auch immer wieder ein Lächeln entlockt.
Viele Themen und "Aufreger" der Zeit sind wie nebenbei Teil der Handlung und lassen die Geschichte dadurch sehr lebendig werden.
Als "hessisches Madche" habe ich mich über sehr viel Lokalkolorit gefreut - sei es bezüglich der Frankfurter Altstadt oder auch Familie Hesselbach im Radio.
Ich habe "Fräulein Wünsche" in zwei Tagen gelesen und fand es großartig.
Ob es wohl eine Fortsetzung geben wird?
Für mich ein toller Geschenktipp, nicht nur für Leser*innen der Nachkriegsgeneration.

Bewertung vom 03.10.2022
Zwischen den Meeren / Nord-Ostsee-Saga Bd.1
Johannson, Lena

Zwischen den Meeren / Nord-Ostsee-Saga Bd.1


sehr gut

***** Achtung: Rezension für das Hörbuch *****
Kiel 1886: Justine hat im Puppentheater des Großvaters
ihre Leidenschaft für das Geschichtenerzählen entdeckt entdeckt. Doch statt gemeinsam mit ihrer großen Liebe Thorin auf der Bühne zu stehen, muss sie im Geschäft aushelfen, obwohl immer weniger Kunden kommen.
Währenddessen wünscht Sanne sich nichts sehnlicher, als zu studieren und Gebäude zu konstruieren, wie schon ihre Großväter.
Regina ist nach dem Tod ihrer Brüder gezwungen, eine Vernunftehe einzugehen.
Doch dann wird der Bau einer gigantischen Wasserstraße beschlossen, die die Meere miteinander verbinden soll!
Ein Jahrhundertprojekt, das nicht nur die Schicksale dieser drei Frauen verändert, sondern auch das Leben von Mimi, der Tochter des Kanalplaners.

Wenngleich die Lebensgeschichten der Frauen im Mittelpunkt der Handlung steht, ist der Bau des Nord-Ostsee-Kanals das verbindende Element im Hintergrund.
Die vier Frauen leben in einer Männerwelt, in der sie sich unterzuordnen und zu fügen haben.
Aber sie haben ihre Träume, Wünsche und Vorstellungen vom Leben und zweifeln, jede für sich, an dem ihnen zugewiesenen Platz.
Und nicht nur in der Gesellschaft, auch innerhalb der Familien, sind sie nur "zweitklassig".
Die Art und Weise wie die Männer sich den Frauen überlegen fühlen und sie dominieren, ist zeitgemäß gut dargestellt - im 21. Jahrhundert ist es aber nur mit einem permanenten Kopfschütteln zu lesen.
Ich mag den atmospärischen Schreibstil der Autorin, der die Handlung lebendig werden lässt.
Überhaupt wird der Zeitgeist sehr gut vermittelt, die historischen Gegebenheiten perfekt eingebunden.
Die verschiedenen Aspekte, die Planung des Kanals betreffend, fand ich ausgesprochen interessant, da vieles angesprochen wird, was die Menschen damals beschäftigt und auch verunsichert hat.
Auch macht man sich heute keine Vorstellung mehr davon, was für ein gigantisches Projekt dies war!
Ich mochte die beschriebenen Frauen alle sehr, die Männer an ihrer Seite waren mir aber nicht immer sympathisch. Sowohl Thorin, als auch Broder z.B. sind mir zu egoistisch. Lediglich Rosario mochte ich gleich.
Sie alle eine Weile zu begleiten hat mir gefallen und ich würde mich freuen zu hören, wie es in ihrem Leben weitergeht.
Wie wird es Regina und Ina auf dem Hof ergehen?
Wie Justine mit dem Eisenwarenladen?
Kann Sanne ihre Träume mit Hilfe von Rosario wahr machen?
Das Ende macht definitiv sehr große Lust auf den Nachfolgeband.
Swantje Wascher liest mit angenehmer Stimme und leicht norddeutschem Zungenschlag.

Bewertung vom 28.09.2022
Ich bin ja heut so glücklich (eBook, ePUB)
Roth, Charlotte

Ich bin ja heut so glücklich (eBook, ePUB)


sehr gut

Die junge Münchnerin Renate Müller liebt seit ewiger Zeit die Welt des Kinos und der Filme.
1924 geht sie mit 18 Jahren nach Berlin um ihren Traum, Schauspielerin zu werden, wahr zu machen.
Obwohl Renate so gar nicht dem gängigen Leinwandideal entspricht und weder das süße Püppchen noch den männermordenden Vamp verkörpert, wird sie tatsächlich (neben z.B. Marlene Dietrich oder Lilian Harvey) zu einem Star des jungen deutschen Tonfilms, spielt neben Hans Albers und Willy Fritsch.
„Ich bin ja heut so glücklich“ singt sie in dem Film "Die Privatsekretärin", der ihr großer Durchbruch wird.
Renate ist gefragt, begehrt, selbst Hollywood ruft nach ihr.
Sie könnte so glücklich sein, wie es ihr berühmtes Lied verspricht, doch ihre große Liebe Georg Deutsch ist Jude und sie gerät ins Visier der braunen Machthaber…

Renate sprüht vor Energie und Lebensfreude, durch ihr fröhliches, ansteckendes Lachen hat sie eine sehr einnehmende Art, jeder mag sie gern!
Aber Renate ist auch immer ein wenig weltfremd und auch voller Selbstzweifel und difuser Ängste.
Erst mit Georg Deutsch, der später nach Zürich emigriert, scheint sie etwas zur Ruhe zu kommen.
Als Joseph Goebbels versucht Renate mit Adolf Hitler zu verkuppeln, zeigt sie keinerlei Interesse.
Damit unterschreibt sie das Todesurteil für ihre Karriere.
Auch ihr eigenes?
Mit nur 31 Jahren kommt Renate Müller nach einem mysteriösen, nie aufgeklärten Treppensturz zu Tode.
Neben dem Leben und dem Werdegang von Renate Müller erfährt man auch einiges über deren enge Freundin Sybille Schmitz, ebenfalls eine ausgesprochen talentierte Schauspielerin, deren Karriere durch die Nazis pulverisiert wurde und die später, zunehmend unter Depressionen und Alkoholsucht leidend, Suizid begehen wird.
Auch wenn die Autorin im Vorwort betont, dass es sich hier nicht um eine Biografie, sondern um eine Hommage handelt, kann man sich ein gutes Bild von Renate, Sybille und überhaupt der damaligen Zeit machen.
Mich hat das tragische Schicksal dieser mittlerweile fast vergessenen Schauspielerin nicht wenig berührt.

Bewertung vom 04.09.2022
Das Paradies der Düfte / Die Douglas-Schwestern Bd.2 (eBook, ePUB)
Jacobi, Charlotte

Das Paradies der Düfte / Die Douglas-Schwestern Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Hamburg, 1920: Zehn Jahre gibt es die Parfümerie Douglas bereits!
Und es gibt wieder neue "Douglas-Schwestern", denn die Gründerinnen Marie und Anna Carstens geben nun das Tagesgeschäft in die Hände ihrer Patentöchter Hertha und Lucie Harders.
Doch den jungen Frauen stehen schwierige Zeiten bevor: Die deutsche Wirtschaft leidet unter den Reparationszahlungen, die Inflation lässt die Kundenzahlen sinken.
Neue Kontakte durch Reisen nach Südfrankreich und New York sollen neue Möglichkeiten eröffnen.

Wie bei den Schwestern Marie und Anna zuvor, müssen auch diesmal wieder zwei junge, willensstarke Frauen für ihren beruflichen Erfolg kämpfen und werden dabei mit einigen Hindernissen und Rückschlägen konfrontiert.
Neben der Historie der Parfümerie Douglas, werden auch die politischen und gesellschaftlichen Aspekte der Nachkriegszeit in die Handlung mit eingebunden.
Hertha und Lucie sind noch unglaublich jung, als sie in ihrer geliebten Parfümerie Verantwortung erhalten.
Dies vergisst man jedoch beim lesen, da die Schwestern ausgesprochen "erwachsen" agieren und gemeinsam mit ihren Patinnen das Geschäft durch schwierige Zeiten manövrieren!
Es gilt einen Konkurs abzuwehren, gegen Konkurrenz zu bestehen oder eine Miet-Kündigung abzuwenden.
Es ist faszinierend, dass tatsächlich vier jungen Frauen mit Mut, Energie und Durchsetzungsvermögen eine Parfümerie-Kette gegründet, bzw. geleitet haben, die heute Marktführer in Europa ist.
Einige Personen aus dem Vorgängerbuch (und auch aus anderen Büchern des Autoren-Duos) tauchen hier erneut auf, aber man kann die Handlung auch ohne Vorkenntnisse lesen.
Die Geschichte hat mir gefallen, war mir aber stellenweise etwas zu langatmig, bzw. ausufernd und mit etwas zu vielen Namen und Personen fast schon zu vollgepackt.
Ein Kritikpunkt, der mich wirklich gestört hat: Pauline Lambert und Jakob Silberstein werden mehr oder weniger als Greise dargestellt - mit Mitte, bzw. Ende 60.
Ob ich den angekündigten 3. Teil noch lese, kann ich nicht sagen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.08.2022
Drei Tage im August (MP3-Download)
Stern, Anne

Drei Tage im August (MP3-Download)


ausgezeichnet

Berlin 1936: Elfie ringt stets darum ihre Schwermut zu verbergen, denn sie empfindet oft nicht wie andere.
Allein bei ihrer Arbeit in der Chocolaterie Sawade findet sie Zuflucht.
Durch die alte Madame Conte und ihre Geschichte einer verbotenen Liebe, begibt sich Elfie nicht nur auf die Suche nach der verschollenen Rezeptur einer einzigartigen Praline.

Auch wenn Elfie die Hauptperson der Handlung ist, sind es doch auch die vielen "kleinen Leute" in Berlin, die man eine kurze Weile begleitet, von deren Gedanken und Gefühlen man liest, und die dieser Geschichte ihre Seele geben.
Ob Verkäuferin Trude, Buchhändler Franz Marcus, Dienstmädchen Mine, Confiseur Gerald, Barbesitzer Issa El Hamady und andere mehr - sie alle leben in der großen Stadt ihr kleines Leben, haben Träume, Wünsche und Pläne.
Sie alle sind Teil einer eigenen, gemeinsamen Welt - selbst Willi, der alte Drehorgelspieler bleibt nach seinem Tod unvergessen und präsent.
Mit einem sehr atmospärischen Schreibstil schafft die Autorin es, das historische Berlin vor dem inneren Auge erstehen zu lassen.
Man schlendert beim lesen durch die belebten Straßen, besucht das Hotel Adlon, das Café Kranzler, die real existierende Pralinenmanufaktur Sawade.
Noch ist Unter den Linden nicht vom Kurfürstendamm als Mittelpunkt Berlins abgelöst.
Man hört die Geräusche der Stadt, riecht und schmeckt die Schokolade.
Die olympischen Spiele gaukeln der Welt eine offene, freundliche Stadt vor, die Repressalien der NS gehen aber mehr oder weniger weiter.
Elfie, die sich von einer kleinen Verkäuferin zur Leiterin von Sawade hochgearbeitet hat, ist unglaublich liebenswert.
Aufgewachsen bei einer lieblosen und kaltherzigen Großmutter, kämpft sie mit ihren Dämonen.
Sie hat ein paar kleine Zwänge, tut sich schwer mit anderen Menschen und hat sich daher im Laufe der Zeit, zumindest außerhalb von Sawade, in sich selbst zurückgezogen.
Nur langsam und zögerlich erkennt Elfie, welche dunklen Veränderungen die neuen Machthaber in Berlin hervorgebracht haben.
Die immer beklemmendere Atmosphäre in Berlin wird den Leser(innen) in wenigen Sätzen schleichend vermittelt und offenbart sich Elfie, als Blumenmädchen Rosa auf offener Straße verhaftet wird und Elfie wie erstarrt und machtlos zusehen muss.
Die vorsichtige Annäherung mit dem etwas älteren Barbesitzer El Hamady schien für mich wie aus einer anderen Zeit und Welt und hat mich zum lächeln gebracht.
Auch Madame Conte und ihr Ausflug in die Vergangenheit hat mir sehr gefallen.
Ihre "verbotene Liaison" mit Ladislaus Ziemkiewicz, dem Gründer von Sawade, wird wunderbar beschrieben.
Ich habe mir Madame ein wenig wie Vanessa Redgrave vorgestellt - schon etwas älter, aber noch immer ausgesprochen charmant.
Sehr interessant und extrem ansprechend gemacht fand ich, dass die Bäume auf der Prachtstraße Unter den Linden in kurzen Zwischenkapiteln vom Lauf der Zeit berichten. "Wir waren immer schon da."

Die Sprecherin Vera Teltz liest mit ihrer ruhigen und warmen Stimme einfach grandios!
"Drei Tage im August" ist ein gefühlvoller, intensiver und bewegender Roman, der noch lange nachklingt.
Eine Hommage an eine untergegangene Zeit.
Und an Freunde, die zu Familie werden.
Ein wahrer Glücksgriff!

Bewertung vom 21.08.2022
Der zauberhafte Papierladen in Amalfi / Kleine Läden in Amalfi Bd.2
Gregorio, Roberta

Der zauberhafte Papierladen in Amalfi / Kleine Läden in Amalfi Bd.2


sehr gut

Seit Papeterie-Besitzerin Carolina von ihrer großen Liebe Bernardo verlassen wurde, hat sie nicht wieder mit ihm gesprochen.
Mittlerweile ist sie mit dem Bäcker Aldo zusammen und Bernardos Rückkehr ist ihr vollkommen gleichgültig.
Bernardo versucht zwar alles um Carolina zurückgewinnen, aber sie lässt ihn abblitzen.
Als jedoch die Amerikanerin Rachel in Amalfi auftaucht und Bernardo näherzukommen scheint, erwacht die Eifersucht in Carolina.

Roberta Gregorio entführt ihre Leser(innen) erneut in das wunderschöne Amalfi, welches auch hier wieder fast eine weitere Hauptrolle einzunehmen scheint.
Carolina mochte ich sehr und ihre Papeterie klingt tatsächlich nach einem zauberhaften kleinen Laden, in dem ich gerne stöbern würde.
Dann noch ein Eis von Livia oder einen Kaffee von Salvatore - und das Ganze mit Blick auf den berühmten Dom. Ich sehe alles fast vor mir!
In diesem zweiten Buch aus der Reihe "Kleine Läden in Amalfi" ist diesmal Carolina die weibliche Hauptperson, ihre Freundinnen Diletta und Livia sind aber selbstverständlich auch wieder mit dabei.
Natürlich ist klar, dass Carolina und Bernardo wieder zusammenkommen.
Der Weg dahin ist eine romantische Sommerlektüre, die gute Laune macht.
Das kleine Drama beim Klippensprung fand ich allerdings unnötig.
Auch wenn die Geschichte auf "Die kleine Eismanufaktur in Amalfi" aufbaut, kann man beide Bücher sehr gut separat lesen.
Wird es einen dritten Band um Diletta geben?
Ich reise würde sehr gern wieder (nicht nur literarisch) nach Amalfi reisen.

Bewertung vom 17.08.2022
Sommerzauber in Venedig (eBook, ePUB)
Martini, Christiane; Martini, Katharina

Sommerzauber in Venedig (eBook, ePUB)


gut

Nachdem ihr langjähriger Freund sie mit einer anderen betrogen hat will Giulia nur noch weg!
Ein Jobangebot des berühmten Kammerorchesters aus Venedig kommt da gerade recht.
Mit ihrer Geige im Gepäck zieht Giulia in die Lagunenstadt zu ihrer Freundin Alessandra.
Nach kurzer Zeit trifft Giulia auf den Journalisten Matteo, der gerade seinen Vater besucht.
Frisch verliebt scheint Giulias Glück perfekt.
Als ihr jedoch von einem Fremden eine kunstvolle Violine zugespielt wird, offenbart sich ein altes Familiengeheimnis.

Giulia zieht nach Venedig, wo passenderweise eine enge Freundin wohnt, die ihr ein Gästezimmer zur Verfügung stellt.
Dies ist nur einer der vielen Zufälle, welche die Handlung am laufen halten.
Bei einer luftig-leichten Sommerkomödie, die noch dazu im schönen Venedig spielt, bin ich aber bereit darüber hinwegzusehen.
Die Beschreibungen der Stadt sind sehr schön, die Zusammenhänge rund um das Familiengeheimnis recht flott zu erahnen.
Der historische Teil der Geschichte ist interessant, hat aber Potenzial verschenkt, da wäre mehr drin gewesen.
Alles in allem eine nette kleine (leider für meinen Geschmack etwas zu kitschige) Geschichte für zwischendurch.
Ein paar Kleinigkeiten haben mich als Venedig-Fan gestört:
1. Von der Scalzi-Brücke aus kann man die Kirche Santa Maria della Saluta definitiv nicht sehen.
2. In Venedig kauft/isst niemand Croissants, sondern Cornetti.
3. "Mille Grazie" ist zwar grammatikalisch korrekt, aber im allgemeinen Sprachgebrauch sagen Italiener*innen "Grazie Mille".

Bewertung vom 09.08.2022
Die Passage nach Maskat
Rademacher, Cay

Die Passage nach Maskat


ausgezeichnet

Spätsommer 1929: Der traumatisierte Kriegsveteran Theodor Jung begibt sich als Fotoreporter auf den luxuriösen Ozeanliner Champollion.
Er soll für die "Berliner Illustrierte" über die Reise von Marseille nach Maskat im Oman berichten.
Mit an Bord befinden sich auch Ehefrau Dora, Schwager Ernst, sowie die Schwiegereltern Hugo und Marthe Rosterg.
Unter den anderen Passagieren sind u.a. eine skandalumwehte Nackttänzerin, ein mysteriöser römischer Anwalt, eine englische Lady, ein junger amerikanischer Ingenieur und ein Geldeintreiber aus der Berliner Unterwelt.
Als Dora nach wenigen Tagen auf der Champollion spurlos verschwindet, wird die Reise für Theodor zum Albtraum - denn nicht nur deren Familie, auch die anderen Passagiere und die Besatzungsmitglieder behaupten, Dora nie an Bord gesehen zu haben.

Dieses Buch ist eine faszinierende Mischung aus historischem Reiseroman und aufregendem Krimi.
Cay Rademacher beschreibt die Schauplätze von Nordafrika bis in die arabische Welt ausgesprochen bildhaft, sodass man fast meint, die flirrende Wüste bei den Pyramiden zu sehen, die Hitze im Tal der Könige zu spüren und die Gewürze auf den Basaren zu riechen.
Die Charaktere sind allesamt sehr vielschichtig angelegt und werden perfekt beschrieben - gerade, wenn einige nach und nach ihre Masken sinken lassen und die unterschiedlichen Verbindungen und Abhängigkeiten ans Tageslicht kommen.
So wie Jung zwischenzeitlich beginnt an seinem Verstand zu zweifeln, stellen sich auch den Leser(innen) immer neue Fragen, wie wohl die unterschiedlichen Vorkommnisse an Bord zusammenhängen könnten.
Beim mitfiebern entsteht ein farbenprächtiges Kopfkino und irgendwann lässt einen die Handlung kaum mehr los!
Die finale Auflösung um Doras ist überraschend, das Ende gibt sehr viel Raum für Spekulationen.
Grandios und spannend erzählt!