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Renas Wortwelt

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Insgesamt 213 Bewertungen
Bewertung vom 25.06.2025
Süddeutsche Zeitung Magazin

Wann kommt das Salz ins Nudelwasser?


sehr gut

Zugegeben, über diese titelgebende Frage habe ich wirklich noch nie nachgedacht. Geschweige denn geglaubt, dass der Zeitpunkt der Salzzugabe irgendeinen Unterschied macht. Das ist aber wohl tatsächlich so, wie dieses sehr informative kleine Buch verrät.
Das ganz anders ist als erwartet, aber nicht minder gut. Denn es gibt kurze, knackige und gut verständliche Antworten auf Fragen, die manch einer vielleicht mal im Kopf gewälzt hat, sich aber möglicherweise nie zu fragen traute. Oder Fragen, auf die man selbst gar nicht gekommen wäre, deren Beantwortung aber durchaus eine Bereicherung ist.
Aufgeteilt in sechs Kapitel oder thematische Gruppen geht es um so Dinge wie die Frage „Hilft Pusten bei heißen Getränken und Suppen?“ oder „Ist Essen im Gehen wirklich ungesund?“ (Hat sich das tatsächlich schon mal jemand gefragt…?) oder eine Frage lautet: „Wie teste ich, ob ein Ei noch frisch ist?“ (Ich hätte gedacht, das weiß inzwischen jeder, aber offenbar doch nicht.)
Im Kapitel „Flüssige Spezialitäten“ geht es beispielsweise um die Frage „Warum haben Sekt- und Weinfalschen einen gewölbten Boden?“ – auch darüber habe ich noch nie gegrübelt. Der Grund: Es hat was mit dem Druck in der Flasche zu tun. Eine durchaus interessante Frage in dieser Gruppe lautet:“ Wie kann man Alkohol in Risottos, Saucen und Desserts ersetzen? Die Antwort ist für jemanden, der für Kinder kocht oder für Menschen, die keinen Alkohol trinken dürfen, sicher sehr hilfreich. Der Koch, der auf diese Frage antwortet, empfiehlt einmal Apfel-, für den anderen Zweck Trauben- oder Orangensaft.
Weitere Kapitel beschäftigen sich mit „Frischekick und Vitaminpower“, „Gut für die Gesundheit“ oder unter dem Titel „Das gehört sich so“ mit der Welt der Traditionen und guten Manieren. Da geht es dann beispielsweise um die Frage, wie man sich im Restaurant richtig beschwert oder wieso man im Winter Glühwein trinkt (auch eine wirklich lebenswichtige Frage…).
Beantwortet werden übrigens die vielen Fragen – sicher sind es mehrere Dutzend – von ausgesprochenen Fachleuten, die jeweils unter den nie mehr als ein bis zwei Seiten langen Texte genannt werden, zusammen mit ihrer Profession. Zusätzlich sind alle noch einmal im Anhang aufgelistet. Darunter befinden sich You-Tuber:innen, Köche und Köchinnen, aber auch Mediziner:innen des jeweiligen Fachgebiets. Dazu Oecotrophologen und sogar ein Physiker oder der Gründer eine Kaffeeschule.
Sicher interessiert nicht jeden alles, nicht jede Antwort hilft einem im Leben entscheidend weiter, nicht alle Informationen sind neu oder überraschend. Dennoch liefert das Buch, das auf der entsprechenden Kolumne im Zeit-Magazin beruht, ein paar neue Erkenntnisse, die sich im täglichen Küchenalltag durchaus anwenden lassen. Außerdem ist das kleine Büchlein ganz sicher ein gelungenes Geschenk für alle, die sich für Essen oder Kochen begeistern.
Süddeutsche Zeitung Magazin - Wann kommt das Salz ins Nudelwasser?
DuMont, Juni 2025
Gebundene Ausgabe, 175 Seiten, 20,00 €

Bewertung vom 23.06.2025
Maury , Avril

Noch fünfzig Sommer mehr


weniger gut

Das Beste an diesem Roman war noch das Setting, denn die Geschichte spielt in der Bretagne, ein echter Sehnsuchtsort. Hier lebt die Hauptfigur Eleni, allein in einem abgelegenen Haus mit großem Garten. Das Haus gehörte früher ihren inzwischen verstorbenen Großeltern, bei denen sie aufwuchs.
Denn Elenis Mutter war eine Forscherin, die lieber durch die Welt reiste als ihre Tochter aufwachsen zu sehen. Auch sie ist längst gestorben, als Eleni den Café-Besitzer Théo kennen- und lieben lernt. Schnell werden die Beiden ein Paar und ihm gelingt es, die junge Frau aus ihrer depressiven Einsamkeit herauszulocken. Er schenkt ihr Pflanzen für den Garten und sie lernt wieder zu lachen und zu leben.
Doch Théo stirbt ganz plötzlich nach ein paar Monaten des Glücks und Eleni fällt zurück in ihr schwarzes Loch, geht nicht mehr aus dem Haus, lässt den Garten verkommen. Einzige Gesellschaft ist ihr Kaninchen Anemone. Bis eines Tages jemand beginnt, Briefe und Blumen vor ihre Tür zu legen. Nach und nach taut Eleni dadurch auf, freut sich über die Gaben und beginnt wieder, in ihrem Garten zu arbeiten.
Schließlich trifft sie durch einen Zufall einen ehemaligen Kindheitsfreund wieder. Ab hier wird es derart vorhersehbar, dass man eigentlich gar nicht weiterlesen muss. Denn natürlich – Achtung Spoiler für die, die es nicht eh schon ahnen – steckt Pierre hinter den Briefen und Blumen. Warum, das klärt sich gegen Ende natürlich auf und natürlich gibt es einen Bezug zu Théo.
Der allerdings ist dermaßen an den Haaren herbei gezogen, dass die Geschichte nun wirklich absurd wird, nachdem sie bisher nur extrem kitschig und schmalztriefend war. Auch die Erklärung für Elenis Ängste und Psychosen ist ziemlich weit hergeholt und nicht gänzlich nachvollziehbar. Ihre Aktionen und Reaktionen überhaupt empfand ich als wenig schlüssig.
Dazu kommt ein wirklich sehr simpel gestrickter Schreibstil, freundlich ausgedrückt. Der Roman strotzt von Phrasen, Wortwiederholungen, überdramatisierten Emotionen und seichten Dialogen. In diese sind mal wieder – was ich wirklich überhaupt nicht leiden mag – diverse französische Satzfetzen eingefügt, selten, aber dennoch störend. Was sich erklärt aus dem Tatsache, dass die sich mit einem französischen Pseudonym schmückende Autorin eine deutsche Schriftstellerin ist.
So hoch die Erwartungen an eine nette und emotionale Story sind, die der Klappentext weckt, so enttäuschend ist dann die Lektüre. Aber das ist wie immer Geschmacksache, für Leserinnen, die Schnulzen mögen, ist der Roman sicher empfehlenswert.
Avril Maury - Noch fünfzig Sommer mehr
Ullstein, Mai 2025
Taschenbuch, 312 Seiten, 12,99 €

Bewertung vom 20.06.2025
Bruns, Julia

Donnerstag ist Schnitzeltag / Seniorenkrimi Bd.3


sehr gut

Nun also Band drei um Kommissar a.D. Helmut Katuschek, der wieder einmal einen Mord im Seniorenheim aufklären darf. Diesmal erwischt es den zuständigen Arzt, der sich bei Helmut bereits ziemlich unbeliebt gemacht hatte, unterstellte der ihm doch Wahnvorstellungen. Und das nur, weil Helmut mit seinem verstorbenen Freund Herbert Schach spielt.
Besagter Arzt findet sich eines Tages eingezwängt in der Tür des Medikamentenschranks, wo er keines natürlichen Todes starb. Der Schrank wurde durchwühlt, doch Spuren finden sich erstmal nicht. Auffällig verhalten sich die Pflegerin Monika, die ohnmächtig neben der Leiche gefunden wurde, und der Interims-Heimleiter Lennox Bergmann. Zuerst aber gilt es herauszufinden, wer Motiv und Gelegenheit hatte. Letzteres ist in einem Seniorenheim, in dem ständig jemand durch die Gänge wandelt oder bei einem anderen Bewohner ins Zimmer kommt, eher schwierig.
Dieser Zustand der ständigen Überwachung, dazu die permanente Nörgelei seiner Angetrauten Margot, die Entwürdigung und Entrechtung der Insassen, das sind die Dinge, die Helmut Katuschek umtreiben und über die er immer wieder philosophiert. Für ihn wäre dieses Leben, das ihm Margot aufzwang, völlig unerträglich, gäbe es nicht die Rechtsmedizinerin a.D. Frau Dr. Olga Böttcher, quasi seine ehemalige Kollegin, die im selben Seniorenheim wohnt. Wenn sie nicht gerade völlig unvermittelt in ihre Demenzphasen versinkt, in welchen sie Helmut mit ihrem längst verstorbenen Ehemann Karl-Heinz verwechselt, dessen Skelett sie ständig mit sich herumführt, dann ist sie ihm eine große Hilfe bei den Ermittlungen. Gerade die Gespräche zwischen Helmut und Olga sind das Salz in diesem Roman, die Spitzfindigkeiten, die treffend-ironischen Kommentare, die insbesondere sie dabei abgibt, machen einen Heidenspaß.
Dabei stört es dann auch nicht so sehr, dass der Kriminalfall immer wieder ins Hintertreffen gerät, wenn die Geschichten und Episoden um die herrlich skurril beschriebenen Alten und Senilen mehr Raum einnehmen. Neu hinzugekommen zu den bisher bekannten Insassen sind die toughe und sportbegeisterte Elwira und der geheimnisvolle Bert Bo, die sich selbstredend beide ebenfalls sehr verdächtig verhalten.
Der Roman macht wirklich Spaß, wenn man über einige Längen hinwegsieht, die immer dann auftreten, wenn Helmut in immer der gleichen Leier über seine Margot klagt. So witzig das im ersten Band ist, so sehr schleift sich das inzwischen ab, so wie Margots Rolle an sich, der gefühlt manchmal zu viel Raum gegeben wird. Davon abgesehen aber sind wie gesagt insbesondere Helmut, Frau Dr. Olga und deren Freundin Jutta sehr sympathische, halbwegs lebensnahe Charaktere, denen man gerne begegnet.
Wer sich mit den Gedanken trägt, in ein solches Heim einzuziehen, sollte diesen Roman vielleicht lieber nicht lesen, allen andren kann ich ihn guten Gewissens empfehlen.
Julia Bruns - Donnerstag ist Schnitzeltag
dtv, Juni 2025
Taschenbuch, 317 Seiten, 13,00 €

Bewertung vom 18.06.2025
Mirasol, Eva

Staying Alive


gut

Wenn eine Ärztin einen Arztroman – pardon Ärztinnenroman – verfasst, kann man davon ausgehen, dass alle medizinischen Details stimmig und korrekt wiedergegeben werden. Im vorliegenden Buch, dem Debütroman der Autorin, geht das sogar soweit, dass durchgängig die häufig verwendeten Fachbegriffe in Fußnoten erläutert werden, dies jedoch ebenso humorvoll wie der gesamte Roman.
In diesem geht es um Nicki, die ihren Dienst an einer Rettungsstelle einer großen Berliner Klinik aufnimmt. Dieser Dienst umfasst ständige Überstunden, Nachtschichten, Hektik und Hetze, verlangt schnelle Entscheidungen, oft über Leben und Tod und führt zu vielen skurrilen Begegnungen.
Das fängt schon mit dem Oberarzt an, der sie an ihrem ersten Tag gleich mit platten Witzen begrüßt und sie dann ihrem Schicksal überlässt. Zum Glück findet Nicki in den Kolleg:innen und dem Pflegepersonal viele nette und hilfsbereite Menschen, so dass zwischen ihnen im Laufe der Monate Freundschaften entstehen.
Zum Glück, dann für ein Privatleben bleibt ihr kaum Zeit, sehr zum Leidwesen ihrer Mutter. Nicki lebt nur noch zwischen Dienst und Bett, durch die Schichtarbeit, die vielen Überstunden ist sie ständig müde, verliert den Kontakt zu ihrem bisherigen sozialen Umfeld und bekommt kaum noch mit, was um sie herum geschieht. Und dann – Klischee lässt grüßen – verliebt sie sich auch noch in besagten Oberarzt.
Soweit, so unterhaltsam. Eva Mirasol hat einen locker-flockigen Schreibstil, voller Tempo und Temperament, mit vielen sehr witzigen, teils sarkastischen Dialogen. Dazu kommt eine Heerschar an echten und eingebildeten Kranken, denen die Hauptfigur Nicki mal mit Spott, mal mit Verständnis begegnet. Die vielen Figuren – fast ausschließlich Krankenhauspersonal – sind meist sympathisch dargestellt, jedoch fehlt allen, egal ob Protagonistin oder Nebenfigur, der Hintergrund, die eigene Geschichte komplett. Alle Charaktere des Buchs existieren lediglich im hier und jetzt.
Dazu hat man zu Beginn des Buchs das Gefühl, das Ganze ist eher eine Aneinanderreihung von einzelnen Begebenheiten, ausgewählt nach dem Grad ihrer Skurrilität. Erst spät, nach der Hälfte des Romans, entsteht so etwas wie ein Gesamtplot, eine sich durchziehende Handlung, die den Rahmen bildet. Das ist dann die Liebesgeschichte mit Hindernissen, die aber doch nur eine Nebenrolle spielt. Haupthandlung bleiben die Erlebnisse in der Rettungsstelle, die wie erwähnt sehr anschaulich und lebensnah beschrieben werden, immer mit einem leichten Augenzwinkern. Manchmal war mir das dann doch ein bisschen zu oberflächlich, an anderer Stelle hätte ich mir mehr Tiefgang, ruhigeres Erzählen gewünscht. So blieb der Roman eher unterhaltsam als emotional.
Eva Mirasol - Staying Alive
Ullstein, Mai 2025
Taschenbuch, 334 Seiten, 14,99 €

Bewertung vom 13.06.2025
Hincenbergs, Sue

Very Bad Widows


gut

Romane um Ehefrauen, denen daran gelegen ist, ihre Gatten um die Ecke zu bringen, gibt es reichlich. Auch die Gründe, warum dieses Verlangen in den Damen wächst, sind vielfältig. Die drei Frauen im vorliegenden Roman sinnen einerseits auf Rache für ihre immer langweiliger werdenden Ehemänner, die sie zudem um ihre Ersparnisse gebracht haben. Zum anderen gedenken sie die hohen Lebensversicherungen ebendieser Männer einzustreichen, nach deren Tod natürlich.
Doch erstens kommt es anders und zweitens als geplant. So planen Pam, Shalisa und Nancy zwar mit Hilfe eines engagierten Killers den Tod ihrer Ehemänner. Doch ihre Männer haben ihrerseits ebenfalls Pläne. Die sich einmal aus der Angst heraus entwickeln, Opfer von indischen Mafiamördern zu werden. Denn Hank, Andre, Larry und der gleich zu Beginn des Buch zu Tode gekommene David, vierter im Bunde der Freunde, sind auf wenig legale Weise zu Geld gekommen und fürchten nun, entdeckt zu werden. Um sich der vermuteten Killer zu erwehren, engagieren die drei Männer ihrerseits einen Auftragsmörder – eben jenen, den auch ihre Ehefrauen beauftragen, sie zu töten.
So entsteht ein heilloses Durcheinander, in dessen Mittelpunkt besagter Auftragskiller Hector, seines Zeichens Herrenfriseur, und seine innigst geliebte Ehefrau Brenda stehen. Diese wiederum bekommt in der Firma, in welcher Hank und der verstorbene David gearbeitet haben, einen Job und deckt so die Machenschaften der Hobbybetrüger auf.
Diese Firma wird geleitet von Padma, Tochter einer der größten Verbrecherköniginnen Indiens. Die versucht verzweifelt, für ihre Tochter einen Ehemann zu finden. Derer drei Kandidaten tauchen nun auf, um Padma kennenzulernen – was für zusätzliche heillose Verwirrung sorgt, hält Hank die drei Männer doch für die auf ihn und seine Freunde angesetzten Killer.
Derweil hadern die Ehefrauen mit ihrem Plan, diskutieren immer wieder erneut darüber, überlegen hin und her. Dazu tragen auch neue Erkenntnisse bei, die ihre Wut auf die Männer eher erhöhen als besänftigen.
Das Ganze ist genauso verworren und verwirrend, wie es hier beschrieben ist. Dabei zuerst sehr unterhaltsam, oft witzig, sehr ironisch und voller spitzer, sanft polemischer Pfeile, die hin und her gehen zwischen den Eheleuten. Doch irgendwie verliert sich die Unterhaltung an dieser Geschichte irgendwann, wird die Handlung zu chaotisch, gibt es zu viele Wendungen, die oft überzogen, übertrieben sind. Dazu viel zu viele Figuren, viel zu viele Nebenhandlungsstränge, zu viele Erzählperspektiven und zu viele Wiederholungen. So drehen sich nicht nur, wie erwähnt, die Diskussionen zwischen den Frauen und auch zwischen den Männern immer im Kreis, auch die Probleme Padmas kreisen stets um sich selbst und zeigen keine Entwicklung. Erst am Ende kommt Dynamik in die Sache, aber da hatte ich bereits die Freude an der Lektüre verloren. Eine drastische Straffung der Handlung, ein Kürzen um gut 100 Seiten, hätte dem Roman gutgetan. So war der Ansatz gelungen, der Plot gut ausgedacht, die Umsetzung haperte jedoch.
Sue Hincenbergs - Very bad widows
aus dem kanadischen Englisch von Charlotte Lungstrass-Kapfer
Piper, Mai 2025
Paperback, 432 Seiten, 17,00 €

Bewertung vom 11.06.2025
Maly, Beate

Gold aus der Wiener Werkstätte


ausgezeichnet

Wieder einmal erschafft Beate Maly die perfekte Kulisse für ihre spannenden und gleichzeitig unterhaltsamen Krimis im historischen Wien. Bereits zum zweiten Mal steht die „Wiener Werkstätte“ im Mittelpunkt der Handlung, eine real existierende Gemeinschaft von Künstlern und Kunsthandwerkern, gegründet 1903.
In diesen Werkstätten arbeiten Männer und Frauen, getrennt und doch zusammen. Aber die Frauen werden auch hier unterdrückt, die Männer allein heimsen den Ruhm und den Gewinn ein. Auch das thematisiert die Autorin wieder geschickt in die Handlung eingebunden.
Diese Handlung dreht sich um Morde an Prostituierten. Alle getöteten Frauen stehen in Beziehung zur realen historischen Figur Regine Riehl, eine Bordellbesitzerin, gegen die parallel zu den fiktiven geschilderten Ereignissen ein aufsehenerregender Prozess stattfand. Die Taten aufklären soll der Kommissar Max von Krause.
Der erste Mord geschieht in einem Hotel und soll unbedingt vertuscht werden. Das ordnet Max‘ Vorgesetzter an und setzt ihn damit gewaltig unter Druck. Doch Max lässt sich nicht beirren und dringt immer tiefer in die Geschehnisse ein, als bereits ein weiterer Mord geschieht.
Die Verbindung zur Wiener Werkstätte entsteht durch auffällige Schmuckstücke, die bei den Toten gefunden werden und welche aus der Werkstätte stammen. Hier trifft Max auf Lili Feigl, die er bereits im ersten Band (den ich leider verpasst habe) kennenlernen durfte. Zwischen beiden funkt es immer wieder sehr zart und nur behutsam angedeutet.
Lili selbst hat ihre eigenen Probleme dank ihres trunksüchtigen Vaters, der immer wieder für Schulden sorgt. Sie ist eigentlich nur Putzfrau in den Werkstätten, aber hoch künstlerisch begabt, weshalb sie durchaus auch eigene Schmuckstücke entwirft, die jedoch nie unter ihrem Namen, sondern als Werk eines der Männer verkauft werden. Ihre Freundin Helene, ebenfalls Künstlerin, versucht ihr zu helfen.
Der Roman erzählt die Handlung aus zwei Perspektiven, einmal sehen wir die Ereignisse aus der Sicht von Max, mal folgen wir Lili in die Werkstatt, bei der Unterstützung ihrer verarmten Nachbarin oder bei einer gefährlichen Mission. Bei dieser wird sie begleitet von Herbert Rossberg, einem Reporter, der ebenfalls mehr als nur dienstliches Interesse an ihr hat.
Die Geschichte ist kein Pageturner, doch durchaus spannend – auch wenn diese Spannung manchmal ein wenig mühsam konstruiert wirkt - und dazu sehr einfühlsam erzählt. Nie wird es überdramatisiert, auch wenn die Autorin ihre Leser nicht schont, denn die Morde an den Frauen sind wirklich sehr brutal. Diverse echte und falsche Spuren sind geschickt gelegt, Hinweise auf Motiv, Hintergrund und den Bezug zur Wiener Werkstätte werden gekonnt gestreut.
Dazu kommen die gelungen und niemals störend eingefügten Beschreibungen des historischen Wien, der Polizeistrukturen, der Wiener Werkstätte und der sozialen und gesellschaftlichen Zustände. So zeichnet Beate Maly mit Geschick die große Diskrepanz zwischen dem Haushalt der von Krauses und dem ärmlichen Zuhause von Lili und ihrem Vater.
Ein wieder rundherum empfehlenswerter Krimi, der historische Begebenheiten kunstfertig mit fiktiven Ereignissen verknüpft. Gerne mehr davon.
Beate Maly - Gold aus der Wiener Werkstätte
emons, Mai 2025
Taschenbuch, 245 Seiten, 18,00 €

Bewertung vom 06.06.2025
Winston, Emily

Der Mordclub von Shaftesbury - Die Tote fällt nicht weit vom Stamm


ausgezeichnet

Der inzwischen vierte Band aus der unterhaltsamen Reihe um die Detektivin wider Willen Penelope St. James, die wieder einmal im kleinen Ort Shaftesbury mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen hat, macht sehr viel Spaß.
Diesmal wird im Dorf ein Liebesbriefwettbewerb veranstaltet. Dazu müssen alle, die teilnehmen möchten, einen Liebesbrief in einer alten Eiche verstecken. Doch die Gewinnerin scheint bereits längst festzustehen, hat doch die betagte Greta Huntington-Dillinger schon jedes Jahr den Wettbewerb gewonnen. Aber das Schicksal verhindert ihren erneuten Gewinn, denn eines Tages liegt Greta tot unter besagter Eiche, sie fiel von der Leiter, deren Sprossen offensichtlich jemand angesägt hatte.
Penelope, seit dem letzten Band glücklich verheiratet mit dem Tierarzt Sam, lebt nun mit ihm, seiner kleinen Tochter Lilly und diversen – nicht immer willkommenen – tierischen Mitbewohnern in einem ehemaligen Bauernhaus. Im Zuge von Penelope gewünschter Umbaumaßnahmen wird im Anbau eine Wand eingerissen, wobei eine vor etlichen Jahren dort eingemauerte Leiche zutage gefördert wird.
Nun braucht es nicht einmal wie sonst die Aufforderung des umtriebigen Briefträgers, damit Penelope herausfinden will, wer der Tote ist, wie er zu Tode kam, warum und durch wen. Doch nicht nur das beschäftigt sie, die doch eigentlich nur eine Partneragentur betreibt. Gleichzeitig soll sie den Liebesbriefwettbewerb weiter organisieren, die Jury bilden und den Mord an Greta aufklären. Penelope ist also gut beschäftigt.
All das wird so munter und lebhaft erzählt, so voller Tempo, Witz und skurrilem Personal, dass man nur so durch die Seiten fliegt. Ständig ergeben sich neue Wendungen, ständig passieren neue Zwischenfälle und ständig hat fast die gesamte Dorfbevölkerung irgendetwas zu tratschen, wobei nicht jeder immer die Wahrheit sagt.
Dazu kommen herrlich absurde Begebenheiten rund um die stets wachsende Tierschar im Haushalt von Sam und Penelope, ungemein witzige Szenen beispielsweise nachts auf dem Friedhof und viele unglaublich komische Dialoge. Diese Dialoge sind es, die vor allem sehr viel Spaß machen. Mal reden alle aneinander vorbei, mal verursachen unklare Andeutungen lustige Missverständnisse.
So sorgen alle für viel unterhaltsames Chaos, zu dem auch die Kinder beitragen, die im Haus von Penelope ein und ausgehen. Denn Lilly bringt ihre Freunde mit, die zusammen mit den vielen Tieren reichlich Leben in die Bude bringen. Die Kinder sind ebenfalls wunderbar gezeichnet, nie werden sie kindisch oder gar süßlich dargestellt, sondern auch sie, wie alle anderen Figuren, voller Tempo, leichter Ironie und Humor.
Dabei kommt die Spannung nicht zu kurz, will man doch trotz all des Humors auch wissen, wer wen warum um die Ecke gebracht hat. Die Spuren werden mal ziemlich breit gelegt, ein andermal führen sie geschickt in die falsche Richtung. Auch wenn nicht immer alles logisch, nicht immer alles plausibel, manches etwas überzogen ist, so verschlingt man den Roman, voller Freude bei der Lektüre, voller Sympathie für all die verschrobenen Figuren. Mir gefiel dieser vierte Band noch mehr als die vorigen, die auch schon gelungen waren. Es scheint, als werde diese Reihe um Penelope St. James mit jeder Folge immer besser, so dass ich auf eine baldige Fortsetzung hoffe.
Emily Winston – Der Mordclub von Shaftesbury: Die Tote fällt nicht weit vom Stamm
Aufbau Verlag, Mai 2025
Taschenbuch, 343 Seiten, 14,00 €

Bewertung vom 04.06.2025
Farnsworth, Lauren

Das Pubquiz für einsame Herzen


gut

Donna hat ein Bedürfnis und eine Idee. Sie möchte neue Menschen kennenlernen und so sucht sie per App nach Gleichgesinnten für die Teilnahme an einem Quiz im Pub. So lernen sich Bryony, Harry, Jaime und Donna kennen. Wie von solch einer Story zu erwarten, tragen alle ihr Päckchen mit sich herum.
Bryony, sehr klug und belesen – weshalb sie die meisten Quizfragen korrekt beantworten kann – hadert mit ihrem unausgefüllten Leben als Ehefrau und Mutter. Sie wurde sehr jung schwanger, heiratete und musste so all ihre Pläne und Hoffnungen für ihr späteres Leben begraben.
Harry trauert seiner Ex-Freundin hinterher und hat zudem seine Stellung verloren. Nun lungert er den ganzen Tag zuhause herum, verflucht den neuen Freund seiner Ex (der zudem noch ein wesentlich erfolgreicherer Kollege ist) und sucht eher halbherzig nach einem neuen Job.
Jaime lebt zusammen mit ihrem Freund Luke. Beide sind vor nicht allzu langer Zeit erst nach London gezogen, wo Luke nie richtig angekommen ist. Er ist unzufrieden in seinem Job und verbringt die meiste Zeit bei Computerspielen. Jaime wünscht sich mehr Kontakte, will Luke helfen, ihn fördern. So übernimmt sie mehrere Arbeitsstellen, schiebt Nachschichten und verdient so das Geld für sie beide, nachdem Luke seinen Job auf ihren Vorschlag hin aufgegeben hat – um sich selbst zu finden.
Und Donna ist ständig auf Achse, verbringt eine Nacht mit Harry, eckt in ihrer Arbeitsstelle immer wieder an, macht Fehler, ist permanent aufgedreht. Unausgesprochen fürchtet sie, an derselben Krankheit zu leiden wie ihr Vater.
Natürlich kommen sich die Vier im Laufe der Zeit näher, berichten von ihren Problemen und versuchen einander zu helfen. Allerdings laufen die vier Handlungsstränge die meiste Zeit eher nebeneinanderher, wird jede Geschichte mehr für sich erzählt, als dass es eine gemeinsame Story wird. Erst nach und nach, wenn das Team mehrere Runden im Quiz gewinnt und im Turnier antritt, entsteht etwas mehr Spannung.
Die meiste Zeit aber plätschert das Geschehen eher belanglos dahin, die Probleme, mit denen die vier Hauptfiguren zu kämpfen haben, wirken überdramatisiert, sind selbst gemacht, wären wohl meistens sehr leicht lösbar. So wird der Roman irgendwann zäh, wenn sich lange keine Entwicklungen ergeben, die Figuren immer wieder über die gleichen Dinge jammern und lamentieren. Am sympathischsten ist noch Bryony, die auch am wenigsten in Selbstmitleid ertrinkt, so wie die anderen.
Insgesamt konnte mich diese Geschichte nicht wirklich abholen, meine Erwartungen waren andere, wurden nicht erfüllt.
Lauren Farnsworth - Das Pubquiz für einsame Herzen
aus dem Englischen von Katharina Naumann
rororo, Mai 2025
Taschenbuch, 479 Seiten, 14,00 €

Bewertung vom 02.06.2025
Deitch, Hannah

Killer Potential


sehr gut

Laut Klappentext muss in diesem Roman eine junge Frau, die des Doppelmordes verdächtigt wird, den wahren Täter finden, um ihre Unschuld zu beweisen. Also erwartet man eine Story im Stil eines Krimis, eine Verdächtige bei der Recherche, Tätersuche und Aufklärung des Verbrechens.
Doch weit gefehlt, diese Geschichte entwickelt sich ganz anders. Es beginnt damit, dass die junge Evie, Nachhilfelehrerin im Haus der Familie Victor, eines Tages die Eltern ihrer Schülerin Serena ermordet auffindet. Bevor Evie die Polizei benachrichtigen kann, findet sie im Haus eine verwahrloste, abgemagerte Frau. Gerade als sie diese aus ihrem Versteck befreit, taucht Serena auf. In Panik schlägt Evie sie nieder, denkt, sie hätte sie ermordet und flieht, zusammen mit der Fremden.
Diese fremde Frau spricht nicht, lange sagt sie kein Wort, während Evie mit ihr davonfährt, in Panik, ohne Plan. Erst nach und nach wird ihr klar, was das alles für sie bedeutet. Sie wird des Mordes verdächtigt, gejagt von Polizei, FBI, Presse und jedem, der die Belohnung erlangen will. Dazu diese schweigsame Frau, die ihr immerhin eine große Hilfe ist, denn sie scheint begabt im Klauen von Autos, Geld und Lebensmitteln.
Die wilde Flucht führt die beiden Frauen zweimal quer durchs Land, durch mehrere Bundesstaaten. Immer wieder geraten sie in Gefahr, entdeckt zu werden, müssen sich – auch mal mit brutaler Gewalt – gegen Verfolger wehren.
Irgendwann beginnt die Unbekannte zu sprechen, nach und nach erfährt Evie ihre Geschichte, tauen beide Frauen gegenüber einander auf, öffnen sich. Doch immer bleibt die Frage, wer das Ehepaar Victor ermordet hat. Über die Toten erfahren Evie und die Fremde mit der Zeit immer mehr, entdecken die Machenschaften des Mannes und die Pläne der Frau.
Das Ganze wird ungemein temporeich und temperamentvoll erzählt, mit hoher Dynamik und vielen Wendungen und Höhepunkten. Dabei ist die Geschichte auch voller Dramatik, die beiden Protagonistinnen sind Figuren, die einem nahegehen, deren Hintergrund und Vergangenheit spannend geschildert werden. Auch wenn die Probleme Evies in der Vergangenheit ein wenig hausgemacht und etwas überbewertet zu sein scheinen, so könnten sie Erklärung für ihr jetziges Verhalten sein.
Auch wenn man irgendwann ahnt, wer das Ehepaar ermordet haben könnte, bleibt der Roman bis zum Ende spannend. Die Auflösung ist dann zwar also keine große Überraschung mehr, doch danach geht es noch eine ganze Weile nicht minder spannend weiter.
Insgesamt ein durchaus gelungener Thriller, mit einigen Längen zwar und an manchen Stellen war es mir etwas zu brutal, etwas zu unglaubwürdig, was die bislang unbescholtenen Frauen so alles können und zuwege bringen. Dennoch kann man den Roman auf jeden Fall empfehlen, für alle, die actionreiche Krimis mit interessanten Hauptfiguren mögen.
Hannah Deitch - Killer Potential
aus dem Englischen von Conny Lösch
List, Mai 2025
Klappenbroschur, 398 Seiten, 17,99 €

Bewertung vom 30.05.2025
Kim, Angie

Happiness Falls


sehr gut

Dieser Wälzer mit mehr als 500 Seiten erzählt von einer Familie voller Probleme, die im Grunde vor allem auf der Suche nach Glück ist. Sprachlose Hauptperson ist der 14jährige Eugene. Er leidet an diversen Beeinträchtigungen, wie einer Abart des Autismus sowie der Unfähigkeit zu sprechen. Seine älteren Geschwister sind die 20-jährigen Zwillinge Mia und John.
John arbeitet in der Betreuungseinrichtung, die auch Eugene normalerweise täglich besucht. Mia studiert, ist aber gerade wieder zu Hause eingezogen, denn die Geschichte spielt während der Covid-Pandemie.
Die Mutter der Familie ist Wissenschaftlerin, während der Vater zuhause ist und sich insbesondere um Eugene kümmert. Das beinhaltet unter anderem tägliche Spaziergänge der beiden in einem nahegelegenen großen Park. Von einem dieser Spaziergänge kehrt jedoch eines Tages nur Eugene zurück, völlig verstört, unfähig sich zu artikulieren, in einem blutverschmierten T-Shirt. Der Vater ist verschwunden.
Die hinzugezogene Polizei hat recht schnell Eugene in Verdacht, dem Vater irgendetwas angetan zu haben, während der Rest der Familie absolut überzeugt ist, dass der Junge dazu niemals imstande wäre.
Erzählt wird die Geschichte in Ich-Form von Mia, durchgängig aus ihrer Perspektive. Mia neigt dazu, alles zu hinterfragen, zu durchleuchten, zu recherchieren. Während Mutter und Bruder sich an der Suchaktion beteiligen, durchforstet sie Unterlagen und Computer des Vaters. Dabei entdeckt sie seine Studien zum Thema Glück und ist erschüttert über das, was sie herausfindet. Dass der Vater nämlich seine Kinder, vor allem Eugene fast wie Versuchskaninchen behandelte, ohne einen von ihnen darüber zu informieren. Was so weit geht, dass er auch die anderen nicht davon in Kenntnis setzte, welche Fortschritte Eugene zwischenzeitlich machte.
So läuft der Roman quasi auf zwei Ebenen ab. Die eine schildert auf wirklich spannende und fesselnde Weise die Suche nach dem Vater, die vielen Fragen, die sich auftun und insbesondere die Wirkung, die all das auf den Jungen Eugene hat, der das weder verarbeiten noch sich bisher irgendwie dazu äußern kann.
Die zweite Ebene sind die Gedanken, die sich Mia über all das macht, über die Beziehungen in ihrer Familie, über die Geschichte, die Herkunft ihrer Mutter aus Korea (wie die Autorin selbst ebenfalls), Erinnerungen an ihre Großmutter und vor allem die Dokumente des Vaters. Hieraus wird im Laufe des Romans sehr viel, oft seitenweise, zitiert. Dazu kommen zusätzlich zum eigentlichen Text weitere Ergänzungen Mias in Form von Fußnoten, was dem Roman fast den Anschein einer wissenschaftlichen Arbeit gibt.
Diese zweite Ebene ist zwar einerseits interessant, wenn man etwas über die Hintergründe und die Lebensumstände der Familie erfährt. Andererseits aber auch sehr oft langatmig, schleppend, wenig fesselnd und eher zäh. Hier habe ich, das muss ich gestehen, oft einiges überblättert, ohne dass dies dem Verständnis der Handlung geschadet hätte.
Insgesamt aber, von den eher mühsam zu lesenden Passagen abgesehen, ein wirklich gut konstruierter Roman, voller unvorhersehbarer Twists und mit gut ausgearbeiteten Figuren, vielleicht abgesehen von Mias Bruder John, der etwas blass bleibt.
Eine Straffung der Handlung, ein Kürzen des Romans um bis zu 200 Seiten hätte die Geschichte noch packender, noch thrillerartiger werden lassen. Dennoch ein empfehlenswerter Roman für alle, die verwickelte Familiendramen mögen.
Angie Kim - Happiness falls
aus dem Englischen von Wibke Kuhn
hanserblau, April 2025
Gebundene Ausgabe, 544 Seiten, 24,00 €