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Benutzername: 
dorli
Wohnort: 
Berlin
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 880 Bewertungen
Bewertung vom 14.05.2023
Morgen, morgen und wieder morgen
Zevin, Gabrielle

Morgen, morgen und wieder morgen


ausgezeichnet

Sadie Green und Sam Masur lernen sich als Elfjährige im Spielzimmer eines Krankenhauses kennen und sind sofort auf einer Wellenlänge - sie teilen die Begeisterung für Videospiele und zocken unzählige Stunden Super Mario Bros. Eine Freundschaft entsteht, die allerdings abrupt endet, als Sam erfährt, dass Sadie sich die gemeinsamen Stunden als gemeinnützige Arbeit für ihre Bat Mizwa gutschreiben lässt. Auch wenn sie sich nie gänzlich aus den Augen verlieren, dauert es ungefähr zehn Jahre, bis sie sich am Harvard Square in Cambridge (Massachusetts) zufällig begegnen - Sadie studiert am MIT, Sam an der Harvard University - und ihre Freundschaft wieder aufleben lassen. Sie beschließen, gemeinsam mit Sams Mitbewohner Marx eigene Computerspiele zu entwickeln und landen gleich mit ihrem ersten Versuch einen Volltreffer…

In ihrem Roman „Morgen, morgen und wieder morgen“ nimmt Gabrielle Zevin den Leser mit auf eine spannende Zeitreise, die in den 1980er Jahren beginnt und mehrere Jahrzehnte umspannt. Die Autorin schildert den Lebensweg ihrer Protagonisten dabei nicht chronologisch, sondern hüpft munter zwischen den Zeiten und Perspektiven hin und her, so dass man nach und nach immer mehr Hintergründe erfährt und neue Seiten der Akteure entdeckt. Dieser stetige, gut durchdachte Wechsel zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hat mir besonders gut gefallen, weil die Handlung dadurch durchweg lebhaft und interessant bleibt.

Als Fundament für ihren Roman hat Gabrielle Zevin die Welt der Computerspiele gewählt, doch man muss kein Kenner der Szene sein, um dieses Buch in vollen Zügen genießen zu können, denn die Geschichte von Sadie und Sam ist viel mehr als ein Blick in die Gaming-Branche - hier geht es um das Wachsen und Werden zweier Menschen, um Freundschaft, Liebe und Rivalität, um Erfolg, Konflikte und Scheitern, um Umwege, Verlust und Neubeginn. Sam zeichnet gerne Labyrinthe und sagt im Verlauf der Handlung einmal, dass ein Labyrinth ein Videospiel in seiner reinsten Form sei. Genauso habe ich diesen Roman empfunden - als Labyrinth. Sadies und Sams Leben gleicht einem Irrgarten aus verschlungenen Wegen mit Abzweigungen, Kreuzungen, Gabelungen, Hindernissen, Sackgassen und Schleifen. Ein Wirrwarr, in dem man sich verlaufen kann, manchmal wieder am Anfang steht, aber irgendwann dann doch ans Ziel kommt.

Obwohl ich nicht in der Gaming-Welt zu Hause bin, war ich schnell mittendrin im Geschehen und konnte den Abläufen trotz der Komplexität der Geschichte problemlos folgen. Gabrielle Zevin hat das Leben und Wirken von Sadie und Sam eng mit der Realität verwoben, viele gesellschaftlich relevante Themen bereichern die Handlung und zwingen die Akteure, immer wieder neue Herausforderungen zu meistern. Es gibt schöne Zeiten, amüsante Momente, spannende Wendungen, tragische Augenblicke und dramatische Passagen, die alle sehr mitreißend geschildert werden. Besonders greifbar ist dabei immer wieder die große Leidenschaft der Akteure für Spiele und Spieleentwicklung.

„Morgen, morgen und wieder morgen“ hat mir sehr gut gefallen - ein unterhaltsam erzählter Roman, der mir ein paar kurzweilige Lesestunden beschert hat.

Bewertung vom 16.04.2023
Zornige Flut / Liv Lammers Bd.7
Weiß, Sabine

Zornige Flut / Liv Lammers Bd.7


ausgezeichnet

Sabine Weiß beginnt den siebten Band ihrer Sylt-Krimi-Reihe mit einem mitreißenden Prolog: Liv Lammers und ihre Tochter Sanna entgehen nur ganz knapp einer Katastrophe - Flammen wüten mitten in der Nacht im Erdgeschoss ihres Flensburger Kapitänshauses. Eindeutig Brandstiftung. Es soll nicht der einzige Anschlag auf das Leben der sympathischen Kommissarin bleiben…

Liv hat nur wenig Zeit, den Schrecken zu verarbeiten. Ein neuer Fall auf Sylt verlangt ihre ganze Aufmerksamkeit - ein Kollege aus der Kriminaltechnik hat während seines Kuraufenthalts in einer Fastenklinik einen menschlichen Schädel entdeckt. Hinweise auf Gewalteinwirkung lassen keinen Zweifel daran, dass der unbekannte Tote einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Da aber der Täter jegliches Gewebe sowie alle Zähne entfernt hat, kann der Schädel zunächst keinem aktuellen Vermisstenfall zugeordnet werden. Dann erfahren die Ermittler, dass eine prominente Sylter Galeristin seit einem halben Jahr wie vom Erdboden verschluckt ist…

„Zornige Flut“ hat mich schon nach wenigen Seiten fest im Griff gehabt. Sowohl die Ermittlungsarbeit in dem undurchsichtigen Mordfall wie auch die aufreibenden privaten Angelegenheiten der Ermittler und ganz besonders Livs lebensbedrohliche Situation werden spannend geschildert, so dass man durchweg mit den Akteuren mitfiebern und bis zum Schluss prima über Motive, Hintergründe und die Identität der Täter miträtseln und mitgrübeln kann.

Besonders gut gefällt mir an dieser Krimireihe, dass jede Figur einen ganz eigenen Charakter und eine individuelle Geschichte hat. Das „Stammpersonal“ macht seit dem ersten Band eine stetige Entwicklung durch, die ich als authentisch und nachvollziehbar empfinde. Es macht Spaß, die Wege der einzelnen Akteure zu verfolgen und ihr lebhaftes und abwechslungsreiches Zusammenspiel zu beobachten.

Neben interessanten Themen wie die forensische Gesichtsweichteilrekonstruktion oder die Herstellung von Waffen mittels 3D-Drucker sind auch die Beschreibungen der Handlungsorte auf Sylt und in Flensburg in diesem Band wieder äußerst gut gelungen - die technischen Erläuterungen sind leicht verständlich und die einzelnen Schauplätze kann man sich alle prima vorstellen.

„Zornige Flut“ hat mir sehr gut gefallen - ein kurzweiliger Krimi, der mich mit spannenden Ermittlungen und einer gut durchdachten Handlung bis zur letzten Seite gefesselt hat.

Bewertung vom 10.04.2023
Melody
Suter, Martin

Melody


ausgezeichnet

Der 30-jährige Tom Elmer hat einen Doppelabschluss in Jura und ist nach dem Tod seines Vaters gezwungen, sich mangels erhofftem Erbe einen Job zu suchen. Wochenlang vergeblich. Dann stößt er auf eine altmodische Chiffre-Anzeige in der Zeitung, bewirbt sich eher halbherzig und bekommt wider Erwarten eine Zusage. Tom soll den Nachlass des 84-jährigen superreichen und sterbenskranken Alt-Nationalrats Dr. Peter Stotz ordnen und dabei bitteschön das ein oder andere, das am Image des alten Herrn kratzen könnte, verschwinden lassen. Da die Bezahlung neben Kost und Logis äußerst großzügig ist, tritt Tom die Stelle an und beginnt sich durch unzählige Kartons und Ordner voller Dokumente, Fotos und Handschriften zu wühlen.

Auffällig in der Villa am Zürichberg: überall Bücher, viele Stickereien an den Wänden und immer wieder das Porträt einer jungen Frau. Eine Erklärung lässt nicht lange auf sich warten: bei der jungen Frau handelt es sich um Melody, einst die Verlobte des ehemaligen Nationalrats. Sie verschwand vor über vierzig Jahren spurlos. Bei täglichen Gesprächen vor dem Kamin erzählt Stotz ausgiebig von Melody - wie er die aus Marokko stammende Buchhändlerin damals kennengelernt hat, von der geplanten Hochzeit, ihrem plötzlichen Verschwinden und ganz besonders von der intensiven Suche nach ihr, die jedoch bis heute erfolglos blieb.

Je mehr Tom über die Vergangenheit seines Arbeitgebers erfährt, desto neugieriger macht ihn die Geschichte - besonders der Verbleib von Melody interessiert ihn. Er beschließt, mehr über die geheimnisvolle Frau herauszufinden und fragt sich schon bald, wie viel Wahrheit eigentlich in dem steckt, was Stotz ihm nach und nach über die Liebe seines Lebens erzählt.

Martin Suter hat einen wunderbaren Schreibstil. Ich war schon nach wenigen Seiten von der Handlung gefesselt. Die feine Charakterisierung der Figuren, die bildhaften Beschreibungen der Handlungsorte, die stimmige Atmosphäre in der herrschaftlichen Villa und die Schilderungen des abwechslungsreichen Geschehens auf beiden Zeitebenen haben mich durchweg bestens unterhalten.

Was für Tom und auch für mich als Leserin zunächst wenig spektakulär beginnt, wandelt sich dank Suters geschickter Erzählweise schnell zu einer raffiniert gestrickten Geschichte. Obwohl alles, was der Alt-Nationalrat über Melody und ihr Verschwinden erzählt, Hand und Fuß zu haben scheint, schleichen sich langsam Zweifel ein. Suter streut hier und dort eine Ungereimtheit oder einen kleinen Widerspruch in die Handlung ein und lässt die Spannung so Seite um Seite langsam ansteigen. Das Geschehen wird wendungsreich, gleicht mehr und mehr einem Krimi und entwickelt dabei einen Sog, dem man sich als Leser nicht entziehen kann.

„Melody“ hat mir sehr gut gefallen - ein anschaulich und lebendig erzählter Roman, der mir ein paar kurzweilige Lesestunden beschert hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.04.2023
Die Radfahrerin
Leonard, Susanna

Die Radfahrerin


ausgezeichnet

In ihrem Roman „Die Radfahrerin“ erzählt Susanna Leonard aus dem Leben der Anzeigenverkäuferin Anna Cohen Kopchovsky, die Mitte der 1890er Jahre als Annie Londonderry zu Ruhm gekommen ist, weil sie als erste Frau die Welt mit dem Fahrrad umrundet hat. Trotz dieser erstaunlichen Leistung ist Annie heute fast in Vergessenheit geraten.

Die 23-jährige Anna lebt mit ihrem Mann Max und ihren drei kleinen Kindern im jüdischen Ghetto von Boston. Da Max mehr Zeit in der Synagoge verbringt, als für den Familienunterhalt zu sorgen, muss Anna neben ihren Aufgaben als Hausfrau und Mutter auch die karge Haushaltskasse auffüllen. Jeden Abend klappert sie die Läden in Bostons Straßen ab und versucht Ladenbesitzer davon zu überzeugen, Werbeanzeigen in den Tageszeitungen zu schalten. Eines Tages bittet ein Fahrradhändler darum, neben der üblichen Werbung noch eine Suchanzeige in den Zeitungen zu platzieren - gesucht wird eine junge Frau, die für ein Preisgeld von 10.000 Dollar bereit ist, mit dem Fahrrad um die Welt zu fahren. Anna sieht die Chance für sich und ihre Familie, dem tristen Leben und der Armut zu entkommen und bewirbt sich. Was Anna erst jetzt erfährt: das Ganze basiert auf einer Wette zwischen zwei reichen Bostoner Geschäftsmänner, von denen einer behauptet, dass eine Frau niemals zu den gleichen Leistungen fähig ist, wie ein Mann. Eine Aussage, die Anna erst recht anspornt - sie hat nicht mehr nur ihr eigenes Wohlergehen im Blick, sie sieht sich auch als Botschafterin für die Stärkung der Frauenrechte und für mehr Gleichberechtigung und will beweisen, dass auch Frauen derart kräftezehrende Herausforderungen meistern können. Trotz irrwitziger Wettbedingungen und entgegen dem Willen ihres persönlichen Umfeldes schwingt Anna sich Ende Juni 1894 als Annie Londonderry auf ihr Fahrrad…

Susanna Leonard hat mich in dieser Romanbiografie mit einer faszinierenden Persönlichkeit bekannt gemacht - Anna Kopchovsky, eine temperamentvolle, willensstarke Frau, die sich nicht mit dem zufrieden gegeben wollte, was das Schicksal für sie bereitgestellt hatte. Sie wollte mehr vom Leben und hat zugegriffen, als sich die Gelegenheit dafür bot.

Da es kaum historische Belege über diese Weltumrundung gibt, bestand für Susanna Leonard die Aufgabe darin, die riesigen Lücken mit stimmiger Fiktion zu füllen - und das ist der Autorin ausgesprochen gut gelungen. Annies Reise ist von vielen Höhen und Tiefen geprägt. Anfangs macht ihr ihre Ausstattung Probleme, später sind es neben Wetter, Hunger und Schmerzen auch Banditen, sture Zollbeamte und sogar menschenfressende Raubkatzen, die sie fast verzweifeln und manchmal auch an Aufgabe denken lassen. Doch sie schiebt beharrlich alle Steine, die ihr in den Weg rollen, beiseite und genießt die zahlreichen aufmunternden Begegnungen mit anderen Fahrradbegeisterten.

Annie Londonderry wird nachgesagt, dass sie es mit der Wahrheit nicht immer so ganz genau genommen hat. Da sie aber Geld für ihre Reisekasse brauchte und auch die Wettbedingung, am Ende der Reise 5000 Dollar verdient zu haben, erfüllen musste, kann ich es ihr nicht krummnehmen, dass sie ihre Erlebnisse werbewirksam aufgerüscht hat, um ihre vielen Vorträge und Interviews interessanter zu gestalten und so neue Werbeverträge - ihre einzige Einnahmequelle - an Land zu ziehen. Auch, dass sie einen Großteil ihrer Tour mit Schiff und Zug zurückgelegt hat und bei einigen Erlebnissen wohl viel Fantasie im Spiel war, kann ich ihr verzeihen, da sie die Menschen rund um den Globus mit ihren lebhaften Reiseberichten damals prima unterhalten hat und dank dieses kurzweiligen Romans auch mich über hundert Jahre nach ihrer Weltumrundung mit ihren Geschichten begeistern konnte.

Bewertung vom 21.03.2023
Inspiration Federer
Graf, Simon;Cambers, Simon

Inspiration Federer


ausgezeichnet

Roger Federer hat mich viele Jahre mit seinem Tennis begeistert. Wann immer es mir möglich war, habe ich seine Spiele im TV verfolgt. Auch ohne Roger Federer je persönlich begegnet zu sein, habe ich den Eindruck gewonnen, dass er ein lockerer Typ ist. Bodenständig und nahbar. Respektvoll und wertschätzend. Seine Persönlichkeit, seine Präsenz auf und neben dem Tennisplatz und die fesselnde Aura, die ihn umgibt, haben mich immer fasziniert.

In ihrem gemeinsamen Buch „Inspiration Federer: Vorbild, Rivale, Freund, Gamechanger“ versuchen die Sportjournalisten Simon Graf und Simon Cambers dem Grund für diese besondere Wirkung, die Roger Federer auf seine Mitmenschen hat, auf die Spur zu kommen. Dafür haben die beiden Journalisten über vierzig Menschen interviewt, die alle auf die eine oder andere Weise eine Verbindung zu Federer haben bzw. hatten. Neben Wegbereitern, Weggefährten und Freunden kommen auch Fans und Persönlichkeiten aus Politik und Kultur zu Wort - sowohl die abwechslungsreiche Auswahl der Teilnehmer wie auch die Zusammenstellung der einzelnen Artikel in unterschiedliche Rubriken habe ich als sehr gelungen empfunden. Es ist eine unterhaltsame Lektüre entstanden, die nicht nur den sportlichen Werdegang des Ausnahmeathleten beleuchtet, sondern vor allen Dingen tiefe Einblicke in seinen Charakter ermöglicht.

Den Leser erwarten in diesem Buch interessante, amüsante und auch bewegende Anekdoten. Jeder einzelne der Interviewpartner erzählt von seinen besonderen Momenten mit Roger Federer. Von vielen guten Dingen, fröhlichen Zeiten und spannenden Erlebnissen, aber auch von emotionalen Krisen, die es zu überstehen galt. So unterschiedlich diese einzelnen Geschichten auch sind, in einem Punkt ähneln sich alle - sie heben Federers aufgeschlossene, sympathische Art, seine inspirierende Kraft und seinen großartigen Sinn für Humor hervor und bestätigen damit das Bild, dass ich mir über die Jahre hinweg von ihm gemacht habe.

Neben den facettenreichen Texten enthält das Buch auch einen mehrseitigen Bildteil - Fotos, die die Geschichten ganz hervorragend abrunden.

Es hat mir großen Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen. Die vielfältigen Einblicke in Roger Federers Leben und Charakter lassen „Inspiration Federer“ sowohl für Tennisfans wie auch für Nicht-Tennisfans zu einem kurzweiligen Lesevergnügen werden.

Bewertung vom 27.02.2023
Tote Lämmer lügen nicht / Ostfriesen-Krimi Bd.10
Franke, Christiane;Kuhnert, Cornelia

Tote Lämmer lügen nicht / Ostfriesen-Krimi Bd.10


ausgezeichnet

Neuharlingersiel. Das vom Häkelbüdel-Club veranstaltete Wohltätigkeitsessen neigt sich dem Ende entgegen. Einige Teilnehmer wundern sich, dass Lenny Kramer nicht aufgetaucht ist, wo er doch nie eine der genauso leckeren wie günstigen Mahlzeiten verpasst. Lehrerin Rosa Moll erklärt sich bereit, bei dem Eigenbrödler nach dem Rechten zu sehen und findet Lenny mausetot in seinem Wohnzimmer: Erschossen! Hauptkommissar Siegfried Haueisen von der Kripo Wittmund rückt an und nimmt gemeinsam mit Dorfpolizist Rudi Bakker und Oberkommissar Helmut Schnepel die polizeilichen Ermittlungen auf. Auch Hobbydetektivin Rosa ist sofort wieder in ihrem Element und stellt eigene Nachforschungen an - wie nicht anders zu erwarten, gerät sie dabei einmal mehr in eine äußerst brenzlige Situation…

In „Tote Lämmer lügen nicht“ schicken Christiane Franke und Cornelia Kuhnert ihr munteres Ermittlertrio bereits zum zehnten Mal auf Verbrecherjagd - auch diesmal erwarten den Leser wieder eine kurzweilige Handlung, spannende Ermittlungen und jede Menge Lokalkolorit. Rosa, Henner und Rudi haben mich mit ihrer Spurensuche und der Art, wie sie aus ihrem Alltag erzählen, wieder durchweg begeistert - wer amüsante Krimis mit genauso originellen wie warmherzigen Figuren mag, kommt hier voll auf seine Kosten.

Auch wenn der Humor und die abwechslungsreichen Ermittlungen im Vordergrund stehen, scheuen die Autorinnen sich auch diesmal nicht, in ihrem Krimi auf tatsächliche Probleme in der Region aufmerksam zu machen. Diesmal geht es zum einen um windige Geschäfte rund um die Immobilienleibrente und zum anderen um die Konflikte zwischen Artenschutz und Weidetierhaltung - die Rückkehr des Wolfes hält die Küstenbewohner und ganz besonders die Deichschäfer in Atem.

Eine Übersicht über das Stammpersonal der Serie sowie die Rezepte der Leckereien, die im Verlauf der Handlung gekocht werden, befinden sich im Anhang und runden diesen Küstenkrimi perfekt ab.

„Tote Lämmer lügen nicht“ hat mir sehr gut gefallen. Vor allem das amüsante Dorfleben und der herrlich dröge Humor haben mich wieder bestens unterhalten.

Bewertung vom 13.02.2023
Die Zeit, die vor uns liegt
Barbal, Maria

Die Zeit, die vor uns liegt


sehr gut

Elena und Armand - beide sind bereits über sechzig - lernen sich bei einem Yogakurs kennen und sind einander schnell sympathisch. Armand ist Witwer und hat keinerlei Verpflichtungen. Elena ist in einer Ehe gefangen, der das Glück vergangener Tage abhanden gekommen ist. Die beiden stürzen sich Hals über Kopf in eine Beziehung und lösen damit etwas Unerwartetes aus - beide beginnen intensiv über die bereits gelebten Jahrzehnte mit all ihren Höhen und Tiefen nachzudenken und gelangen dann jeweils zu der Frage, was sie sich für die Zeit, die vor ihnen liegt, wünschen und erhoffen …

Maria Barbal erzählt in „Die Zeit, die vor uns liegt“ aus dem Leben zweier Menschen, die sich nach Liebe sehnen und ihre Zeit mit mehr lebenswerten Momenten füllen möchten, es aber aus unterschiedlichen Gründen bisher nicht geschafft haben, aus Routine und Alltagstrott auszubrechen. Die Autorin lässt ihre Protagonisten im Wechsel zu Wort kommen, so dass man als Leser sowohl Einblick in deren jeweilige Vergangenheit bekommt, als auch das aktuelle Geschehen aus zwei Perspektiven miterlebt. Das Buch hat mit nicht einmal 200 Seiten einen sehr geringen Umfang, doch es gelingt Maria Barbal auch ohne weitschweifige Umschreibungen ganz ausgezeichnet, Elenas und Armands Gedanken und Gefühle greifbar zu vermitteln. Dabei wird die innere Zerrissenheit der beiden, ob es wirklich richtig ist, neue Wege zu gehen, nachvollziehbar dargestellt. Besonders die Zweifel, mit denen Elena zu kämpfen hat, werden eingängig beleuchtet.

„Die Zeit, die vor uns liegt“ hat mir sehr gut gefallen - eine Geschichte, in der einfühlsam aufgezeigt wird, dass es eine Menge Mut und Entschlossenheit braucht, um in reiferen Jahren Gewohnheiten und Pflichtgefühl hinter sich zu lassen und einen Neustart zu wagen, dass es sich aber für ein Stückchen vom Glück lohnt, jedwede Hürde zu überwinden.

Bewertung vom 11.12.2022
Unschuld
Würger, Takis

Unschuld


sehr gut

Zehn Jahre ist es her, dass der 16-jährige Casper Rosendale erschossen wurde. Der Mechaniker der Familie, Florentin Carver, hat die Tat gestanden und wurde dafür zum Tode verurteilt. Jetzt rückt der Tag seiner Hinrichtung näher - noch 5 Wochen verbleiben ihm, bis eine Giftspritze seinem Leben ein Ende setzen soll. Molly Carver, die bis heute an die Unschuld ihres Vaters glaubt, will die wenigen Tage nutzen, um die Wahrheit über die damaligen Ereignisse ans Licht zu bringen…

In seinem Roman „Unschuld“ nimmt Takis Würger die vielfältigen Probleme der US-amerikanischen Gesellschaft ins Visier. Durch die Augen von Molly Carver gewährt der Autor dem Leser einen Blick auf die Abgründe, die sich hinter der schillernden Fassade der „großartigsten Nation“ der Welt auftun. Würger macht deutlich, wie weit die Schere zwischen Arm und Reich auseinander klafft. Er hebt die Selbstverständlichkeit hervor, mit der Schusswaffen besessen und getragen werden. Er schildert die Sorglosigkeit im Umgang mit Drogen und verschreibungspflichtigen Medikamenten. Und auch Themen wie die in manchen Bundesstaaten noch geltende Todesstrafe, die Hilflosigkeit bei seltenen Krankheiten und der ausgeprägte Patriotismus fließen in die Handlung ein.

Der Roman ist aber nicht nur ein Gesellschaftsporträt, sondern wird durch Mollys verzweifelte Suche nach Antworten und den aufschlussreichen Rückblenden in ihre Kindheit und in die Monate vor Caspers Tod gleichzeitig zu zwei dramatischen Familiengeschichten, die in unterschiedlichen sozialen Schichten spielen und sich auf verhängnisvolle Weise kreuzen.

Takis Würger konzentriert sich in seiner Geschichte auf das Wesentliche und verzichtet auf detaillierte Umschreibungen. Obwohl durch die vielsagende Kürze die Dinge auf den Punkt gebracht werden, hätte ich die Handlung gerne ausführlicher und mit etwas mehr Drumherum gehabt, um noch besser mit den Akteuren mitfiebern zu können.

„Unschuld“ hat mir insgesamt gut gefallen – ein Gesellschaftsroman, der die hässlichen Seiten hinter dem schönen Schein aufzeigt.

Bewertung vom 13.11.2022
Als die Welt zerbrach
Boyne, John

Als die Welt zerbrach


ausgezeichnet

Mit „Als die Welt zerbrach“ knüpft John Boyne an seinen erfolgreichen Roman „Der Junge im gestreiften Pyjama“ an. Seit dem tragischen Verschwinden des 9-jährigen Brunos im Jahr 1943 sind fast achtzig Jahre vergangen. Brunos mittlerweile 91-jährige Schwester Gretel führt heute ein zurückgezogenes Leben in London. Als sich in der Wohnung unter ihr ein Familiendrama abspielt, werden Erinnerungen wach - an ihren Bruder, an die schrecklichen Ereignisse, die sie ihr Leben lang zu Verschweigen versucht hat und an die schwerwiegende Schuld, die sich tief in Gretels Seele eingebrannt hat.

John Boyne geht in diesem Roman der Frage nach, wo Schuld eigentlich beginnt. Ist das Kind eines KZ-Kommandanten mitschuldig am Holocaust? Kann eine 12-Jährige für die Gräueltaten ihres Vaters mitverantwortlich gemacht werden? Hat ein junges Mädchen den Tod ihres Bruders verschuldet, weil sie ihn ermuntert hat, etwas Unbedachtes zu tun? Gretel selbst redet sich ein, unschuldig zu sein, fragt sich aber gleichzeitig, warum sie dennoch immer darauf bedacht ist, ihre Identität geheim zu halten.

„Als die Welt zerbrach“ wird fesselnd erzählt und entwickelt schnell einen Sog, dem man sich als Leser nicht entziehen kann. Der Roman ist eine emotionale Reise zu unterschiedlichen Stationen in Gretels Leben, an denen sie mit ihrer Vergangenheit und ihrer Schuld konfrontiert wird. In Paris werden sie und ihre Mutter vor eine Art Tribunal aus Résistance-Mitgliedern gezerrt; in Sydney trifft sie unerwartet auf Kurt, einen ehemaligen Mitarbeiter ihres Vaters, für den sie als 12-Jährige geschwärmt hat; in London verliebt sie sich in einen Juden, dessen Familie von den Nazis ermordet wurde. In jedem einzelnen Abschnitt wird dabei greifbar, wie groß Gretels Furcht ist, entdeckt zu werden und wie schwer die Last der Schuld wiegt.

Acht lange Jahrzehnte bestand Gretels Leben aus Angst und Schuldgefühlen. Die immerwährende Schuld hat sie geprägt. Als sie Zeugin wird, wie ihr neuer Nachbar seine Familie misshandelt, ist sie fest entschlossen, nicht wieder tatenlos wegzusehen, wenn wehrlosen Menschen Leid angetan wird. Heute will sie handeln, egal, was es sie kosten wird…

„Als die Welt zerbrach“ hat mir sehr gut gefallen - eine tiefgründige Geschichte, die kurzweilig erzählt wird und mich auch nach dem Lesen noch lange beschäftigt hat.

Bewertung vom 07.11.2022
In 80 Büchern um die Welt

In 80 Büchern um die Welt


sehr gut

„In 80 Büchern um die Welt“ ist ein reich bebildertes Nachschlagewerk, das einlädt, die Welt anhand literarischer Werke zu erkunden. Eingeteilt in vier Rubriken - Expedition und Reisen (ca. 725 v. Chr. bis 1897); Zeitalter des Reisens (1897-1953); Postmoderne. Neue Wege (1954-1999) und Reisen in der Gegenwart (2000 bis heute) - werden fast 80 bekannte und auch weniger bekannte Werke der internationalen Belletristik vorgestellt und näher beleuchtet.

Die jeweils zwei bis vier Seiten umfassenden Beiträge über die Werke stammen aus der Feder von mehr als 50 Autoren - Professoren, Journalisten, Kritiker, Übersetzer und andere dem Literaturbetrieb angehörende Schreibende haben an diesem Buch mitgearbeitet, so dass eine bunte Mischung stilistisch unterschiedlicher Artikel mit Inhaltsangaben, Hintergrundinformationen, Analysen und Interpretationen entstanden ist.

Die Auswahl der besprochenen Bücher ist ein wenig anders, als ich erwartet hatte. Laut Einleitung will das Buch „ein Reisebegleiter in verschiedene Ecken der Welt“ sein. Das abenteuerliche Bereisen bzw. Erkunden fremder Länder steht allerdings nicht immer im Mittelpunkt der Geschichten. In manchen Titeln geht es auch um Reisen im übertragenen Sinn. Um innere Reisen, die einen Prozess der Selbstfindung und der Selbstreflexion zum Thema haben.

Die Aufmachung des Buches ist eine Augenweide. Die informativen Artikel werden ansprechend präsentiert und sind mit zahlreichen Fotos, Reproduktionen von Gemälden, Illustrationen sowie einigen Landkarten versehen.

„In 80 Büchern um die Welt“ hat mir sehr gut gefallen - ein genauso unterhaltsames wie informatives Buch, das den Leser auf die unterschiedlichsten Reisen mitnimmt. Da mir viele der vorstellten Werke gänzlich unbekannt waren, ist dieses illustrierte Nachschlagewerk zu einem Füllhorn an Inspiration für mich geworden.