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mosaik
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Neumarkt am Wallersee, Salzburg
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meine Leidenschaft gehört der Geografie, meine "zweite Heimat" war über Jahrzehnte Italien und alles rund ums Kulinarische interessiert mich immer. So versuche ich eben auf das eine oder andere Buch aufmerksam zu machen und hoffen, mit meinem Rezensionen ein wenig weiter zu helfen

Bewertungen

Insgesamt 444 Bewertungen
Bewertung vom 09.01.2023
Paris - Stadtabenteuer Reiseführer Michael Müller Verlag
Holzer, Birgit

Paris - Stadtabenteuer Reiseführer Michael Müller Verlag


ausgezeichnet

Eine Frankreich-Korrespondentin schildert ihre Paris-Erlebnisse für „Wiederholungstäter“

Wie bei allen bisher von mir gelesenen „Stadtabenteuer“-Reiseführer müssen Sie keine Angst haben! Es warten keine Abenteuer auf Sie, aber interessante Erlebnisse. Alle sind entweder finden mit örtlichen Führern statt, können im Freien oder allgemein zugänglichen Bereichen erlebt werden.

Die Autorin arbeitet für mehrere Tageszeitungen als Frankreich-Korrespondentin und lebt seit 2008 in Paris, einer Zweimillionenstadt, mit allen Vororten aber über zwölf Millionen Einwohner hat. Da war es sicherlich nicht einfach, nur 33 Erlebnistipps herauszufiltern. Darunter sind sehr praktische Tipps wie eine Stadttour mit einer Metrolinie, oberirdisch verlaufenden Streckenabschnitte aufweist oder der Hinweis auf „Wirtshäuser auf Französisch“. Das sind günstige, aber gute Lokale, von denen ich in einem immer gerne auch selbst bei meinen Paris-Aufenthalten eingekehrt bin. Boot-Bus, eine Fahrt mit dem Kulturauto „Ente“ oder ein Spaziergang auf alten Eisenbahngeleisen – die Tipps sind vielfältig. Manchmal verpackt die Autorin auch einfach nur einen bekannten Besichtigungstipp in eine Essensgeschichte. Essen kommt sowieso mehrfach vor. Ganz banale Tipps wie Ausspannen in verschiedenen Parks oder auf Flohmärkten wühlen fehlen ebenso wenig wie Tanztipps an der Seine oder der Besuch der Großen Moschee von Paris.

Die Kapitel umfassen textmäßig meist zwei Seiten, die mit Zeichnungen, einem Bild sowie einem „Steckbrief“ in Telegrammstil und einem Info-Kasten „Wenn man schon mal hier ist“ ergänzt. Telegrammstil heißt tatsächlich in „Wortfetzen“, die in durchgehend in Großbuchstaben geschrieben und mit drei Pluszeichen (+) voneinander getrennt werden. Für mich schlecht lesbar ebenso wie die Texte in den Info-Kästen, da die Grundfarbe dieses Reiseführers die Farbe Orange ist und weißer Text mit orangem Hintergrund sehr schwer lesbar wird. Jedenfalls für einen +60-jährigen Brillenträger. Eine Nachfrage beim Verlag hat aber ergeben, dass bei der Neuauflage die Farbe verändert wurde und besser lesbar sein soll.

Die Autorin schreibt in angenehmen neutralen Stil. Manchmal kommt eine persönliche Meinung oder Empfindung vor, ansonsten wählt sie zwar den erzählenden, aber neutralen Schreibstil. So kann sich der Leser selbst seine Meinung bilden. Nicht jeder will vielleicht in einem Reisebus während einer Stadtrundfahrt im Bus Mittagessen oder in Katakomben hinabsteigen. Birgit Holzer hilft bei der Entscheidungsfindung, wie ein „Wiederholungstäter“ seinen xten Aufenthalt in Paris interessant gestalten könnte.

Bewertung vom 09.01.2023
Wien - Abenteuer Reiseführer Michael Müller Verlag
Weibrecht, Judith

Wien - Abenteuer Reiseführer Michael Müller Verlag


sehr gut

Inhaltlich in Ordnung, sprachlich manchmal etwas zu werbemäßig oder theatralisch

Wie in allen drei von mir bisher gelesenen Reiseführern aus der MM-Reihe „Stadtabenteuer“ konnte ich keine echten Abenteuer unter den 33 Vorschlägen Wien kennenzulernen finden. Aber jede Menge guter Tipps, was man erleben könnte.

Heute schreibt man ja nicht mehr primär, was man sich anschauen oder erleben kann, sondern schildert in Erzählungen, wie man etwas selbst erlebt hat. So sind die Kapitel textmäßig meist zwei Seiten umfassend, die mit Zeichnungen und einem Bild sowie einem „Steckbrief“ in Telegrammstil und einem Info-Kasten „Wenn man schon mal hier ist“ ergänzt werden. Telegrammstil heißt tatsächlich in „Wortfetzen“, die in durchgehend in Großbuchstaben geschrieben und mit drei Pluszeichen (+) voneinander getrennt werden. Für mich schlecht lesbar.

Die Autorin schildert entweder nach einzelnen Bezirken getrennt oder mehrere Bezirke zusammengefasst ihre Erlebnis- oder Besichtigungstipps. Am Ende dieser Bezirkstipps gibt es einige Restaurant-, Einkaufs- und Nächtigungstipps. Sie schildert ihre Eindrücke manchmal sehr persönlich („ich fühl mich sauwohl“, „die Musik ist hinreißend“ und nach einem Wiener-Walzer-Blitztanzkurs mit Diplom hüpft sie stolz die Stiege hinab). Bei manchen Passagen hatte ich beim Lesen das Gefühl, sie wäre vom Tourismusverband Wien bezahlt worden, so urlaubsmäßig schöngefärbt kommt manches rüber. Aus meiner Sicht wäre es in einem bezahlten Reiseführer besser, wenn nicht gar so viele persönliche „Höhenflüge“ einflössen.

Weibrecht beschreibt aber auch eine Reihe interessanter Erlebnisse wie beispielsweise „Schlafen bei den Sauriern“ – eine Kindernacht im Naturhistorischen Museum, eine Führung von einer Obdachlosen durch ihre Welt, wie das mit Mieträdern in Wien funktioniert oder das Auffinden von Gebäuden des Otto Wagners, einem der großen Wiener Stadtbaumeister. Sie erzählt ihre Erfahrungen an Wiener Würstelständen, im Wiener Prater oder auf dem Naschmarkt. Beim Zentralfriedhof erwähnt sie die Anzahl der Bäume und Länge der Hecken, Anzahl der Grabstätten und Ehrengräber. Aber bis auf die Erwähnung von Udo Jürgens und Kurt Johann Hauenstein und einer ganzen Seite über das Grab von Falco welche weiteren Persönlichkeiten dort begraben liegen und Friedhofsabschnitte sehenswert wären.

Nicht ganz einordnen kann ich den Ausflug in das „Bermudadreieck in Purbach“, das 40 Kilometer Luftlinie und fast 60 Autokilometer von Wien Zentrum entfernt ist. Dort schildert sie nämlich nur die Bedienung eines Automaten, der 64 Weine zum Verkosten anbietet. Purbach liegt bereits im Burgenland und der Titel ist etwas reißerisch, wie manche anderen Titel auch (Ein Ferrari auf vier Hufen, Apfelstrudel-Gipfel, der Wiental Highway oder „in die Wüste geschickt“).

Nicht ganz nett finde ich als Österreicher, dass sie den Ausdruck „Ösi-Hauptstadt“ verwendet, was ich persönlich als abwertend finde. Aber sehe ich einmal von den sprachlichen Eigenheiten der fränkischen, also bayrischen Autorin ab, die wahrscheinlich beim deutschen Publikum gut ankommen, finde ich den Führer was die Tipps an sich angeht durchaus gelungen und empfehlenswert.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.12.2022
Hilde und Tommy
Susanne, Schartel

Hilde und Tommy


ausgezeichnet

Spannend-unterhaltsame 700 Seiten einer Liebesgeschichte und einer motorsportlichen Karriere

Die NSU-Werke in Neckarsulm im deutschen Baden-Württemberg haben mit dem Engländer Walter Moore 1929 einen neuen Konstrukteur gefunden, der NSU im Motorradrennsport an die Spitze führen soll. Er empfiehlt, seinen 23jährigen englischen Landsmann Tom Bullus als Werksrennfahrer nach Neckarsulm zu holen. Dort lernt Tom die 18jährige bildhübsche Hildegard „Hilde“ Gehr kennen, die Tochter des Direktors der „NSU Vereinigten Fahrzeugwerke A.G.“ Fritz Gehr. Was dann sich in den nächsten paar Jahren ereignet, schildert der 700seitige biografische Roman „Hilde & Tommy“ von Susanne Schartel, deren Großmutter eine Schwester von Hilde war.

Ein erster Blick ins Buch zeigte mir, dass es sich beim Inhalt, grob gesagt, um die Jahre 1929 bis 1933 handelt, abgesehen von einigen Seiten, die die Jahre davor von NSU kurz schildern. Kann man da 700 Seiten über eine Liebesbeziehung und den Aufstieg eines der besten Motorrad-Rennfahrer dieser Jahre schreiben, ohne langweilig zu werden?

Ja, man kann. Denn die Autorin lässt nicht nur in Dialogen, basierend auf familiären Dokumenten und Erinnerungen von Zeitzeugen, die handelnden Personen zu Wort kommen, sondern schildert auch tatsächlich stattgefundene Ereignisse dieser Jahre, bietet historische Bilder, Briefe und anderes, seinerzeit gedrucktes Material von NSU, der Familie Gehr und deren vier Kinder, die in die Familien Banzhaf, Krauss und Bullus eingeheiratet hatten. Susanne Schartel beschreibt wirtschaftliche und politische Umstände dieser Zeit. Sie lässt den Leser teilhaben an Duellen und Problemen bei Motorradrennen, an Erfolgen von Tom Bullus, seinen Niederlagen und Stürzen. Ich habe mitgelitten und mich mitgefreut bei der Entwicklung der Liebesbeziehung der beiden, wenngleich wohl viele Dialoge der schriftstellerischen Freiheit der Autorin entstammen. Sehr geschickt verpackt in Dialoge informiert sie den Leser über historische Bauten und deren Geschichte, die in den Kapiteln erwähnt werden, sowie über technische Entwicklungen auf dem Gebiet der Fotografie im Unternehmen eines angeheirateten Familienmitglieds. So beschreibt sie beispielsweise die technische Einrichtung des Berliner Funkturms im Jahr 1931 oder erklärt bei einem Stadtbummel von Hilde mit Tom die Gebäude in Neckarsulm.

Schon nach wenigen Seiten kam ich zur Auffassung, dass die einzelnen Kapitel, die chronologisch gehalten sind, oft um ein dort zu sehendes Bild entstanden sein dürften. Die Kapitel beginnen fast immer mit einer Datumsangabe, beispielsweise „Neckarsulm – Samstag, 3. Juli 1931“ (Seite 484, im Übrigen ein sehr wichtiges Kapitel, das Sie nicht versäumen sollten). Abwechselnd schildert die Autorin den Verlauf eines Motorradrennens, ein Ereignis in der Familie Gehr wie die Hochzeiten der beiden Schwestern von Hilde, Firmenveranstaltungen, Gespräche mit den Konstrukteuren der Motorräder und anderem. Immer wieder sieht man Bilder von Hilde, ihren Schwestern und ihrem Bruder, ihren Eltern, von Tom, von Rennen, von Prospekten und Druckwerken, von Ansichtskarten, die sich die beiden Hauptpersonen schrieben und von ihren Ausflügen.
In gewisser Weise macht dieses Buch süchtig. Süchtig auf das nächste Kapitel. Denn aus der Titelseite und Klappentext geht ja schon hervor, dass Hilde und Tommy ein Paar werden. Aber was und wie wird sich alles ereignen? Die Autorin versteht es sehr gut, den Leser mitzunehmen in die Liebes- und Erfolgsgeschichte zweier junger Menschen, die Ereignisse sehr bildhaft zu schildern und trotzdem nicht langatmig oder kitschig zu werden.

Wie ein roter Faden zieht sich durch das Buch die herzliche Beziehung der Eltern zu ihren Kindern und deren Ehemännern respektive Ehefrau (es gab ja auch einen Sohn), zu der Haushälterin, zu den Mitarbeitern des NSU-Werks und anderen Personen im nahen Umfeld der Familie Gehr. Das Buch bietet Einblicke in eine erstaunlich aufgeschlossene Familie, was um 1930 sicherlich nicht alltäglich war. Diese Herzlichkeit endet auch nicht im Epilog, der über die weitere Geschichte der Familienmitglieder bis heute informiert. Und dass die Autorin, Susanne Schartel auch eine „Gehr“ in Bezug auf Herzlichkeit ist, spürt der Leser noch auf den allerletzten Seiten. Dort schreibt sie auf sechs Seiten Dankesworte an alle, die mitgeholfen hatten, dass dieses Buch so wurde wie es ist. Daraus liest man, wie viele noch lebende Familienmitglieder, aber auch Personen außerhalb der Familie, sie mit Informationen und Tipps versorgt hatten. Ein zehnseitiger Bildnachweis lässt auf mehr als 200 Bilder schließen. Auch dieser detaillierte Bildnachweis lässt den Leser die Richtigkeit des Gelesenen nachvollziehen und ist in dieser Art eher selten.

„Hilde & Tommy“ sind 700 Seiten unbeschwerter Jugendjahre einer Generation und die Beschreibung der erfolgreichsten Rennsportjahre eines begnadeten Motorradrennfahrers, eines genialen Motorenkonstrukteurs und NSU.

Bewertung vom 16.11.2022
GP Ice Race
Porsche, Ferdinand;Greger, Vinzenz

GP Ice Race


weniger gut

„Ein Bildband, modern gestaltet, jedoch ohne Bildtexte, sehr schade.“

Die Veranstaltung, keine Frage, eine Bereicherung für die Region. Das Buch, modern, von zwei jungen Menschen konzipiert für junge Menschen, die nur schauen wollen, aber nicht viel dazu wissen möchten. Dass es bereits eine zweite Auflage davon gibt spricht für das Buch und natürlich den Verlag, der es in Delius-Klasing-Qualität produziert hat. Aber was helfen ein dem Buch vorauseilende Mythos und ein ausgezeichneter Verlag, wenn das Buch in meinen Augen inhaltlich sehr oberflächlich gestaltet wurde.

270 Bilder - überwiegend sehr guter Qualität und mit interessanten Motiven - aber bei keinem einzigen erfährt der Leser, um welches seltene Automobil, um welchen Fahrer oder welchen besonderen Gast es sich handelt. Manchmal erahnt man im Zusammenhang mit dem vorangegangenen Textkapitel, was die Bilder zeigen. Aber ganz ehrlich: Kennt wirklich jeder Hans Stuck, Ferry Porsche, Pauli Schwarz, einen (vermutlichen) Auto Union Rennwagen, der von Ferdinand Porsche konstruiert wurde oder einen Porsche RS Spyder, ganz zu schweigen von jüngeren Sportfahrzeuge, die ich selbst auch nicht kenne? Auf der Doppelseite 130 und 131 sieht man einen zugefrorenen See, auf dem zwei Motorräder und ein Automobil aus den 1920er-Jahren am Start stehen, darüber fliegt sehr tief ein Doppeldecker. Die Wälder reichen untypisch für den Zeller See bis ganz ans Ufer, die Pinzgauer Grasberge erheben sich erst im Hintergrund, was auch nicht ganz den Gegebenheiten um den Zeller See entspricht. Ob es sich bei diesem Bild tatsächlich um einen Aufnahme des ersten Eisrennens 1937 auf dem See handelt, bezweifle ich. Denn bei diesem Eisrennen waren nur Motorräder am Start und es gab eine Segelflugvorführung. Aber mangels Bildbeschriftung ist es nicht zu klären.

Die beiden Organisatoren der Veranstaltung und Buchschreiber, erzählen, wie sie bei einem Bierchen die Idee der Veranstaltung aus der Taufe hoben, dass sie zwar die Zeit der Eisrennen auf dem Zeller See selbst nicht erlebt hatten, aber gerne den Mythos der damaligen Veranstaltung neu beleben möchten - modern gestaltet natürlich. Wer Ferdinand Porsche junior ist, erfährt man im Buch. Wer aber Vinzenz Greger ist, bleibt dem Leser verborgen. Es gab in den 1950er- bis 1970er-Jahren einen sehr erfolgreichen Privatrennfahrer auf Porsche, Joseph „Sepp“ Greger (* 1915; † 2010) aus Dachau bei München. Dieser hatte zwei motorsportlich interessierte Söhne. Vinzenz Greger könnte also ein Enkel sein. Aber man erfährt es nicht.

Zwei weitere Autoren informieren in mehreren Kapiteln über die Eisrennen der 1950er- und 1960er-Jahre in Zell am See, über einen damals sehr bekannten einarmigen Rennfahrer, Otto Mathé, und seinen Porsche-Eigenbau, genannt der „Fetzenflieger”. Wie oben erwähnt, bleiben aber die Bilder, die Fahrzeug und Fahrer zeigen, unbeschriftet. Was im Buch und Text völlig ausgeblendet wird, ist die Tatsache, dass bei den historischen Eisrennen in Zell am See es auch immer mehrere Motorrad-Klassen gegeben hatte. Die Rennen bestanden also mindestens je zur Hälfte aus Rennen auf zwei und auf vier Rädern.

Sehr schade eben in meinen Augen, dass die Bilder keine Texte haben. Auf Seite 167 sieht man vor dem Zelt der „Audi Tradition“ einen grauen Rennwagen. Man erfährt aber nicht, um welches Fahrzeug es sich handelt. Aber wirklich nicht unwidersprochen darf ein Absatz auf Seite 132 bleiben.

In diesem Absatz schreibt Thomas Ammann, dass Ferdinand Porsche im Juli 1945 auf dem Schüttgut in Zell am See von den amerikanischen Besatzern verhaftet wurden. Dieser Satz stimmt (Porsche und seine Sohn waren drei Monate in Haft, wurden dann aber wieder freigelassen). Und weiter schreibt Ammann, dass sich unter den Haftbedingungen [der Amerikaner!] der Gesundheitszustand von Ferdinand Porsche, der bereits 70 Jahre alt war, derart verschlechterte, dass sich Ferdinand Porsche davon nie wieder ganz erholte. Das ist aber falsch! Im Dezember 1945 wurde er zusammen mit Ferry Porsche, Anton Piëch und einigen seiner Mitarbeiter nach Baden-Baden in Deutschland mit einem in Aussicht gestellten Auftrag gelockt, dort aber in Haft genommen. Ferry Porsche wurde nach drei Monaten aus der Haft entlassen, Ferdinand Porsche und Anton Piëch verbrachten 22 Monate in französischen Gefängnissen. Sie wurden nach Zahlung einer hohen Kaution, die sein Sohn Ferry durch den Auftrag der Konstruktion für „Cisitilia“ in Italien verdienen konnte, im August 1947 entlassen. Während dieser französischen Haft wurde er zeitweise medizinisch nicht behandelt und unter unmenschlichen Bedingungen in Haft gehalten. Diese 22 Monaten brachten Ferdinand Porsche um seine Gesundheit, die letztlich zu seinem Tod 1951 führten. Nicht die Amerikaner in Salzburg!

Ja schade, fehlende Bildbeschreibungen, die Auslassung der Motorradrennen und der grobe Fehler im Text, lassen mir dieses Buch doch recht oberflächlich erscheinen, was bei einem Preis von € 49,90 im Vergleich zu anderen Büchern dieser Preisklasse nicht ganz passt.

Bewertung vom 16.11.2022
Kurt Ahrens
Schimpf, Eckhard

Kurt Ahrens


ausgezeichnet

„Ein spannendes Rennfahrerleben eines begabten und sehr erfolgreichen Privatfahrers der 1960er-Jahre“

Als ich vom Buch über Kurt Ahrens las, horchte ich auf. Der fuhr doch bei Gaisbergrennen, auf dem Salzburgring und um 1970 im Porsche 917, von dem zwei Stück für das „24 Stunden Rennen von Le Mans“ in der Motorsportabteilung der Porsche Alpenstraße in Salzburg vorbereitet wurden. Das Lesen des Buches brachte dann ein spannendes Leben eines Rennfahrers zu Tage, der in den 1960er-Jahre sehr erfolgreich in den verschiedensten Rennklassen unterwegs war: Rallye, Formel Junior, Formel 3, Formel 2, sogar ein Ausflug in die Welt der Formel 1 und die letzten beiden seiner 13jährigen Rennfahrerkarriere als Werksfahrer für Porsche AG und Porsche Salzburg. Dann sagte Kurt Ahrens: ich hör auf. Mit dieser Entscheidung blieb der heute über 80jährige wohl am Leben im Gegensatz zu vielen seiner Rennfahrerkollegen seiner Zeit. Ganz zu oberst sei hier Jim Clark zu nennen, mit dem Ahrens noch am Vorabend von Clarks Todessturz zu einer Fernsehsendung gefahren war, aber auch Jochen Rindt war ein guter Freund von ihm (dazu gibt es auch eine Küchentisch-Anekdote im Buch). Die beiden Genannten und viele andere verloren in diesen Jahren ihr Leben bei Rennen. Schimpf und Ahrens listen sie auf.

In acht Kapiteln schildert Eckhart Schimpf, ein Wegbegleiter von Ahrens über 60 Jahre, selbst Rennfahrer, aber eben auch Journalist dieser Zeit, das Leben von Kurt Ahrens in sieben Kapiteln, eines ist Vater Kurt Ahrens gewidmet: Der Amateur unter den Profis. Horror-Unfall: Mit nur einem Schuh aus dem Wrack. „Rückspiegel brauchen Sie nicht“, sagte Piëch. Die Nacht vor der Tragödie mit Jim Clark. Vater Ahrens Original und wilder Typ. Lebensmodell mit Kindern, Partnern, Enkeln, Urenkeln. Ergebnisse aller Rennen von Kurt Ahrens junior. Im 917: Wie das Wiedersehen mit einem alten Freund.

Sehr ausführlich werden Gespräche von Schimpf und Ahrens wiedergegeben, die viele Details aus dem damaligen Rennfahrerleben schildern. So erzählt Ahrens beispielsweise, wie einmal sein Vater nach England fuhr und einen Lotus für den Junior kaufen sollte. Zurück kam er mit einem Lola und fuhr postwendend wieder nach England um einen Lotus zu kaufen. Vater Ahrens war früher zunächst einmal Sandbahnfahrer, später fuhr er ebenso wie sein Sohn verschiedene Formel-Wagen. Nicht ganz so erfolgreich. Beruflich waren Vater und Sohn im eigenen Schrottverwertungsbetrieb tätig, der Vater Ahrens nach dem Krieg zum Millionär werden ließ. So wurden die jedes Jahr Top-Rennwagen und Rennwochenenden finanziert. Aber montags wurde wieder gearbeitet.

Es gäbe viele Details aus diesem Buch zu erzählen. Vielleicht abschließend noch zum Thema Porsche 917. Kurt Ahrens konnte 1969 zusammen mit Jo Siffert als erstes Rennfahrerduo das „Biest“, den „Porsche 917“, zähmen und zum ersten Sieg beim „Großen Preis von Österreich“ auf dem in jenem Jahr gerade eröffneten Österreichring fahren. Wenige Wochen später sah man Kurt Ahrens in einem Porsche 908 „Flunder“ am Eröffnungsrennwochenende auf dem Salzburgring, wo er seine Rennklasse gewann.

Beim Blättern durch das Buch stoße ich immer wieder auf historische Aufnahmen, die Rennfahrer, Rennstrecken und Rennwagen von damals zeigen. Sie lassen auch in mir eine längst vergangene Epoche des Motorrennsports wieder wach werden - ich war elf Jahre jung als der Salzburgring in Betrieb ging und oft bei Rennen als Zuschauer dabei.

Die interessanten Geschichten, Gespräche und Bilder machen dieses Buch zu einem interessanten Zeitdokument, das ich gerne in meiner Bibliothek aufbewahren und immer wieder darin blättern werde.

Bewertung vom 15.09.2022
Unsere Vogelwelt
Khil, Leander

Unsere Vogelwelt


ausgezeichnet

Das Buch bietet einen fundierten Einstieg in die Thematik Vogelwelt mit sehr guten Bildern

Warum kann man vom Frühling bis zum Herbst männliche und weibliche Enten nicht unterscheiden? Warum haben schlammbewohnende Vögel eine extrem sensible und biegsame Schnabelspitze? Welche nur 100 Gramm leichte Vogelart legt jährliche Flugstrecken von über 40000 (vierzigtausend!) Kilometern zurück? Das sind nur drei Beispiele der vielen interessanten Themen, über die der Autor in seinem sehr gelungenen Buch über die Vogelwelt schreibt.

Es ist ein gut lesbares und verständlich geschriebenes Buch. Nach einleitenden und sehr informativen Kapiteln zu den Themen Vögel beobachten und bestimmen (rund 16 Seiten), Wald, Park und Garten (rund 30 Seiten) nimmt der Autor die Vogelwelt in folgenden Themen genauer unter die Lupe: Vögel in den Alpen (rund 24 Seiten), Vielfalt am Wasser (rund 70 Seiten), Kulturfolgen (Felder statt Wald, Lebensraum Stadt oder vom Menschen eingeführt u. a., rund 40 Seiten) und „im Konflikt mit dem Menschen“ (gute und böse Vögel, Rabenschwarz, das Comeback der Greifvögel, rund 30 Seiten).

Die Kapitel beginnen meist mit ein bis zwei Seiten Text, der einen Überblick zum Thema gibt und über Besonderheiten informiert. Es gibt immer wieder Übersichten, z. B. auf vier Seiten Erklärungen zu Fachbegriffen oder „Virtuosen im Wald“, die Bilder dieser Vögel zeigen, Beobachtungstipps (z. B. Frühmorgens im Schilf). Aber wirklich interessant und hilfreich machen die zahlreichen Bilder dieses Buch! Ein Wiedehopf mit geöffnetem Schnabel, in den er eine gerade aufgepickte Larve fliegen lässt, eine Nebelkrähe, die einen großen Fisch verschlingt, ein weiblicher Stelzenläufer vertreibt im Flug einen Säbelschnäbler, junge Mehlschwalben im Zwist und natürlich „Portraitaufnahmen“ von vielen Vögeln. Zusammengefasst sind die Bilder sehr informativ, überwiegend von hoher Qualität und abwechslungsreich. Mit Ausnahme von etwa 20 Aufnahmen stammen sie vom Autor selbst.

Wer also Interesse hat, Fliegendes und Zwitscherndes (z. B. im Schilfgürtel) leichter identifizieren zu können und sich mit Gewohnheiten heimischer Vögel auseinander zu setzen, bietet dieses hervorragend gemachte Buch im Harteinband einen fundierten Einstieg in die Thematik.

Bewertung vom 13.07.2022
Armenien. Kultur Natur Menschen

Armenien. Kultur Natur Menschen


ausgezeichnet

Armenien. Kultur Natur Menschen

Das Buch ist ein 452 Seiten umfassendes Nachschlagewerk über eines der ältesten Kulturländer der Welt. Das Buch, 2022 erschienen im Mitteldeutschen Verlag, berichtet umfangreich über dieses faszinierende Land in Vorderasien.

„Armenien ist auch das Land der Steine, der schroffen Gebirge und atemberaubender Naturlandschaften, obwohl es nur im Kleinen Kaukasus liegt. Spektakuläre Vulkanlandschaften, geografisch und klimatisch vielfältige Lebensräume, die berühmte Gastfreundschaft, eine erlesene Küche und die ältesten Weinkeller sind eine Reise wert.“ So schreibt der Verlag über das Buch, das der Herausgeber Siegfried Siegesmund zusammen mit 17 Experten von Universitäten, Instituten und Fachrichtungen 452 Seiten umfasst. Diese Zeilen des Verlags treffen den Inhalt des Buches sehr gut.

Es ist kein Reisehandbuch, aber durchaus ein Reisebildband, wie auf der Homepage des Verlags zu lesen ist. Das Buch ist ein umfangreicher Führer durch die Geschichte, über die Geografie des Landes, vor allem über die Geologie und gibt interessante Einblicke in Küche, Keller und das Leben der Menschen. Die Kapitel sind zweisprachig, deutsch und englisch, wobei sich die sprachliche Reihenfolge je Kapitel abwechselt. Jener Teil der beginnenden Sprache scheint mir textlich immer etwas ausführlicher. Von neun Kapiteln beginnen fünf in englischer Sprache. Diese sind also meinem Gefühl nach ausführlicher als deutsche Übersetzungen. Aber sie sind jedenfalls ausreichend informativ.

Das Bildmaterial reicht von historischen Aufnahmen über Karten und Zeichnungen bis zu aktuellen Aufnahmen. Es werden sowohl großformatige, seitenfüllende Bilder gezeigt wie auch viele kleine und kleinere Abbildungen, die das Geschriebene im Detail dokumentieren. Viele Bilder dürften vom Herausgeber stammen, der in seinem Vorwort über seine Exkursionen in dieses Land bereits als Student berichtet. Alle Bilder sind ebenfalls zweisprachig beschriftet.

Manche Kapitel habe ich genauer gelesen, andere wieder, weil sie sehr wissenschaftlich gehalten sind, nur überflogen. Kultur- oder Baugeschichte, Vulkanismus oder frühchristliche Kirchen in oder an Felsen gebaut, Küche, Keller, Gesellschaft, Vegetation - ich denke, jeder an diesem Land Interessierte wird sich seine Kapitel darin finden.

„Armenien – das Land, welches sogar den Marillen Melodien entlockt“ behandelt die Themen Essen, Tanzen, Trinken und Musizieren. Das Kapitel „vom Ursprung des Weines“ berichtet unter anderem über die bis heute ältesten bekannten Weinkellereien der Welt. „Die Geologie Armeniens“ beleuchtet driftende Kontinente, Erdbeben, Vulkanismus, Landschaftsformen und Bodenschätze. Dem Kapitel „Vorgeschichte und Frühgeschichte“ folgen Beiträge über „eine gefährdete Kultur zwischen Mächten und Religionen“ (Kulturgeschichte) und „Architektur in Armenien von der frühen Menschheitsgeschichte bis zur Gegenwart“. Interessant sind die Baustoffe des Landes wie Basalt und Tuffgesteine, die im Kapitel „Tuff-Werksteine in der historischen Architektur Armeniens“ behandelt werden und darauffolgend geht es um „die Restauration der historischen Baudenkmäler“. „Flora und Vegetation“ bietet einen Einblick in beide Themen in diesem hochgelegenen Land.

Am Ende des Buches werden alle Autoren und Autorinnen kurz beschrieben und es findet sich ein ganzseitiger Hinweis auf das Buch „Armenien. Land am Ararat. Kulturelle Reisebegleitung.“, das ebenfalls im Mitteldeutschen Verlag als dritte aktualisierte Auflage erschienen ist.

Bewertung vom 13.05.2022
Berghütten
Simon, Daniel;Herb, Armin

Berghütten


sehr gut

20 unterschiedliche Touren, weit verstreut in den Ostalpen

20 Touren in der Ostschweiz (3), Vorarlberg (1), Nordtirol (4), Osttirol (1), Salzburg (3) , Bayern (3), Südtirol (3) und im Trentino (2) haben die beiden Autoren in Beschreibungen und Bildern in diesem Buch dokumentiert.

In der Einleitung fehlt zwar in der Aufzählung der beschriebenen Touren das Salzburger Land, aber sie macht Lust auf genussvolle Touren und kulinarische Hüttenerlebnisse, auf prachtvolle Bergblicke und „glückliche Kühe“ (Zitat). Die Packliste für Tagestouren ist für noch nicht so erfahrene Mountainbiker sicherlich sehr hilfreich. Wenngleich sich aus eigener Erfahrung nicht alle an die von den beiden Autoren empfohlenen Verhaltenstipps für Mountainbiker im Gebirge halten, finde ich diese in einem Kasten hervorgehobenen Hinweise sehr gut.

Die Beschreibungen der einzelnen Touren sind so ausreichend, dass sich jeder Interessierte ein gutes Bild davon machen kann. Die Autoren verschweigen nicht, wenn es wo steil wird, zum Tragen des Rades kommt oder nur auf Schotter dahingeht. Dazu gibt es Höhenmeterprofile mit Angaben über Streckenlänge, Höhendifferenz, Schwierigkeitsgrad, Fahrzeiten mit MTB und mit E-MTB sowie detaillierte Angaben der Asphalt-, Radweg-, Schotter-, Waldweg- und Trail-Längen innerhalb einer Tour. Eine Orientierungskarte (Ausschnitte aus Karten) geben einen Überblick. Abgerundet werden diese Angaben durch einen ganzseitigen Infoblock mit den beschriebenen Hütten, über die „Bike-Region“, den Tour Charakter, Tourstartpunkt, Varianten, weitere Einkehrtipps, Bike-Verleihmöglichkeiten, geführte Touren, Bike-Hotels, empfohlene Landkarten und Touristeninformations-Adresse.

Die Bilder ergänzen recht anschaulich das Geschriebene, zeigen Ausblicke, Wegbeschaffenheit, Hütten und Landschaft. Die Bilder sind durchwegs von guter bis sehr guter Qualität. Am Ende des Buches findet sich ein Hinweis, wo man die GPS-Daten für die Touren herunterladen kann.

Manchmal äußern die Autoren leise Kritik an Mountainbike-Fahrverboten oder über zu wenige Strecken, wie beispielsweise bei der Tour am Rande des Berchtesgadener Nationalparks. Das ist eben ihre Sichtweise, Wanderer, Grundbesitzer und Naturschützer werden es wohl anders sehen. Aber ansonsten sind die Texte sehr neutral und nicht fanatisch gehalten. Mir persönlich gefällt es nicht so, wenn ich sehe, wie da über Wurzelstock-Waldböden geradelt wird oder auf schmalen Wanderwegen um Felsblöcke herum mit dem unvermuteten Auftauchen eines Radfahrers zu rechnen ist. Bei einem Bild bei der Singletrailtour Stafelalp in Davos musste ich schmunzeln: Es zeigt einen steil ansteigenden, unterhalb eines Grads entlang verlaufenden schmalen Wanderweg, an dem sich die Biker „oben“ anstellen und warten müssen, bis „unten“ quasi der „Auslauf“ frei wird. Wanderer kämen ohne Probleme aneinander vorbei. Das sind dann die „Trails“, von denen die beiden Autoren im Buch schwärmen.

Bewertung vom 08.05.2022
Der Perchtweg
Limpöck, Rainer

Der Perchtweg


sehr gut

Eine Wanderwegbeschreibung aus der Sicht eines Schamanen mit Besichtigungsvorschlägen

Das 10,5 × 14,8 × 4 cm Format mit 88 Seiten passt sicherlich in jede Tasche und bietet eine Orientierung bei einer rund 59 Kilometer langen Wanderung rund um den Untersbergstock, einen Gebirgsstock, der sich zu einem Teil im deutschen Berchtesgadner Land und zum anderen Teil im österreichischen Salzburger Land erhebt.

Der Autor, der sich seit Jahrzehnten als Alpenschamane mit dem Untersberg und seinen Phänomen beschäftigt, bietet eine Wanderung in drei Etappen an, die man in drei bis sieben Tagen unternehmen kann. Sie führt am Fuß des Berges entlang zu Kult- und Kraftplätzen, Quellen und Kirchen. Limpöck zitiert Konfuzius mit dem Satz „Der Weg ist das Ziel“ und so liest sich auch das Buch. Limpöck weist immer wieder an Orten darauf hin, dass der Wanderer – Limpöck nennt ihn Pilger - sich zum Verweilen Zeit nehmen soll. Er gibt in einem einleitenden Kapitel Hinweise, was man beim Verweilen tun könnte: Steinwesen kontaktieren, Steinmandln setzen, Steinkreise besuchen, durch Spaltfelsen schlupfen, den Quellen und Bächen zuhören, Bäume umarmen und Höhlengeister kontaktieren.

Die einzelnen Wegabschnitte sind übersichtlich und ausreichend beschrieben, eine gute Wanderkarte sollte dennoch mitgeführt werden. Eingangs der Kapitel werden Varianten, ungefähre Gehzeit, Länge der Etappe, Höhenmeter und Stationen, die man besuchen sollte, aufgezählt. Es gibt jeweils eine grobe Übersichtskarte und am Kapitelende Einkehr- und Übernachtungshinweise. Limpöck spart nicht mit Hinweisen, wo man vorsichtig sein sollte oder besser nicht geht, wo man vor Betreten eines Grundstücks den Besitzer fragen sollte, wo man ein besonderes Naturerlebnis genießen kann, was man besichtigen kann und beschreibt die Wegbeschaffenheit.

Es sind aufgrund der Kleinheit des Büchleins nicht umfangreiche Informationen, doch ausreichend und Limpöck verweist auf seine Bücher, wo man nachlesen kann.

Bewertung vom 07.09.2021
Die Villen vom Ausseerland
Arnbom, Marie-Theres

Die Villen vom Ausseerland


ausgezeichnet

Interessante jüdische Familiengeschichten im Zusammenhang mit Hausgeschichten

Viel treffender als Titel für dieses Buch wäre sein Untertitel – wenn Häuser Geschichten erzählen. Wobei nicht die Geschichten der Häuser das Buch so spannend machen, sondern die Geschichten ihrer Bewohner. Die Autorin schreibt dazu in ihrem Vorwort „Das Ausseerland ist geprägt von starken Frauen: frühe Frauenrechtlerinnen und Schriftstellerinnen, Studentinnen und Schauspielerinnen, Salondamen und Reformpädagoginnen. Sie alle zeigen eines: Sommerfrische ist weiblich“.

Es sind also Lebensgeschichten von überwiegend Frauen, die entweder ihre Sommerfrische im Ausseerland verbracht hatten oder dort wohnten. Arnbom belebt diese Erzählungen mit zeitgenössischen Zeitungszitaten und mit vielen wirklich interessanten historischen Bildern, die ihr aus privaten Archiven zur Verfügung gestellt wurden.
Manche Frauennamen ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch. Eine dieser Personen ist Eugenie Schwarzwald, eine große Pädagogin, die dem autoritären Schulsystem um 1900 eine völlig neue Schul-„Erziehung zum Glück“ gegenüberstellt. In den Sommern bot sie mit ihrem „Erholungsheim Seeblick“ am Grundlsee die Möglichkeit der Sommerfrische für „schaffende, strebende und strebernde Kapazitäten“ – ein intellektueller Treffpunkt im Ausseerland. Geführt wurde der Seeblick von Marie Stiasny, die eine unersetzbare Seele und ein guter Geist des Hauses war. Beide Biografien, jene von Eugenie Schwarzwald und Marie Stiasny stellen zwei faszinierende Beiträge von modern denkenden Frauen zwischen 1900 und 1938 dar. Sie geben, wie viele andere Beiträge in diesem Buch, einen Einblick in die friedliche Gesellschaft und glückliche Zeit der Sommerfrische im Ausseerland vor dem grausamen und alles zerstörenden Hitler-Regimes.

Die Geschichten dieser Personen und ihrer Familien fließen in die Geschichten ihrer Häuser ein. Ein Beispiel wäre der Kais. Rat Dr. Josef Schreiber (* 1835; † 1908 in Bad Aussee), Obmann der Kurärztevereinigung und Ehrenbürger von Bad Aussee. Zunächst errichtete er eine Villa in Aussee, wo er wenige Meter von seiner Villa entfernt ein Sanatorium bauen ließ und neben seiner Villa später auch noch die „Cur- und Wasserheilanstalt Alpenheim“. Seine Frau Clara war eine frühe Frauenrechtlerin, seine Töchter Adele Schriftstellerin, Ida betrieb in Wien ein Sanatorium und Lilli, verh. Baitz, war eine gefeierte Schaufenster-Designerin, die vor allem mit Motiven aus ihren Kindheitserinnerungen im Ausseerland und aus Märchen bis nach Amerika bekannt wurde.

Viele der Häuser und Villen, über die Arnbom in ihrem Buch schreibt, existieren heute nicht mehr, manche bestehen noch fast im Original, andere wurden umgebaut oder es stehen noch Teile von ihnen. Das Buch ist eine geschichtliche Fundgrube und Spurensuche in einer Ecke Österreichs, die auch als der geistige Geburtsort der Salzburger Festspiele gilt. Marie-Theres Arnbom schildert in angenehm politisch-geschichtlich neutral gehaltenen Beschreibungen Haus- und überwiegend jüdische Familiengeschichten. Ein empfehlenswertes Buch.