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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2090 Bewertungen
Bewertung vom 18.03.2025
Oh Sunny
Yun, Ta-Som Helena

Oh Sunny


ausgezeichnet

Ein intensives Buch

Ein Roman um Sunny, ein Mädchen in Bremen mit koreanischen Wurzeln.

Sunny spürt schnell, dass sie anders ist als die anderen. Anlehnen kann sie sich an die ältere Freundin Ha, die zeitweise bei ihren Eltern wohnte. Doch auch die verschlossene Ha hat so ihre Probleme.

Es gibt viele Konflikte zwischen ihr und den Eltern.
Auch mit Mitte 20 wird sie von ihnen noch wie ein Kind behandelt.
Dann gibt es einen Vorfall und Sunny bricht aus. Sie schneidet sich die langen Haare ab und reist nach Berlin zu Ha, die dort einen koreanischen Kulturverein leitet.
Dort beschäftigt sie sich auch mit typisch koreanischen Themen der Geschichte, z.B. dem Leid der Trostfrauen im zweiten Weltkrieg, Kriegsgewalt gegen Frauen, das Massaker in Gwangju 1980 etc.

Auch weil in erster Person erzählt wird, liest man hier eindringlich über die Suche einer jungen Frau nach dem richtigen Weg für sich.

Mit Ta-Som Helena Yun kann man hier eine weitere neue deutsche Autorin entdecken, die sich zu lesen lohnt.

Bewertung vom 18.03.2025
Schweben
Ben Saoud, Amira

Schweben


gut

Mimikry

Schweben ist der bei Zsolnay erschienene Debütroman der österreichischen Schriftstellerin Amira Ben Souad
Ein ungewöhnlicher Roman. Im ersten Moment schwer fassbar.
Das liegt auch daran, dass die Autorin einfallsreich ist und viele gediegene Ideen einfließen lässt.
Es ist eine andere Welt. Die Protagonistin hat einen ungewöhnlichen Beruf, oder soll man sagen Berufung, immer wieder in andere Rollen zu schlüpfen.
Sie nimmt die Rollen von Frauen ein, für Partner, die jeweils diese Beziehung nicht überwunden haben. Sie kann Aussehen, Mimik und Gestik imitieren. Dabei verliert sie selbst an Erinnerungen. Es wird ein Spiel mit Identitäten.
Für ihren aktuellen Auftrag wird sie für den Mann Gil dessen Emma.
Der Roman ist nicht direkt psychologisierend, weswegen man die Figuren manchmal nicht so ganz versteht.
Es ist ein Buch, auf das man sich einlassen muss. Dann kann es faszinierend sein.

Bewertung vom 17.03.2025
Die letzte Favoritin
Bädekerl, Klaus

Die letzte Favoritin


sehr gut

Ein litaneihafter Text

Ein Mann erzählt sein Leben von Kindheit an. Es wird ein Leben getrieben von Lust.
Die eine Erzählstimme wird konsequent durchgehalten. Das bestimmt das Buch. Der Text ist streckenweise unangenehm derb, aber auch mit Humor.
Klaus Bädekerl schafft es, mit seinem Text einen Sog zu erzeugen.

Bewertung vom 16.03.2025
Walzer für Niemand
Hunger, Sophie

Walzer für Niemand


sehr gut

Ein Song, ein Roman

Die bekannte Musikerin Sophie Hunger hat einen Roman geschrieben, der auf einen ihrer Songs basiert. Das Buch hat viel mit ihr selbst zu tun und natürlich auch viel mit Musik.
Die Erzählerin spricht innerlich ihren Jugendfreund an, mit dem sie aufgewachsen ist und den sie immer nur Niemand nennt, der ihr aber inzwischen abhandengekommen ist. Der Roman wird dadurch auch von einer Spur Trauer durchzogen.

Sie haben gemeinsam, dass sie Kinder von Diplomaten sind und daher viel umziehen mussten. Daher hatten sie meist nur sich selbst und ihre gemeinsamen Interessen an anspruchsvoller Kultur, insbesondere Musik.
Manchmal konnte man sogar annehmen, dass Niemand nicht real ist, sondern ein eingebildeter Freund.

Sophie Hunger setzt ein Leitmotiv ein, die Walserinnen, ein Schweizer Bergvolk im hochalpinen Raum. Zwischen den einzelnen Kapiteln sind daher immer Passagen mit diesen Walserinnen eingebunden. Vielleicht hätte es das nicht unbedingt gebraucht, doch es gibt dem Buch eine Struktur.

Bewertung vom 16.03.2025
Halbinsel (eBook, ePUB)
Bilkau, Kristine

Halbinsel (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Mutter-Tochter-Beziehung

Es ist ein ruhiger Roman, der dennoch eindrücklich wirkt.
Erzählt wird aus Perspektive einer Mutter, deren Tochter, ca. Anfang bis Mitte 20, einen Zusammenbruch hatte. Die Umstände sind etwas unklar.
Durch das Erzählen in erster Person kommt man der Hauptfigur sehr nahe.
Annett nimmt Linn zu sich, damit sie sich erholen kann.
Als Linn in Ohnmacht gefallen war, sollte sie dabei Schäden an einem wertvollen Bild verursacht haben und jetzt dafür zahlen. Annett fühlt sich schuldig, dass sie ihre Tochter nicht ausreichend versichert hatte.
Die Tochter, die eigentlich früh selbstständig war, entwickelt sich praktisch zurück.
Aber als Leser fragt man sich, was ist denn da wirklich passiert. Ist Linn vielleicht doch verantwortlich? Ich halte Annett nicht für naiv, außer in einem Punkt. Ihr blindes Vertrauen in Linn.
Interessant wird es am Ende, als die Autorin das Thema auf eine andere, universelle Ebene bringt.
Der Roman hat einen ansprechenden Stil, wie ich ihn mag und entwickelt eine ganz eigene Atmosphäre.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.03.2025
Die Kriege der Gegenwart und der Beginn einer neuen Weltordnung
Fischer, Joschka

Die Kriege der Gegenwart und der Beginn einer neuen Weltordnung


sehr gut

Illusionslose Analyse

Joschka Fischer, heute mit 75 in einer Rolle, die früher Helmut Schmidt als Altkanzler inne hatte.
Er ist raus aus dem aktuellen Politikleben, hat aber viele Kemnntnisse. Hier schreibt er illusionslos über die Kriege in der Ukraine und Israel/Palästina sowie der Rolle der USA und was das für Deutschland bedeutete.
Die realistische, schonungslose Einschätzung tut gut, denn die Versprechungen der Parteien im Wahlkampf waren kaum glaubhaft.

Zwar sind noch nicht die neuesten Entscheidungen von Donald Trump im Buch enthalten, aber im Kapitel „Qua Vadis, USA“ blickt Fischer zurück bis in die Zeit nach 9/11, dem Krieg gegen Irak, auch die Obama-Zeit und fasst somit gut zusammen.
Auch ein Kapitel zu China ist enthalten. Dann wieder ein umfassender Blick auf Europa.

Ein lesenswertes Politsachbuch, wobei kaum ein Warn- und Weckruf, wie etwas übertrieben beworben, denn konkrete Lösungen hat auch Fischer nicht. Einen kritischen Blick auf Europas Zustand hat Joschka Fischer aber schon länger.

Bewertung vom 13.03.2025
Das Leben fing im Sommer an
Kramer, Christoph

Das Leben fing im Sommer an


sehr gut

Sommer 2006

Christoph Kramer beschreibt erstaunlich ehrlich seine erste Liebe, als 15 Jahre alt war. Es ist 2006 und ein heisser Sommer.
Seine Angebetete heißt Debbie. Und eines Abends nach dem Kino kommt es zum ersten Kuss.
Christoph Kramer ist offenbar ein Romantiker, denn diese Passage beschreibt er ausführlich als zentrale Stelle im Buch.
Diese neue Beziehung scheitert aber schnell.
Konstant bleibt aber seine Freundschaft zu seinem Kumpel Johnny.

Der Roman ist die Momentaufnahme der Gefühlswelt eines Jugendlichen in der beschriebenen Zeit.
Christoph Kramer beschreibt das auf lockere, überwiegend positive Art.

Bewertung vom 12.03.2025
Tiny House (eBook, ePUB)
Wurmitzer, Mario

Tiny House (eBook, ePUB)


sehr gut

Der Protagonist und Icherzähler ist ein junger Mann, der Literatur und Soziologie studierte und jetzt einen ungewöhnlichen Job angenommen hat. Er zieht in ein Tiny House und es wird gefilmt und gestreamt, wie er darin lebt. Eine Werbemaßnahme der Hersteller. Doch eines Tages brennt das Tinyhouse ab und kurze weitere Versuche scheitern, so das er den Job verliert.
Eigentlich kennt man diesen Teil des Buches schon durch den Text „Das Tiny House ist abgebrannt“, der 2023 beim Bachmannpreis gelesen wurde. Mario Wurmister hat den Text weiter ausgebaut, aber man muss schon sagen, dass der erste Teil der stärkste ist. Danach plätschert es streckenweise. Der Plot ist solide, aber lange nicht viel mehr. Erst das letzte Romanviertel stellt wieder eine Steigerung dar. Es ist ein lesenswertes Buch, da eine feine Ironie den Roman durchzieht.

Bewertung vom 12.03.2025
Die Hochzeit
Carnal, Marc

Die Hochzeit


gut

Ein Buch, das einen Tag zeigt, einen Hochzeitstag.
Es beginnt schon morgens schlecht mit einem Hexenschuss des Wirts, die Köchin motzt und im Verlaufe des Tages geht noch mehr schief, zum Beispiel taucht die Braut nicht auf.

Überraschenderweise ist das Buch außerordentlich viel illustriert. Jedoch sind es relativ einfache, wenig ansprechende Illustrationen.

Dadurch sind auf manchen Seiten wenig Text, der abschnittsweise sogar gereimt ist.

Das Problem mit dem Buch ist dessen Derbheit. Das liegt nicht jedem.

Bewertung vom 12.03.2025
Der Einfluss der Fasane
Strubel, Antje Rávik

Der Einfluss der Fasane


sehr gut

Hella Karl

Der Einfluss der Fasane ist auf dem ersten Blick nicht so komplex wie Antje Ravic Strubels Erfolgsbuch Die blaue Frau. Aber auch dieses Buch hat ein relevantes Thema.
Mit der Journalistin Hella Karl hat die Autorin eine gute Figur geschaffen, stark und sensibel zugleich.
Trotzdem muss sie sich mit einer schwierigen Situation auseinandersetzen. Die Verantwortung für den Selbstmord eines Mannes wird ihr vorgeworfen, da sie einen kritischen Artikel gegen ihn geschrieben hat.
Der Roman ist relativ ruhig gehalten, sprachlich weniger fordernd als erwartet. Das sie damit noch einmal den Deutschen Buchpreis gewinnt, wie sie es 2021 schaffte, glaube ich nicht.
Es ist ein interessantes Buch, aber vielleicht zu unspektakulär für meinen Geschmack. Doch für die Sorgfalt, mit der der Roman geschrieben ist, kann man als Leser dankbar sein.