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Kristall86
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an der Nordsee

Bewertungen

Insgesamt 2137 Bewertungen
Bewertung vom 01.04.2024
Das Jahr ohne Sommer
Neumann, Constanze

Das Jahr ohne Sommer


ausgezeichnet

!ein Lesehighlight 2024!



Klappentext:

„Vom Gehen und Ankommen



Wohin geht man, wenn man im Nirgendwo steht: zwischen zwei Ländern, zwischen nahen Erinnerungen und ferner Gegenwart, zwischen einem stets redenden Vater und einer schweigenden Mutter?



Das Mädchen ist sechs, als sie die DDR verlässt und mit ihrer Familie ein neues Leben im äußersten Westen Deutschlands beginnt. Warten dort die Verheißungen, auf die ihre Eltern gehofft haben? Kann der Vater sich neu erfinden, wird die Mutter ihre Krankheit, aus DDR-Gefängnissen mitgebracht, überwinden? Das Kind sehnt sich nach der Großmutter im fernen Leipzig und lernt, wie die Aachener zu reden: ein Schweben zwischen den Welten, das auch nicht zu Ende geht, als 1989 die Mauer fällt.



Constanze Neumann erzählt von einem Leben im Dazwischen und wie man sich auf der Suche nach Heimat zugleich finden und verlieren kann.“



Romane rund um dieses Heimat-such-Gefühl gibt es mittlerweile zu Hauff auf dem Buchmarkt genau wie Literatur rund um Seelen die in der DDR gelebt haben. Warum also ist dieser Roman von Constanze Neumann einerseits anders und andererseits so herausragend im wahrsten Sinne? Neumann erzählt uns hier die Geschichte eines sechsjährigen Mädchens namens Constanze welches seine alte Heimat, die DDR, verlässt um mit seinem Eltern im Westen ein neues Leben zu starten. Widerstand ist zwecklos. Als Kind geht man dahin wo die Eltern hingehen. Und mit sechs Jahren hat man sowieso noch nicht den Mut und den Verstand seine Meinung darüber kundzutun. Wir erleben hier also eben jenen genanten Verlauf und begleiten die Familie in ihr neues Leben. Es gibt Erwartungen, es gibt Sehnsüchte, es gibt neue Düfte, neue Dialekte, neue Eindrücke die alles überfordern in diesem kleinen aber auch den erwachsenen Körpern. Die Seelen ihrer Familie sind stark geschädigt. Neumann beschreibt dies wirklich nicht nur grandios auf emotionale Weise sondern eben auch geschichtlich untermauert. Hier wird nichts beschönigt, nichts blumig geredet und vor allem nichts verheimlicht aber auch nichts zu emotional beschrieben. Es gibt hier Null Effekthascherei. Neumann sprengt hier Gürtel und zwar die, die gerne einfach mal lange zugehalten worden sind, da man nunmal über diese Weggänge einfach nicht so ohne weiteres spricht. Warum? Irgendwie war man Landesverräter. Irgendwie galt man als Spinner, der wohl auf der Suche nach dem großen „Gold“ war und überhaupt. Die innerlichen Sehnsüchte nach all dem DDR-Mief war grenzenlos und emotional sehr schwer zu bändigen. Aber unsere kleine Erzählern Constanze hat ebenfalls Sehnsüchte genau wie die Großen. Da ist zum Beispiel die große Sehnsucht nach ihrer lieben Oma im fernen Leipzig. Man kann sie verstehen. Man geht gedanklich dabei selbst in glückliche Kindertage bei Oma und Opa zurück und ja, man kann unsere kleine Erzählerin verstehen. Nur das unsere Kleine hier zu ihrer Oma ein sehr inniges Verhältnis hat, denn nachdem ihre Eltern beim Fluchtversuch aus der DDR zu fliehen erwischt wurden, kam sie über Umwege zu ihrer Großmutter. Der Neuanfang in der BRD ist als gemacht aber die Gedanken kreisen immer noch in der alten Heimat umher. Wo ist denn eigentlich Heimat? Wann ist man mit ihr Eins? Unsere Autorin wird in vielen Aspekten etwas philosophisch ohne dabei zu klischeehaft zu werden. Diese Mischung ist ihr fabelhaft gelungen! Neumann schreibt hier autobiografisch. Sie hat selbst diese Geschichte erlebt und dennoch liest sie sich eher wie ein Roman und nicht wie eine Autobiografie. Großartig! Ihr Schreibstil ist so fein akzentuiert, so fein gelegt und austariert, dass es nur so ein Lesegenuss war. Für mich persönlich war dieser Roman sehr bewegend, da ich fast das gleiche Schicksale wie die Autorin erlebt habe aber dann kam doch alles anders als gedacht aber dennoch…Constanze Neumann hat hier wirklich einen grandiosen Roman verfasst, der eben vom Leben geschrieben wurde. Ich wurde gern mehr als 5 Sterne für dieses besondere Werk vergeben wenn möglich!

Bewertung vom 31.03.2024
Das Befinden auf dem Lande. Verortung einer Lebensart
Vedder, Björn

Das Befinden auf dem Lande. Verortung einer Lebensart


weniger gut

Klappentext:

„Die Städte wachsen, aber immer mehr Menschen zieht es auch raus in die Provinz. Auch Björn Vedder ist zurück in eine ländliche Gemeinde gezogen. Mittlerweile aber lautet seine gewagte These: Die Provinz macht gemein.



Denn hinter den ach so beschaulichen Fassaden verbirgt sich oft eine andere Realität: eine krude Mischung aus Vermögens- und Familienwerten, Statuskonsum, Anpassungsdruck und sozialer Kontrolle. Eine kleine Verhaltensabweichung genügt, und man wird von der Mehrheit gejagt, gehänselt, geächtet, beschämt. Gemeinschaft birgt Gemeinheit. Warum nur wollen dann alle »raus«?



Anhand eigener Erfahrungen und mit viel schwarzem Humor demontiert Björn Vedder den Mythos vom besseren Leben in ländlichen Gegenden und entlarvt eine grundlegende Geisteshaltung, die für ihn nicht mehr nur in der Provinz zu finden ist, sondern als provinzieller Geist unsere Gesellschaft ergreift.“



Vorab, warum ich dieses Buch so beurteile wie ich es beurteile: ich bin in einer Kleinstadt umzingelt von Landwirtschaft aufgewachsen und wohne nun ebenfalls auf dem Land. Zwar 700km von meiner Heimat entfernt aber Land ist Land und das Landleben ist, ja, speziell. Auch wir haben sehr viele positive aber auch negative Erfahrungen damit gemacht. Wie also damit umgehen? Man muss eben damit umgehen und ja, tolerant sein, die Dinge auch mal Dinge sein lassen und sich eben nicht über Alles und Jeden aufregen. Manchmal ist mitmachen ganz hilfreich, manchmal auch den Mund aufmachen aber manchmal ist es einfach auch gut nur stiller Beobachter zu sein. Und, und das muss klar gesagt werden: das Dirfleben mit seiner Landwirtschaft ist keinesfalls zu verachten! Wer das aber hier auf wirklich heftige Weise tut ist unser Autor. Er speit hier seine ganze Frustration auf das Landleben heraus wo er einst aufgewachsen ist und später sogar wieder hingezogen ist. Er schreibt davon wie verlogen alle sind, wie grausam und und und. Hilfe, und zwar sehr viele davon, scheint er sich in hohem Maße bei verschiedenen Autoren und Schriftstellern zu holen. Er untermauert seine Erfahrungen in diesem Buch mit reichlich, fast schon überladend, verschiedenen Zitaten die wohl seine Sicht stärken sollen. Jeder Psychologe wird hier wohl ein gewisses Muster erkennen: die eigene Meinung stärken durch andere Meinungen. Wobei das halt nur Sinn macht wenn man sich selbst nicht stark genug dafür fühlt und das scheint wohl bei dem Autor der Fall zu sein. Er zieht hier wahrlich so arg vom Leder, dass man sich fragt, warum er überhaupt so lange auf dem Dorf gelebt hat! Warum denn nicht wieder die Flucht ergreifen wenn es einfach nicht passt? Man muss sich doch nicht selbst strafen! Seine Argumentationen und seine Thesen wirken eher wie pure Verteidigung gegen das Böse aber weniger authentisch bzw. nachvollziehbar. Einiges passte, ja, aber ich muss es klar aussprechen: das meiste war hier wirklich Geschwurbel. Das Buch war weder sachlich verfasst noch zeigte sich irgendein Humor. Nicht mal schwarzer Humor war zu erkennen für meine Begriffe und gerade da bin ich keineswegs immun gegen, ganz im Gegenteil. Fazit: Dieses Buch ist eine persönliche Abrechnung mit dem Dorfleben, die man definitiv nicht lesen muss. 1,5 Sterne hierfür.

Bewertung vom 31.03.2024
Der falsche Vermeer
van Odijk, Patrick

Der falsche Vermeer


ausgezeichnet

Klappentext:

„Ein unbekanntes Gemälde Vermeers und eine junge Reporterin auf der Jagd nach der Story ihres Lebens



Nach der Befreiung der Niederlande 1945 herrscht ein Klima des Aufbruchs. Jetzt sind neue Stimmen gefragt: So wie die der Reporterin Meg van Hettema, die ihren Mut schon im Untergrund unter Beweis gestellt hat und sich jetzt keineswegs mit dem Schreiben von harmlosen Alltagsgeschichten zufrieden geben will. Bei Recherchen stößt sie auf den brisanten Fall des Malers Jan van Aelst, dem vorgeworfen wird, niederländische Kunst an Nazis verkauft zu haben. Doch van Aelst besteht darauf, die Nazis in Wahrheit raffiniert ausgetrickst zu haben. Um sich in diesem Labyrinth aus Geheimnissen zurechtzufinden, braucht es einen unbestechlichen Blick, Hartnäckigkeit und keine Scheu vor Autoritäten – genau die Qualitäten, für die Meg steht.



Basierend auf einer wahren Begebenheit erzählt Patrick van Odijk nicht nur von einem der größten Kunstskandale der Nachkriegszeit, sondern vermittelt auch einen Einblick in die faszinierende Welt der Malerei, Fälscherwerkstätten und Zeitungsredaktionen.“



Autor Patrick van Odijk hat mit „Der falsche Vermeer“ eine besondere Geschichte aufgegriffen die auf wahren Begebenheiten beruht. Erzählt wird hier die Geschichte der Reporterin Meg, die die Geschichte des vermeintlichen Kunstfälschers Jan van Aelst näher beleuchten will. Warum dies interessant ist? Nun van Aelst soll mit den Nazis Geschäfte gemacht haben und somit mit ihnen sympathisieren. Van Aelst erzählt hier auch seine Geschichte und Meg versucht die Wahrheit ans Licht zu bringen doch was ist Wahrheit und was ist Lüge? Hintergrund dieser Geschichte ist das Leben des wohl begabtesten Kunstfälschers des 20. Jahrhunderts: Han van Meegeren. Van Meegeren hatte ein besonderes Talent und nutzt dies für seine Zwecke mehr als reichlich aus. Er fälschte u.a. mehrere Vermeers und erlangte damit stattliche Geldsummen. Er kam aber auch dadurch ins Gerede und seine Fassade konnte nur bis zu einem gewissen Punkt aufrecht erhalten werden. Was über diesen Kunstfälscher alles bekannt ist, wird selbst heute noch in Frage gestellt, da dieser ein sehr konspiratives Leben geführt hat. So blieb unserem Autor Patrick van Odijk nichts anderes übrig als hier Fiktion und Realität zu vermischen. Ich muss klar sagen, dies ist ihm wirklich sehr gut gelungen. In einer Art Kriminalgeschichte diese Story mit einzubinden ohne dabei sich zu verzetteln ist schon beachtlich. Ja, hier und da driftet van Odijk ab und fischt etwas im Trüben aber dennoch steht diese Geschichte mit der Realität doch recht im Einklang. Der Tenor der Geschichte ist ebenfalls klar: ein Mensch hat seine Talente genutzt und somit große Größen der damaligen Zeit komplett geblendet. Ihm wurde alles im wahrsten Sinne abgekauft und er hat sich in seinem eigenen Glanze gesonnt. Dass dies nicht bis in alle Ewigkeit gut gehen konnte, ist zwar abzusehen aber die Art und Weise wie dahinter gekommen wurde, ist schon wirklich lesenswert und sehr gut hier verpackt worden. Meg ist einem von der ersten his zur letzten Seite an sympathisch und man fiebert als Leser mit ihr mit. Aber auch das Leben unseres Kunstfälschers ist auf groteske Art und Weise spannend zu verfolgen. Was hier ganz wichtig zu erwähnen sei: unser Autor beschreibt den sehr flüssigen Lebensstil unseres Kunstfälschers mehr als intensiv. Wer glaubt hier wurde übertrieben, der irrt. In der Realität war van Meegeren in extremen Maße nikotinsüchtig, alkoholsüchtig und auch abhängig von Morphin. Uns zwar so extrem, dass es fast nicht zu glauben ist. So zumindest aus den heutigen Quellen zu entnehmen. Dass unser Autor dann eben in gewisser Weise improvisieren musste, ist ihm nicht zu verübeln. Es ist ihm wahrlich gut gelungen und dafür gibt es 4,5 Sterne von mir für dieses Debüt!

Bewertung vom 31.03.2024
Der Bauernspiegel
Gotthelf, Jeremias;Theisohn, Philipp

Der Bauernspiegel


ausgezeichnet

Klappentext:

„Mit dem ›Bauernspiegel‹ wurde aus dem Pfarrer Albert Bitzius der Schriftsteller Jeremias Gotthelf. Mit Zorn und Humor erzählt er in seinem ersten Roman das Leben eines »Verdingkindes«, dessen Weg aus der Knechtschaft es bis ins Paris der Julirevolution führt. Die Schonungslosigkeit, mit der Gotthelf der eigenen Welt – den Bauernfamilien, aber auch den Schulmeistern und Politikern – den Spiegel vorhält, sorgte schon zu Zeiten der Erstveröffentlichung für Aufruhr und hat bis heute nichts an Brisanz und Aktualität verloren.“



Pfarrer Albert Bitzius erzählt uns hier mit seinem Psyeudonym „Jeremias Gotthelf“ eine Art Lebensgeschichte. Man könnte das Buch auch als Biografie der Menschen im Emmental ansehen. Der gewählte Name „Jeremias“ (bibl. der Verfasser der Klagelieder) sowie „Gotthelf“ (selbsterklärend; bedeutet: dem Gott hilft) ist dabei keineswegs unbedeutend gewählt. Als Pfarrer in der damaligen Zeit des 19. Jahrhunderts so etwas zu schreiben, war schon eine Revolution. Dieses Buch sorgte für enormes Aufsehen. Obwohl bereits andere Romane von ihm erschienen sind, so ist doch „Der Bauernspiegel“ sein Erstling und von bedeutendem Interesse. Gotthelf erzählt uns auf sehr eindringlich und ungeschönte Weise wie ein Kind damals so aufgewachsen ist. Diese Zeilen zu lesen sind wahrlich harte Kost im Vergleich zu unserem geruhsamen Leben heute. Unser Erzähler muss als „Verdingkind“ sein Dasein fristen, wie es war als Kind richtig hart zu arbeiten, wie es war Vater und Mutter zu verlieren und dabei eine kleine Kinderseele zu sein. In seinen Erzählungen ist er ehrlich und authentisch denn er beschreibt nicht nur ein Leben sondern wie sich die Gesellschaft um dieses herum ebenfalls zeigte. Egal ob die Menschen im Dorf, die geschichtlichen Ereignisse oder auch die politischen Entwicklungen, alles wird beleuchtet. Er hält nicht nur sich als Erzähler den Spiegel hin, sondern auch der Gesellschaft. Er zeigt wie mit einem umgegangen wurde und wie andere dies bewertet haben. Eine grausame Analyse die mit der heutigen Zeit leider immer noch zu vergleichen ist. Gotthelf wählte dabei aber immer passend entweder einen ernsten aber auch einen humorvollen Ton. Das will wahrlich gekonnt sein aber ihm glückte es bravourös! Aber wie nur kam Bitzius auf die Idee so eine Geschichte zu schreiben? Es ist eine fiktive Autobiografie, das muss man wissen und wenn man sich mit Bitzius befasst, wird schnell klar, seine Auffassungsgabe als Theologe genau hinzusehen, aber auch seine Arbeit als Schulkommissär bescherten ihm viele wahre Geschichten. Er hatte immer ein Auge auf die Notleidenden und Armen und dies wurde ihn seinem Leben eine wahre Lebensaufgabe diesen armen Seelen zu helfen. Auch damit eckte Bitzius in der Gesellschaft an, aber auch davon liess er sich nicht beirren. Dieser Roman hier ist Fiktion aber mit wahrem Hintergrund und eine Art wuchtiges Zeitzeugnis aber, und das darf dabei nicht vergessen werden, erzählt uns Jeremias Gotthelf auch von der Schönheit der Natur und ihren Lebewesen. Es scheint fast wie eine andere Welt wenn er darüber berichtet, es scheint wie eine gute und eine böse Welt die grenzenlos zu sein scheint. Fazit hierfür: ein zeitloses Meisterwerk mit ganz starkem Inhalt und noch stärker Message die man erst beim lesen der Geschichte richtig verinnerlicht. 5 Sterne für dieses Werk!

Bewertung vom 26.03.2024
Wandern bei Nacht
Lewis-Stempel, John

Wandern bei Nacht


ausgezeichnet

!ein Lesehighlight 2024!



Klappentext:

„John Lewis-Stempel nimmt uns mit auf vier nächtliche Wanderungen und enthüllt eine Welt voller Leben, die uns normalerweise verborgen bleibt. Ob im Wald, am Fluss, auf dem Hügel oder auf dem Feld: Jenseits der Straßenlaternen der Zivilisation kann man immer noch den Ruf der Wildnis hören – wenn wir uns im Dunkeln auf den Weg machen. Nachts schlägt die Stunde der Tiere: Da boxen Hasen auf gepflügten Feldern, Fledermäuse wirbeln am Himmel, Igel gehen auf Wanderschaft.

Mit seiner funkelnden Prosa lockt uns John Lewis-Stempel ins Land der Schatten und enthüllt uns eine Welt, in die es sich einzutauchen lohnt. ›Wandern bei Nacht‹ ist eine wunderbar poetische Lektüre und eine Einladung, etwas völlig Neues zu erleben, ohne eine weite Reise tun zu müssen.“



Ich bin ein sehr großer Fan von John Lewis-Stempel. Seine Bücher berühren beim lesen auf besondere Art und hallen nach. So auch hier. Das Thema „Natur in der Nacht“ wurde bereits im Jahr 2023 von Autorin Sophia Kimmig im Sachbuch „Lebendige Nacht“ betrachtet. Ein großartiges Werk (aber eben ein Sachbuch)! Aber es schafft keiner so lyrisch, so poetisch, so besonders wie eben John Lewis-Stempel die Nacht und ihr Leben in Worte zu packen. Er nimmt uns hier mit auf verschiedenen Nachtwanderungen. Genau das, was man im Feriencamp oder auf einer Klassenfahrt als Highlight empfand und wenn wir ehrlich sind, ist es das auch noch als Erwachsener. Wir gehen also mit Lewis-Stempel in die Nacht und sehen mehr als wir gedacht hätten. Er formt die Worte wieder so richtig herrlich lieblich und offenbart uns eine ganz eigene Welt, die man eben so nicht sieht und wahrnimmt. Er gibt uns das Gefühl kein Eindringling zu sein, sondern stiller Beobachter, der sich an dem erfreut was er sieht bzw. erahnen kann. Oft sieht man nämlich nichts, aber dafür hört man umso mehr! Die Sinne werden in der Dunkelheit geschärft und es grenzt schon fast an Magie wer in der Nacht von unserer Tierwelt alles so aktiv ist! Dadurch das Lewis-Stempel alle vier Jahreszeiten für je eine Nachtwanderung genutzt hat, erhalten wir ein rundes Bild. Und durch seine „nächtlichen Notizen“ dürfen wir auch seine Sichtweisen und Gefühle erlesen. Lewis-Stempel verzaubert hier den Leser wieder einmal komplett und beschreibt unsere einmalige Natur wie es wohl nur er kann! Dieses kleine Büchlein ist wieder grandios und voller Wärme und Güte. Der Autor weiß genau wo er den Leser packen an und wie man die Natur mit Worten gebührend würdigt. 5 Sterne für dieses kleine große Meisterwerk!

Bewertung vom 26.03.2024
Miron Schmückle

Miron Schmückle


ausgezeichnet

Klappentext:

„Der rumänisch-deutsche Künstler Miron Schmückle gehört zu den singulären Protagonisten der Gegenwartskunst. Aufgewachsen in Rumänien unter Ceaușescu, träumte er sich bereits als Kind in andere Welten, die durch den Eisernen Vorhang unerreichbar schienen. Schmückles einzigartig kohärenter Bilderkosmos war von Anfang an mit der Vorstellung von Urwald und Dschungel verbunden und oszilliert zwischen feinmalerischem Hyperrealismus und unverstelltem Eskapismus, präziser Naturbeobachtung und überbordender Vorstellungskraft. Die geradezu wissenschaftlich-botanische Herangehensweise täuscht über die Tatsache hinweg, dass seine komplexen Schöpfungen nicht der Natur entsprungen sind, sondern der Fantasie. In Schmückles faszinierenden Mischwesen aus Pflanzen- und Tierwelt verschmelzen Duft und Gift, Schönheit und Vergänglichkeit, Anatomie und Sexualität zu einem ebenso überzeitlichen wie aus der Zeit gefallenen Gesamtwerk zwischen Wahrheit und Erfindung.

Die Monografie umfasst die Arbeiten der letzten 15 Jahre und gibt in einem Interview zwischen dem Künstler und Kunsthistoriker und Journalisten Simon Elson Einblicke in Thematik, Konzept und Technik.“



Gleich vorab: welch grandiose Optik und Haptik hier für dieses Buch gewählt wurde! Ein herrlich dicker, in Leinen gebundener Einband schützt einen besonderen Inhalt. Die Buchseiten sind von feiner aber dennoch fester Struktur und die Drucke sind brillant! Ebenso sind die Farben strahlend schön. Preis-Leistung ist bei diesem Buch wirklich absolute Spitze! Zum Inhalt: der Künstler war mir bis zu diesem Buch unbekannt. Ich war angezogen von den floralen Zeichnungen und es erwartet hier den Leser und Betrachter eine Reise in eine andere florale Welt. Die Zeichnungen von Schmückle erinnern stark an botanische Zeichnungen von Merian und Co.. Es bedarf nicht jur einer ruhigen Hand sondern auch einen enormen Auffassungsgabe. Schmückle geht aber dabei noch einen Schritt weiter - er schafft sich seine eigene florale Welt. Wenn man einmal in diesem Buch versunken ist, verfällt man wie in eine Art Trance. Die Kunstwerke nehmen einen ein, man wird immer wieder Neues feststellen. Das dann in einem Interview noch genauer auf den Künstler und seine Werke eingegangen wird, ist einfach nur ein runder Abschluss. 5 Sterne hierfür mit absoluter Leseempfehlung!

Bewertung vom 25.03.2024
Tom Hegen. Salt Works

Tom Hegen. Salt Works


ausgezeichnet

Klappentext:

„Jene aus Ionengittern bestehenden chemischen Verbindungen sind ein zentrales Element für organisches Leben. Die natürlichen Vorkommen mit Salzgewinnung sind magische Plätze rund um den Globus. Um neun verschiedene Salinenanlagen aus der Luft zu fotografieren, ist Tom Hegen einmal um die Welt gereist. Dabei hat er spektakuläre Bilder gewonnen. Dieser neue Bildband zeigt, wie die Landschaft durch Salzgewinnung geprägt wurde und wie durch den Abbau Strukturen entstanden sind, die in Hegens Aufnahmen eine geradezu malerisch-abstrakte Qualität gewinnen. Salt Works ist eine Studie über Farbe und Geometrie, eine Verneigung vor der Schönheit im Alltäglichen.“



Ich kann die Magie und die Anziehungskraft von Salinen nur zu gut nachvollziehen. Da ich selbst in der Karibik so einige Salinen aus der Luft betrachten durfte, weiß ich warum hier Fotografie Tom Hegen dieses Werk geschaffen hat. Die Farben, die Formen scheinen wie von einem anderen Stern. Dieser Bildband hier überzeugt nicht nur durch seine Größe und Haptik sondern auch auf ganzer Linie kit seinem Inhalt! Das Buch ist in Leinen gebunden, die Buchgröße von 35.56 x 3.81 x 28.58 cm bringt ein optimale Sicht auf die Dinge um die es hier geht und auch die Buchseiten brillieren mit perfekter Qualität. Hegen zeigt die unterschiedlichsten Salinen weltweit auf und somit eine einzigartige Schönheit. Sie notwendig wie es ist, so gefährlich ist es auch. Das Buch ist wirklich einmalig schön und genau deshalb vergebe ich auch verdiente 5 Sterne hierfür! Die Auszeichnung mit der Goldenen Medaille des Deutschen Fotobuchpreises ist absolut nachvollziehbar!

Bewertung vom 25.03.2024
Bastiaan van Aarle: Moving Mountains

Bastiaan van Aarle: Moving Mountains


sehr gut

Klappentext:

„Bastiaan van Aarle fordert unser Gefühl für Zeit und Bewegung heraus. Überraschenderweise durch die Wahl eines Mediums, das für das Festhalten von Zeit steht, und eines Sujets, das stille Unbewegtheit symbolisiert. Indem er Berge fotografiert – immer im selben Ausschnitt, aber über einen bestimmten Zeitraum hinweg – beginnen diese Monumente der Unverrückbarkeit sich zu verschieben und eine Bewegung zu offenbaren, die wir selbst nicht spüren: die Rotation der Erde im All. In Anlehnung an die Anfänge der Farbfotografie separierte van Aarle die verschiedenen Bilder in Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz. Übereinander gelegt, offenbaren sie die subtilen Spuren des Vergehens der Zeit in sphärischen Farbschattierungen. Der Effekt ist so ätherisch, dass es scheint, als existierten die Felsen in einer anderen Dimension – als würden die weichen Farbtöne aus der geologischen Geschichte der Berge aufsteigen. Was hier zum Vorschein kommt, offenbart sich nur im Bild.“



Sie sind groß, mächtig, beeindruckend und scheinen unverrückbar - die Berge. Aber ist das so? Sind es wirklich stille Riesen? Bastiaan van Arle zeigt in seinem Buch auf, das auch diese Giganten sich bewegen. Durch eine besondere Technik in der Fotografie zeigt er dem Betrachter wie sich diese Giganten doch verändern. Durch seine Separierung der Farben entstehen einmalige Einblicke. Die Farben scheinen dem Berg eine besondere Magie zu verleihen und dadurch darf der Betrachter sich gänzlich diesem Buch hingeben.

Optik und Haptik waren für meine Begriffe etwas ungewöhnlich. Trotz seiner Größe von 22.23 x 1.91 x 29.85 cm und seinen 112 Seiten ist dieses Buch dennoch wie eine Art Klappenbroschur. Für ein Kunstbuch etwas ungewöhnlich aber eben auch Geschmacksache. Die Farben im Buch sind dennoch auf qualitativ hochwertigem Papier gedruckt und erlauben einen guten Blick auf die Berge. 4 sehr gute Sterne für dieses besondere Werk!

Bewertung vom 25.03.2024
Reich wie Buddha
Moestl, Bernhard

Reich wie Buddha


sehr gut

Klappentext:

„Du bist reich wie Buddha, wenn

du Reichtum nicht mit Besitz verwechselst

du dich mit lieben Menschen umgibst

du in Alltagsmomenten dein Glück erkennst

du Begegnungen wertschätzt

du auch in stressiger Zeit die wirklich wichtigen Dinge nicht aus den Augen verlierst.



Es gibt viele Momente in unserem Leben - so zeigt es uns Bestseller-Autor Bernhard Moestl, in den rund dreißig Kapiteln dieses Lebenshilfe-Ratgebers mit buddhistischen Weisheiten-, in denen ganz alltägliche Erlebnisse uns den Blick für den wahren Reichtum in unserem Leben öffnen können: Ein Wiedersehen mit Freunden zum Beispiel, bei dem ihr Sushi essen geht und der Reiswein fließt. Ein Abend, an dem die Stimmung angesichts der Alltagslage angespannt ist und das Herz dennoch leicht sein darf, weil du beim Abschied erkennst, wie wertvoll die Begegnung war.



Mit seinen Texten eröffnet er einen

niedrigschwelligen Zugang zur Welt des Buddhismus.



Der gefeierte Bestseller-Autor und erfahrene Business-Coach Bernhard Moestl bereichert uns in seinem neuen Buch mit lebenspraktischen Einsichten in die asiatische Philosophie und den Zen-Buddhismus. Denn wir erkennen, dass wir gewinnen, wenn wir loslassen. Dass wir mehr besitzen, je weniger wir aufs Materielle achten. Und dass wir mit unserem Blick auf die Dinge mehr verändern, als durch unsere Handlungen….“



Die Lehre des Buddhismus und die Zen-Lehre selbst bieten jede Menge Nachdenk-Potential wenn man sich mit ihr befasst. Autor Bernhard Moestl bringt diese hier dem Leser näher. Mal mit sehr privaten Geschichten, mal aber auch ganz allgemein. Worum geht es? Einfach mal den Besitz zu überdenken. Es geht nicht um die eigenen vier Wände in denen man wohnt sondern das, was einen wohl vermeintlich glücklich macht. Es geht um das Drumherum. Und noch um so viel mehr. Moestl zeigt auf, wie befreiend vieles sein kann, wenn man nur die Gedanken darüber zulässt und sich eben mal die Mühe macht, sich eben mit jenem Besitz zu befassen. Es geht nicht nur um materielle Güter sondern auch um vermeintliches Müssen, Tun und eben Verpflichtungen. Man kann es schwer zusammenfassen, fest steht aber, Moestls Worte sind tiefgreifend und ja, regen definitiv zum nachdenken an. Was jeder daraus macht, ist dann seine Sache.

Was mir ab und an bei diesem Buch etwas missfiel waren die Selbstbeweihräucherungen des Autors. Da merkt man einfach, dass er als Coach arbeitet. Und nur weil er die Kampfkunst der Shaolin mal erlernt hat, heißt das nicht, dass man den Buddhismus komplett versteht oder gar lebt. Da hätte es etwas weniger davon mehr getan. Das wirkt dann doch wenig authentisch. Da bevorzuge ich dann doch die Literatur von Thích Nhất Hạnh. Ich vergebe hier gut bis sehr gute 3,5 Sterne.

Bewertung vom 24.03.2024
Cheap Land Colorado
Conover, Ted

Cheap Land Colorado


ausgezeichnet

Klappentext:

„Zwischen Zivilisation und Niemandsland – eine herausragende Reportage von der letzten Frontier der USA



Die meisten Amerikanerinnen und Amerikaner haben noch nie vom San Luis Valley gehört: einer flachen, weiten Prärielandschaft mitten im Nirgendwo.

Das riesige Gebiet ist nicht erschlossen, trotzdem leben hier Menschen ihren

Traum vom eigenen Landbesitz – und von einem besseren Leben. Wer sind die Männer und Frauen, die verstreut in Wohnwagen leben, sich ihren Lebensunterhalt mit Marihuana-Anbau oder Goldschürfen verdienen? Und was können sie uns über Amerika erzählen? Ted Conover gilt als einer der größten Journalisten seiner Generation. Über Jahre hinweg lernt er die Bewohner der sogenannten Flats immer besser kennen. Er trifft Veteranen, Kriminelle, Waffen-Liebhaber und religiöse Fundamentalisten. Prepper, Trump-Jünger und Verschwörungstheoretiker. Aber er macht auch die Bekanntschaft von intakten Familien, erlebt Gastfreundschaft und immer wieder ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Meisterhaft taucht Ted Conover in seinem neuen Buch in das Leben dieser Einsiedler ein – und kehrt mit einem

unvergesslichen Porträt eines vergessenen Teils der heutigen amerikanischen Gesellschaft zurück. So gelingt ihm nicht weniger als ein atmosphärisches dichtes

Stimmungsbild einer gespaltenen Nation.“



Ja, es ist wohl das „günstigste“, das „billigste“ Land auf dem sie leben. Es ist wie Niemandsland und dennoch leben sie dort. Den Namen dieser Landschaft hat kaum ein US-Bürger je gehört. Aber so ganz unbedeutend ist es nicht. Es ist ein breites Tal südlich der Rocky Mountains und ist das weltweit größte alpine Talbecken. Journalist Ted Conover reiste dort hin nach San Luis Valley um eben jene Bewohner dort kennenzulernen und herausgekommen ist dieses lesenswerte Buch. Conover berichtet von Menschen mit gebrochenen Seelen, von Wünschen und Träumen die wohl nie in Erfüllung gehen werden, von Tagesabläufen die so ganz anders sind als die, die man sonst so kennt. Es sind irgendwie verkappte Existenzen die dort in San Luis Valley leben und es war eine langjährige Reise für Conover dies so niederzuschreiben. Seine Erzählungen, das merkt man schnell, waren nicht mit einem einmaligen Besuch abgetan. Er folgte seiner journalistischen Neugier und sammelte über viele Jahre hinweg eben jene Geschichten die wir hier nun erlesen können. Conovers Schreibstil ist einnehmend und erscheint kurzweilig. Man folgt seinen Zeilen gern. Er ist stets neutral und wertefrei. Er zeigt ganz neutral Menschen auf, die es bewusst und manchmal auch unbewusst eben nach San Luis Valley verschlagen hat. Ja, es sind Einsiedler und es ist ihr Land auf dem sie leben. Conover zeigt ein gesellschaftliches Bild der USA auf, welches wohl kaum einer kennt oder gern benannt wird. Sind es Aussätzige? Vielleicht. Aber es liegt an ihnen selbst es wie sie wollen so für sich zu sehen.

Wer sich gerne für solche politischen und gesellschaftlichen Themen interessiert oder gar bereits von Autorin Joan Didion „verführt“ wurde, die US-amerikanische Gesellschaft besser verstehen zu wollen, ist mit diesem Buch wirklich bestens bedient. Ted Conover hat wirklich ein besonderes Werk geschaffen, welches einerseits Wissen vermittelt, zum nachdenken anregt und offen und ehrlich ist. 5 Sterne hierfür!