Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Zabou1964
Wohnort: 
Krefeld

Bewertungen

Insgesamt 184 Bewertungen
Bewertung vom 02.11.2022
Das Verschwinden der Sterne
Harmel, Kristin

Das Verschwinden der Sterne


ausgezeichnet

Da mir bereits „Das Buch der verschollenen Namen“ sehr gut gefallen hatte, habe ich mich sehr gefreut, das neuste Werk der Autorin lesen zu dürfen. Auch diese Geschichte spielt im Zweiten Weltkrieg, diesmal allerdings in Osteuropa. Auch dieser Roman beruht zum Teil auf Tatsachen. Kristin Harmel hat um die wahre Geschichte der im Wald überlebenden Juden eine spannende und berührende Story gewebt, die mich fesseln konnte.

Als Jona zwei Jahre alt ist, wird sie von einer alten Frau aus ihrem Elternhaus gestohlen. Sie zieht das Kind groß und bringt ihm alles bei, was man zum Überleben im Wald braucht. Die beiden leben im Naliboki-Wald im damaligen Polen (heute Belarus). Als die alte Frau stirbt, ist Jona eine junge Frau und ganz auf sich allein gestellt. Das funktioniert so weit gut, bis sie auf eine Gruppe Juden trifft, die sich vor den Nazis im Wald versteckt halten. Sie schließt sich der Gruppe an und bringt ihnen bei, wie man im Wald überleben kann. Eines Tages muss sie jedoch die Gruppe verlassen und in eine nahe polnische Stadt gehen. Dort wird sie auf tragische Weise mit ihrer Vergangenheit konfrontiert.

Kristin Harmel hat für diesen Roman wieder sehr gut recherchiert. So hat sie beispielsweise mit Aron Bielski sprechen können. Er hat sich im Zweiten Weltkrieg mit seinen Brüdern und über 1000 Juden tatsächlich im Wald versteckt. Mir war bis zur Lektüre dieses Buches nicht bekannt, dass sehr viele Juden sich in diesem oder anderen Wäldern verstecken konnten. Angeregt von Kristin Harmels Roman habe ich mich mittlerweile mit dem Thema näher beschäftigt.

Jonas Geschichte ist allerdings Fiktion, was sie nicht weniger spannend macht. Die junge Frau hilft den Juden selbstlos, den Aufenthalt im Wald zu überleben. Sie entwickelt Gefühle zu den anderen, die zum Teil erwidert, zum Teil enttäuscht werden. Besonders bewegend fand ich die Beschreibung eines langen Marsches durch ein Sumpfgebiet, in dem eine junge Frau ein Kind zur Welt brachte. Man kann sich das heute kaum noch vorstellen, unter welchen Umständen die Menschen um ihr Überleben kämpfen mussten.

Fazit:
Kristin Harmel konnte mich erneut mit ihrer spannenden und berührenden Geschichte um Juden im Zweiten Weltkrieg fesseln.

Bewertung vom 02.11.2022
Tote morden nicht
Michéle, Rebecca

Tote morden nicht


ausgezeichnet

Im sechsten Fall für Sandra Flemming zieht eine Gruppe Geisterjäger ins Higher Barton Romantic Hotel. Sie wollen das alte Gemäuer nach Seelen von Verstorbenen absuchen. Obwohl Sandra dem Ganzen eher kritisch gegenübersteht, vermietet sie der Gruppe sehr gerne das komplette Hotel. Außerdem ist sie interessiert an der Vorgehensweise der Teilnehmer. Aber schon bald gehen seltsame Dinge im Hotel vor: Zuerst taucht ein älteres Paar auf, dem Sandra nicht traut, dann unternimmt einer der Gäste einen gefährlichen Ausflug aufs Dach des Hotels und schließlich liegt ein Toter in einem unbewohnten Zimmer. Sandras Spürgeist ist wieder mal gefragt …

Das Thema „Geisterjäger“ ist eher ungewöhnlich und deshalb habe ich mich gefreut, dass Rebecca Michéle darüber geschrieben hat. So habe ich erfahren, dass es durchaus eine wissenschaftliche Art der Suche nach Seelen von Verstorbenen gibt. Mit großem Interesse habe ich verfolgt, welche Gerätschaften die Gruppe zum Einsatz brachte.

Auch das Privatleben von Sandra und den anderen Figuren kam nicht zu kurz. Am Ende hält die Autorin noch die ein oder andere Überraschung für ihre Leser bereit. Bei der Suche nach dem Mörder erhält Sandra von unerwarteter Seite Hilfe. Die Auflösung des Falls war außergewöhnlich.
Obwohl dies bereits der sechste Teil der Reihe ist, kann man den Roman auch ohne Vorkenntnisse lesen. Da die Geschichten der Figuren in der Reihe allerdings eine Entwicklung gemacht haben, empfehle ich, die Romane in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Lohnend und spannend ist das allemal.

Fazit:
Ein spannender Krimi mit einem außergewöhnlichen Thema.

Bewertung vom 22.08.2022
Die Erbin von Clashmore House
Michéle, Rebecca

Die Erbin von Clashmore House


ausgezeichnet

Rebecca Michéle ist ein großer Fan Schottlands und das merkt man auch ihrem neusten Werk wieder an. Sie verfügt über ein großes Wissen der englischen und schottischen Geschichte, das sie ihren Lesern auf sehr unterhaltsame Weise vermittelt.

„Die Erbin von Clashmore House“ spielt auf zwei Zeitebenen: 1997 reist die junge Amerikanerin Pamela im Auftrag ihrer Großmutter ins schottische Clashmore, um in deren Auftrag ein Haus zu verkaufen. Vorher soll sie aber unbedingt eine Holzschatulle und deren Inhalt vernichten. Schon bald stellt sich heraus, dass es sich bei dem Haus eher um ein Schloss handelt, das von einer seltsamen Sekte besetzt wird. Im Ort Clashmore stößt Pamela nur auf Ablehnung. Bis sie den Arzt Gerald kennenlernt, der erst vor Kurzem eine Praxis im Ort eröffnet hat.

Die zweite Zeitebene erzählt die Geschichte der jungen Ayleen. Sie lebt in den 30er-Jahren in Inverness und wird von ihrem Vater mit einem älteren Mann verheiratet. Als er sie mitnimmt in sein Haus in Clashmore, lernt sie seine Schwester kennen, die sie ablehnt. Auch sonst verläuft ihre Ehe anders, als von Ayleen erhofft.
Sehr spannend erzählt die Autorin parallel Pamelas Erlebnisse und Bemühungen, an die Schatulle zu kommen, sowie Ayleens Erlebnissen ca. 60 Jahre zuvor. Auch der tragische Unfalltod Prinzessin Dianas wird thematisiert. Die Autorin hat wieder sehr gut recherchiert und das Wissen unterhaltsam zu Papier gebracht. Ich freue mich schon auf weitere Werke aus ihrer Feder.

Fazit:
Spannend verpackte Geschichte Schottlands

Bewertung vom 03.08.2022
Morgen werden wir glücklich sein (eBook, ePUB)
Korte, Lea

Morgen werden wir glücklich sein (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die drei Freundinnen Amiel, eine jüdische Ärztin, Marie, eine Lehrerin, und Geneviève, die Pianistin ist, leben 1940 in einer Wohngemeinschaft in Paris. Sie sind Freundinnen seit ihrer Kindheit und nennen sich selbst „Die Unbesiegbaren“. Doch schon bald wird Paris von den Nationalsozialisten besetzt und alles soll sich für die drei Frauen ändern. Marie, die durch die Nazis ihren Bruder verloren hat, geht in den Widerstand, Amiel unterstützt sie, obwohl das für sie als Jüdin extrem gefährlich ist. Die leichtlebige Geneviève hat kein Verständnis für ihre Freundinnen, will stattdessen um jeden Preis weiter ihrer Berufung, der Musik, nachgehen. Dafür muss sie einige Opfer bringen.

Dieser Roman hat mich zutiefst bewegt. Das Schicksal der drei so unterschiedlichen Freundinnen hat mich sehr gefesselt. Jede hat auf ihre Weise ihr Päckchen zu tragen. Es gibt noch einen zweiten Handlungsstrang, der in der Gegenwart spielt. Hier treffen die Enkelinnen von Marie und Geneviève aufeinander. So erfährt der Leser im Rückblick, was sich im Zweiten Weltkrieg zwischen den Freundinnen zugetragen hat.

Ich konnte den E-Book-Reader kaum aus der Hand legen, so sehr war ich gefesselt. So manches Mal hätte ich die Frauen am liebsten geschüttelt und ihnen zugerufen, dass sie endlich miteinander reden sollen. Lea Korte erzählt schonungslos, welche Gräueltaten sich damals zugetragen haben. Mir standen oft die Tränen in den Augen.

Auch über die politischen Verhältnisse und die Arbeit der Résistance habe ich sehr viel erfahren. Es ist faszinierend, welches Risiko die Widerständler damals eingegangen sind und welchen Gefahren sie sich und ihre Familien ausgesetzt haben, um anderen, zum Teil unschuldigen Kindern, zu helfen. Meine Hochachtung gilt allen, die sich damals wie heute im Widerstand engagieren.

Lea Korte hat in ihrem Roman ein wichtiges Thema so unterhaltsam und spannend verpackt, dass ich die Lektüre kaum unterbrechen konnte.

Bewertung vom 06.07.2022
Die Buchhandlung in der Amalienstraße
Rehn, Heidi

Die Buchhandlung in der Amalienstraße


ausgezeichnet

Heidi Rehn gehört zu den Autorinnen, von denen ich jeden Roman lesen muss. Bisher bin ich noch nie enttäuscht worden. So konnte mich auch ihr neustes Werk „Die Buchhandlung in der Amalienstraße“ wieder voll überzeugen. Die Geschichte spielt in München, beginnend im Jahr 1913, und verfolgt das Leben zweier Freundinnen bis zum Juni 1919. Deren Schicksal wird sehr gefühlvoll und mit viel Lokalkolorit und politischem Hintergrundwissen spannend geschildert.

Henni und Elly sind zwei unzertrennliche Freundinnen, obwohl ihre soziale Herkunft sehr unterschiedlich ist. Henni stammt aus einfachen Verhältnissen, während Ellys Mutter, die Witwe eines Offiziers, eher wohlhabend ist. Ihr gemeinsamer Traum ist, als Frau auf eigenen Füßen zu stehen und in einer Buchhandlung zu arbeiten. Beide finden eine Anstellung in der Buchhandlung der Cousinen Lämmle in der Amalienstraße. Da diese Buchhandlung von zwei jüdischen Frauen geführt wird, ist sie so manchem ein Dorn im Auge. Viele bekannte Autoren gehen dort ein und aus, es werden Lesungen und Diskussionsabende veranstaltet, bis der Erste Weltkrieg dem ein jähes Ende setzt. Auch Ellys und Hennis Freunde Leo und Zacherl melden sich freiwillig an die Front. Die beiden Frauen müssen, wie andere Frauen auch, in der Heimat um ihr Überleben kämpfen.

Heidi Rehn lebt selbst in München und recherchiert immer sehr genau für ihre Romane. Die Liebe zu ihrer Heimatstadt merkt man ihren Büchern an. Zu gerne würde ich einmal an einem ihrer Romanspaziergänge teilnehmen. In ihrem neusten Roman erfährt der Leser sehr viel über die Literaturszene und deren politische Aktivitäten vor, während und vor allem nach dem Ersten Weltkrieg. Das war sehr spannend zu lesen. Auch die Schicksale der beiden Freundinnen sowie der Buchhändlerinnen haben mich stark bewegt.

Die Gestaltung des Hardcovers ist sehr aufwändig und ansprechend. Auf dem Cover sieht man zwei junge Frauen, die in Büchern blättern, vor der Kulisse Münchens. Auf dem Vorsatzpapier ist ein Stadtplan Münchens abgebildet. Am Ende des Buches findet sich eine Liste der Autoren und ihrer Werke, die im Roman erwähnt werden.

Bewertung vom 20.05.2022
Das Herz des weißen Ahorns
Baites, Mina

Das Herz des weißen Ahorns


ausgezeichnet

Mina Baites alias Iris Klockmann zählt auf jeden Fall zu meinen Lieblingsautoren. Sobald ein Werk von ihr erscheint, lese ich es. Mit großer Spannung hatte ich bereits den vierten Teil der Breitenbach-Saga erwartet. Ich liebe solche Familiengeschichten, die in der Vergangenheit spielen und das Schicksal einer Familie über mehrere Generationen hinweg erzählen. Wenn es dann noch so packend und authentisch beschrieben wird wie in Mina Baites‘ Büchern, bin ich doppelt begeistert.

Wir schreiben das Jahr 1917, der Erste Weltkrieg tobt. Auch die Familie Breitenbach, die eine Schuhmanufaktur in Berlin betreibt, bleibt von den Kriegswirren nicht verschont. Felix Breitenbach muss an der französischen Front kämpfen. Er lässt seine schwangere Frau und seinen kleinen Sohn zuhause zurück. Seine Schwestern übernehmen während seiner Abwesenheit, unterstützt von Vater und Onkel, die Geschäftsführung. Auch der Zweig der Familie, der vor Jahren in die USA ausgewandert ist, leidet unter den Auswirkungen des Krieges im fernen Europa. Julia und Chesmu sorgen sich um ihre Familie in Berlin. Ihre Kinder Sam und Gracie wachsen zwischen zwei Kulturen auf.

Die Familie Breitenbach ist mir mittlerweile sehr ans Herz gewachsen. Mit großer Spannung habe ich wieder deren Geschicke verfolgt. Besonders gut gefällt mir der starke Zusammenhalt in dieser Familie. Der Krieg stellt eine besondere Herausforderung für die Breitenbachs dar. Mit aller Kraft versuchen sie, die Not ihrer Angestellten zu lindern und zu helfen, wo sie können. Dafür schrecken sie sogar vor illegalen Geschäften nicht zurück.

Erschreckend waren die Parallelen zur Gegenwart: Der Erste Weltkrieg erinnerte mich stark an die schreckliche Situation in der Ukraine, die Spanische Grippe hatte ähnliche Auswirkungen wie Corona. Obwohl mehr als 100 Jahre vergangen sind, konnte ich deshalb alles sehr gut nachvollziehen.

Dies ist bereits der vierte Band dieser Reihe. Selbstverständlich kann man ihn separat lesen, aber ich empfehle trotzdem, diese spannende Saga vom ersten Band an zu genießen.

Bewertung vom 03.04.2022
Kalter Fjord
Nordby, Anne

Kalter Fjord


ausgezeichnet

Da ich schon einige Male in Norwegen war und die Bücher aus dem Gmeiner Verlag sehr mag, bin ich auf dieses Buch aufmerksam geworden. Das Cover zeigt ein typisches rotes Holzhaus an einem Fjord. Dunkle Wolken verdunkeln den Himmel über dem Fjord, was dem eigentlich idyllischen Motiv eine düstere Note verleiht. Die Inhaltsangabe ist kurz und geheimnisvoll und verspricht spannende Unterhaltung. Um das gleich vorwegzunehmen: Ich wurde nicht enttäuscht!

Die Handlung spielt sich hauptsächlich auf einem Kreuzfahrtschiff an der Küste Norwegens ab. Auf dem Schiff findet ein Klassentreffen ehemaliger Internatsschüler statt. Alte Freundschaften blühen nach 20 Jahren wieder auf, aber auch alte Streitigkeiten und Geheimnisse kommen ans Tageslicht. Als an Bord und an Land seltsame Dinge passieren, wird Tom Skagen von Skanpol mit zwei norwegischen Kollegen an Bord geschickt. Der Aufenthalt auf dem Schiff ist für ihn leider keine Erholung. Ihn holen alte Dämonen ein aus einer vergangenen Zeit wieder ein.

Obwohl dies bereits der dritte Teil der Reihe ist, hatte ich keinerlei Schwierigkeiten, in die Geschichte zu finden. Alle Figuren und Zusammenhänge wurden von der Autorin sehr gut beschrieben. Tom Skagen war mir auf Anhieb sympathisch. Er ist ein Polizist, der sich seinen Ängsten stellen muss. Auch seine Kollegen und seine Freundin mochte ich sehr.

Die Handlung spielt auf zwei Ebenen. Neben den Vorfällen auf dem Kreuzfahrtschiff gibt es noch den Fall eines Waffenschmuggels durch eine rechtsextreme Gruppe, die ein Attentat plant. Dieser tritt im Laufe der rasanten Geschichte etwas in den Hintergrund, aber am Ende laufen wieder alle Fäden zusammen und alles wird aufgeklärt.

„Kalter Fjord“ ist ein Thriller, der seinen Namen zurecht trägt. Ich konnte das Buch kaum zur Seite legen, so sehr hat mich die Handlung um die alte Clique vom Internat gefesselt. Die dunklen Geheimnisse werden erst nach und nach aufgedeckt und jedes Mal dachte ich, es könne nicht noch schlimmer kommen.

Anne Nørdby liefert mit „Kalter Fjord“ den Beweis, dass man spannend erzählen kann, ohne dass das Blut in Strömen fließt. Für mich steht fest, dass ich demnächst die beiden ersten Teile lesen muss und danach diese Serie auf jeden Fall verfolgen werden.

Fazit:
Spannung pur in den idyllischen Fjorden Norwegens

Bewertung vom 11.02.2022
Als uns die Welt zu Füßen lag
Einwohlt, Ilona

Als uns die Welt zu Füßen lag


sehr gut

Das hübsche Cover in Pastelltönen, das zwei junge Frauen zeigt, die vor einer historischen Darstellung Hamburgs miteinander tanzen, hat mein Interesse sofort geweckt. Auch die Inhaltsangabe hat mich sehr angesprochen.

Der Roman spielt Anfang der 30er Jahre in Hamburg. Die Wirtschaftskrise hat die Menschen fest im Griff, die Nationalsozialisten machen sich langsam breit und verbreiten Angst und Schrecken. In diesen Hexenkessel gelangt die junge Vicky, als sie vom Rosenhof in Norddeutschland flüchtet, nachdem sie gehört hat, dass ihr Vater sie gegen ihren Willen verheiraten will. In der Großstadt will sie zu ihrer Tante Carla, die ihr seit Jugendtagen sehr nahesteht. Auf der Suche nach ihr begegnet sie Luise, mit der sie sich anfreundet. Die beiden Frauen feiern das Leben, ziehen durch die Tanzlokale Hamburgs und amüsieren sich. Tagsüber arbeitet Vicky im Modesalon ihrer Tante und sammelt Erfahrungen in diesem Metier.
Es gibt auch eine Rahmenhandlung, die in der Gegenwart spielt. Hier geht es um Tilda, die einen kleinen Konditorladen im selben Haus führt, in dem einst Vicky mit ihren Tanten den Modesalon betrieben hat. Dieser Teil ist zwar auch interessant, wäre für mich aber verzichtbar gewesen. Vickys Geschichte hat mich weitaus mehr bewegt.

Ilona Einwohlt beschreibt ihre Figuren sehr authentisch und genau. Allen voran die Protagonistin Vicky, die aus der Provinz in die Großstadt kommt und zu einer selbstbewussten jungen Frau wird. Aber auch Luise ist eine starke Figur, die auf der Suche nach einem sicheren Auskommen und ein wenig Liebe ist. Carlas ungewöhnlicher Lebensstil stößt nicht überall auf Gegenliebe und der Musiker Johnny fühlt sich mehr und mehr seiner Hautfarbe wegen verfolgt. Die Beschreibungen des Nachtlebens waren sehr bildhaft und haben mich in Gedanken mittanzen lassen.

Das Ende hat mich leider mit zu vielen offenen Fragen zurückgelassen. Sowohl Tildas als auch Vickys Schicksal bleiben der Fantasie des Lesers überlassen. Ich persönlich finde das eher störend als inspirierend. Aber vielleicht darf man auf eine Fortsetzung der Geschichten hoffen. Diese würde ich auf jeden Fall sehr gerne lesen.

Bewertung vom 30.01.2022
Die letzte Schuld / Ein Fall für Emil Graf Bd.2
Rehn, Heidi

Die letzte Schuld / Ein Fall für Emil Graf Bd.2


ausgezeichnet

Bereits der erste Fall für den Kommissaranwärter Emil Graf „Das doppelte Gesicht“ hatte mir sehr gut gefallen. Also war für mich klar, dass ich die Fortsetzung „Die letzte Schuld“ ebenfalls lesen wollte. Heidi Rehn ist es erneut gelungen, einen spannenden Roman mit vielen interessanten Fakten zu schaffen. Ihre Bücher zeichnen sich stets durch hervorragende Recherchearbeit aus, deren Ergebnisse sie höchst unterhaltsam zu Papier zu bringen weiß.

Die junge Reporterin Billa Löwenfeld ist mit ihrer Kollegin Lydia in einer Siedlung im Norden Münchens zu Recherchezwecken unterwegs. Auf dem Rückweg zu ihrem Fahrer kommen sie am Fundort einer weiblichen Leiche vorbei. Mit der Lösung des Falls ist der Kommissaranwärter Emil Graf betraut. Zunächst ist die Identität des Opfers unbekannt. Aber nach einigen Nachforschungen wird klar, dass es sich um die Ehefrau des ehemaligen Blockwarts der Siedlung handelt. Aber warum musste sie sterben? Geht es um die Ausstellung sogenannter „Persilscheine“, also Leumundszeugnisse, die so kurz nach dem Krieg heiß begehrt waren? Oder ist gar Kunstraub im Spiel? Sowohl der Ehemann des Opfers als auch der Freund und Nachbar der beiden arbeiten als Nachtwächter im Haus der Kunst. Und was hat Emils Bruder Fritz, der ehemalige Staatsanwalt mit Nazivergangenheit, mit der Sache zu tun? Eine Menge spannender Fragen wollen geklärt werden …

Mit den beiden Protagonisten Emil und Billa sind Heidi Rehn zwei Figuren gelungen, die mir beide ausgesprochen sympathisch sind. Billa ist Jüdin und musste mit ihrer Mutter Lilo vor den Nazis in die USA fliehen. Nach dem Krieg kehrt sie als Reporterin in den Diensten der amerikanischen Armee zurück nach München. Ihr Ziel ist es, durch ihre Arbeit die Verbrechen der Nazis aufzudecken. Emil stand im Krieg auf der anderen Seite: Er war zwar nur Mitläufer und kein überzeugter Nationalsozialist, aber er macht sich trotzdem Vorwürfe, gegen das Unrecht nicht aufbegehrt zu haben. Als ehemaliger Jurastudent mit guten Kenntnissen der englischen Sprache wird er von den Amerikanern als angehender Kommissar angestellt. Gemeinsam ermitteln Emil und Billa nun schon zum zweiten Mal, wobei sie sich auch näherkommen und Gefallen aneinander finden.

Aber auch die anderen Figuren sind der Autorin gut gelungen. Durch ihre lebendigen Beschreibungen habe ich mir alles bildlich vorstellen können. Die Lösung des Falls hat mich überrascht. Ich war lange auf dem Holzweg. Ich freue mich schon sehr auf den nächsten Fall für Emil und Billa, den ich mit Sicherheit auch wieder lesen werde.

Fazit:
Heidi Rehn hat einen spannenden Einblick in die Gesellschaft der Nachkriegszeit in München gewährt und diesen mit einem spannenden Mordfall verknüpft.

Bewertung vom 09.01.2022
Perfect Day
Hausmann, Romy

Perfect Day


ausgezeichnet

Da ich bereits die ersten beiden Bücher der Autorin als Hörbuch gehört habe, habe ich mich sehr gefreut, als ich die Chance bekam, den neuen Thriller bei Netgalley als Rezensionsexemplar zu bekommen. Vielen Dank dafür an Netgalley und DTV. Da mich besonders das erste Buch „Liebes Kind“ fesseln konnte, waren meine Erwartungen an „Perfect Day“ sehr hoch. Um es vorweg zu nehmen: Sie sind nicht enttäuscht worden, ganz im Gegenteil.

Die sechsundzwanzigjährige Ann ist zu Besuch bei ihrem geliebten Vater, der sie nach dem Tod der Mutter allein großzog, als dieser plötzlich verhaftet wird. Ihm wird vorgeworfen, zehn kleine Mädchen im Alter von sechs bis zehn Jahren ermordet zu haben. Damit die Kinder zeitnah gefunden werden, hat der Mörder rote Schleifen um den Fundort herum angebracht.

Für Ann ist es unvorstellbar: Ihr geliebter Vater, der sich immer aufopferungsvoll um sie gekümmert hat, soll Kinder ermordet haben? Der Gedanke reißt ihr förmlich das Herz aus dem Leib, und sie setzt alles daran, den wahren Schleifenmörder, wie er von der Boulevardpresse genannt wird, zu finden.

Der Roman ist in unterschiedliche Erzählstränge aufgeteilt: Den Hauptteil nimmt Anns Geschichte und ihre Suche nach dem wahren Mörder ein. Dazwischen eingestreut sind Ansprachen eines Erwachsenen an ein Kind, Beschreibungen von Gefühlen der jungen Ann und ein Interview, das jemand mit dem Mörder führt. Wobei hier weder ersichtlich ist, wer der Mörder ist, noch wer ihn interviewt. Die Spannung bleibt also bis zur Auflösung bestehen und hat mich durch die Geschichte gezogen. Gleichzeitig hat der Roman mich aber auch nachdenklich gemacht: Wie unterschiedlich sind Gefühle, die wir empfinden? Wie sehr können unsere Gedanken und unsere Wunschvorstellungen uns in die Irre leiten?

Fazit:
Romy Hausmann ist ein unglaublich spannender Roman gelungen, der auch zum Nachdenken anregt.