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Lesendes Federvieh
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München
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Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 08.07.2022
Das Lied des Waldes
Jahn, Klara

Das Lied des Waldes


sehr gut

Klara Jahn nimmt ihre Leser in ihrem neuesten Roman mit in die faszinierende Welt des Waldes, im heute und im gestern. Durch ihre anschaulichen und präzisen Beschreibungen der Fauna und Flora befindet man sich inmitten des Nürnberger Reichswaldes, in dem die Geschichten von Veronika und Anna angesiedelt sind.

Zunächst lernt man Veronika kennen, die eigentlich mit ihrer Familie in Frankfurt lebt und sich nun den Veränderungen ihres Lebens stellen muss. Nach dem Tod ihrer Mutter möchte sie das Elternhaus, das im Reichswald liegt, verkaufen, um sich ein neues berufliches Standbein aufbauen zu können. Dort angekommen, kommen längst vergessen geglaubte Erinnerungen wieder hoch. Im zweiten Handlungsstrang erzählt die Autorin von Anna Stromer, die im Mittelalter lebte und sich für den Schutz des Waldes einsetzte. Beiden Frauen liegt der Wald am Herzen, die eine muss es erst begreifen, die andere weiß es von Anfang an.

Wie immer bei Klara Jahn sind neben den realistisch und lebendig gezeichneten Figuren auch die historischen Fakten fundiert und spannend zu lesen, sodass mir die Passagen rund um Anna Stromer besonders gut gefallen haben. Aber auch die Kombination der Lebensentwürfe der beiden Frauen hat gut zusammengepasst, so hatte ich den Vergleich, wie es um den Wald in der Vergangenheit stand und mit welchen Problemen die Waldbesitzer heute zu kämpfen haben.

Überhaupt nimmt der Wald an sich eine große Rolle im Buch ein. Klara Jahn schafft es mühelos die ganz besondere Aura des Waldes zu schildern, sie beschreibt und erklärt auch viel Interessantes zu diesem Thema. Je mehr ich davon gelesen hatte, desto mehr konnte sie mich dafür begeistern beim nächsten Waldspaziergang genauer hinzusehen.

Für all diejenigen, die Interesse für die Natur und insbesondere dem Wald mitbringen und gleichzeitig eine unterhaltsame Handlung lieben, ist dieser angenehm und ruhig erzählter Roman genau das Richtige.

Bewertung vom 04.07.2022
Brunnenstraße
Sawatzki, Andrea

Brunnenstraße


sehr gut

Es ist unglaublich, was Andrea Sawatzki in ihrer Kindheit für eine Herkulesaufgabe gestemmt hat. Es ist schon für Erwachsene eine enorm schwierige Aufgabe einen an Alzheimer erkrankten Angehörigen zu betreuen und zu pflegen, was das für ein Kind bedeutet, beschreibt Andrea Sawatzki in ihrem Buch. Ungeschönt und grenzenlos ehrlich schildert sie das Drama in ihrer Kindheit. Neben den Anforderungen in der Schule und ohne Urlaub machen zu können und wieder Kräfte zu tanken, ging es über Jahre hinweg nur um ihren erkrankten Vater. Wie es ihr dabei erging, spielte keine Rolle.

Man muss sich dabei immer vor Augen halten, sie war ein achtjähriges Kind, dem dies alles aufgebürdet wurde. Dieses kräftezehrende ständige Hin- und Her zwischen Zuneigung, alles richtig machen zu wollen und auch Wut nahm von Seite zu Seite an Intensität zu. An manchen Stellen musste ich das Buch zuklappen, so heftig war das Geschriebene. Ich konnte mit eine Pause gönnen, das kleine, liebenswerte Mädchen nicht. Ich finde es absolut bewundernswert, wie sie diese Aufgabe geschafft hat.

Das Buch ist keine leichte Kost, denn es handelt von der stetigen Überforderung eines Kindes über einen Zeitraum vom achten bis zum fünfzehnten Lebensjahr (!) und es ist wirklich bewundernswert wie sie bedingungslos zu ihrer Mutter und auch zu ihrem Vater gehalten hat. Allein mit ihrer Mutter abwechselnd einen Alzheimerpatienten zu betreuen, verlangt Stärke und Kraft um das stemmen zu können. Zumal, so wie ich das lese, die beiden von niemandem Hilfe bekamen.

Besonders bewegt hat mich in diesem Zusammenhang eine Begebenheit als der Vater bereits tot war und Andrea versuchte ein normales Teenagerleben zu führen. Auf S.167 las ich fassungslos Folgendes: “Sie erfuhr von den Feiern immer nur von den Nachbarn. Plötzlich gab es sie doch.“ Das haben sie also gehört, alles andere nicht. Denn dann hätte man ja helfen müssen. Ich hoffe, diese Kultur des Wegsehens hat sich inzwischen ein bisschen gebessert.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.07.2022
ti amo
Oerstavik, Hanne

ti amo


ausgezeichnet

Was geschieht, wenn ein geliebter Mensch stirbt? Wie fühlt sich das an, das schrittweise Abschiednehmen, wenn das Ende näherrückt? Welche Kraft hat die Liebe in diesen Momenten und wie verändert sich eine Beziehung?

All das, was ich niemals gleichzeitig so schmerzhaft, tröstend und warmherzig in Worte fassen könnte, hat Hanne Ørstavik mit ihrem zarten, ruhigen und doch so verzweifelt starken Büchlein "ti amo" geschaffen, das Andreas Donat kunstvoll ins Deutsche übertragen hat.

Mit den Worten "ICH LIEBE DICH", das synonymisch für all die ungesagten Worte, Zweifel und Ängste steht, beginnt die tiefgreifende Auseinandersetzung der autobiografischen Erzählstimme im Angesicht des baldigen Krebstodes ihres geliebten Mannes. Frei von jedweder Kitschpoesie zeichnet Hanne Ørstavik berührende Sprachbilder, die das Herz schmerzhaft zusammendrücken, um es einige Augenblicke später in eine liebevolle, tröstende Umarmung zu hüllen.

Sie beleuchtet die Auswirkungen der Liebe, die Momente des Kennenlernens, ihre schriftstellerische Inspiration, aber auch die zermürbenden Arzt- und Apothekenbesuche sowie die unterschiedlichen Herangehensweisen an das Endgültige. Sein Wunsch nach gedanklicher Zerstreuung, das Nicht-Wissen-Wollen und Verdrängung stehen dabei konträr zu ihrer klaren, reflektierten Weitsicht, dem Informationsbedarf und der Frage nach dem Wann, was in ungeahnter Intensität direkt unter die Haut geht.

"ti amo" liest sich wie ein nachdenkliches Tagebuch, es ist ein wortweises Abschiednehmen voller kluger Gedanken, pulsierend changierender Emotionen und doch vor allem eines: die kraftvolle Liebeserklärung an einen Sterbenden und die Liebe selbst.

Bewertung vom 04.07.2022
Das Glück riecht nach Sommer
Werkmeister, Meike

Das Glück riecht nach Sommer


ausgezeichnet

„Das Glück riecht nach Sommer“ ist ein Buch zum Nächtedurchlesen mit tanzenden Schmetterlingen im Bauch, umhüllt von einer frischen Brise wie an einem lauen Sommerabend und dem glockenklaren Klirren von anstoßenden Gläsern begleitet von ausgelassenenen glücklichen und lachenden Stimmen. Kurzum: Sommerfeeling pur!

Meike Werkmeister könnte mit ihrem einfühlsamen Schreibstil und ihrer beeindruckend feinen Beobachtungsgabe vermutlich selbst einer vertrockneten Pflanze Leben einhauchen, so authentisch und durch und durch menschlich sind ihre Charaktere. Insbesondere in Inas goldige Senioren-Gartenlauben-Clique habe ich mich vom ersten Moment an schockverliebt, aber auch Filiz, Sebastian, Toni und all die anderen habe ich sofort in mein Herz geschlossen.

Freundschaft, aber auch der Mut an sich selbst zu glauben und auf das eigene Herz zu hören, um lange gehegte Träume zu verwirklichen, sind zentrale Themen dieses sommerlich leichten Romans, der gängige Klischees geschickt umschifft und stattdessen mit Tiefgang und atmosphärischem Hamburger Alsterflair punktet.

Noch im After-Werkmeister-Blues gefangen, habe ich mir direkt ihr Romandebüt „Sterne sieht man nur im Dunkeln“ geschnappt und ebenfalls in einem Rutsch verschlungen. Auch wenn ich late too the party bin: Ich bin jetzt offiziell Meike Werkmeister Fan!

Bewertung vom 05.06.2022
Das Arche Noah-Prinzip
Anour, René

Das Arche Noah-Prinzip


sehr gut

Seine kriminalhistorischen Romane rund um die Gerichtsmedizinerin Fanny habe ich nicht zuletzt dank des herrlichen Wiener Schmähs allesamt innerhalb kürzester Zeit verschlungen und meinem lesenden Umfeld vor Begeisterung in die Hand gedrückt. Jetzt hat Dr. René Anour mit „Das Arche Noah Prinzip – Heilung aus dem Tierreich“ sein erstes Sachbuch vorgelegt, das einer Liebeserklärung an die Vielfalt der Tierwelt gleicht und jede Menge Wissenswertes parat hält und dabei nie den für ihn so typischen Charme verliert.

In Anlehnung an die biblische Geschichte der Arche Noah widmet sich der Veterinärmediziner Dr. René Anour den Geheimnissen des Tierreichs und dessen faszinierenden Anpassungen, die bereits Grundlage für Forschungen jeglicher Art sind oder in Zukunft sein können. So berichtet er beispielsweise von den ewig jungbleibenden Hydren und ihrer Fähigkeit zur Regeneration, Panda-Power statt Antibiotika und den Vorteilen von Schnurrkuren. Der eigentliche Superstar der Tierwelt ist jedoch überraschenderweise ein Lebewesen, das durch sein spezielles Äußeres wohl keinen Schönheitswettbewerb gewinnen würde: der Nacktmull. Im Greisenalter ist er am stärksten, er erkrankt niemals an Krebs und produziert eine spezielle äußerst wirksame Form der Hyaluronsäure, um nur ein paar der zahlreichen spannenden Fakten zu nennen.

Dr. Anours Begeisterung ist ansteckend wie inspirierend: Durch seinen lockeren Erzählton wird einem nicht nur die haarige Spinne sympathisch, deren Gift nebenbei bemerkt in der Schmerzmittelforschung Anklang findet, sondern man bekommt obendrein einige nützliche Tipps an die Hand, wie man selbst mit nur wenigen Dingen unsere Natur und damit auch ihre zahlreichen Schätze schützen kann.

Am Ende jeden Kapitels findet man zudem eine knappe Zusammenfassung der besonders wissenswerten Details, was sich perfekt dazu eignet, das ein oder andere Schmankerl nochmal nachzuschlagen.

Bewertung vom 29.05.2022
Die Geschichte meiner Sexualität
Lakmaker, Tobi

Die Geschichte meiner Sexualität


sehr gut

Was meine neu entfachte Tetris Sucht mit Tobi Lakmakers „Die Geschichte meiner Sexualität“ (übersetzt von Christina Brunnenkamp) zu tun hat? Es war eine dieser typischen Äußerungen Sofies, die man nicht hat kommen sehen, und die einen in ihrer scheinbaren Belanglosigkeit stutzig werden lassen. In meinem Falle reichte ein nebensächlich eingeworfener Kommentar über den taktisch klügsten Einsatz des langen Steines, um meine Tetris App aus dem Standby zu befreien.

Denn Tobi Lakmaker sprengt mit seiner ganz eigenen, teils irritierenden, aber stets auf irgendeine Art berührende Erzählweise die Grenzen des althergebrachten literarischen Schreibens. Er bringt erzählerische wie thematische Frische hinein, sodass der staubige Begriff Entwicklungsroman hinter lebhafter queerer, fluider und Trans-Identität verblasst, obwohl es im Kern genau ein solcher ist: In drei großen Abschnitten widmet Tobi Lakmaker – der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch Sofie hieß – sich seiner Kindheit, Jugend und den jungen Erwachsenenjahren, schreibt von ersten sexuellen Erfahrungen mit Männern und Frauen auf der Suche nach Intimität und der eigenen Identität abseits von einengenden Gender-Kategorien.

Obgleich er mich im zweiten Abschnitt durch das Abschweifen seiner Gedanken und die Aufhebung jeglicher Chronologie kurzzeitig verloren hatte, fing er mich im dritten Teil mit einer überraschenden Tiefgründigkeit und Verletzlichkeit wieder ein. Es war beinahe so, als hätte er eine letzte Schicht abgezogen, um nun doch noch tiefergehende Einblicke in sein Gefühlsleben zu ermöglichen, nachdem er seine Fähigkeit dazu zuvor vehement abgestritten hatte.

„Die Geschichte meiner Sexualität“ ist laut, launisch und äußerst lebendig. Mit seinem ganz eigenen Humor, der zwischen dreistem Charme und ironischem Witz changiert, gewährt Tobi Lakmaker einen sehr persönlichen Einblick in eine wahre Geschichte, die nicht mehr oder weniger als die seines eigenen Lebens ist.

Bewertung vom 23.05.2022
Tiefes, dunkles Blau
Kobler, Seraina

Tiefes, dunkles Blau


gut

Mit Rosa Zambrano tritt eine neue Ermittlerin in Erscheinung. Ihr erster Fall ist bereits eine Herausforderung, denn der Tote ist Dr. Jansen und der ist ausgerechnet ihr Gynäkologe, bei dem sie erst vor kurzem Eizellen einfrieren ließ. Die Spurensuche führt Rosa nicht nur in seine Praxis, sondern auch in Genforschungslabore, ins Rotlichtmilieu und in die alternative Szene.

Spannende Themen für einen Krimi, doch irgendwie konnte mich die Umsetzung nicht vollständig überzeugen. Warum ist das so? Für mich standen die wirklich interessanten Beschreibungen Zürichs und das Privatleben Rosas zu sehr im Fokus der Geschichte.

Normalerweise lese ich gerne Krimis, die auch das Privatleben der Ermittler beleuchten, aber hier sind mir die Krimielemente doch etwas zu kurz gekommen. Ich habe vergebens auf überraschende Wendungen gewartet, die für mich zu einem spannenden Krimi dazugehören. Dafür fand ich die detaillierten Ausführungen zur Gentechnik und den damit verbundenen Gefahren sehr informativ zu lesen.

Alles in allem erlebte ich mit der sympathischen Rosa eine schöne Zeit in Zürich jenseits der Touristenströme. Nur der Nervenkitzel, den ich sonst bei Krimis verspüre, wollte sich nicht richtig einstellen.

Bewertung vom 23.05.2022
Ein Zuhause auf Sylt
Wolf, Lena

Ein Zuhause auf Sylt


sehr gut

Nach „Ein Sommer auf Sylt“ passt auch der neue Roman von Lena Wolf „Ein Zuhause auf Sylt“ perfekt in die Strandtasche, um abseits des Alltages einen entspannenden, buchigen Kurzurlaub auf dieser wunderschönen Nordseeinsel zu verbringen. Die Autorin beschreibt nicht nur die einzigartige Natur in leuchtenden Farben, sondern auch die ländliche Idylle auf dem Karsenhof. Es war so, als ob ich mittendrin wäre. Ich konnte den Wind spüren, hörte das Meer rauschen, war aber auch mit dabei im Stall bei der Ziegelise und ihrem niedlichen Nachwuchs.

Dort nun entwickelt sich die Geschichte über zwei so ungleiche Schwestern zu einem lockeren und sehr unterhaltsamen Roman, der vollgepackt ist mit Humor, aber auch an Ernsthaftigkeit nicht vermissen lässt und mit einer knisternden, romantischen Liebesgeschichte bewegt. Ihre so herrlich lebendig skizzierten Figuren, allen voran natürlich die bezaubernde kleine Mimi, konnte ich von Beginn an ins Herz schließen. Letztendlich auch Ella, mit der ich wegen ihrer für mich unbegreiflichen Naivität und ihrem nervösen Schluckauf so meine Anfangsschwierigkeiten hatte. Das haben die anderen Charaktere hingegen wieder locker wett gemacht.

Gerade mit der liebenswerten Mimi hat Lena Wolf hochbegabten und sensiblen Menschen ein Gesicht gegeben. Mit viel Fingerspitzengefühl hat sie dieses Thema ausführlich und glaubwürdig in die Handlung integriert. Sie zeigt anschaulich, dass hochbegabte Kinder eben nicht in die Schublade verhaltensauffälliger Kinder gehören, sondern einfach nur ihren entsprechenden Fähigkeiten besser gefördert werden, um dann auch glückliche Erwachsene sein zu können. Genau hinsehen ist oft der simple Weg zur richtigen Lösung - und genau das beschreibt Lena Wolf so schön in diesem Buch.

Bewertung vom 23.05.2022
Helena Rubinstein und das Geheimnis der Schönheit
Hanke, Birgid

Helena Rubinstein und das Geheimnis der Schönheit


sehr gut

640 Seiten aus dem Leben von Helena Rubinstein, deren Name für exquisite Cremes und Kosmetik der Luxusklasse steht. Zuerst dachte ich, "puh so ein dicker Wälzer", aber keine einzige Seite weniger hätte es sein dürfen, soviel hat diese begnadete Geschäftsfrau in ihren 95 Lebensjahren erlebt.

Eine bemerkenswerte Frau, hart zu sich selbst und zu anderen, aber trotzdem das Herz am rechten Fleck. Ihr eiserner Wille, ihr Durchsetzungsvermögen, ihre Energie und ihre zukunftsorientierte Weitsicht waren einfach unglaublich. Wenn man es zu dieser Zeit als Frau aus eigener Kraft schafft ein solches Imperium aufzubauen ist das schon sehr bewundernswert. Zumal sie aus ärmlichen Verhältnissen stammte und wirklich alles zunächst alleine stemmen musste. Wie sie ihre bahnbrechenden, so fortschrittlichen Ideen verwirklichen konnte und was sie dabei alles erlebte, genau das ist in diesem Buch spannend und mitreißend erzählt.

Durch die hervorragend recherchierten historischen Fakten gibt Birgid Hanke ihrem Roman ein fundiertes Gerüst, das sie mit fiktionalen, feinen Details aus Helenas Alltagsleben ausfüllt. Gerade durch diese Art des Erzählens wirkt alles so herrlich lebendig und authentisch. Dadurch konnte ich mir ein gutes Bild über diese einzigartige, ihrer Zeit weit vorausschauende starke Frau machen. Und gleichzeitig die Bekanntschaft mit vielen, interessanten Persönlichkeiten aus der Modebranche, der Kunstszene aber auch der Wissenschaft schließen.

Dieses absolut lesenswerte Romanporträt einer Weltbürgerin und großartigen Pionierin der Kosmetikbranche führte mich nicht nur in Helenas schillernde Welt, gleichzeitig offenbart es ein faszinierendes Stück Zeitgeschichte.

Bewertung vom 22.05.2022
Der Papierpalast
Heller, Miranda Cowley

Der Papierpalast


ausgezeichnet

Von Beginn an hat mich "Der Papierpalast" in seinen Bann gezogen, es gab kein Entrinnen so fasziniert war ich von dieser meisterlich erzählten Familiengeschichte, die jedoch weitaus mehr als eine leichte Sommerlektüre ist wie es Cover und Klappentext suggerieren.

Ich bin förmlich durch die Seiten dieses hochemotionalen und berührenden Romans geflogen, der vollkommen zurecht als "sommerlicher Suchtstoff" betitelt wird. Überrascht hat mich hingegen die Intensität der Themen, deren Variabilität von Missbrauch, Vergewaltigung und elterlichem Unvermögen bis hin zu Mord reicht und mich in ein unentrinnbares Wechselbad der Gefühle gestürzt hat.

Durch ihre atmosphärisch dichte, plastische, direkte und präzise Erzählweise sowie die bis ins kleinste Detail beschriebenen Szenen und Figuren erzeugt Miranda Cowley Heller eine grandiose Lebendigkeit, die hochemotional und für mich in manchen Passagen wirklich sehr beklemmend waren.

Selten habe ich solch eine fesselnde Kombination aus einer atemberaubenden Liebesgeschichte und einem Roman über eine schwierige Familienkonstellation gelesen, der mich während des Lesens und auch danach so beschäftigt hat. Große Leseempfehlung!