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EOS
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Siegen

Bewertungen

Insgesamt 212 Bewertungen
Bewertung vom 16.04.2023
Der Morgen / Art Mayer-Serie Bd.1
Raabe, Marc

Der Morgen / Art Mayer-Serie Bd.1


ausgezeichnet

Fesselnder Reihenauftakt
Nach dem Ende der Reihe um Tom Babylon, von der ich alle Teile regelrecht verschlungen habe, war ich sehr gespannt, ob die neue Thrillerserie damit Schritt halten kann. Sie kann!!! Das Buch ist von Anfang bis Ende äußerst fesselnd, für mich ein regelrechter Pageturner.
Der Schauplatz ist auch hier wieder Berlin. Nahe der Siegessäule passiert ein Auffahrunfall, was sicher häufiger passiert, aber diesmal ist alles anders. Der Fahrer eines Kleinlasters, der in den Unfall verwickelt ist, flieht, und als die Journalistin Frida Wilke in den Wagen hineinschaut, entdeckt sie die nackte Leiche einer Frau. Der Unfall nimmt ganz andere Dimensionen an, als sich herausstellt, dass es sich bei der Frau um Marietta Althauser handelt, die Frau des Gesundheitsministers. Auf ihren Körper ist die Privatadresse des Bundeskanzlers geschrieben, wodurch sich ein hochbrisanter Fall entwickelt, denn Berlin steht kurz vor dem G20-Gipfel....
Der Schreibstil des Autors lässt sich flüssig lesen und ist von Anfang an äußerst spannend. Schon der Prolog zieht den Leser in ein fesselndes Geschehen, das man atemlos verfolgt. Und es gibt sogar noch einen Vor-Prolog mit geheimnisvollen Andeutungen....Diese Hochspannung bleibt bis zum Ende erhalten, wobei Raabe immer wieder überraschende Wendungen einbaut und schließlich eine überzeugende Auflösung bietet.
Der Leser trifft in diesem Thriller auf zwei Zeitebenen. Da ist zum einen die aktuelle Ermittlung, die sich aus dem folgenschweren Unfall ergibt, aber es erfolgen auch immer wieder Rückblicke in die 90er Jahre. In den Rückblicken werden die Personen nicht mit ihren korrekten Namen benannt, sondern tragen Spitznamen. Da aber klar wird, dass diese Personen auch in der Gegenwart eine Rolle spielen, ist man versucht, die Identitäten für sich zu klären, was aber nicht so einfach ist, wie man zunächst denkt. Ich fand beide Zeitebenen spannend und mitreißend, wobei ich immer auf die Zusammenführung gewartet habe, was dann auch wieder hochinteressant war.
An das Ermittlerteam Art Mayer und Nele Tschaikowski musste ich mich zunächst gewöhnen, anfangs fand ich sie beide nicht sehr sympathisch. Mayer hat den Dienst vor kurzem quittiert, weil er eine Auseinandersetzung mit dem Polizeipräsidenten hatte, er erschien mir als unfreundlicher Querulant. Er ist Diabetiker, schert sich aber nicht darum und spielt den coolen Helden. Sein Verhalten anderen gegenüber ist teilweise arrogant. Erst nach und nach wurde er mir durch Einblicke in sein Leben und Handeln sympathischer. Nele ist Berufsanfängerin und erschien mir anfangs überkorrekt und rechthaberisch, wodurch sie ihren Ehrgeiz befriedigt. Aber andererseits kann man das auch verstehen, wenn man als Neuling mit 'alten Hasen' zusammen arbeiten will. Auf jeden Fall haben sich beide zu einem effektiven Ermittlerpaar entwickelt, das bei mir im Laufe des Buches immer mehr Pluspunkte sammelte.
Alles in allem hat mir das Buch hochspannende Unterhaltung geschenkt, die mich teilweise nicht zur Ruhe kommen ließ, und ich freue mich bereits jetzt auf den Folgeband.

Bewertung vom 15.04.2023
Das Wiegenlied: Thriller
Shepherd, Catherine

Das Wiegenlied: Thriller


ausgezeichnet

Serienmorde - damals und heute
Dies ist bereits der 13. Thriller aus der Zons-Reihe, die mir besonders gut gefällt. Seit ich einmal dieses Städtchen am Rhein besucht und das mittelalterliche Flair empfunden habe, gefällt mir die Reihe noch besser und beim Lesen der Bücher fühlt man sich dorthin versetzt.
Inhaltlich geht es um zwei Mordserien, die eine hochaktuell, und die andere liegt Jahrhunderte zurück. Beide weisen jedoch deutliche Gemeinsamkeiten auf. Gibt es einen Verknüpfungspunkt? Sowohl damals wie auch heute werden die Morde von einem bekannten Wiegenlied begleitet....
Der erste Mord in der Vergangenheit erfolgt auf der Klosterwiese, wo eine Nonne brutal erstochen aufgefunden wird. Zu aller Entsetzen wurde sie mit einem Teufelssymbol gebrandmarkt. Der sympathische Stadtsoldat Bastian Mühlenberg ermittelt mit den Methoden, die damals zur Verfügung standen. Doch bevor er auch nur eine hoffnungsvolle Spur findet, wird die nächste Nonne ermordet....
In der Gegenwart wird ein Ehepaar in seinem Haus brutal ermordet aufgefunden, und auch hier wurde das Teufelssymbol hinterlassen, eingebrannt auf der Handfläche. Oliver Bergmann ermittelt und hat schon bald einen Verdächtigen gefunden, der jedoch nicht lange der einzige bleibt.
So spielt dieser Thriller auf 2 verschiedenen Zeitebenen, die sich bezüglich Spannung die Waage halten, beide sind äußerst verzwickt und fesselnd.
Catherine Shepherd versteht es meisterhaft, eine Verbindung zwischen beiden Zeiten herzustellen, die man anfangs nicht erahnen kann. Die Spannung hält durchgehend an, so dass man das Buch nicht weglegen möchte, bis man die nächsten Hinweise erhält. Ein Pageturner wie gewohnt! Die Autorin heizt die Spannung bereits im Prolog an und hält sie durch zahlreiche Cliffhanger im Gang. Auf diese Weise kann man wunderbar miträtseln, auch wenn man immer wieder einsehen muss, dass man sich getäuscht hat.
Die beiden Hauptprotagonisten gefallen mir sehr gut. Da ist zum einen der Stadtsoldat Bastian Mühlenberg in der Vergangenheit, der sehr ruhig, zuverlässig und hilfsbereit auftritt und immer noch zu seiner alten Liebe Anna eine gedankliche Verbindung hat. Von allen respektiert führt er seine Ermittlungen durch. Auch Oliver Bergmann in der Gegenwart ist ein ehrgeiziger, intelligenter und trotzdem ruhiger Ermittler, kein actiongeladener Superheld, der ständig in Schlägereien verwickelt ist. Wir erfahren zwar einiges über das Privatleben der beiden, jedoch steht dies nicht im Mittelpunkt, sondern ist nur unterhaltsame Ergänzung. So sollte es sein!
Alles in allem hat mich das Buch sehr spannend unterhalten und ich spreche eine klare Leseempfehlung aus. Ich freue mich schon jetzt auf den nächsten Zons-Thriller.

Bewertung vom 08.04.2023
Das Schweigen der Klippen / Guernsey-Krimi Bd.2
Corbet, Ellis

Das Schweigen der Klippen / Guernsey-Krimi Bd.2


sehr gut

Schwierige Mordermittlung auf Guernsey
Dies ist der zweite Guernsey-Krimi der Autorin und entführt den Leser wieder auf die malerische britische Kanal-Insel, über die man auch sehr viel erfährt. Das Lokalcolorit sorgt dafür, dass man dort gern einmal Urlaub machen würde.
Nun aber zurück zum Krimi. Inhaltlich geht es um den Fund einer Leiche am Strand unter den Klippen. Dort liegt eine alte demente Frau, Odile, tot im Sand. Was zunächst wie ein Unfall aussieht, entpuppt sich bald als Mord.
Die Ermittlungen gestalten sich sehr schwierig, was dazu führt, dass die Spannung passagenweise abnimmt. Es gibt aber auch sehr spannende Szenen, die für Kehrtwendungen und Überraschungen sorgen. Der Fall in sich ist schlüssig und gut konstruiert, obwohl er in einigen Bereichen ein wenig unrealistisch erscheint, weil Kommissar Zufall sich öfters breit macht.
Miträtseln kann man in diesem Krimi wunderbar - und muss immer wieder umdenken. Mir hat das gut gefallen.
In einem zweiten Handlungsstrang geht es um die Zeit im Zweiten Weltkrieg, als Guernsey von den Deutschen besetzt war. Odile hatte sich in einen Deutschen verliebt, was zu einer immensen Einsamkeit für die Frau führte. Die historischen Hintergrundinformationen fand ich hochinteressant.
Kate Langlois ist eine ruhige Ermittlerin. Blutrünstige Actionszenen gibt es hier nicht, aber genau das macht den Charme dieser Krimireihe aus. Ihre Beziehung zu dem Archäologen Nicolas kommt nur langsam voran, was mir auch gut gefällt, denn ich möchte einen Krimi lesen und keinen romantischen Liebesroman.
Das Cover ist auch diesmal wieder sehr schön gestaltet, denn außer der idyllischen Szene am Meer sind am Himmel in den Wolken die Umrisse der Insel Guernsey zu erkennen. Das finde ich einfach herrlich.
Alles in allem hat mir das Buch durch den flüssigen Schreibstil unterhaltsame Lesestunden bereitet und ich würde mich über einen dritten Fall für Kate Langlois und ihr Team sehr freuen.

Bewertung vom 13.03.2023
Mit den Augen des Opfers / Max Bischoff - Mörderfinder Bd.3
Strobel, Arno

Mit den Augen des Opfers / Max Bischoff - Mörderfinder Bd.3


ausgezeichnet

Was geschah damals in Klotten?
Fallanalytiker Max Bischoff wundert sich sehr, als Kriminalrätin Eslem Keskin, die ihn bislang immer ihre Verachtung spüren ließ, ihn um Hilfe bittet. Sie bittet ihn, nach Klotten an der Mosel zu kommen, um dort private Ermittlungen aufzunehmen. Keskins Freundin ist dort vor kurzem an Krebs gestorben und hat ein Tagebuch mit merkwürdigen Andeutungen zurückgelassen. Bischoff soll herausfinden, was vor 20 Jahren in Klotten passierte, wofür Keskins Freundin sich die Schuld gab.
Bischoff stößt in dem kleinen Weindorf überwiegend auf Ablehnung, aber nach und nach gelingt es ihm, an die Umstände des Cold Case heranzukommen. Plötzlich geschieht jedoch ein Mord, der offensichtlich auch mit den alten Vorfällen zu tun hat.
Das Buch war vom Prolog an spannungsgeladen, denn dort begegnet uns ein Mensch, der von tiefem Hass erfüllt ist, und natürlich möchte man gern mehr über die Gründe wissen. So rätselt man das ganze Buch hindurch, wer denn nun der Mörder ist und was sich damals abgespielt hat. Im letzten Drittel war ich überzeugt, den Täter zu kennen, aber schon wieder lag ich voll daneben.
Dieser Thriller präsentiert sich auf zwei Erzählebenen, da sind einerseits die Ermittlungen und andererseits die geplante Rache des Mörders. Beide fand ich gleich stark. Die Gedanken des Mörders erscheinen in Kursivdruck. Etwas irritierend fand ich, dass auch die Gedankengänge von Max in Kursivdruck auftreten, wenn er sich in andere Personen hineinversetzt. Aber durch den inhaltlichen Zusammenhang wusste man sofort Bescheid.
Dieses Buch ist ein solcher Pageturner, dass man es am liebsten nicht aus der Hand legen möchte, man muss sich regelrecht dazu zwingen. Bei jeder Lesepause habe ich noch kurz in das nächste Kapitel hineingelesen, um zu sehen, worum es sich dreht. Immer wieder gab es Wendungen im Geschehen und neue Erkenntnisse.
Die einzelnen Charaktere werden detailliert beschrieben. Man kann ihren Gedanken folgen, ihre Gefühle nachvollziehen und sich gut in sie hineinversetzen. Sehr interessant und tiefgründig fand ich Marvin Wagner, seine Kommentare und Spitzfindigkeiten haben mich manches Mal zum Schmunzeln gebracht.
Alles in allem ist dies ein Buch, das ich gern weiter empfehle, da es die Spannung über 300 Seiten aufrechterhält und mich sehr gut unterhalten hat.

Bewertung vom 03.03.2023
Dschomba
Peschka, Karin

Dschomba


sehr gut

Dorfgemeinschaft
Was geschieht in einer seit Jahren eingeschworenen Dorfgemeinschaft, wenn plötzlich ein Fremder auftaucht? Die Autorin geht dieser Frage nach und begibt sich auf Spurensuche in dem Ort, in dem sie aufgewachsen ist, in Eferding.
Dort taucht eines Tages der Serbe Dzomba auf und verhält sich zunächst sehr auffällig, indem er auf dem Friedhof tanzt. Sofort nimmt die Gerüchteküche ihren Lauf, und jeder tut etwas hinzu. Aber was will der Fremde wirklich? Die Leute spielen ihre Rollen, dem Eindringling wird Neugier, Interesse und gleichzeitig Abwehr entgegengebracht.
Doch schrittweise gelingt es Dzomba mit seiner hilfreichen und direkten Art die Sympathie von immer mehr Bewohnern zu gewinnen. Es ist interessant zu lesen, wie das dynamische Miteinander im Dorf so einiges in Bewegung setzt.
Viele verlorene Seelen werden offensichtlich, die einander unterstützen und dadurch das Schicksal mildern.
Gewöhnungsbedürftig ist zunächst der Schreibstil, der mit unvollständigen Sätzen, ungewöhnlicher Wortstellung und Bruchstücken von Sätzen aufwartet. Manchmal sind es nur einzelne Wörter. Anfangs kam ich nur langsam im Buch weiter, und meine Beschäftigung mit der Sprache hat mir die Sicht auf den Inhalt vernebelt. Aber je mehr ich mich eingelesen habe, desto klarer wurden mir die Situation und die Zusammenhänge. Auch konnte ich dann flüssiger lesen.
Das Cover ist sehr minimalistisch gestaltet und fällt dadurch auf. In gewisser Weise überträgt sich dieser Stil auch auf die Sprache, die prägnant und bedeutungsvoll ist, aber keine unnützen Beschreibungen abgibt.
Alles in allem ein sehr interessantes Buch, das noch lange Spuren hinterlässt.

Bewertung vom 09.02.2023
Der Riss (eBook, ePUB)
Winter, Thilo

Der Riss (eBook, ePUB)


gut

Bisweilen zu reißerisch
Dies war mein erster Antarktis Thriller, und abseits der Handlung habe ich viel über diesen vereisten Kontinent gelernt, über seine Rolle in der Welt und die ständig drohenden Gefahren.
Die Handlung führt uns zu Neumayer III, einer deutschen Forschungsstation in der Antarktis. Dort kommt gerade Antonia Rauwolf an, eine Vulkanologin, die vorgibt, die neu entdeckten Vulkane im Westen erforschen zu wollen, aber ihr eigentliches Ziel ist es, ihren Bruder Emilio zu suchen, der vor Wochen auf einer Expedition dorthin verunglückt und verschollen ist. Alle halten ihn für tot, aber Antonia glaubt an sein Überleben. Sie beginnt auf rücksichtslose und oftmals unglaubwürdige Weise, ihrem Bruder nachzuforschen bzw. ihn zu finden.
Zweifellos baut der Autor viel Spannung auf, das Buch wird nicht langweilig und man erlebt mit der Protagonistin Antonia so manches Abenteuer, nur ist manches davon dermaßen actiongeladen, dass es den Leser nicht überzeugt. Da werden Wildwest-Verfolgungen im Eis inszeniert, da werden brenzlige Notlandungen durchgeführt oder waghalsige Manöver im Eis in Szene gesetzt.
Mittendrin immer Antonia Rauwolf, mit der man die ganze Zeit über nicht warm wird, da sie rücksichtslos und draufgängerisch handelt und nur ihre eigenen Interessen sieht. Bisweilen fühlt man sich regelrecht amüsiert über ihre Abenteuer, weil sie einfach zu unglaubwürdig sind. Als dann auch noch mystische Elemente auftreten, verliert man den Glauben an die Story.
Was mir sehr positiv aufgefallen ist: Der Autor beherrscht die Kunst der atmosphärischen Beschreibung exzellent. Er beschreibt die Eis-Szenerie, die Exkursionen und überhaupt den Aufenthalt im Eis so detailliert, dass man zu frösteln anfängt.
Und was mir auch sehr zusagt, ist das Nachwort, ein Sachbericht über die Situation der Antarktis heutzutage. Hier habe ich vieles erfahren, das ich noch nicht wusste oder worüber ich mir bislang keine Gedanken gemacht habe.
Alles in allem ist das Buch für mich eingeschränkt empfehlenswert, weil es zu viel einseitige Fiktion enthält. Ich habe nichts gegen Fiktion, aber in diesem Falle kam man sich teilweise vor wie im Land der Superhelden.

Bewertung vom 29.01.2023
Verschwiegen / Mörderisches Island Bd.1
Ægisdóttir, Eva Björg

Verschwiegen / Mörderisches Island Bd.1


sehr gut

Nordic Noir - beklemmend und düster
Elma ist in Akranes aufgewachsen, einer kleinen Stadt in Island. Wie so viele Jugendliche zog sie dann aber in die Hauptstadt, um dem eintönigen Kleinstadtleben zu entkommen. Sie arbeitete als Polizistin in Reykjavik, bis ihre Beziehung zerbrach und sie wieder in ihre Heimatstadt zurück katapultierte.
Normalerweise hat die Polizei in Akranes keine spektakulären Fälle zu bearbeiten, aber kaum hat Elma ihren Dienst begonnen, wird im Meer am alten Leuchtturm eine Frauenleiche entdeckt, deren Tod viele Rätsel aufgibt. Sie hat in Akranes eine traumatische Kindheit erlebt und war lange nicht mehr dort, weil sie den Ort verabscheute. Es stellt sich den Ermittlern die Frage, warum sie zurückgekommen ist und wer ihren Tod zu verantworten hat.
Es ist ein ständiger Perspektivenwechsel, der uns immer mehr Details zum Fall eröffnet. Man lernt ganz langsam immer mehr Leute kennen, die überwiegend in Akranes leben und die ein Bild abgeben, wie es in einer Kleinstadtgemeinde zugeht, wieviele Intrigen geschmiedet werden, wie eine gewisse Hackordnung entsteht und wie manche aus der Gemeinschaft verbannt werden. Hochangesehene Bewohner haben abgrundtiefe Geheimnisse, und irgendwie hat man die ganze Zeit das Gefühl, dass viele Bescheid wissen wissen, aber lieber schweigen. Das erzeugt eine bedrückende und düstere Atmosphäre, denn keiner scheint an der Aufklärung des Falles interessiert. Für mich ist dieses Gesellschaftsbild hochinteressant und realistisch.
Außer dem Perspektivwechsel gibt es auch zeitliche Rückblicke in die Kindheitsjahre der Toten. Diese sind besonders düster, denn man ahnt, welche Qualen das Mädchen durchlitten hat.
Durch die ständige Erweiterung der Informationen beginnt man irgendwann mitzurätseln, was passiert sein könnte, und die Spannung, die anfangs sehr lau ist, steigt spürbar. Zu Beginn waren für mich auch die vielen verwirrenden Namen ein Hindernis, ins Geschehen hineinzukommen. Mit der Zeit ging es besser.
Gut gefallen haben mir auch die geographischen Karten in den Umschlagseiten und die eingewebten Hintergrundinformationen über Island.
Alles in allem hat mich das Buch nach Anfangsschwierigkeiten gut unterhalten, und ich freue mich auf den nächsten Fall für Elma und ihre Kollegen, der in der zweiten Jahreshälfte erscheinen soll.

Bewertung vom 10.01.2023
Das letzte Versprechen
Lind, Hera

Das letzte Versprechen


ausgezeichnet

Wieviel kann ein Mensch ertragen?
Das habe ich mich ständig gefragt, während ich dieses Buch gelesen habe. Denn es ist nach einer wahren Begebenheit geschrieben, es existieren Tagebücher darüber, alle per Hand geschrieben und illustriert.
Hera Lind erzählt anhand dieser Aufzeichnungen das extrem harte Leben der Anni Eckardt, die mit fünf Jahren aus ihrer Familie und ihrer Heimat gerissen wird, weil die Banatdeutschen für die Gräueltaten der Nazis leiden sollen.
Schön hätte ich es gefunden, wenn eine Übersichtsskizze existiert hätte, damit man die geographische Lage erkunden könnte. Das habe ich dann im Netz gemacht, denn das Banat war mir überhaupt kein Begriff. Über Minderheiten erfährt man in der Schule nichts, und so habe ich zunächst mal meine historischen Kenntnisse erweitert, was mich tief berührt hat, denn die Banatdeutschen lebten zunächst in völliger Eintracht mit den Serben zusammen, bis der Krieg alles zerstörte. Die Männer wurden abgezogen, um für Deutschland zu kämpfen, die verbliebenen Bewohner wurden deportiert, überwiegend nach Sibirien.
Schonungslos, aber realistisch erzählt die Autorin über das schreckliche Leiden der Familie Pfeifer, wir begleiten Anni und ihre Großeltern in ihr trostloses und entbehrungsreiches Lagerleben bzw. Heimleben und Annis Mutter Amalie auf ihrem Weg nach Sibirien und die katastrophale Zeit im dortigen Arbeitslager. Bisweilen habe ich eine Lesepause eingelegt, um erstmal zu reflektieren, was Menschen anderen Menschen angetan haben. Man verschließt gern die Augen davor, aber das Grauen hat wirklich stattgefunden.
Und auch nach ihrer Rückkehr ist dies nicht beendet, denn die Heimkehrer werden mit ihren Traumata allein gelassen, sie müssen sich mühsam durchschlagen, werden teilweise ausgegrenzt und gleichzeitig versuchen sie, ihre verstörenden Erlebnisse zu verarbeiten. Der Autorin gelingt es hervorragend diese Atmosphäre einzufangen, man leidet förmlich mit. Besonders ergreifend fand ich die Zeit, als Annie ihre Großeltern verlassen muss, um wieder bei ihrer Mutter zu leben, die zu keiner Liebe mehr fähig ist und dem Mädchen keinen Trost vermitteln kann. Da war ich den Tränen nah.
Auch Annis Leben als erwachsene Frau mit allen Tiefschlägen und Freuden wird geschildert, und man beobachtet, dass Anni fortwährend aufopferungsvoll und freundlich mit ihren Mitmenschen umgeht und sich selbst vernachlässigt, wie sie es in ihren schlimmsten Jahren gelernt hat.
Hera Linds Schreibstil ist sehr atmosphärisch und hat mich in seinen Bann gezogen. Ich konnte oft nicht aufhören mit meiner Lektüre. Die Authentizität geht unter die Haut, und oft habe ich mich gefragt, ob ich das alles geschafft hätte.
Alles in allem ist dies ein Buch, das man nicht so schnell vergisst, es hinterlässt deutliche Spuren und ich kann es nur empfehlen.

Bewertung vom 28.12.2022
Ein Abend mit Marilyn
Wildner, Maxine

Ein Abend mit Marilyn


ausgezeichnet

Die ständige Suche nach aufrichtiger Liebe
Dieses Buch dreht sich um das 'Marilyn Ding'. Dieser Begriff steht für den Fluch, ein Lustobjekt zu sein bzw. darauf reduziert zu werden. Für Marilyn hat dies zwar durchaus viele Vorteile, aber andererseits offenbart sich hier ihre nicht erfüllte Suche nach wirklicher Liebe zu dem Menschen Marilyn.
Vorteilhaft ist, dass sie sich (fast) alles erlauben kann, z.B. ständiges Zu-Spät-Kommen, aber andererseits erlebt sie, dass sie nur benutzt wird, um das Ego anderer Menschen mit Ansehen, Macht, Erfolg und Geld zu füllen.
Sehr geschickt hat die Autorin Marilyns Leben in einzelne Rückblicke gesteckt. Das Buch ist nicht eine konventionelle Biographie, sondern spielt nur an einem Abend, dem Abend vor ihrem 36. Geburtstag. Einflussreiche Leute sind in einem Restaurant zusammen gekommen, um mit ihr zu feiern, aber sie lässt auf sich warten, weil mal wieder alles um sie herum zusammenbricht und nur noch Tabletten Hilfe versprechen. Während des Wartens wird retrospektiv Tür um Tür geöffnet, um Marilyns Leben darzulegen. Keiner der anwesenden Gäste ahnt, dass sie 8 Wochen später tot sein wird.
Ich habe sehr viel Mitleid für diese Frau verspürt, die schon als Baby zu Pflegeeltern gegeben wurde, ständig wechselnde Bezugspersonen hatte und die in einer trostlosen Welt der Verlogenheit als Star verehrt wurde. Tränen hatte ich in den Augen, als ihr das einzige Lebewesen, das ihr Liebe entgegenbringt, ein kleiner streunender Hund, auf hinterhältige Weise genommen wird.
Sehr unsympathisch ist mir ihre Managerin Paula, die nur ihre eigenen Allüren befriedigen will und Marilyn quasi ihre Würde nimmt, indem sie sie wie eine Marionette auftreten lässt. Sie nimmt sogar medizinische Eingriffe an ihrem Schützling vor, um das trügerische Bild in der Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten.
Mich hat dieses Buch gefesselt und fasziniert, da ich Einblicke in das Leben dieser haltlosen Frau erhielt, die ich mir so nicht vorgestellt habe. Auch der transparente Schreibstil hat mir sehr gefallen. Ich werde mir demnächst nochmal einen Marilyn-Film ansehen, mit diesem Hintergrundwissen wird dies bestimmt eine ganz neue Erfahrung. Alles in allem ein sehr empfehlenswertes Buch!

Bewertung vom 17.12.2022
Die Tochter der Hungergräfin
Spratte, Annette

Die Tochter der Hungergräfin


sehr gut

Aufbegehren gegen die Dominanz der Fürsten
Gräfin Louise Juliane von Sayn und Wittgenstein musste im 17. Jahrhundert zwei schwere Schicksalsschläge ertragen, zunächst starb ihr Mann, dann auch noch der Erbprinz Ludwig. Zwar hat der Graf verfügt, dass in diesem Falle seine beiden Töchter Ernestine und Johannette in die Erbfolge treten, aber dies wird nicht akzeptiert. Es beginnt ein auszehrender Kampf um die Grafschaft. Verschiedene Fürsten und Bischöfe versuchen, die Region an sich zu reißen, jedes Mittel ist ihnen recht.
Aber Louise Juliane verliert nicht ihren Stolz und kämpft weiter für die Rechte ihrer Familie. Sogar als man versucht, die Familie und den Hofstaat auszuhungern, verliert sie nicht den Mut, obwohl selbst ihre beiden Töchter große Not leiden. Sie organisiert eine gewagte Flucht und kämpft weiter....
Für mich ist dieser historische Roman besonders interessant, weil die besagte Region in nächster Nachbarschaft zu uns liegt. Aber über die Geschichte habe ich bislang kaum etwas erfahren. Ich wurde auf das Buch aufmerksam, als ich direkt vorne auf einer der ersten Seiten ein Bild der erhabenen und beeindruckenden Freusburg sah, die auch zu den Besitztümern gehörte und mittlerweile als Jugendherberge ausgebaut wurde. Wenn man dort droben auf den Felsen in dem dicken Gemäuer schon mal übernachtet hat, kann man sich die Situation noch besser vorstellen.
Ich finde den Roman atmosphärisch etwas düster, aber das passt hervorragend in die Zeit des 30-jährigen Krieges, als überall um die Besitztümer gekämpft wurde, die einfachen Leute die unschuldigen Leidtragenden waren und es überall Gemetzel, Hunger und Not gab.
Der Roman wird erzählt aus Sicht der älteren Tochter Ernestine, die zunächst sehr unsympathisch wirkt, sehr verwöhnt, egoistisch und auf die Untergebenen herabblickend, was besonders ihre erste Zofe zu spüren bekommt. Doch nach und nach muss sie immer mehr Verantwortung übernehmen und findet Zugang zu den Gefühlen ihrer Untertanen. Diese Entwicklung und die Auslöser dafür hat die Autorin eingehend geschildert.
Auf der anderen Seite empfindet man auch Mitleid mit ihr, denn sie kann ihre Rolle nicht verlassen und muss sich ihrer starken Mutter fügen, die ihr sogar den Ehemann vorschreiben will, um die Grafschaft zu halten. Hier zeigt sich die unausweichliche Ohnmacht der Frauen der damaligen Zeit, die ihr Leben lang in Abhängigkeit blieben, denn sie durften ja keine Berufe ergreifen, sondern waren nur Spielbälle und Unterstützer für die Familie. Die Autorin hat diesen Zusammenhang sehr treffend beschrieben.
Louise Juliane ist hier die große Ausnahme, aber auch sie muss sich einiges gefallen lassen und wird oft nicht ernst genommen. Trotzdem hat sie die Schicksale ihrer Töchter positiv geprägt, auch wenn sie manchmal wie eine erbarmungslose Mutter erscheint.
Der Schreibstil der Autorin hat mir gefallen, auch wenn manche Passagen etwas langatmig waren. Ich habe das Buch gern gelesen und historisch einiges über unsere 'Nachbarschaft' hinzugelernt.