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atzekrobo
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Zeven
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Bücherfreak

Bewertungen

Insgesamt 176 Bewertungen
Bewertung vom 14.06.2017
Warte nicht auf bessre Zeiten !, 10 Audio-CDs
Biermann, Wolf

Warte nicht auf bessre Zeiten !, 10 Audio-CDs


ausgezeichnet

Der knorrige Barde aus dem Osten

Wolf Biermann - den unter 40-jährigen dürfte der Liedermacher aus dem Osten Berlins kaum noch ein Begriff sein. Doch wer in den 70er- und 80er-Jahren das Geschehen zwischen beiden deutschen Staaten intensiv verfolgt hat, wird sich noch gut an die zwangsweise Ausbürgerung von Wolf Biermann erinnern. Jetzt hat der eigenwilige Barde seine Autobiographie aufgeschriieben, die hier von Burghart Klaußner ausgezeichnet vorgelesen wird - ergänzt um Gedichte und Lieder von Biermann selbst, die größtenteils aus alten Tonband-Aufnahmen zusammen geschnitten wurden.
Biermann schildert seine Herlunft als Sohn eines Hamburger Kommunisten-Paares. Sein Vater Dagobert bekam als Jude auch noch tödlich endende Probleme mit den Nazis, der später dann in der DDR aufwachsende Wolf hatte seinerseits von Beginn an Probleme mit der Staatsmacht, insbesondere mit den für den Kulturbereich zuständigen Parteibonzen. Eingehend schildert Biermann seine schier endlosen Diskussionen mit seinen SED-Genossen. Er macht dabei deutlich, dass er die DDR verbessern, aber nie verlassen wollte. Wir erfahren viel über Biermanns künstlerisches Schaffen, sein verwickeltes und konfliktreiches Privatleben, seine auch internationalen Künstler-Kontakte, und über die konspirativen Methoden, um auch nach dem Auftrittsverbot seinen Texte und Lieder im Westen zu veröffentlichen.
Einige Jahre nach seiner Ausbürgerung habe ich Wolf Biermann persönlich bei Konzerten in Hamburg erlebt. Seine Texte haben mir dabei immer besser gefallen, als die sie begleitende Musik - aber das ist nur Nebensache. Er ist eine eigenwillige Persönlichkeit, das wird bei der Lektüre seiner Autobiographie nochmals ganz deutlich. Dennoch gehört Biermann zur deutsch-deutschen Geschichte, weil sein Falll mediale Aufmerksamkeit in hohem Maße erzeugt hat, und er exemplarisch für viele andere steht. Das Buch - gelesen oder gehört - ist für jemanden wie mich, der vieles aus der Ferne als Zeitzeuge verfolgt hat, besonders interessant und spannend. Aber eigentlich müsste jeder, der sich für die jüngere deutsche Geschichte interessiert, diese Autobiographie mit großem Interesse verschlingen.
Das Hardcover ist bei Propyläen erschienen, im Herbst wird es eine Taschenbuch-Ausgabe geben. Das ausgezeichnet gestaltete Hörbuch ist bei Hörbuch Hamburg produziert worden.

Bewertung vom 13.06.2017
Verlorene Welten
Mattioli, Aram

Verlorene Welten


ausgezeichnet

Ein überaus lesenswertes Buch

Historiker Aram Mattioli hat die Geschichte der Ureinwohner Nordamerikas in einem lesenswerten Buch beschrieben. Er schildert das koloniale Unterdrückungssystem von der Ankunft der ersten europäischen Siedler bis zum endgültigen Niedergang der indianischen Stämme um 1900. Über 500 indigene Nationen lebten zwischen Pazifik und Atlantik - und von Vertreibung und Ausrottung waren zunächst die Native Americans im Nordosten des Kontinents betroffen.
Verdrängung, Unterwerfung und Dezimierung waren die unvermeidliche Folge nach den ersten Kontakten mit den weißen Siedlern. Die Ureinwohner verloren ihre angestammten Lebensräume, und auch ihre politische Autonomie, begleitet vom Verlust der wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit und kulturellen Selbstbestimmung.
Detailreich und gut recherchiert beschreibt der Autor beispielhaft das Schicksal einiger Indianerstämme in den unterschiedlichen Regionen. Er schildert, dass vor allem nach der Unabhängigkeit der USA vom britischen Mutterland die ständig wandernde Siedlungsgrenze zu endlosen Konflikten zwischen Weißen und Indianern geführt hat, die in aller Regel negativ für die Native Americans endeten.
Beschleunigt wurde der Untergang, als der 7. US-Präsident Andrew Jackson ins Weiße Haus einzog, für ihn waren Indianer eine minderwertige Rasse, deren Eliminierung er vorantreiben ließ.
Die immer weiter anschwellende Flut weißer Siedler führte dazu, dass die Regierung immer größere Gebiete “Indianer-frei” machen ließ. Ethnische Säuberungen wurde gesetzlich sanktioniert, was in der Zwangsumsiedlung der Indianer in Reservate mündete.
Viele Stämme wehrten sich mit militärischen Mitteln gegen die Landnahme der Weißen, bekannte Chiefs waren Sitting Bulls und Geronimo. Am Ende hatten sie der weißen Lawine nichts entgegenzusetzen, waren militärisch und technologisch hoffnungslos unterlegen. Krankheiten, die Ausrottung der Büffel und sonstiger Entzug der Nahrungsgrundlagen taten ein übriges. Einer der letzten Akte des Dramas war das Massaker der US-Kavallerie am Wounded Knee Creek.
Mattioli zeigt die Lebenslüge eines Staates, der Menschenrechte und individuelle Freiheit in seiner Verfassung verankert hat - und dessen Regierung dennoch einen gnadenlosen Genozid geduldet und teilweise sogar vorangetrieben hat. Ein ausgezeichnet recherchiertes und bei aller Wissenschaftlichkeit spannend geschriebenes Buch.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.06.2017
Salafisten
Kraetzer, Ulrich

Salafisten


ausgezeichnet

Interessante Beschreibung der Salafisten-Szene

Das Buch des Publizisten Ulrich Kraetzer zur Salafisten-Szene in Deutschland ist zwar schon drei Jahre alt - aber seine Recherchen sind nach wie vor hochgradig interessant. Wer die seither gestiegene Bedrohung nachvollziehen und verstehen möchte, findet hier wichtige Ansatzpunkte.
Kraetzer differenziert bei seinen Schilderungen, und verbindet theoretische Kenntnisse mit einigen Erfahrungen aus der Praxis. Er schildert, wie in westdeutschen Großstädten die Salafisten um Pierre Vogel mit öffentlichen Veranstaltungen ihre antidemokratische Ideologie verbreitet haben - und dabei beispielsweise in Duisburg auf keinerlei Widerstand aus der bürgerlichen oder linken Szene gestoßen sind. Kraetzer geht davon aus, dass es bei einer Demo von Neo-Nazis grundlegend anders gelaufen wäre.
Eingehend analysiert der Autor auf knapp 300 Seiten die Strategien und Inhalte salafistischer Organisationen und Prediger in Deutschland. Dabei wird die große Bandbreite zwischen moderaten Salafisten und echten Scharfmachern beschrieben. Kraetzer zeigt, warum es in der nach außen homogene Szene ständigen Wettbewerb und heftige Machtkämpfe gibt. Für mich waren das neue und sehr erhellende Einblicke, mir ist nicht bekannt, ob ein anderer Autor vergleichbares vorgelegt hat. Kraetzer für mich nachvollziehbar heraus, was Salafismus tatsächlich ist - eine konsequente Auslegung des Korans. Die deutschen Islamverbände sollten dieses nicht länger leugnen, so die Botschaft des Autors.

Bewertung vom 27.05.2017
Neid / Opcop-Team Bd.3 (8 Audio-CDs)
Dahl, Arne

Neid / Opcop-Team Bd.3 (8 Audio-CDs)


ausgezeichnet

Ein Hörbuch der besonderen Art

Paul Hjelm und sein Team ermitteln im dritten Roman um die Opcop-Gruppe gegen einige Männer, die offenbar zur organisierten Kriminalität gehören. Ein mysteriöser Mord an einem Wissenschaftler in Stockholm scheint damit in Zusammenhang zu stehen. Hjelm und seine Kollegen decken bei ihren komplizierten und gefährlichen Ermittlungen einen Sumpf aus Macht, Korruption und Gier auf.
Bei den Romanen um das A-Team in Schweden waren sich Leser und Kritiker in aller Regel einig, ein Buch nach dem anderen wurde bejubelt. Der daran anschließende Vierteiler von Arne Dahl um das europäisch ermittelnde Opcop-Team hat die Fan-Gemeinde ebenso geteilt wie die mehr oder weniger professionellen Rezensenten.
Manche Kritik kann ich ja nachvollziehen. Schnelle Ortswechsel, reichlich Personal, viele offene Fragen. Das ist schon anstrengend, vor allem, wenn man sich den Roman als Hörbuch vorlesen lässt. Was Wolfram Koch ganz ausgezeichnet macht, um das mal anzumerken.
Aber macht das nicht gerade den Reiz guter Kriminalromane aus? Und wollen wir wirklich über den Realitätsgehalt streiten? Ich kann nur dazu raten, sich auf den spannenden Plot einzulassen, aufmerksam zuzuhören, notfalls mal zurückzuspulen, und das Ganze dann wirken zu lassen. Jan Arnald alias Arne Dahl hält wie immer den Spannungsbogen enorm hoch, er ist ein guter Geschichten-Erzähler. Wer einfach ein wenig Krimi nebenher hören möchte, ist hier absolut falsch. Aber wer sich von einem mitreißenden und verwickelten Plot fesseln und gut unterhalten lassen möchte, ist mit diesem Hörbuch bestens bedient. Feinste Unterhaltung von Arne Dahl - die Fortsetzung ist auch schon auf dem Markt.

Bewertung vom 26.04.2017
Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution
Wensierski, Peter

Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution


ausgezeichnet

Lebendig erzählte deutsche Geschichte

Peter Wensierski hat als Journalist über die DDR, speziell über die wachsende Opposition berichtet. Nach eigener Aussage hat ihn fasziniert, dass auf den Fotos und in Filmbeiträgen von den Demonstrationen in Leipzig 1988/89 immer wieder eine Gruppe junger Menschen in der ersten Reihe zu sehen war. Ihre Geschichte wollte er kennenlernen, und nach umfangreichen Recherchen und nächtelangen Interviews hat er viel Material zusammen getragen, und in diesem Buch die Geschichte der jungen Bürgerrechtler aufgeschrieben.
Die Rebellion vor dem später Wende genannten Zusammenbruch der DDR wird hier aus der Sicht junger Leipziger geschildert, die auf die Straße gingen, nachdem sie sich zuvor bei erfolgreichen Widerstandsaktionen den nötigen Mut geholt hatten. Die Protagonisten hatten nach eigener Aussage die Nase voll davon, eingesperrt zu sein. Sie lebten in besetzten Häusern im maroden Leipziger Osten, trafen sich in Hinterhöfen, diskutierten die Nächte durch. Untergrundzeitungen zirkulierten, es wurden Druckereien für Flugblätter eingerichtet, oder die Infrastruktur befreundeter Pastoren genutzt.
Die verschiedenen Gruppe vernetzten sich, provozierten die Staatsmacht und machten eine politische Radikalisierung durch. Die später berühmt gewordenen Treffen in der Nikolaikirche waren die Keimzelle, die jungen Leute eroberten sich die Straßen von Leipzig, und brachten mit Gleichgesinnten in der ganzen DDR das System schließlich zum Einsturz.
Die Rolle der Gruppen in Leipzig sollte nicht zu hoch angesetzt werden, aber für das Zusammenbrechen der kommunistischen Diktatur hatte die Messestadt mit ihrer besonderen Bedeutung für den Handel und das internationale Ansehen der DDR schon eine herausgehobene Bedeutung. Der Autor schildert auf wunderbar lebendige Weise das damalige Geschehen. Man erinnert sich an die Fernsehbilder und Zeitungsberichte, die man im Westen zur Kenntnis genommen hat.
Das Verständnis wird durch einen Stadtplan von Leipzig erleichtert, auf dem die wichtige Orte eingezeichnet sind. Ein Abspann schildert das Schicksal der Protagonisten nach dem Ende der DDR, und in einem Glossar werden Begriffe erläutert, die vor allem den westdeutschen Lesern nicht unbedingt geläufig sind. Schade ist, dass die eingehende Schilderung mit dem Musikfestival im Sommer 1989 endet. Das eigentliche Zusammenbrechen des Staates nach dem 40. Jahrestag der DDR-Gründung wird nur noch in einer kurzen Zusammenfassung geschildert. Dennoch ein wirklich informatives Buch, mit einem authentischen Blick hinter die Kulissen der damaligen Bürgerechts-Bewegung in Leipzig. Für politisch und historisch interessierte Leser ein Pflichtlektüre!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.04.2017
Das Mädchen aus dem Norden / Profilerin Sasza Zaluska Bd.1 (2 MP3-CDs)
Bonda, Katarzyna

Das Mädchen aus dem Norden / Profilerin Sasza Zaluska Bd.1 (2 MP3-CDs)


sehr gut

Spannend - aber schwierig zu hören

"Das Mädchen aus dem Norden" von Katarzyna Bonda ist ein spannender Kriminalroman. Mehr als gewöhnungsbedürftig waren beim Hören allerdings die Namen, vor allem, weil die Autorin ein großes Personal-Tableau gestaltet hat. Nicole Engeln und Martin Bross machen als Sprecher einen guten Job, aber es dauert einige Zeit, bis man die Figuren und ihre Bedeutung für die Geschichte sortiert hat.
Die Profilerin Sasza Zauska ist die zentrale Protagonistin des Thrillers. Sie hat ein enges Verhältnis zu ihrem früheren Dozenten in England, der sie auch gerne da behalten hätte. Aber sie will mit ihrer Tochter in ihrer Heimat leben, gegen alle Widerstände. Die Profilerin ist eine sympathische Person. Die vielen Nebenfiguren sind teilweise in ihrer Bedeutung schwer einzuordnen. Wichtig sind auch die Protagonisten, die in dem Handlungsabschnitt vor 20 Jahren eine Rolle gespielt haben, so etwa die junge Monika Mazurkiewicz, die große Liebe eines der Staron-Brüder. Die Zwillinge Marcin und Wojteks Staron rücken immer mehr ins Zentrum. Es gibt ständig ungeklärte Fragen, die für allerlei Rätsel sorgen - man muss dem Roman schon aufmerksam zuhören.
Katarzyna Bonda gelingt es, den Hörer mit vielen Überraschungen zu fesseln. Durch die komplizierten Verwicklungen steigt der Spannungsbogen, und "Das Mädchen aus dem Norden" ist ein Hörbuch, das die volle Aufmerksamkeit fordert, um nicht interessante Nuancen oder Nebenaspekte, die später wichtig werden, zu verpassen.

Bewertung vom 17.04.2017
1977
Peters, Butz

1977


ausgezeichnet

Ein lesenswertes Kompendium

Es gibt so Ereignisse, bei denen man noch nach Jahren genau sagen kann, wo man gerade war, als man die Nachricht davon hörte. Das gilt für den 11. September 2001, aber das gilt bei mir auch für den 19. Oktober 1977. Ich saß in einem Reisebus, um als knapp 18-Jähriger mit zwei Fußball-Mannschaften für eine Woche nach Luxemburg zu fahren, als im Radio die Nachricht vom Tod der RAF-Gefangenen in Stammheim gesendet wurde. Damit war der vorläufige Höhepunkt des Terrorjahrs 1977 erreicht - aber in dem mehr als lesenswerten Buch des geschätzten Kollegen Butz Peters lernen wir jetzt, dass damit die Geschichte der RAF noch lange nicht abgeschlossen war, sie vielmehr bis in die Gegenwart führt. Die Meldungen von Überfällen ehemaliger RAF-Mitglieder zeigen, dass es noch nicht vorbei ist, was auch für die juristische Aufarbeitung gilt.
Am 7. April 1977 ermordete die RAF Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine zwei Begleiter. Buback war der Todfeind von Andreas Baader, die erste Generation der RAF saß zu diesem Zeitpunkt bereits drei Jahre im Knast.
Und so stand der Auftakt der Aktionen zur Befreiung der Gefangenen unter dem Stichwort “Big Raushole”
Der Journalist und RAF-Experte Butz Peters hat umfangreich recherchiert, und konzentriert sich in diesem Buch auf die so genannte “Offensive 77”. Er hat eine Art Abschlussbericht vorgelegt, zumindest für bestimmte Aspekte des Themas. Gleichwohl stellt er fest, dass die juristische Aufarbeitung des RAF-Jahres 1977 ist bis heute nicht abgeschlossen ist.
Ich will hier auf die Chronologie gar nicht eingehen, das hieße nämlich, die knapp 500 Seiten nachzuerzählen. Peters schildert Rolle und Sichtweise der Häftlinge, der Anwälte und der Unterstützungsgruppen. Vor allem aber geht es um die Aktionen der aktiven Terroristen und die Gegenmaßnahmen der staatlichen Stellen.
Nach spektakulären Morden an Buback und Ponto wird Arbeitgeber-Präsident Hans Martin Schleyer entführt, und so das spektakuläre Finale des Jahres eingeleitet. Es geht um Staatsraison, politische Erpressbarkeit, um die Angst der Bürger, um die Reaktionen im Ausland. Der Selbstmord von Baader, Ensslin und Raspe beendet die Phase der ersten Generation der RAF. Butz Peters Chronik rekapituliert umfangreich und Detailgenau den Terror, der das Land vor 40 Jahren in Atem hielt. Ein lesenswertes Kompendium, vor allem für politisch und zeitgeschichtlich Interessierte. Wer eine Kurzfassung möchte: Hundert Tage - die RAF-Chronik 1977. Die kompakte Taschenbuch-Variante ist genauso spannend, kommt aber mit deutlich weniger Seiten aus.

Bewertung vom 14.04.2017
Terror in Deutschland
Theveßen, Elmar

Terror in Deutschland


sehr gut

Spannende und umfassende Zustandsbeschreibung

ZDF-Terrorismusexperte Elmar Theveßen hat in seinem Buch Erkenntnisse aus seiner journalistischen Arbeit zu einer Bestandsaufnahme zusammen gefasst. Er geht von einer Art "Materplans" der Terroristen aus. Ob man aseinen Thesen in allen Punkten folgt, muss jeder Leser für sich entscheiden, neben der Zustandsbeschreibung, die offensichtlich gut recherchiert ist, kommt allerdings die Analyse etwas zu kurz. Die nach dem Erscheinen des Buchs ausgeführten Anschläge am Berliner Breitscheid-Platz und jetzt aktuell auf den Bus vopn Borussia Dortmund zeigen jedoch, dass er mit seiner Einschätzung, der Terror sei endgültig in Deutschland angekommen, in jedem Fall richtig liegt.
Theveßen stellt am Beginn fest, der Anschlag vom 11. September 2001 sei eine große Falle gewesen, und der Westen sei hinein getappt. Durch seine journalistische Arbeit verfügt Theveßen über ein großes Netz von Kontakten, was er für die Recherchen zu seinem Buch auch genutzt hat. Der Autor macht deutlich, wie er die Strategie der Terroristen versteht. Nach seiner Auffassung geht es ihnen darum, mit ihren Anschlägen bestimmte Reaktionen auszulösen, aus denen sie dann politische Vorteile für sich machen können. Diesen roten Faden in der Serie von Anschlägen verdeutlicht Theveßen in seinem Buch, mit dem er einen Leitfaden für einen wirksameren Kampf gegen den Islamismus liefern will. Das ist ziemlich hoch gegriffen, und dieser eigenen Messlatte wird er am Ende nicht wirklich gerecht. Das schmälert nicht seinen Verdienst, hier ein gute Beschreibung der aktuellen Situation geliefert zu haben.
Der Autor schildert aktuelle Fälle in Deutschland und Frankreich, und vertritt die Auffassung, dass zwar der Staat, aber nicht die Gesellschaft auf diese Herausforderung vorbereitet ist. Die Djihadisten halten sich in der Tat an die Handlungsanweisungen in vorliegenden und öffentlich zugänglichen Strategie-Papieren. Theveßen geht auch auf den ideologischen Aspekt ein, der nach seiner Auffassung in vielen Analysen ignoriert wird. Abschließend schildert er rechtsextremer Islamhasser mit den Islamisten, und findet klare Worte zur Fernwirkung von AfD und Pegida in Deutschland. Bei der Gegenstrategie ist für Theveßen Prävention genauso wichtig wie Repression. Er bleibt bei seinen Empfehlungen relativ allgemein und unverbindlich, und kann so seine Messlatte nicht überscpringen - dennoch hat er ein wirklich lesenswertes Buch vorgelegt.

Bewertung vom 12.04.2017
Die schwarze Republik und das Versagen der deutschen Linken
Lucke, Albrecht von

Die schwarze Republik und das Versagen der deutschen Linken


ausgezeichnet

Eine ausgezeichnete Analyse

Albrecht von Lucke hat die Situation der deutschen politischen Linken - womit nicht die Partei gemeint ist - ausgezeichnet beschrieben und analysiert. Um es gleich vorweg zu sagen: Den Schulz-Hype konnte er weder ahnen, noch in seinem Buch berücksichtigen, es ist schlichtweg wenige Wochen oder gar Tage zu früh gedruckt worden. Aber von Sigmar Gabriels Verzicht und dem durch Martin Schulz ausgelösten Boom wurde schließlich ganz Deutschland überrascht.
Spannend zu lesen ist Luckes Beschreibung der Entfremdung zwischen SPD und Linkspartei, enorm befeuert durch die Fusion zwischen PDS und der westdeutschen WASG, die bereits von Oskar Lafontaine und anderen ehemaligen Sozialdemokraten dominiert wurde. Der Autor schildert den menschlichen und politischen Dissens zwischen Lafontaine und SPD-Vormann Gerhard Schröder. Hier trafen zwei Machtmenschen aufeinander, für die selbst eine große Partei wie die SPD zu klein war.
Lucke schreibt, Rot-Rot-Grün habe im Herbst 2017 keine Chance, da es zu viele inhaltliche Differenzen gebe. Er hat in vielem Recht, aber ich halte den inhaltlichen Findungsprozess noch nicht für abgeschlossen. Und auch seine zweite These, letzte Chance für Schwarz-Grün, wird man an der Realität überprüfen müssen.
Trotz der aktuellen Wendungen durch Martin Schulz ein für politisch Interessierte überaus interessantes Buch, denn in den rückblickenden Teilen beweist der Autor einen wachen Blick und scharfen Verstand. Lesenswert und anregend zugleich!