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Benutzername: 
Philo
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Frankfurt am Main
Über mich: 
Lesen ist mein liebstes Hobby

Bewertungen

Insgesamt 398 Bewertungen
Bewertung vom 11.05.2023
Die Kinder der Luftbrücke
Weinberg, Juliana

Die Kinder der Luftbrücke


gut

Von philo
Ich bin ehrlich gesagt, von diesem Buch enttäuscht. Als Historischer Roman angekündigt, hätte ich erwartet, daß die Ereignisse der Jahre 1948 und 1949 in Berlin historisch aufgearbeitet werden und sich nicht in Zänkereien in einem Schreibbüro der Amerikaner am Flughafen Tempelhof ergehen. Ich war ein Kind der Luftbrücke und als Kind genau in dieser Zeit in Berlin. Meine Erzählung über diese Zeit würde anders ausfallen. Es gab die Luftbrücke, die die Amerikaner nach der Blockade der Russen ins Leben gerufen haben. Ich erinnere mich an Care-Pakete, die wir jedesmal mit großer Dankbarkeit erhalten haben. Ich erinnere mich aber auch an die schweren Tritte im Treppenhaus, als die Russen in die Wohnungen eingedrungen sind und alles Essbare, Winterkleidung und vieles mehr mitgenommen haben. Diese lauten Schritte mit den schweren Stiefeln höre ich heute noch. Die Hungersnot und die Angst vor der Arbeitslosigkeit wird an der Familie Thalfang festgemacht, wie aber die Lebensmittel verteilt wurden und wie sie bei den einzelnen Familien ankamen, wird in dem Buch nicht beschrieben. Zu einfach ist auch die Version der gestohlenen Medikamente. Auch hier ist alles auf einen Fall beschränkt. Ich bin überzeugt, daß die Medikamente in den Kliniken einer strengeren Kontrolle unterworfen waren. Meine Großmutter ist in dieser Zeit an einer Lungenentzündung gestorben, weil sie trotz ärztlicher Behandlung keine Medikamente erhalten konnte. Es gab keine.

Für mich ist diese Zeit ein einziges Schreckensszenarium, wovon ich in diesem Buch nichts wiederfinde. Und das betraf nicht nur meine, sondern alle Familien.

Leider bezieht sich das Buch auf die Umgebung des Flughafens Tempelhof. Hier entstanden viele Beziehungen zwischen amerikanischen Soldaten und deutschen Frauen, die durch ihre Bekanntschaften viele Vorteile nutzen konnten. Das alles kann und will ich nicht werten, aber dies zum Mittelpunkt des Buches zu machen, wird dem Titel nicht gerecht.

Auf dem Weg in den Kindergarten mußte ich an einer amerikanischen Kaserne vorbei. Von den Wachen dort habe ich immer einen Kaugummi, Schokolade oder auch eine Scheibe Weißbrot bekommen. Auch dies werde ich nie vergessen. Die Amerikaner waren ja nicht nur am Flughafen.

Die Zeit der Luftbrücke war geprägt von Ängsten, Hunger, Kälte und Entbehrungen. Das galt für alle Menschen, die hier lebten. Das sagt das Buch nicht aus. Es ist halt eher ein Liebesroman. Schade.

Bewertung vom 07.05.2023
Samuels Buch
Finzi, Samuel

Samuels Buch


ausgezeichnet

Dies ist ein ganz wunderbares Buch. Samuel Finzi ein bekannter und immer wieder gerne gesehener Schaupieler in Deutschland gewährt mit seiner Autobiografie einen Einblick in sein Leben. Er tut dies ehrlich, mit einer großen Erzählkunst, mit viel Humor, aber auch mit dem erforderlichen Ernst. Aufgewachsen zu sein im sozialistischen Bulgarien davon hatte ich wenig Ahnung und habe aus dem Buch auch viel gelernt. Er hatte das Glück, in einer liebevollen Umgebung aufzuwachsen, da waren die Großeltern und seine Eltern. Sein Vater war Theaterschauspieler, die Mutter eine gefeierte Pianistin. Durch die Bekanntheit seiner Eltern genoß die Familie viele Privilegien, und Samuel verbrachte viel Zeit im Theater oder im Konzertsaal, was ihm die Begegnung mit vielen Berühmtheiten bescherte. Das bequeme Leben war vorbei mit dem Eintritt in den Militärdienst. Die Schikanen dort waren an Grausamkeiten nicht zu überbieten. Die Erinnerungen von Samuel an diese Zeit sind erschreckend. Er wußte immer, daß er sein Heimatland verlassen wollte, um im Westen als Schauspieler zu arbeiten. Dies wurde ihm mit der Wende 1989 ermöglicht.

Das Buch hat mich wirklich bewegt. Samuel Finzi läßt seine Leser in seine Seele schauen. Ich habe dort einen besonderen Menschen entdeckt. Aber das Leben ab 1989 ging ja weiter. Vielleicht gibt es irgendwann noch eine Fortsetzung. Zuvor möchte ich aber dieses Buch ganz herzlich empfehlen.

Bewertung vom 04.05.2023
Der Bojenmann
Schlenz, Kester;Jepsen, Jan

Der Bojenmann


gut

Von philo
Ein neuer Fall im Hamburger Hafen, ein neues Autorenteam, neue Ermittler, alles ist neu. Da der erste Fall mitten im Wasser passiert, wäre vielleicht die Wasserschutzpolizei gefragt, aber stattdessen werden der leitende Ermittler des LKA in Altona, Thies Knudsen, und seine Kollegin Dörte Eichhorn mit den Ermittlungen beauftragt. So einen außergewöhnlichen Fall hatten sie noch nie zu klären. Der auf einer Boje im Hafen stehende Bojenmann wurde durch eine plastinierte Leiche ersetzt. Es gibt Fragen über Fragen, wer ist der Tote, wie ist er in den Hafen gekommen, und vor allem, wer ist der Mörder. Es bleibt nicht bei dem einen Toten, und die Polizei muß nun von einem Serientäter ausgehen. Ein spannender Beginn geht in einen etwas langatmigen Mittelteil des Buches über, das zum Schluß aber wieder Fahrt aufnimmt und ein unerwartetes Ende hat.

Das Ganze ist ein wenig klischeehaft. Die engagierten Ermittler, die ihre persönlichen Probleme haben, ein besserwissender Rechtsmediziner und ein überheblicher Staatsanwalt. Die Autoren haben ihre Protagonisten sehr genau charakterisiert, so daß man sich in ihre Handlungsweisen hineindenken konnte. Am sympathischsten war mir Ole Andersen, ehemals Kapitän und später Lotse im Hamburger Hafen und außerdem ein guter Freund von Thies Knudsen. Ole kennt sich aus im Hafen und weiß viel zu erzählen. So bringt er seinen Freund auf eine vielversprechende Spur.

Den Täter kennt der Leser schon sehr früh, da er sich in kurzen Kapiteln immer wieder selbst zu Wort meldet. Aber weder weiß man seinen Namen noch den Ort, an dem er seine Toten "behandelt". Er plastiniert die Leichen, um sie für die Ewigkeit vorzubereiten. Die schauerlich genauen Vorgänge der Plastination kennt man schon seit Gunther von Hagens Körperwelten, hier hätten die Ausführungen auch etwas spärlicher, sprich kürzer gefaßt, ausfallen können.

Alles in allem bin ich von dem Buch eher enttäuscht. Ich hatte mir einen ausgefeilten Thriller erwartet, der leider durch die Längen in zwei Dritteln des Buches an Spannung verliert.

Durch das verwirrende Ende gehe ich davon aus, dass es noch eine Fortsetzung geben wird, der ich dann noch einmal eine Chance einräumen werde.

Bewertung vom 24.04.2023
Das Café ohne Namen
Seethaler, Robert

Das Café ohne Namen


ausgezeichnet

Zu Gast im Café ohne Namen. Der Besuch lohnt sich



Von philo
Wien 1960. Die Stadt ist im Wiederaufbau begriffen, aber in den Außenbezirken leben die Menschen in einem grauen und eintönigen Alltag. Robert Simon, 31 Jahre alt, arbeitet in den Markthallen, möchte aber gerne selbstständig sein und ein Café eröffnen. Er mietet ein altes, schon lange leerstehendes Lokal an und schon bald kommen die Gäste, um ein Bier, ein Glas Wein oder eine Limonade zu trinken oder eine Schmalzstulle zu essen. Man befindet sich eher in einer Kneipe, denn in einem Café.

In seinem ganz eigenen bildhaften Erzählstil beschreibt der Autor das Kommen und Gehen im Lokal. Da ist Mila, die vor Schwäche vor dem Lokal umkippt und aufgenommen wird, um Robert fortan bei seiner Arbeit zu unterstützen. Man kann den Gesprächen der Marktarbeiter lauschen, die nach der Arbeit vorbeikommen, man kann der Gruppe der Skatspieler über die Schulter schauen, die Auseinandersetzungen der Witwe Geblhardt, die in den Markthallen den Käsereibetrieb ihres verstorbenen Mannes weiterführt, und dem Maler Mischa verfolgen.

Im Mittelpunkt aber steht immer Robert Simon, der sich mit aller Kraft seinem Café widmet. Er ist gutmütig und hilfsbereit und mir im Laufe der Geschichte ans Herz gewachsen. Sehr gefallen hat mir der Umgang mit seiner Vermieterin, einer Kriegerwitwe, bei der er ein Zimmer bewohnt.

Leise und unaufgeregt lässt uns der Autor Zaungast sein im „Café ohne Namen“. Ein gelungenes und wunderbares Buch, und ich empfehle: Unbedingt lesen.

Bewertung vom 22.04.2023
Die Tage in der Buchhandlung Morisaki
Yagisawa, Satoshi

Die Tage in der Buchhandlung Morisaki


sehr gut

Das wunderschöne Cover verführt zum Hingucken, und ich hätte das Buch in einer Buchhandlung sofort in die Hand genommen und hineingelesen. Es ist eine sehr schöne Geschichte, von der ich mir uneingeschränktes Lesevergnügen erhofft habe. Leider bin ich mit dem Schreibstil nicht zurechtgekommen. Kurze schnörkellose Sätze, mir fehlt hier jede bildhafte Beschreibung der Gegend mit den vielen Antiquariaten und den Menschen, die hier leben. Auch fehlt mir die Beratung der Kunden und die Vorstellung der vielen interessanten Bücher. Trotzdem habe ich das Buch gerne gelesen. Die junge Takako wird von ihrem Freund zutiefst enttäuscht und zieht sich völlig zurück. Sie kündigt Job und Wohnung und zieht auf Einladung ihres Onkels Satoru zu ihm in Tokios Buchhandlungsviertel Jinbocho. Hier muß sie ihr Zimmer erst einmal von Unmengen an Büchern befreien, bevor sie tagelang vor Kummer nur schläft. Die Bücher interessieren sie nicht. Aber nach und nach, als sie den Onkel im Laden vertritt, fängt sie mit dem Lesen an und wird vom Lesefieber ergriffen. Sie entdeckt, wie die Bücher sie wieder zurückholen ins Leben. Onkel und Nichte entwickeln eine tiefe, freundschaftliche Beziehung zueinander und Takaku-san, wie der Onkel sie nennt, entdeckt, wie wichtig familiäre Bindungen sind.

Sie lernt neue Menschen kennen, vor allem im nahegelegenen Café Subor, dem Stammcafé ihres Onkels. Ihr Leben verläuft in ruhigen Bahnen, und so wird die Geschichte auch erzählt, was leider fehlt ist ein bißchen Spannung. Dies ist ein Buch für alle, die Bücher und Buchhandlungen lieben.

Bewertung vom 19.04.2023
Dalee
Gastmann, Dennis

Dalee


ausgezeichnet

Zunächst fällt das Cover ins Auge. Wobei ich den schwimmenden Elefanten mit Bellini und den Orangen auf dem Rücken nicht gleich erkannt habe. Man muß schon genau hinschauen. Aber alles paßt so wunderbar zum Buch und wird in der Geschichte sehr bildhaft beschrieben. So gelingt es dem Autor allein durch seine Erzählkunst, die Phantasie der Leser anzuregen und meine Vorstellungskraft hat ausgereicht, um die einzelnen Erzählstränge genau vor mir zu sehen. Dieses Buch hat es mir von Anfang an angetan. Ich habe eine große Hochachtung vor Elefanten, weil ich durch eine eigene Erfahrung glaube, daß sie die Menschen allein an der Stimme und Sprache erkennen. Ich hatte so einen Freund.

Nun zum Buch. Für mich war es auch eine Lehrstunde in Geschichte. Ich muß gestehen, daß ich die Andamaneninseln bislang nicht kannte, obwohl ich schon ziemlich weit herumgekommen bin in der Welt. Aber hier ist das Internet hilfreich, und man kann sich kundig machen.

Nach der Unabhängigkeitserklärung Indiens wurden Strafgefangene auf die Andamaneninseln umgesiedelt. Und dabei wurden auch Teile der Bevölkerung, insbesondere Mahuts - Elefantenführer - mit ihren Elefanten und großen Versprechungen auf ein besseres Leben als zu Hause nach dort verschifft. Der Autor beschreibt sehr detailliert die wochenlange Überfahrt und die elende Unterbringung der Elefanten auf dem Schiff. Sie mußten ungeahnte Qualen erleiden, eingepfercht und ohne Bewegungsmöglichkeit. Die Menschen mußten an Deck campieren, nur die Mahuts mußten bei den Elefanten bleiben und durften nicht zu ihren Familien.

So beschreibt der Autor auch die Ankunft der Schiffe auf den Inseln, wo nichts so war wie versprochen. Die Arbeit mit den Elefanten war schwer und kräfteraubend. Und für Unterkunft und Verpflegung mußte erst noch gesorgt werden.

Viel wird über die Menschen auf den Inseln geschrieben, für mein Empfinden etwas zu wenig über die Elefanten. Beeindruckt hat mich der Prolog, in dem über den Jungen Bellini geschrieben wird, der sich voller Vertrauen auf Dalee, den Elefanten seines Vaters, eingelassen hat. Bellini, der selbst nicht schwimmen konnte, ist ohne Angst auf dem Rücken des Elefanten im Meer geschwommen. Bellini wird als tierliebender, intelligenter und wißbegieriger Junge beschrieben. Er war mir von Anfang an sympathisch.

Dieses Buch, das einen hohen Wahrheitsgehalt besitzt, hat es mir angetan. Ich habe es sehr bewußt gelesen und dabei viel gelernt über die Freundschaft zwischen Mensch und Tier, aber auch über Ausbeutung von Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft und Armut und in dem Glauben auf ein besseres Leben, sich darauf eingelassen haben, auf die Inseln umzusiedeln.

In den letzten Kapiteln tritt Dalee wieder mehr in den Mittelpunkt, wie er über seine Kräfte hinaus Baumstämme, die im Wasser trieben, aber quer lagen, gerade rücken sollte. Da ja im Klappentext schon zu lesen ist, daß er eines Tages Bellini nach dem Leben trachten würde, stellt es sich für mich anders da. Dalee, immer schon ein empathischer Elefant, der seinem Mahut und dessen Sohn diente, wurde im Alter nicht bösartig oder aggressiv, sondern er hat Rache geübt an den Menschen, von denen er glaubte, sie hätten ihn zu guter Letzt im Stich gelassen und zugesehen, wie einer der Strafgefangenen ihn mit einer Pfeilspitze attackierte, um seine Leistung zu erhöhen. Das ist meine Meinung zu Dalee, vor dem ich große Ehrfurcht habe.

Dieses Buch empfehle ich gerne weiter, es ist unbedingt lesensweert.

Bewertung vom 11.04.2023
Verschwiegen / Mörderisches Island Bd.1
Ægisdóttir, Eva Björg

Verschwiegen / Mörderisches Island Bd.1


sehr gut

Ein tolles Cover mit dem Leuchtturm, sehr passend zum Buch. Und ich kenne Akranes und konnte mich sehr gut in die Geschichte hineindenken, wo an ebendiesem Leuchtturm die Leiche einer jungen Frau gefunden wird. Zunächst weiß niemand wer sie ist. Wurde sie ermordet oder hat sie Selbstmord begangen?

Elma, eine junge Polizistin, die bisher in Reykjavik gearbeitet hat, ist nach der Trennung von ihrem Lebensgefährten in ihre Heimatstadt Akranes zurückgekehrt und trifft dort mit ihren Kollegen Hördur und Saevar zusammen. Die drei nehmen die Ermittlungen zu dem Leichenfund auf. Verschwiegen ist der genau richtige Titel für dieses Buch. Nämlich verschwiegen hat die Tote vor ihrer Umgebung ihr gesamtes bisheriges Leben. Selbst ihr Ehemann kann zu den Vorfällen keine Auskünfte geben. Die Autorin zeichnet ein düsteres Bild des Lebens in Akranes, und erst nach und nach werden die Zusammenhänge erkennbar.

Mit dem Buch tritt eine neue isländische Kommissarin in Erscheinung, die mit sich selbst nicht im Reinen ist. Ich konnte mit ihr nicht so recht warm werden. Sie erscheint mir unsicher, und ich würde sie mir als Polizistin zielstrebiger und selbstsicherer wünschen. Aber vielleicht wird das in den Fortsetzungen besser, denn in diesem Buch wurden ja einige Dinge schon aufgeklärt. Über Elma und ihre Kollegen wird viel familiäres berichtet, was ich immer gut finde, weil es die einzelnen Personen menschlicher erscheinen läßt. Mit den schwierigen isländischen Namen habe ich mir anfangs schwer getan, was aber mit dem Fortschritt des Lesens leichter wurde.

Die Aufklärung des Falles war von Anfang an nicht erkennbar, umso überraschender war für mich die Auflösung.

Ich finde, daß es ein guter Einstieg in eine neue Krimireihe ist, von der ich gerne auch noch weitere Folgen lesen werde.
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Bewertung vom 07.04.2023
Die letzte Lügnerin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.3
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Die letzte Lügnerin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.3


ausgezeichnet

Rocco Eberhardt gerät tief hinein in einen Fall um Korruption und Mord. Der Mordfall landet auf dem Seziertisch von Gerichtsmediziner Dr. Jarmer, wobei er keine komplette Leiche, sondern nur einen Kopf zu beurteilen hat. Gleichzeitig rückt ein geleaktes Video ins Interesse der Öffentlichkeit, in dem Bausenator Dieter Möller gezeigt wird, wie er mit einem russischen Oligarchen verbotene Immobiliendeals aushandelt. Roccos Vater schickt Möller, der nicht nur der Korruption, sondern auch des Mordes angeklagt wird, zu seinem Sohn, damit der ihn verteidigt. Rocco will den Fall nicht annehmen, weil er glaubt, sein Vater sei mit in den Bauskandal involviert. Gemeinsam mit Dr. Jarmer recherchiert Rocco akribisch beide Fälle, und ist auch auf die Unterstützung seines Freundes, dem Privatdetektiv Tobias Baumann, angewiesen.

Ein spannender Krimi, dem man anmerkt, daß die beiden Autoren über hinreichend Hintergrundwissen verfügen. Man bekommt einen Einblick in die Arbeit der Gerichtsmedizin, die beim Leser Gänsehautmomente auslöst. Aber auch das Vorgehen von Rocco Eberhardt während der Gerichtsverhand-lungen wird plausibel erklärt. Seine Befragungen der Zeugen und wie er ihre Aussagen ins Wanken bringt, sind beeindruckend. Obwohl Rocco den Bausenator Möller nicht wirklich leiden kann und alles gegen ihn spricht, setzt er alles daran, die Vorwürfe gegen ihn zu entkräften.

Auch dieses Mal läßt das Autorenduo seine Leser gekonnt hinter die Kulissen schauen. Ein spannender und gekonnt geschriebener Justizkrimi, den ich gerne weiterempfehle und auf Fortsetzung hoffe.

Bewertung vom 03.04.2023
Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1
Bonetto, Andrea

Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1


ausgezeichnet

Allein die Aufmachung des Buches ist äußerst ansprechend. Das tolle Cover, die Landschaft auf der inneren Rückseite, und das Interview mit dem Autor haben mir sehr gut gefallen. Das Cover gibt einen Eindruck auf die Landschaft, und die einzelnen Orte sind der Landkarte zu entnehmen. Und die Art, wie der Autor sich vorstellt, finde ich sehr sympathisch, und hier erfährt man auch schon so einiges über den neuen Commissario Vito Grassi. Er läßt sich nach dem Tod seines Vaters von Rom nach Ligurien versetzen, um dort in das geerbte Haus seines Vaters zu ziehen. Statt sich dort gemütlich einzurichten, muß er sich mit Toni, einer Mitbewohnerin seines Vaters, auseinandersetzen, die nicht gewillt ist, das Haus zu verlassen. Seine neue Kollegin erweist sich zunächst auch nicht als sehr umgänglich, obwohl kurz nach Grassis Eintreffen zwei Morde aufzuklären sind. Für den ersten Einsatz von Grassi geht es mit schwierigen Ermittlungen los. Aber Grassi hat seine eigenen Methoden der Aufklärung näherzukommen.

Mir hat der Krimi sehr gut gefallen, zumal man nicht nur Einblicke in die dienstlichen Belange des Commissario erhält, sondern auch mit seinem Privatleben vertraut gemacht wird. Ein toller Einstieg für Vito Grassi, von dem wir laut Autor noch mehr zu lesen bekommen. Ich freue mich drauf.

Bewertung vom 28.03.2023
Melody
Suter, Martin

Melody


ausgezeichnet

27.03.2023 – 18:37

Von philo
Das Cover veranlaßt einen schon, genau hinzuschauen. Die schöne junge Frau ist Mittelpunkt des Buches und mit ihr fühlt man sich von der ersten bis zur letzten Seite verbunden. Ein neues Buch von Martin Suter ist immer etwas Besonderes, und dieses hat es mir ganz besonders angetan. So geheimnisumwoben erzählen kann nur Martin Suter und seine Leser mitnehmen in eine Geschichte aus Wahrheit und Fiktion, in der mein ganzes Mitgefühl dem Protagonisten Dr. Peter Stotz gilt, Alt Nationalrat und hochgeschätzte und bekannte Züricher Persönlichkeit, der immer auf sein Ansehen bedacht war und dieses auch nach seinem Ableben noch gewahrt wissen möchte. Er hat viele Jahrzehnte damit verbracht, nach seiner verloren gegangenen großen Liebe zu fahnden.

Dr. Stotz ist mittlerweile 84 Jahre alt und krank. Er weiß, daß er nicht mehr lange leben wird, und sucht deshalb eine Person mit juristischer Ausbildung, die seinen Nachlaß regelt. Hierzu stellt er den 31-jährigen arbeitslosen Anwalt Peter Elmer ein mit der Maßgabe, daß dieser gemäß dem Anwaltsgeheimnis absolut verschwiegen ist und zweitens den Nachlaß nach seinem eigenen Empfinden so ordnet, daß das Ansehen von Dr. Stotz auch über den Tod gewahrt bleibt. Es ist keine leichte Aufgabe, aus Fotos, Briefen und tausenden Seiten an Unterlagen zu entscheiden zwischen Schredder oder aufbewahren.

Da Peter in der herrschaftlichen Villa Stotz auch wohnt, ist er eingebunden in einen genau festgelegten Tagesablauf des alten Herrn, um den sich auch sein Butler Robert und seine Haushälterin Mariella kümmern. Allabendliche Erzählrunden reihen sich an genau festgelegte Tischzeiten und Tagesabläufe. Und Dr. Stotz erzählt dem jungen Peter sein Leben. In der Villa hängen unzählige Bilder von Melody, der schönen jungen Frau, mit der Dr. Stotz einst verlobt war und die drei Tage vor der Hochzeit für immer verschwunden ist. Zunächst belacht von der Züricher Gesellschaft, dann aber bewundert ob seiner Beharrlichkeit, seine Verlobte wieder zu finden. Jedem Hinweis ging Dr. Stotz nach, keine Reise war ihm zu weit, Melody blieb verschwunden. Und Dr. Stotz weiß so phantastisch zu erzählen, daß Peter Elmer nicht anders kann, als selbst nach dem Verbleib von Melody zu forschen, und als Leser will man natürlich auch unbedingt wissen, wohin Melody entschwunden ist. Das Rätsel löst der Autor im Zweiten Teil des Buches auf, und die Lösung ist unglaublich.

5 Sterne gibt es für ein Buch, das mir viele spannende Lesestunden beschert hat und es verdient, weiter empfohlen zu werden.