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Waldeule

Bewertungen

Insgesamt 60 Bewertungen
Bewertung vom 03.11.2020
Being Young
Skåber, Linn

Being Young


sehr gut

Das Buch besteht aus (inneren) Monologen, die die Autorin Linn Skåber nach vielen Gesprächen und Interviews Jugendlichen in den Mund legt. Eine sehr ungewöhnliche Art zu erzählen, aber sehr eindringlich.

Die kurzen Geschichten sind sehr verdichtet auf das Wesentliche, treffen dabei aber genau auf den Punkt. Dieser sehr eigene Stil hat mir grundsätzlich gerade in seiner Kürze und Aussagekraft sehr gut gefallen. Sie sind immer aus der Sicht von Jugendlichen, mal lustig, mal traurig, mal romantisch, leider auch manchmal deprimierend – auf alle Fälle laden sie aber immer zum Nachdenken ein. Wie bei den meisten Kurzgeschichten gefällt die eine besser und die andere weniger gut, insgesamt habe ich sie aber gern gelesen.

Die Bündelung in einem Buch fand ich dagegen etwas einseitig. Jede der Kurzgeschichte hat seine eigene Aussage und verdient es, nicht nur konsumiert, sondern auch durchdacht zu werden. Dazu kommt, dass ich mir zur Abwechslung und Entspannung zwischendurch andere Erzählweisen gewünscht hätte. Auch wenn mir der Stil sehr gefallen hat, ist der immer gleiche Ton auf Dauer anstrengend. Für mich ein Buch, in dem ich zwischendurch immer wieder gerne ein oder zwei Geschichte gelesen habe, aber kein Buch zum „Wegschmökern“.

Meinen beiden jugendlichen Testlesern am Anfang („verwirrend“) und in der Mitte der Pubertät („zu wenig spannend) hat es nicht gefallen. Aus meiner Sicht kann man die Geschichten nur schätzen, wenn man diese Umbruchszeit reflektiert betrachten kann – nicht wenn man mittendrinsteckt.

Sehr lobend hervorheben möchte ich die tolle grafische Gestaltung von Lisa Aisato. Schon der Buchumschlag, der Porträts aus dem Inneren als Collage vereint, ist ein echter Hingucker. Aber ganzseitig wirken die ganz unterschiedlichen Bilder natürlich noch viel besser. Sehr detailreich und mit viel Phantasie lassen sie die Texte noch einmal auf ganz andere Weise sprechen und vertiefen ihre Aussage. Ein Buch nicht nur zum Lesen, sondern auch zum Anschauen.

Auch das größere Buchcover fällt auf den ersten Blick positiv aus und hebt es aus der Masse der „gängigen“ Buchgrößen heraus. Es liegt sehr angenehm in der Hand und ist durch das dickere Papier und die vielen Weißräume, die zum Tagträumen einladen, ein sehr hochwertiges Buch.

Fazit: Das Gefühlsleben Jugendlicher auf eine ganz andere, neue Art und Weise geschildert. Dazu kommt eine hochwertige Ausstattung und tolle Illustrationen. Ein Buch, das einlädt, es immer mal wieder in die Hand zu nehmen und eine Geschichte zu genießen.

Bewertung vom 01.11.2020
Wundersuche
Bruckner, Thomas

Wundersuche


sehr gut

Vorneweg: dieses Buch ist ein Erfahrungsbericht. Kein Sachbuch für und wider alternative Heilmethoden und schon gar kein Ratgeber mit Adressen und gar Bewertungen von Heilern und Schamanen. Thomas Bruckner hat seine ganz eigenen, subjektiven Erfahrungen auf der Suche nach dem Wunder der Heilung aufgeschrieben.

Mir hat diese sehr persönliche Suche gut gefallen. Der Autor berichtet von inspirierenden und irritierenden Begegnungen mit dem brasilianischen „Geisterheiler“ João de Deus genauso wie von Enttäuschungen, er erzählt von den Begegnungen mit Hellsichtigen und Heiler*innen in seinem Heimatland Österreich und angrenzenden Ländern, er trifft afrikanische Voodoo-Könige und ist in den Philippinen bei unerklärlichen „blutigen Operationen“ dabei.

„Kopfgesteuert und offenen Herzens, auf der Suche nach Wundern“, so beschreibt sich der Autor selbst und so ist das Buch auch geschrieben. Thomas Bruckner ist kein blinder Gläubiger, der einen Trend folgt, sondern er ist auf der Suche und begegnet dabei so manch Unglaublichem. Er ist dabei kritisch und fragt nach, gesteht sich und uns aber auch ein, wenn manche Dinge zwischen Himmel und Erde unerklärlich bleiben. Diese Mischung hat mir gut gefallen, es ist nicht einseitig ideologisch, sondern zeigt auf, was Thomas Bruckner als kopfgesteuerter Europäer erlebt, denkt und fühlt. Für mich ist das Buch damit sehr glaubwürdig. Da ich mich noch nie mit dieser Thematik auseinandergesetzt habe, war ich wirklich erstaunt, welche Heilungsansätze es auf unserer Welt gibt.

Thomas Bruckner erzählt größtenteils kurzweilig und wechselt geschickt zwischen Geschichten aus nah und fern ab. Manches wiederholt sich dabei und manche Episoden waren nicht ganz so interessant wie andere, aber das hat dem Lesegenuss keinen Abbruch getan. Der Autor ist Journalist, was man dem Text anmerkt, denn er ist gut geschrieben und lässt sich angenehm lesen.

Das Buch ist bereits 2018 erschienen, wurde aber 2020 (auch wegen der Anklage des Brasilianers João de Deus) überarbeitet und ergänzt.

Fazit: Ein ganz persönlicher Erfahrungsbericht, der mich in unbekanntes Terrain mitnahm. Interessant und manchmal auch staunenswert, dazu gut geschrieben. Empfehlenswert für alle, die aufgeschlossen für die Erfahrungen anderer sind.

Bewertung vom 20.09.2020
Jahresringe
Wagner, Andreas

Jahresringe


sehr gut

Mich hat „Jahresringe“ vor allem wegen seines realen Hintergrunds des Kohleabbaus im Ruhrgebiet und der damit verbundenen Zerstörung des Bürgerwaldes interessiert. Das wurde auch sehr gut in die fiktive drei-Generationen-Geschichte der Familie Klimkeit integriert, wobei ich mir zwischendurch noch mehr Tiefe gewünscht hätte.

In jedem der drei Buchabschnitte spielt eine Generation die Hauptrolle und so schlägt es einen Bogen vom Flüchtlingsmädchen Leonore zu den Enkeln Jan und Sarah, die zur Rodung des Hambacher Forsts ganz unterschiedlicher Meinung sind. Mit Abstand am stärksten fand ich diesen 3. Teil. So hätte ich mir das ganze Buch gewünscht. Da werden nicht nur verschiedene Meinungen vertreten, sondern vor allem dürfen wir mit der Familie Klimkeit mitleben und ihre Gedanken, Gefühle und Konkflikte hautnah erfahren. Diese Direktheit hat mir vor allem im mittleren Teil gefehlt, in dem sehr distanziert berichtet wird, wie Paul, der Sohn Leonores seine Jugend erlebt. Langatmig, ohne Emotionen und auch für mich thematisch nicht relevant. Im ersten Teil bin ich der Geschichte Leonores, die in Lich-Steinstraß eine neue Heimat findet, gerne gefolgt. Nur mit den mystischen Geschehnissen in diesem Teil konnte ich überhaupt nichts anfangen. Ich habe nichts gegen Übersinnliches in Büchern, wenn es denn passt – das hat es hier für mich aber gar nicht, abgesehen davon fand ich es auch völlig unnötig.

Mit dem letzten Abschnitt schließt sich der Kreis und sowohl die Familien- wie auch die tatsächliche Geschichte wird rund. Vom Grundaufbau gut gemacht und auch die die lebendigen Charaktere waren gut gewählt. Nur ihre spontanen Handlungen – gerade wenn es um das Thema Wald ging – haben mich immer wieder gestört. Das hätte man auch plausibler erzählen können.

Das Thema Heimat spielt durchgehend eine (große) Rolle, was mir sehr gut gefallen hat. Heimat, aus der man gewaltsam vertrieben wird; Heimat, die zu keiner Heimat wird; aber auch Heimat, die man selbst findet. Ich habe wie erhofft auch etwas über den geschichtlichen Hintergrund des Braunkohleabbaus und der damit verbundenen Zerstörung des Bürgerwaldes und dem Kampf im Hambacher Forst erfahren, allerdings hätte dieser Aspekt für mich durchaus ausführlicher und noch mehr in die Tiefe gehen dürfen. Das ist aber persönliche Vorliebe, andere LeserInnen werden das anders sehen.

Fazit: Familiengeschichte mit zeitgeschichtlichem Hintergrund. Gut gewähltes Thema, die Umsetzung hatte für mich ein paar Schwächen. Durch den gelungenen dritten Abschnitt aber doch noch vier Sterne.

Bewertung vom 06.09.2020
Keine Panik, ist nur Technik
Ait Si Abbou, Kenza

Keine Panik, ist nur Technik


ausgezeichnet

„Warum bleiben wir nicht neugierig, wenn wir groß sind? Warum haben wir Angst vor neuen Sachen?“

Diese Fragen stellt Kenza Ait Si Abbou in ihrem Vorwort und ich gebe zu: auch wenn ich mich in bestimmten Computerbereichen durchaus zuhause fühle, hat sie mich hier ertappt.

Die Begeisterung der Autorin ist aber schnell auf mich übergesprungen und ich bin sehr froh über dieses tolle und lesenswerte Sachbuch! Kenza Ait Si Abbou, Informatikerin und Managerin für Robotik und künstliche Intelligenz, führt uns darin in die Grundlagen maschinellen Lernens ein und zeigt, wo und wie in vielen Bereichen des täglichen Lebens Technik und künstliche Intelligenz heute schon eine große Rolle spielen.

Dabei hat mir vor allem die Klarheit ihrer Erklärungen sehr gut gefallen. Die Autorin kann selbst komplizierte Sachverhalte einfach und kurz erklären. Sie schwafelt nicht rum, sondern bringt den Inhalt genau auf den Punkt und unterlegt die theoretischen Beispiele immer wieder mit anschaulichen Beispielen aus dem Alltagsleben. Dazu kommen witzige Sketch-Notes zur Verdeutlichung und viele Links und Quellangaben, um das eine oder andere nachzulesen. Das Buch ist sehr kurzweilig und gut lesbar geschrieben, da macht Sachbuchlesen richtig Spaß!

Gerade die einführenden Kapitel über das selbstständige Lernen von Maschinen haben mich dabei begeistert, auch wenn ich mich dabei ganz schön konzentrieren und den ein oder anderen Satz zweimal lesen musste. Ohne Vorkenntnisse sind diese Kapitel wohl beim ersten Lesen schwer zu verstehen, doch es wird dann wieder einfacher. Im weiteren Verlauf des Buches geht die Autorin auf verschiedene Einsatzgebiete von KI ein, wobei es mir da ruhig noch mehr ins Detail und in die Tiefe hätte gehen dürfen. Auch die Bewältigung der Corona-Krise mit Hilfe Künstlicher Intelligenz ist immer wieder Thema.

Kenza Ait Si Abbou geht in ihrem Buch auf positive Aspekte des Technikeinsatzes, aber auch auf Probleme und Risiken ein. Dabei hat mir die Ausgewogenheit sehr gut gefallen, Technik wird hier nicht verteufelt, aber auch nicht in den Himmel gehoben. Die Autorin gibt Lösungsvorschläge und Tipps, auf was man selbst achten kann und soll. Wir alle sind der Technik nicht hilflos ausgeliefert, vor allem dann nicht, wenn man zumindest grundlegend weiß, wie Technik funktioniert. Dazu ist dieses Buch eine große Hilfe.

Das Interesse an Technik zu wecken und sich aktiv miteinzubringen ist Kenza Ait Si Abbou ein großes Anliegen. Das Buch verdeutlicht deswegen auch, dass das Programmieren keine Sache von einigen InformatikerInnen ist, sondern sehr viele Disziplinen vereint und es auch StatistikerInnen, PsychologInnen, SoziologInnen, LinguistInnen, PhilosophInnen … braucht, um Algorithmen sinnvoll und gewinnbringend einzusetzen. Und vor allem auch uns als mündige, informierte und kritische NutzerInnen! Es geht also um weit mehr als „nur“ die Funktion Künstlicher Intelligenz – das Buch reißt die Frage an, wie wir unsere Gesellschaft im „Informationszeitalter“ organisieren wollen.

Fazit: Sehr empfehlenswertes Sachbuch über Künstliche Intelligenz. Begeisternd, informativ und auch unterhaltsam geschrieben! Ganz klar 5 Sterne vor mir.

Bewertung vom 15.08.2020
Die Hyperion-Gesänge
Simmons, Dan

Die Hyperion-Gesänge


ausgezeichnet

Ein grandioses Buch! Mehr gibt es dazu eigentlich auch nicht zu sagen, denn ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Bei der fantasievollen und doch so gut vorstellbaren Zukunftshandlung? Bei den unzähligen Anspielungen und Verbindungen zu Geschichte, Religion, Philosophie, Kunst, Kultur, Politik? Beim tollen Schreibstil, der durch die mehr als 1400 Seiten richtiggehend „fließen“ lässt? Oder beim raffinierten Buchaufbau, der sich von den Einzelschicksalen der sieben „Pilger“ hin zu einer universalen Geschichte über Raum und Zeit weitet?

Wahrscheinlich ist es die Gesamtkomposition des Buches, die mich so sehr begeistert. Ich nehme dabei die beiden Bände „Hyperion“ und Der Sturz von Hyperion“ zusammen, da sie für mich nur als Einheit Sinn ergeben und in diesem Sammelband auch gemeinsam abgedruckt sind. Lange Zeit habe ich mich gefragt, ob Simmons es schaffen wird, die ganzen Einzelstränge und -schicksale zu einem großen Ganzen zusammenzuführen. Jetzt kann ich aus vollster Überzeugung sagen: ja – er hat diese Mamutaufgabe mit Bravour gemeistert. Selbst kleine, nebenbei erwähnte Details fügen sich in dieses stimmige Gesamtkunstwerk perfekt ein. Über so viele Seiten, Planeten und Schicksale hinweg ist dies eine bewundernswerte Meisterleistung.

Daneben hat er es auch geschafft, sehr viele unterschiedliche Charaktere in seinem Buch nicht nur unterzubringen, sondern auch glaubhaft und vor allem als einzigartige Individuen zu schildern. Selbst Nebenfiguren haben ihre ganze eigene Geschichte, ihr Erleben, ihre Persönlichkeit. Über diese Personen transportiert Simmons ganz unterschiedliche Erfahrungen und Geschichten, was selbst bei Themen, die mich an sich wenig interessieren, trotzdem wunderbar funktioniert. In dem Buch steckt so extrem viel drin, dass beim ersten Lesen gar nicht alles aufgenommen werden kann. Jede Leserin/jeder Leser kann so persönliche Schwerpunkte entdecken und erlesen und es bleibt genügend Raum für eigene Interpretationen und Gedanken.

Fazit: Wie bereits gesagt – einfach grandios. Unbedingt lesen! Deshalb gibt es auch fünf ausgezeichnete Sterne von mir.

Bewertung vom 25.07.2020
Paradise City
Beck, Zoë

Paradise City


gut

Angepriesen wird Paradise City als Zukunfts-Thriller in Deutschland, was mich sehr angesprochen hat. Es wird dabei ein realistisches und vorstellbares nahes Zukunftsszenario entworfen – überschwemmte Küste, riesige Megacitys, verödetes Hinterland und Smartcases als unentbehrliches Kommunikations- und Hilfsmittel bei allen Fragen des Lebens. Dabei wirft das Buch richtige und wichtige Fragen auf: Was sind wir bereit für unsere Gesundheit zu tun, welche Einschränkungen nehmen wir dabei hin? Was ist uns überhaupt unsere Freiheit wert? Wo beginnt menschenwertes Leben und wer entscheidet darüber? …

Durch die Corona-Krise und die damit verbundenen Einschränkungen haben diese Fragestellungen ungewollt einen sehr aktuellen Bezug bekommen, der über viele dieser Fragen nochmal ganz anders und viel intensiver nachdenken lässt.

Die Umsetzung dieser interessanten und wichtigen Fragen hat mir allerdings größtenteils nicht gefallen. Die Handlung ist mir zu unstrukturiert, sie springt hin und her, so dass ich den roten Faden einige Male verloren habe. Zunächst passiert lange nichts bzw. wenig, bevor im zweiten Teil die notwendigen Puzzlestücke im Eiltempo gefunden werden. Dabei spielt der Zufall eine viel zu große Rolle, da war für mich vieles nicht nachvollziehbar oder unglaubwürdig. Überhaupt der Zufall – ich fand die mehreren, unterschiedlichen Ebenen, in denen Hauptperson Liina in den Fall verstrickt ist, zu dick aufgetragen. Spannung kam bei mir fast keine auf. Anfangs wurde die Handlung ständig durch Rückblenden auf Liinas Leben unterbrochen, später wurde jede Situation, bei der es spannend hätte werden können, viel zu schnell abgehandelt.

Diese Fokussierung auf Liina hat mich sowieso genervt. Sie ist zwar als Reporterin auf der Wahrheitssuche die Hauptperson des Buches, aber bei einem Thriller erwarte ich Handlung und keine Familiengeschichte. Weder sie noch die anderen Personen konnten mich überzeugen, sie waren für mich zu steril und zu oberflächlich dargestellt.

Positiv erwähnen möchte ich aber die genderneutrale Darstellung der Charaktere. Zwar wurde noch viel zu viel zu der auftauchenden geschlechtsneutralen Person erklärt und ausschließlich weibliche Ärztinnen mit männlichen Helfern sind zu überzogen, um natürlich zu wirken, aber es geht eindeutig in die richtige Richtung. Er wäre wünschenswert, wenn die Vielfalt von Menschen irgendwann ganz selbstverständlich in Büchern wird, wie hier die Homosexualität einer Protagonistin.

Fazit: Interessante Grundidee, aber die Umsetzung konnte mich nicht überzeugen. Da wirkte vieles zu bemüht und zu konstruiert, außerdem fehlte mir die Spannung. Weil es sehr gut und flüssig zu lesen war, habe ich mich für drei von fünf Punkten entschieden.

Bewertung vom 22.03.2020
Was wir sind
Hope, Anna

Was wir sind


gut

Drei junge Frauen während ihres Studiums – frei und ungezwungen, die ganze Welt steht ihnen offen. … Nur ein paar Jahre später: alle drei haben einiges erreicht bei der Verwirklichung ihrer Ziele, doch das ist ihnen zu wenig. Sie scheitern an ihren Träumen und stehen vor Problemen, denen sie sich nicht gewachsen fühlen. Das Leben hat sie eingeholt.

Das Buch beginnt mit einer Leichtigkeit, die mich begeistert hat. Allerdings wird die dann schnell von sehr vielen Problemen abgelöst. Für mich zu viele Frauenprobleme, die in die Geschichte hineingepackt wurden, ohne dass dabei das ein oder andere wirklich vertieft angegangen wurde. Dazu kommt, dass in verschiedenen Rückblicken sehr ausführlich auf den bisherigen Lebensweg der drei Freundinnen eingegangen wurde – das hat sich für mich sehr in die Länge gezogen.

Mir fehlt in dem Buch die „Frauen-Power“. Lösungen oder zumindest Lösungsansätze gibt es wenige. Das Leben geht einfach weiter und jede versucht so gut sie kann mitzuschwimmen. Zwar nimmt das Buch gegen Ende Fahrt auf, mir war es aber insgesamt zu träge und zu wenig mitreißend. Es ist nicht nachhaltig, wenig bleibt hängen – auch emotional.

Wirklich gelungen finde ich das Cover. Es ist gerade in seiner Schlichtheit ein echter Hingucker und passt wunderbar zum ruhigen Ton des Buches. Außerdem blieben für mich beim Lesen die Personen genauso wenig greifbar wie auf dem Cover.

Fazit: Kann man lesen, muss man aber nicht und so gibt es (gerade noch) 3 Durchschnittssterne.

Bewertung vom 08.03.2020
Qube
Hillenbrand, Tom

Qube


sehr gut

Qube ist eine Fortsetzung von Hologrammatica und spielt einige Jahre danach, wobei Tom Hillenbrands Zukunftsvision grundlegend gleichbleibt. Aus meiner Sicht sollte man Hologrammatica deshalb kennen, sonst wird es hier mit den ganzen technischen Neuerungen schwierig. Ich fand es nicht mehr so überraschend und einzigartig wie den Vorgängerband, der mich sehr fasziniert hatte.

Qube erzählt ein neues, durchaus gelungenes Kapitel in dieser Zukunftswelt, wahrscheinlich nicht das letzte. Wie schon Hologrammatica wirft es viele Fragen auf, wie wir in Zukunft leben wollen. Und wie viel Einfluss wir darauf überhaupt haben – schließlich geht so einiges von den Plänen der Hauptpersonen schief.

Hauptperson ist Fran Bittner, die/den wir schon aus dem Vorgängerband kennen. Dieser sympathische Mensch führt sehr gekonnt durch die Geschichte und fasziniert mich wieder durch die fehlende Geschlechtsfestlegung. Dank der Möglichkeit in verschiedene Körper zu schlüpfen, ist das auch nicht mehr zwingend notwendig. Clever gelöst fand ich die Anredeform im Buch, die je nach verwendetem „Gefäß“ zwischen sie und er munter wechselt. Kling verwirrend, ist es aber nicht und einmal eine ganz andere Herangehensweise an die Genderthematik.

Insgesamt gibt es vier Erzählstränge, die lange Zeit parallel laufen, bis sie schließlich am Ende verknüpft werden. Die kurzen Kapitel und die ständigen Wechsel zwischen den Strängen sorgen zwar für Abwechslung, haben mich aber auch immer wieder genervt, weil ich mich nie so richtig in eine Geschichte vertiefen konnte und der Abschnitt meist mit einem Cliffhanger endete. Dazu kommt, dass ich einen der Handlungsstränge schlichtweg überflüssig fand. So richtig Fahrt nimmt das Buch erst auf, als sich nach ca. zwei Dritteln die Erzählstränge verbinden. Den Einblick in die professionelle Gamerszene muss man mögen, mir hat er sehr gut gefallen.

So überraschend und faszinierend wie Hologrammatica ist Qube leider nicht und auch die Spannung hätte durchaus höher sein können. Schön zu lesen war es trotzdem und so gibt’s gute 4 Sterne.

Bewertung vom 08.01.2020
Violet
Chevalier, Tracy

Violet


ausgezeichnet

„Violet“ ist ein sehr schönes, warmherziges und weitgehend stilles Buch, das aber im Laufe der Zeit eine große Kraft entwickelt, genauso wie die titelgebende Protagonistin.

Die Autorin nimmt uns mit in das England der 30er Jahre und sie lässt uns – genauso wie ihrer Figur – viel Zeit, uns in Winchester einzufinden. Wir lernen Violet kennen, eine nicht mehr ganz so junge Frau, die auch Jahre nach dem 1. Weltkrieg unter den dadurch erlittenen Verlusten leidet. Und die sich aufmacht, ihr eigenes Leben zu entdecken. Durch ihre Augen erkunden wir die eindrucksvolle Kathedrale von Winchester, lernen die laute Kunst des Glockenläutens und die stille Kunst des Stickens kennen. Dabei wird erfreulich wenig doziert, dafür viel erlebt.

Als LeserIn muss man sich einlassen können auf die ruhige Erzählweise und die Liebe zum Detail. Ich mochte diesen atmosphärischen Schreibstil sehr gern, ich fand ihn angenehm, ja fast meditativ, perfekt zum Abschalten. Als es dann im hinteren Teil des Buches in Violets Leben turbulent wird, war ich über diese „Störungen“ zunächst gar nicht so glücklich, da sie den geruhsamen Lesefluss unterbrachen. Bis dann die Neugierde auf die neuen Erlebnisse Violets überwog.

Tracy Chevalier erzählt über das schwierige Leben alleinstehender Frauen in einer Gesellschaft, in der alles auf die Institution Ehe ausgerichtet ist. Überhaupt schafft es die Autorin, ganz nebenbei viele historische Themen einzuarbeiten, ohne dass das Buch überladen wirkt. Die vorkommenden „Winchester Borderinnen“ unter der Leitung von Louisa Pesel mit ihren bis heute überdauernden Stickkunstwerken gab es übrigens tatsächlich. Ich finde es immer toll, wenn liebenswerte und interessante Details der Geschichte literarisch aufgegriffen werden.

Violet ist eine tolle Protagonistin, sie ist keine Heldin, sondern eine ganz normale Frau, die mit vielen Hindernissen zu kämpfen hat. Aber sie findet und geht ihren Weg, was sehr behutsam geschildert wird. Das hat mir sehr gut gefallen, denn so ist es sehr glaubhaft für ihre Zeit. Einzig ihre Gefühle, die man zwar durchaus zwischen den Zeilen lesen kann, hätte ich gern direkter und stärker miterlebt.

Fazit: Ein wunderschönes, stilles Buch mit einer sehr starken Frau, die ihren ganz persönlichen Weg findet. Ganz klare fünf Sterne von mir.

Bewertung vom 18.11.2019
Das Geheimnis von Shadowbrook
Fletcher, Susan

Das Geheimnis von Shadowbrook


ausgezeichnet

Ein tolles, ganz besonderes Buch, in dem eine junge Frau nach der Wahrheit sucht und im Laufe des Buches wesentlich mehr als diese findet. Sie bekommt einen viel weiteren Blick auf sich selbst und das Leben.

Clara Waterfield ist eine ganz besondere Protagonistin. Sehr gebildet, aber absolut ungeübt im Umgang mit Mitmenschen, da sie durch eine Krankheit während ihrer Kindheit ihr Elternhaus nicht verlassen konnte. Sie ist eigenwillig, unkonventionell und sehr direkt. Eigenschaften, die am Vorabend des 1. Weltkrieges bei einer Frau nicht gern gesehen wurden, doch gerade deshalb geht sie ihren ganz eigenen Weg. Mich hat Clara mit ihrer frischen Herangehensweise und dem Hinterfragen von allem, was ihr begegnet, begeistert und von Anfang an in den Bann gezogen.

Ich-Erzählerin Clara kommt durch ungewöhnliche Umstände auf ein ländliches Anwesen im südlichen England, in dem es spucken soll. Naturwissenschaftlich gebildet wie sie ist, will sie dieses Phänomen möglichst schnell aufklären. Es passiert so einiges, was Clara ihre vorgefassten Meinungen überdenken lässt. Im Laufe des Buches wandelt sich ihre Einstellung und diese Entwicklung fand ich sehr nachvollziehbar und glaubwürdig. Für mich steht im Mittelpunkt des Buches Clara und ihr Erleben, die Geschehnisse in Shadowbrook, so der titelgebende Name des Anwesens, sind nur der Aufhänger dafür.

Das Buch ist ein eher stilles Buch, es lebt vor allem von den detailliert gezeichneten Personen und ihren Dialogen. Mich hat dieser Schreibstil überzeugt, denn ganz unaufgeregt, aber trotzdem sehr fesselnd, mitreißend und kurzweilig wird von den Geschehnissen auf Shadowbrook und Claras Erlebnissen erzählt. Begeistert hat mich die ländliche, sehr englische Landhausatmosphäre, die sehr gut transportiert wird.

Fazit: Ein ganz tolles Buch, das ich mit großer Begeisterung gelesen habe. Ohne große Action, aber mit viel Gefühl, erzählt es vom Wachsen einer starken Persönlichkeit. 9 Eulenpunkte und eine große Leseempfehlung für alle, die an Menschen und nicht an Handlungen interessiert sind.