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Benutzername: 
Brilli
Wohnort: 
Hagen

Bewertungen

Insgesamt 90 Bewertungen
Bewertung vom 29.01.2013
Wir hatten nix, nur Umlaute
Heinrich, Nils

Wir hatten nix, nur Umlaute


ausgezeichnet

"Wir hatten nix, nur Umlaute" ist der Titel des Buches von Nils Heinrich.
Das kann man von dieser kleinen schriftstellerischen Kostbarkeit nicht sagen - ganz im Gegenteil - sie hat eine ganze Menge.
Nils Heinrich, 1971 in Sangerhausen Kreis Halle geboren, erzählt über seine Kindheit und Jugend in diesem unspektakulären Örtchen, in dem er dann auch 10 Jahre lang die Schulbank drückte und bis zur Wende eine Lehre als Konditor begann.
Er führte ein durchschnittliches Jugendlichen-Leben in einer Otto-Normalverbraucher-Familie, die ein "Weltstar aus Beton" , die Berliner Mauer, von den anderen, eigentlich ebenso normalen Familien im Westen trennte.

Da ich ein absoluter "Wessi" bin und keinerlei Vergleiche eigener Erfahrungen zu seinen Schilderungen heranziehen kann, bin ich seinen intelligenten, humorvollen, mit Sarkasmus ausgestatteten Erinnerungen vorbehaltlos ausgeliefert.
Ich habe keine Veranlassung, meine Gedanken dahingehend abschweifen zu lassen, dass ich mich frage, wie es damals bei mir eigentlich gewesen ist, sondern ich kann mich einfach mitnehmen lassen auf die Reise in eine kritisch und dennoch verständnisvoll betrachtete "Ossi" - Vergangenheit, in welcher das amusierte Lachen genau so zuhause ist wie die Wut über ein beschränktes System oder die Sehnsucht nach Unerfüllbarem.

Kurzweilig und phantasievoll bringt Nils Heinrich dem Leser Anekdoten aus seinem Leben vor und nach dem Systemwechsel nahe und spart nicht mit recht deutlich ausgeschmückten Vergleichen, sodaß es nicht viel Mühe macht, sich ein Buch lang in Sangerhausen "zuhause" zu fühlen, selbst wenn über der Rosenstadt die Geruchsschwaden aus den Schloten der Abdeckerei dem Duft der Blumen das Dasein streitig machen.
Der irrwitzige "Material-Mix" aus dem die Dinge des alltäglichen Lebens damals hergestellt wurden, seien es die Bestandteile der "Eierschecke" oder der Bausatz für den Trabi, ebenso wie die fragliche Verwandtschaft des "Dessauer, Hell" mit dem Gewässer der Mulde, erstaunen und amusieren den Leser in diesem Kabinettstückchen eines Buches.

Mit einem Augenzwinkern, das den Ernst mancher Gedanken in dieser Zeitreise mildert, gewährt der Autor Einblicke in ein Leben, das uns - auf der anderen Seite - nie so bewußt geworden ist, bevor die Trennung des deutschen Volkes Vergangenheit wurde und die Geschichten und Erzählungen keine Grenze mehr überwinden mussten.
Wunderbares Buch, dessen feinsinnige Art zu erzählen mehr auslöst, als man glaubt.

Bewertung vom 23.01.2013
Schauspieler küssen anders
Regnier, Sandra

Schauspieler küssen anders


ausgezeichnet

Cinderella à la Hollywood.

Aschenputtel und der Prinz - ein wunderschönes Märchen aus vergangener Zeit, mit einem Happy-End, das alle glücklich macht - aber eben nur ein Märchen.
Gibt es das in der Wirklichkeit?
Wenn Aschenputtel Lisa Greene heißt und einen kleinen Antquitätenladen mit Rahmenwerkstatt besitzt und der Prinz als Robert Faulkner in seinem neuen Film "Storming Love" wieder einmal die Herzen der Teenies erobern wird?
Genau so sieht es aus.
David Garth, der Filmproduzent, engagiert Lisa als Production Desgnerin, die alle Räume, in denen die Drehs stattfinden, so auszustaffieren hat, dass sie zu Handlung und Star passen.
Der Star, das ist er, Robert Faulkner, der absolute Adonis, umwerfend charmant, mit unwiderstehlichem Sexappeal im unnachahmlichen Lächeln - einfach hinreißend.

Und Lisa kann nicht glauben, dass ein solcher Traummann sich in sie verliebt hat, ausgerechnet in sie , die etliche Jahre älter ist und auch noch ein Päckchen aus der Vergangenheit mit sich herumschleppt - und das ist nicht nur die Erinnerung an Alec, ihren Ex.

Inmitten eines bunt gemischten Völkchens von Assistenten, Produzenten, Freunden und Familienangehörigen, die teils nerven, teils verständnisvollen Beistand leisten, reihenweise in irgendwelche Fettnäpfchen treten aber auch vor Intrigen nicht zurückschrecken, versuchen Lisa und Robert einen Weg zu finden, der sie zueinander führt.

Sandra Regnier hat ein wunderschönes Buch geschrieben, das so ein bisschen im "Cinderella-Look" daher kommt.
In flüssigem, leicht zu lesendem Stil entführt sie uns in die Welt der Künstler, in die Werkstatt, in der Träume produziert werden.
Alle Protagonisten sind liebevoll detailliert gezeichnet, schnell fühlt der Leser sich vertraut mit ihnen und beobachtet ihr Tun mit viel Vergnügen.
Die Stimmungen, die eine solch ungewöhnliche Lovestory mit sich bringt, sind wunderbar nachempfunden, und der Leser bangt immer wieder, dass alles glückhaft weiterlaufen möge.
Die Lektion, dass Schauspieler anders küssen, ist amusant und humorvoll, obwohl auch die leisen, ernsten Töne mit anklingen, die dem Buch etwas Tiefe verleihen.

Es macht Spass, sich in dieser Geschichte auf ein Thema einzulassen, das sicherlich so prickelnd sein kann wie ein kalter Prosecco - genau so gerne allerdings nimmt man mit Lisa und Robert einen Pastis in Paris.

Sandra Regnier gebe ich alle Sterne mit auf den Weg zum zweiten Buch und wünsche ihr viel Erfolg.

Bewertung vom 20.12.2012
Frösche, die quaken, töten nicht
Sieben, Vera

Frösche, die quaken, töten nicht


ausgezeichnet

Erholung für Körper und Seele verspricht das bekannte Düsseldorfer Nobelhotel, das seinen Gästen exclusive Wellness offeriert. Auch die Kriminalreporterin Liv Oliver hat sich für ihre Auszeit diese Wohlfühl-Oase ausgesucht, nicht ahnend, dass eine Überraschung der besonderen Art auf sie wartet.
Als der Seniorchef des Hauses an einem Morgen am für ihn reservierten Tisch mit dem Gesicht in seiner Müslischüssel liegt, signalisiert Livs untrüglicher Spürsinn, dass hier ein übles Verbrechen vorliegt.
Die Leitung des ermittelnden Polizeiteams hat Livs Ex, Frank Golström, dessen Anblick ihr immer noch nicht absolut gleichgültig ist.

Nach einem Anruf vom Verlagsboss, dass der komplette Wellness-Urlaub auf Geschäftskosten stattfinden könne, wenn nur eine Exklusiv-Story dabei herauskäme, gibt Liv Vollgas.
Zwischen Kickboxen und Rheinschlamm-Ganzkörperpackung, Trampolin und "Düsselwürmern" mit extra starkem Löwensenf betreibt sie unermüdliche Ermittlungen, um den Wust von Lügen und Betrug aufzudecken, der bei den Besitzern dieser Nobelherberge an der Tagesordnung ist.
Aber die Gegenseite ist auch nicht untätig und Liv wandelt mit ihren Enthüllungen auf einem gefährlichen Grat.

Vergnügliche Lesestunden verschafft uns Vera Sieben mit ihrem Debutroman.
In flüssiger, angenehmer Sprache zeichnet sie sympathische und unsympathische Protagonisten, die man wunderbar akzeptieren kann und deren Aktivitäten gut nachvollziehbar sind.
Besonders pikant präsentiert sich die noble Wellness-Stätte in Kombination mit den Leichen der Inhaber.
Selbst wenn man erwähnen muss, dass das Mittel, welches den Tod der Bedauernswerten herbeiführte, 100prozentig natürlichen Ursprungs war, so ist ein Ableben in dieser Umgebung nicht so recht Etwas zum Wohlfühlen, sondern wirkt wunderbar deplaziert.
Auch das lockere Einbeziehen von Lokalkolorit und Spezialitäten der Düsseldorfer Gastronomie macht zusammen mit einem erfrischenden Wohlfühl-Programm den Charme dieses Kriminalromans aus.
Der Leser fühlt sich bestens unterhalten und kann dem Klavierspieler, der im Hotelbackground den song "What a wonderful world" spielt, nur zustimmen.
Hier würden die Dahingeschiedenen allerdings wohl zu einem anderen Urteil kommen.

Vergnügliche volle Sternenzahl vergebe ich gern.

Bewertung vom 09.12.2012
Die Kinder des Teufels Bd.2
Rausch, Roman

Die Kinder des Teufels Bd.2


ausgezeichnet

Gott schütze uns vor den Zeiten des Satans.


"Im ersten Brandt vier Personen.
Die Lieblerin.
Die alte Anckers Wittwe.
Die Gutbrodtin.
Die dicke Höckerin."
Das ist nur der Anfang eines endlosen, grauenvollen Verzeichnisses, das - wie angegeben - die Hexen-Leut, so zu Würzburg mit dem Schwert gerichtet und hernach verbrannt wurden, aufführt.
Im Winter 1629 liegt eine junge Frau in ihrer Kammer in den Wehen. Ohne ärztlichen Beistand, an ihrer Seite nur ihre hilflose, verzweifelte 11jährige Tochter Kathi und eine geldgierige, gefühllose Hebamme, die nicht einmal zu den Meisterrinnen ihrer Zunft gehört, schenkt sie einem Jungen das Leben, indem sie das ihrige dafür opfert. Kathi muss die Verantwortung für das Neugeborene übernehmen, das ein auffälliges Muttermal trägt und in eine gefährliche Zeit hineingeboren wird, wo alles Unerklärliche "des Teufels" ist und die Flammen der Scheiterhaufen, auf denen die sogenannten "Besagten" brennen, ihren Schein in alle Winkel der Stadt schicken, um die Verhexten aufzuspüren und im Feuer zu läutern.
In der Nacht seiner Geburt stürzt ein blutroter Meteor vom Himmel auf die Erde und zerbirst über der Stadt, die im Chaos von tödlicher Seuche und Inquisition unterzugehen scheint. Laut den Prophezeiungen soll dieser geschweifte Komet Zeichen für die Ankunft des Antichristen sein.
Kathi muss sich verbergen, um ihren Bruder vor den Verfolgern zu schützen, die glauben, dass die Vernichtung des gezeichneten Teufelskindes die Stadt retten und die Menschen vom satanischen Fluch befreien könnte.
Es wird eine Flucht auf Leben und Tod, immer in der Sorge um ihren Bruder, gehetzt von den Mächtigen der Obrigkeit und dem von düsterer Angst und Aberglauben verblendeten Volk.
Ein nahezu übermenschliches Unterfangen für Kathi und ihre Freunde.

In was für eine Zeit hat Roman Rausch uns wieder mitgenommen!
Basierend auf intensiven Recherchen und ausgestattet mit flüssiger, wortreicher Erzählkunst, versetzt er uns in eine Zeit der dunklen Verwirrung, abergläubischer Beschuldigung und angstvollem Wahn.
Die damalige Ohnmacht der Menschen, sich gegen eine Anklage wegen Hexerei zur Wehr zu setzen, wird dem Leser aufs Eindringlichste vermittelt, ein Todesurteil bedurfte nur eines Fingerzeigs.
Der Autor versteht es meisterhaft, den Protagonisten Leben einzuflößen und sie so dem Leser zu erschließen. Man leidet mit, wenn Kathi versucht, Krankheit und Schmerz mit ihren Kräutern zu heilen, man fürchtet Entdeckung, wenn die Verfolger auf ihrer Fährte sind und hasst die Dekadenz der Obrigkeit, die sich auf Kosten des geschundenen Volkes bereichert und rücksichtslosen Gesetzen huldigt.
Ein Buch als Spiegel der Zeit, das umfassend informiert und spannend erzählt - so sollte ein guter historischer Roman sein.
Ich denke mal, das ist Roman Rausch wieder einmal gelungen, dafür gibt es von mir eine Leseempfehlung und alle Sterne - allerdings mit der Auflage, die offenen Fragen im nächsten Band zu klären !

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.12.2012
Torstraße 1
Volks, Sybil

Torstraße 1


ausgezeichnet

Das Haus in der Torstraße.
Dies ist die Geschichte eines Hauses im Wandel der Zeiten. Allerdings ist es nicht nur irgend ein Haus, sondern das 1929 in Berlin eröffnete Kreditkaufhaus Jonass in der Torstraße 1, dessen wohlhabende, jüdische Besitzer, die Familie Grünberg, dort zu erschwinglichen Konditionen Luxus für Jedermann anbieten. Die junge, in bescheidenen Verhältnissen lebende Verkäuferin Vicky allerdings fühlt sich auf eine besondere Weise mit dieser Familie verbunden, da sie ihre große Liebe in Harry, dem Ältesten, gefunden hat, ein Kind von ihm erwartet und kurz vor der Niederkunft steht. Niemand weiß, wer der Vater des Kindes ist - nicht einmal ihre beste Freundin Elsie, denn eine Verbindung zwischen den beiden unterschiedlichen Gesellschaftsklassen ist unmöglich.
So kommt denn die kleine Elsa eher als erwartet auf die Welt. Während im festlich geschmückten Kaufhaus die Einweihung gefeiert wird, entbindet Vicky in einem kleinen Postraum mit Hilfe des Zimmermanns Wilhelm, der als Handwerker geholfen hatte, das Kaufhaus zu bauen und zum Fest geladen ist. Die starken, warmen Hände, die einst hier etwas Bleibendes geschaffen hatten, helfen auch Elsa ins Leben.
Als habe das Schicksal eine Bindung schaffen wollen, wird zur gleichen Zeit Wilhelms Sohn Bernhard geboren, den seine Mutter Martha allein zur Welt bringen muss, weil Wilhelm zu spät nachhause zurückkehrt.
Im Leben kreuzen sich dadurch die Wege beider Familien, eine tiefe Freundschaft entsteht zwischen Bernhard und Elsa, trotz aller Zwänge, die von Machthabern und politischen Gesinnungen und Maßnahmen ausgeübt werden.
Das Kaufhaus wird immer wieder Symbol für einen anderen Zeitgeist. Mal liegt in den Händen seiner Bewohner die Erziehung der Hitlerjugend, mal ist es Heimat der SED Zentrale oder Institut für Marxismus und Leninismus.
Heute - achtzig Jahre nach Elsas Geburt - als wieder einmal eine Eröffnung des Hauses die ehrwürdigen Mauern in neuen Glanz hüllt, seine Gebäude angefüllt sind mit Offices, Lofts und Lounges, Kinos und Restaurants, steht sie davor und fragt sich, ob sie hier Bernhard, nach Jahren der Trennung, wiedersehen wird.
Wird dieses "Schicksalshaus", über das nun in flammenden Reklame-Lichtern der Name "Soho House Berlin" geistert, auch für ihn immer noch der Ort sein, an dem er zurück zu seiner Liebe und seinen Wurzeln findet?

Es ist sehr schwierig, dieses Buch zu beurteilen und sich mit möglichst knappen, informativen Sätzen zufrieden zu geben. Das ist etwas, was mir absolut nicht gelingen konnte, denn es braucht doch eine Menge Worte, um den Emotionen gerecht zu werden, die dieses Buch geweckt hat.
Sybil Volks hat einen wunderbaren Roman geschrieben, das möchte ich gleich einleitend schon einmal deutlich machen.

Mit sehr guter Kenntnis der Zeitgeschichte und anschaulicher Schilderung der Handlungsschauplätze vermittelt sie dem Leser ein problemloses Eintauchen in das angesprochene Thema. Die flüssige, schöne Sprache, mit der sie die Protagonisten skizziert, lassen interessante, diskussionswürdige Charaktere entstehen, mit denen der Leser sich auf diese oder jene Art identifizieren kann.
Die Schriftstellerin greift einen Zeitrahmen auf, der gerade in Deutschland von gewaltiger Bedeutung war und immer noch ist. In wunderbarer Symbolik spielt dieses prachtvolle Haus eine tragende Rolle, und das ist so glaubwürdig, dass wir es vor uns sehen - in all seiner festlichen Eröffnungsschönheit als auch in der von Regimen auferlegten Propagandarolle.
Dieser Roman spiegelt das ganze Kaleidoskop menschlicher Empfindungen wider, warmherzig, mitfühlend und spannend erzählt - ein Buch, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte, weil es einen direkten Zugang zur Seele hat.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.11.2012
Die Hexe von Nassau
Steyer, Nicole

Die Hexe von Nassau


ausgezeichnet

Das achte Gebot - Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.

Man schreibt das Jahr 1676. Im Herzogtum Nassau regiert Graf Johannes, ein strenggläubiger, gesetzestreuer Landesfürst, dem das Wohl seiner Untertanen ebenso am Herzen liegt wie sein gottgefälliges Handeln, mit dem er glaubt, Gottes Wohlwollen für die Ewigkeit zu erreichen.
Als nun Mutmaßungen aus dem Kreise seiner Vertrauten an sein Ohr dringen, dass in einigen Fällen Hexenwerk im Gange sei, das den Bauern das Vieh sterben ließ und allerhand Schadenzauber Krankheit und Tod über die Menschen bringe, sieht er die Stunde gekommen, die Hexen aufspüren und einholen zu lassen, um damit sein Ansehen bei Gott zu erhöhen und Ungemach von seinem Volk abzuwenden.

Das ist willkommene Arbeit für den in seinen Diensten stehenden Henker Leonard Busch, den das Volk fürchtet, als sei er ein Abgesandter des Teufels. Dem wird die Entscheidung des Grafen den Säckel mit Münzen füllen und Verhöre und Hinrichtungen werden seine Grausamkeit befriedigen.
Als die junge Katharina Heinemann, die mit ihrer Mutter Eva nahe der Stadt Idstein einen kleinen Hof bewirtschaftet, durch Denunziation in seine Hände gerät, beherrscht ihn nur noch ein Gedanke : "Die Hexe muss brennen"

Nicole Steyer hat einen großen Roman geschrieben.
Gut recherchiert, in flüssigem Schreibstil und eindrucksvollen Worten malt sie ein Bild der damaligen Zeit.
Es gelingt ihr hervorragend, den Leser in diese Welt miteinzubinden. Er läuft mit durch schlammige, aufgeweichte Straßen, fürchtet die gefahrvolle Stille dunkler Torbögen, in denen der Gestank nach Fäkalien die Luft verpestet und leidet mit den unschuldig Angeklagten in der lautlosen Schwärze dunkler Verließe, die sich erst dann wieder öffnen, wenn danach die Flammen der Scheiterhaufen Licht bringen.

Umso anrührender sind die Momente der Liebe, des Vertrauens und der Menschlichkeit, die wieder Hoffnung aufleben lassen.

Nicole Steyers Buch ist eine beeindruckende Schilderung der damaligen Zeit und im Besonderen ein Plädoyer an alle Menschen, die dazu beitragen, die heutige Zeit zu gestalten.
Irgendwo auf der Welt ist immer noch "Nassau" - besiegt werden kann es nur durch unsere Loyalität und Menschlichkeit.

Ein Buch, das lange nachschwingt und in unseren Gedanken verweilt.
Einfach wunderbar.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.11.2012
Insel der schwarzen Perlen
Jordan, Noemi

Insel der schwarzen Perlen


ausgezeichnet

Hawaiianische Hommage.
Man schreibt das Frühjahr 2011. Auf Kauai, am Applerock, verfolgen Maja und Keanu den Bau ihres neuen Hauses. Maja, die auch einen Teil hawaiianisches Blut in sich trägt und Keanu auf einem Seminar in Nizza kennenlernte, hatte sich von ihrem damaligen Verlobten Stefan getrennt und war dem Geliebten in seine Heimat Hawaii gefolgt. Sie hatte München vor drei Monaten verlassen, damit das Kind, das sie von ihm erwartet, dort zur Welt kommen konnte, wo ihre gemeinsame Zukunft lag, dort wo man dem Paradies am nächsten zu sein schien.
Ebenso erlebte Eliza, die Tochter eines erfolgreichen Reeders aus Hamburg, die nach dessen Tod 1893 mit ihrer Mutter nach Kauai übergesetzt war, die Erfüllung ihres Schicksals in der Liebe zu Kelii, dem stolzen Hawaiianer aus dem Klan der Haifische, der sie lehrte, sein Volk zu verstehen und dessen Kind sie als Zeugnis ihrer Liebe zu ihm in sich trug.
Die Schicksale beider Frauen - durch viele Jahrzehnte getrennt - sind doch in ihren Abläufen verwoben. Über die "Tausend-Nebel-Pflanze" können beide Seelen Kontakt zueinander aufnehmen. Es sind nur Ahnungen und Gedanken, die sie oft miteinander teilen, ein Gespür für die Parallelität ihres Schicksals. Die "Kahunas", die Schamanen Hawaiis, sagen, dass es möglich ist, sich über Zeitebenen hinweg in den gleichen Menschen hineinzuträumen - eine hohe Kunst, die wenigen vergönnt ist.
In zwei Handlungssträngen packen uns die Wege, die das Schicksal für Maja und Elisa vorgezeichnet hat. Ihr Hawaii ist nicht mehr das unangetastete Paradies der lächelnden Einwohner, die ihre Götter fürchten und lieben, ihre Gesetze befolgen und mit der Natur in wunderbarem, allgewaltigem Einklang leben. Gefahren drohen diesem Refugium in Form von Mai Pake, der Lepra-Erkrankung, die Einwanderer mitbrachten, und der Reichtum der Inseln in Form von Früchten und Zuckerrohr ist der Nährboden für Profitgier und Brutalität, Machthunger und Korruption, deren tödlicher Armee die sanfte Schönheit der paradiesischen Inseln zum Opfer zu fallen droht.

Noemi Jordan hat ein wunderbares Buch geschrieben, spannend und interessant, romantisch und voller Gefühl. Man spürt ihre Liebe zu Hawaii, sie zeigt uns dieses Paradies mit all seiner Sonnenwärme, der Bläue seines Wassers und den duftenden Wolken seiner Blütenfülle - es ist "Lewa Lani", was auf Hawaiianisch "Himmelreich" bedeutet - die Autorin schreibt jedoch über alle Facetten, auch die dem Himmel abgekehrten Seiten.
Das Schicksal der beiden Frauen ist so intensiv geschildert, dass es den Leser gefangen nimmt, und die flüssige, wortreiche Sprache bringt absolutes Lesevergnügen.

Ich möchte sagen, dass man hier uneingeschränkt mit allen Sinnen genießen kann.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.