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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 852 Bewertungen
Bewertung vom 29.08.2024
Eine Corsa in Triest
Klinger, Christian

Eine Corsa in Triest


ausgezeichnet

Als Gaetano Lamprecht 1919 in seine Heimatstadt Triest zurückkehrt, ist nichts mehr wie es war. Triest gehört nun zu Italien und alle altösterreichischen Familien werden schikaniert. Sie werden entlassen und sollen aus Triest verschwinden, wie auch die slowenische Bevölkerung. Faschisten und Nationalisten bekämpfen sich gegenseitig, um das Machvakuum zu füllen.

Auch Gaetano darf erst dann wieder als Polizist arbeiten, wenn er Italiener geworden ist. Das führt zu Konflikten mit seiner Familie. Kaum wieder als Polizist im niedrigsten aller Ränge tätig, wird er suspendiert, da man ihn des Mordes bezichtigt.

Wie es zu dem interessanten Titel kommt und welche Rolle ein Elektroauto spielt, müsst ihr selbst lesen.

Bewertung vom 28.08.2024
Schwestern im Geiste / Das Pensionat an der Mosel Bd.2
Pierre, Marie

Schwestern im Geiste / Das Pensionat an der Mosel Bd.2


ausgezeichnet

Mit dieser historischen Roman tauchen wir abermals in das Reichsland Elsass - Lothringen, genauer in das Städtchen Thionville oder, wie es jetzt auf Deutsch heißt: Diedenhofen ein.

Die eine oder andere Schülerin hat hat das Pensionat an der Mosel verlassen und doch hat Schulleiterin Pauline Martin mit den elf verbliebenen Mädchen jede Menge zu tun. Manchmal ist sie überzeugt,

„dass es wesentlich einfacher sein musste, einen ganz Sack Flöhe zu hüten, als ein knappes Dutzend halbwüchsiger Backfische. Besonders, wenn gerade der Frühling vor der Tür stand...“

Auch bei den Lehrkräften bahnt sich ein Wechsel an, so dass die augenblickliche Aufregung durchaus legitim ist: Rhona O’Meally kommt als neue Lehrerin für Englisch und Musik ins Institut. Mit ihr zieht nicht nur frischer Wind in Sachen englischer Literatur durch die Schule, sondern auch etwas Geheimnisvolles. Zunächst zeigt sie bei der Vorstellungsrunde, dass auch ungehörigen Bemerkungen, wie jenen von Charlotte, geschickt zu parieren weiß:

„...Wir Iren sind aus hartem Holz geschnitzt. Da bedarf es weitaus mehr als der ungezogenen Bemerkung eines unreifen Görs, um mich zu treffen...“

Und Charlotte wird diejenige sein, die für Unruhen im Pensionat sorgt. So spielt plötzlich die jüdische Herkunft von Esther ebenso eine Rolle wie die Tatsache, dass Louises Vater ein Sozialist ist.

Als dann noch antipreußische Parolen unter anderem auf den Flohturm geschmiert werden und Charlottes Kette sowie Geld verschwindet, sieht sich der unsympathische Polizist Wachtmeister Schrotherr bemüßigt, in der Schule zu ermitteln und Pauline mit der Schließung der Schule zu drohen. Allerdings gelingt es Hauptmann Erich von Pliesnitz, der im ersten Teil noch als „Häuptling Gnadenlos“ verschrien war, gemeinsam mit dem Gärtner Vincent Lehmann, den er eigentlich als Konkurrenten um Pauline sieht, das Schlimmste abwenden. Das geht sogar soweit, dass er seinen Burschen Franzl dazu abstellt, die Schule zu beobachten.

Meine Meinung:

Die Autorin hat hier eine großartige Fortsetzung geschrieben, die mehr als ein Geheimnis enthält, die letztlich enthüllt werden. Doch bis dahin müssen wir mit den Protagonisten bangen, ob sich alles zum Guten wendet. Marie Pierre hat, wie sie im Nachwort schreibt, sehr viel Recherche betrieben, um ihren Roman in ein historisch korrektes Umfeld einzubetten. So mag ich das! Nichts finde ich peinlicher als Recherchefehler und sprachliche Ausrutscher in eine moderne Ausdrucksweise.

Der Schreibstil ist ausgefeilt und ich durfte so herrlich altmodische Wörter wie kujonieren wieder lesen. Die in französisch und Thionviller Platt eingestreuten Redewendungen machen das Buch authentisch. Keine Angst! In einem ausführlichen Glossar werden diese Ausdrücke übersetzt. Die meisten lassen sich aus dem Zusammenhang allerdings gut nachvollziehen.

Einer meiner Lieblingssätze ist folgender:

„..Jemanden wie Charlotte traue ich nur so weit, wie man ein Klavier werfen kann, und das ist nicht besonders weit...“

Sehr gut gefällt mir, weil vortrefflich gelungen, wie sich das „Stammpersonal“, also jene Figuren wie Pauline, Esther, Louise, Charlotte und Lisbeth sowie die Erich von Pliesnitz, Vincent oder auch Thomas entwickeln. Nicht immer zu ihrem Vorteil, aber das braucht eine abwechslungsreiche Geschichte, um ihre Leserinnen zu fesseln. Mit Rhona O’Meally hat die Autorin eine interessante neue Figur eingeführt, die einiges mit Pauline gemeinsam hat, sich aber dennoch deutlich von ihr unterscheidet. Schade, dass ihr Auftritt nur auf diesen zweiten Band beschränkt ist. Er wird nicht mehr lange dauern, dass sich ihr prophetischer Satz bewahrheitet.

"...Irgendwann wird ein großer Krieg wie ein Brand durch die Welt laufen und die alte Ordnung zerstören..."

Erich von Pliesnitz macht die größte Entwicklung durch, auch wenn er manchmal nach wie vor der Meinung ist, dass Weibsbilder immer für Unruhe sorgen. Aber, man weiß ja, dass die Preußen nicht so schnell schießen. Lassen wir Hauptmann von Pliesnitz jene Zeit, um sich zu verändern. Da er den Karneval und das Gedöns, das darum gemacht, wird nicht leiden kann, hat er meine volle Sympathie.

Im Nachwort geht die Autorin nochmals ausführlich auf die Themen Freiheitskampf in Irland, Antisemitismus und die Präsenz des Deutschen Militärs im Reichsland Elsass – Lothringen ein.

Ein Personenverzeichnis gleich zu Beginn, historische Fotos auf der inneren vorderer Umschlagseite, das bereits erwähnte Glossar sowie eine Karte von Diedenhofen im Anhang des Buches ergänzen den zweiten Teil der Trilogie. Ich freue mich schon auf den dritten Teil, der im Februar 2025 erscheinen wird.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem penibel recherchierten und opulent erzählten historischen Roman 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 28.08.2024
Ein paar Leben später
Palfrader, Robert

Ein paar Leben später


ausgezeichnet

Robert Palfrader, den meisten Menschen als Kaiser Robert Heinrich I. aus dem österreichischen Fernsehen bekannt, hat seinen ersten Roman veröffentlicht.

»Sie machen sich keine Vorstellung davon, wie oft ich die Unwahrheit erzählen werde müssen, um die Geschichte der Familie meines Vaters glaubhaft erscheinen lassen zu können. Denn die ganze Wahrheit kann ich niemandem zumuten, dafür ist sie zu absurd.«

In seinem Debüt erzählt in einer Romanbiografie die Geschichte seiner Vorfahren, einer Familie im ladinischen Teil Südtirols. Die Ladiner sind eine Minderheit in Südtirol, genauer gesagt in den Dolomiten. Sie haben sich ihre sprachliche und sonstige Eigenheiten über Jahrhunderte, auch wenn sie zahlreichen staatlichen Unterdrückungen ausgesetzt waren, bis heute bewahrt. Eine kleine unbeugsame Volksgruppe von rund 35.000 Personen. Menschen, die sich ihrer rauen unwirtlichen Umgebung in den Bergen der Dolomiten angepasst haben.

Unter diesen ohnehin schon wortkargen Menschen stechen die Craffonaras und die Palfraders besonders heraus. So ist die eine Urgroßmutter überdurchschnittlich fromm und nimmt ihr Schicksal gottergeben ohne zu klagen an. Die andere Urgroßmutter hingegen liest alles, was sie zwischen die Finger bekommt und wird eine erfolgreiche HUndezüchterin, die sie auch ins benachbarte Ausland führt. Auch die Urgroßväter polarisieren. Aufbrausend der eine, geschäftstüchtig der andere. Die nächste Generation sucht außerhalb des engen Tals bis hin in Argentinien ihr Glück und kehrt enttäuscht zurück.

Franz und Maria Palfrader schaffen sich mit ihrem kleinen Hotel so etwas wie Wohlstand. Doch der Faschismus auf beiden Seiten der Alpen macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Dableiben oder Fortgehen? Der Partei beitreten, ausschließlich italienisch sprechen und die Namen ändern? Wer die sturen Mitglieder der Familien nun kennengelernt hat, wir ahnen, wie sie sich entscheiden. Franz und Maria verlassen 1941 St. Vigil und fangen in der Nähe von Krems in Niederösterreich (damals Gau Niederdonau in der Ostmark) neu an.

„Dein Großvater hat nur zwei Fehler in seinem Leben gemacht.“ sagt die jüngste Schwester vom Franz ein paar Leben später einem seiner Enkel. „Der erste Fehler war: Er ist aus St. Vigil weggegangen. Und der zweite: Er ist nicht zurückgekommen.“
„Ja“ dachte der Enkel „aber wär er zurückgegangen, gäb‘s mich halt nicht. Ich bin also das Ergebnis einer Fehlentscheidung. Auch nicht angenehm, das zu wissen.“ Gesagt hat er das aber nichts.

Meine Meinung:

Geschickt verknüpft Robert Palfrader in der Geschichte seiner Vorfahren Fakten mit Fiktion. Auf 160 Seiten erzählt er atmosphärisch dicht, oft in kargen Worten das Leben in der rauen Umgebung.

Wenn man den Autor ausschließlich als Kunstfigur Kaiser Robert Heinrich I. sowie als Schauspieler und Kabarettisten kennt, traut man ihm diese tiefgründige Familienbiografie so gar nicht zu. 5 Sterne.

Bewertung vom 26.08.2024
Die wilden Robbins Bd.1
Weger, Nina Rosa

Die wilden Robbins Bd.1


ausgezeichnet

Dieses Buch ist der erste Teil einer Kinderbuch-Serie von Nina Weger ab dem Lesealter von ca. 8 Jahren.

Worum geht’s?

Sommerrode ist ein typischer Reißbrett-Stadtteil: Breite Radwege, bepflanzte Vorgärten, getrimmte Rasen und eine nach ökologischen Gesichtspunkten angelegte Insektenwiese. Alles muss seine Ordnung haben. Der Müll muss getrennt werden und die Hinterlassenschaft von Murkel, Riekes und Minnas Hund, muss, stets beäugt von Fr. Krone-Essing, in den dafür vorgesehen Behälter entsorgt werden.

Um das letzte Fleckchen Wildnis in dem idyllischen Sommerrode ein Kampf ausgebrochen. Zwei Kinderbanden, die Dirt Bike Ritter und die Robins, wollen die „G’stetten“, wie man in Wien sagt, jeweils für sich allein als Abenteuerspielplatz. Die Robins, zu denen Rieke, ihre kleine Schwester Minna, Liesel und Bretti gehören, sind dabei ihr ‚Sommerwood Forest‘ zu errichten: Ein Baumhaus und eine Hängebrücke sind in Arbeit, eine Wasserleitung ist geplant.

Die Dirt Bike Ritter hingegen wollen die Wildnis für sich, um Erdhügel als Fahrradrampen zu benützen und als wilde Ritter auf Rädern, ihre Geschicklichkeit zu demonstrieren.

Die beiden Gruppen, man könnte es auch als Geschlechterkampf sehen, bekämpfen sich ideereich und übersehen beinahe, dass die Gefahr für ihre Wildnis von einem mächtigeren Gegner ausgeht. Denn der Bürgermeister will einen, nach allen Regeln der Sicherheit und Pädagogik sterilen Spielplatz anlegen lassen. Ein Spielplatz, der vor allem für Eltern gedacht ist, die ihre Sprösslinge beim kalkulierten Toben, beobachten wollen.

Für die fantasiebegabten Kinder beider Gruppen ein absoluter Albtraum!

Die beiden verbünden sich und sieben kleine Revoluzzer trotzen Bürgermeister und Eltern.

Meine Meinung:

Dieses Kinderbuch hat mir sehr gut gefallen! Es zeigt deutlich, dass das was sich Stadtplaner und Eltern unter Spielplatz vorstellen, wenig mit dem zu tun hat, was Kinder in ihrer Entwicklung fordert und fördert. Ein Stück Wildnis bedeutet Entdecken mit allen Sinnen, regt die Fantasie an während die Spielplätze aus dem Katalog nach wenigen Stunden und Tagen enttäuscht verlassen werden.

Gut gelungen ist auch die Zusammensetzung und Beschreibung der Kinderbanden. So dürfen Mädchen wie Rieke energisch und der Bretti, ein wenig ängstlich sein. An Ideen, wie sie den Bürgermeister und die Eltern austricksen, um ihren Abenteuerspielplatz als Wildnis überlassen zu bekommen, mangelt es nicht.

Die Geschichte ist schwungvoll erzählt und durch die liebevollen Illustrationen Iris Hardt lebendig gestaltet. Zu Beginn sieht man den Plan der Reißbrettsiedlung.

Fazit:

Diesem gelungenen Reihen-Auftakt voller Humor und Action, der weder ins Alberne, Absurde oder Zerstörerische abdriftet, gebe ich gerne 5 Sterne.

Bewertung vom 21.08.2024
Freunderlwirtschaft (eBook, ePUB)
Hartlieb, Petra

Freunderlwirtschaft (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dass Alma Oberkofler in ihrem ersten Fall als leitende Ermittlerin der Abteilung Leib und Leben in Wien ausgerechnet den Tod des Landwirtschaftsministers untersuchen muss, hatte sie sich nicht gedacht. Ein einfacher Eifersuchtsmord oder einer im Rauschgiftmilieu hätten es als Einstand in der neuen Dienststelle wohl auch getan.

Nun stellt sich die Frage: Mord oder Unfall? Und wo ist die Lebensgefährtin des Ministers? Schon auffällig, dass die ausgerechnet jetzt verschwunden ist. Während Almas Team auf die Suche nach der jungen Frau geht, beschäftigt sich Alma mit der beruflichen Seite des Toten, denn als Politiker hat man neben Parteifreunden auch einige Feinde.

Und immer, wenn es um einen toten Politiker geht, gibt es Einflussnahmen von allen Seiten. Alma Oberkofler, die schon als Kind Polizistin werden wollte, bekommt selbstredend einen Mitarbeiter des Staatschutzes an die Seite gestellt. Doch davon lässt sie sich nicht irritieren und deckt einige Geheimnisse auf, die einige aus dem Dunstkreis des Toten lieber unentdeckt gesehen hätten....

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist der erste aus Petra Hartliebs Feder. Die Autorin ist durch ihre Bücher wie „Frühlinge in Wien“ oder „Meine wundervolle Buchhandlung“ bekannt. Der vorliegende Krimi „Freunderlwirtschaft“ ist nicht nur eine Hommage an Wien, sondern eine ironische Betrachtung der österreichischen Innenpolitik in der smarte Slim-Fit Politiker hinter den Kulissen so manche Freunderlwirtschaft innerhalb ihrer Buberlpartie pflegen. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind natürlich nicht beabsichtigt und daher gänzlich ausgeschlossen. Eon Schelm, der da denkt, die Autorin hätte ihr Anleihen an der aktuellen oder den vergangenen Bundesregierungen genommen. Herzlich lachen musste ich über die fiktive Wirtschaftsministerin mit den Initialen MS, denn reale war von 2017-2022 „meine“ Ministerin.

Geschickt sind politische Intrigen, alte Freundschaften und neue Allianzen in die Ermittlungen verwoben. Die Autorin versteht es meisterhaft, die Spannung bis zum Ende aufrechtzuerhalten. Hervorheben möchte ich, dass dieser Krimi ohne unnötige Gewalt oder übertriebene Dramatik auskommt. Daher werden Liebhaber von Action-Thrillern hier nicht auf ihre Rechnung kommen. „Freunderlwirtschaft“ lebt der Roman von seiner atmosphärischen Dichte und dem subtilen Witz.

In einem Zeitalter, in dem sich die aktuellen Politiker täglich selbst karikieren, ist es nicht einfach, einen humorvollen Krimi zu verfassen. Petra Hartlieb ist es hier gelungen.

Die Charaktere sind liebevoll gestaltet. Besonders Alma Oberkofler, deren Kindheit durch den gewaltsamen Tod ihrer Schwester geprägt war, ist sehr gut gelungen. Geschickt zeigt Petra Hartlieb mögliche Beziehungen zwischen Politikern, die verschiedene Netzwerke unterhalten, auf.

Neben Alma ist die verschwundene Verlobte des Ministers ein spannender Charakter. Anfangs ein wenig unterschätzt und versteht sie es, elegant die Kurve zu kratzen, was man ihr gar nicht zugetraut hätte.

Das Cover, das in der Farbe türkis gehalten ist, lässt natürlich Assoziationen aufkommen, hebt sich von den sonst üblichen dunklen oder blutigen, die für Krimis verwendet werden, wohltuend ab.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem lesenswerte Krimi, der mir unterhaltsame und spannende Lesestunden beschert hat, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 20.08.2024
Nur nachts ist es hell
Taschler, Judith W.

Nur nachts ist es hell


ausgezeichnet

Nach „Über Carl reden wir später“ ist dies nun der zweite Teil der Familien-Saga rund um die Familie Brugger. Diesmal steht Elisabeth, die einzige Tochter im Mittelpunkt. Die Geschichte wird aus ihrer Sicht erzählt, wobei Elisabeth auch gleichzeitig als Erzählerin fungiert.

Vater Albert Brugger, scheint ein moderner Vater zu sein, denn die aufgeweckte Elisabeth darf nach der Volksschule eine höhere Schule besuchen. Dazu muss ein Teil der Familie nach Wien übersiedeln: Bruder Gustav, der Medizin studieren will und Elisabeth übersiedeln mit der Mutter in die Großstadt. Der Vater und Bruder Carl bleiben im Mühlviertel, Eugen, sein Zwillingsbruder wandert in die USA aus. Elisabeth maturiert 1913 in der Rahlgasse, einem der ersten Mädchengymnasien Wiens, beginnt ihr Medizinstudium. Wenig später bricht der Erste Weltkrieg aus und sie verpflichtet sich als Krankenschwester. Gustav kehrt aus dem Krieg nicht zurück. Dafür steht plötzlich Georg, einer seiner Studienkollegen und Nachfahre einer Ärztedynastie, kriegsversehrt, vor ihrer Tür. Man heiratet, Elisabeth absolviert zwischen zwei Schwangerschaften ihr Studium, macht die Facharztausbildung zur Gynäkologin und teilt später sich mit ihrem Mann eine Praxis.

Elisabeth liebt ihren Beruf und die Anliegen der Frauen sind ihr wichtig. Vor allem jene, der benachteiligten, die
für Hungerlöhne arbeiten müssen und Jahr um Jahr ein Kind bekommen. Diese Haltung bringt ihr dann auch einen kurzen Gefängnisaufenthalt ein.

Der Zweite Weltkrieg bringt den Selbstmord ihres Mannes und das Nichtwissen über den Verbleib des älteren Sohnes sowie die ärztliche Tätigkeit an der Ostfront.

Nun, wir sind in den 1970er-Jahren angekommen, rekapituliert sie ihr Leben, schreibt es für ihre Großnichte, die bei ihr lebt, auf.

Meine Meinung:

Dieser zweite Teil der Familiengeschichte ist penibel recherchiert und gekonnt in die Weltgeschichte eingebettet. Wir erfahren so manches Familiengeheimnis wie den Tausch der Lebensläufe der Zwillingsbrüder Carl und Eugen sowie die daraus entstehenden Komplikationen. Warum der Identitätstausch? Das müsst ihr selbst lesen.

Sehr gut haben mir die vielen Details, die der feinen Beobachtungsgabe von Elisabeth geschuldet sind, gefallen. Mit ihren Emotionen hält sie sich ein wenig zurück. So ist sie erzogen worden und passt ausgezeichnet zu ihrem Charakter.

Der Erzählstil ist ausgewogen und bezieht auch ihre Eltern und die Brüder, sowie Ehemann und Schwiegerfamilie in ihre Betrachtungen ein. Geschickt wird der Eindruck erweckt, dass Elisabeth wirklich neben dem Leser sitzt und erzählt. Als Hörbuch muss das grandios sein! Und genau wie in gesprochenen Erinnerungen wird nicht alles chronologisch erzählt. Manchmal springt sie in ihrem Leben nach vor und dann gibt es einen Gedanken, der sie an ein lange zurück liegendes Ereignis erinnert. Das katapultiert Elisabeth weit in ihre Vergangenheit zurück. Auch die eine oder andere Wiederholung kommt vor, was aber aus meiner Sicht nicht störend ist. Das passiert einfach in der Rückschau auf ein langes Leben.

Sprachlich ist der Roman ein Genuss. Nun muss ich mir noch den Vorgänger besorgen

Fazit:

Gerne gebe ich diese wunderbar erzählten Familien-Saga 5 Sterne.

Bewertung vom 18.08.2024
Die toten Engel vom Montmartre
Laffite, René

Die toten Engel vom Montmartre


sehr gut

„Es war weder die Nachtigall noch die Lerche, die Commissaire Geneviève Morel an diesem frühen Sonntagmorgen im August aus dem Schlaf riss.“

Der erfahrene Krimi-Leser weiß, dass es das Diensthandy der toughen Ermittlerin ist, das zur Unzeit läutet.

Genevièvs traute Zweisamkeit mit Dr. Henry Martel wird jäh durch einen bizarren Mord an einer jungen Frau gestört. Man findet die Leiche auf einem Flügel der bekannten La Moulin de la Galette wie gekreuzigt festgebunden, bekleidet mit einem Kostüm aus dem Varieté Moulin Rouge.

Noch während sie ihr Team organisiert, entdeckt sie, dass Olivia, ihre Großmutter etwas im Schilde führen muss, kauft sie doch am bekannten Pariser Flohmarkt getragene, hässliche Kittelschürzen. Für ein Kostümfest mit dem Motto „Vintage Pöbel“, was wie Geneviève denkt, wieder gut zu ihrer Mamie passt. Ganz nebenbei erfährt sie von Mamie noch, dass zwei französische Politiker ermordet worden sind, angeblich mit Nervengift und, dass eines der berühmten Fabergé-Eier beim renommierten Juwelier Tassos als Leihgabe des St. Petersburger Museum nur mehr wenige Tage in Paris zu sehen sein soll.

Da sich Geneviève zunächst sich mit dem Mord beschäftigen muss, misst sie diesen Informationen wenig Bedeutung bei.

Wenig später erfährt Geneviève, dass die junge Frau, Charlene Garcia, schwanger war und in einem luxuriösen Appartement in der sündteuren Metropole gelebt hat und, dass es ein zweites Opfer gibt: Ambre Denaux, eine vielversprechende junge Opernsängerin, deren Tod und die Umstände, dem Charlenes gleichen.

Doch die Ermittlungen gestalten sich schwierig, dann außer, dass die beiden toten Frauen keine Französinnen sind und keine Familie haben, ist nichts über sie herauszufinden. Selbst Lunette Lizeroux, ihre rechte Hand und Spezialistin, wenn es darum geht, geheime Informationen zu beschaffen und ihre Verbindungen fördern nichts zutage.

Als sich nun die BRI, die Brigade recherche et d’intervention, in Person ihres Leiters Olivier Guyon einmischt und ihr den Fall entziehen will, ist klar, dass hier mehr dahinter stecken muss. Die Frage ist nur WAS?

Verärgert aktiviert Geneviève die Kontakte ihrer Familie und sticht die eine oder andere Information zu einem ehrgeizigen Journalisten durch.

„Was erwarten Sie davon? Außer, dass sich die BRI grün und blau ärgern wird?“
„Wäre das nicht schon genug?“

Allerdings darf Geneviève Olivier Guyon nicht unterschätzen, denn seine Andeutung über das Business der Familie Morel Bescheid zu wissen, könnte gefährlich werden.

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist eine gelungene Fortsetzung, der mich grundsätzlich begeistern konnte. Allerdings mit einer Ausnahme, nämlich der Entwicklung, die Lunette Lizeroux durchmachen muss. Die ehemalige Mitarbeiterin der BRI, die beim Terroranschlag auf Bataclan ein Bein verloren hat, wird, nachdem sie im ersten Fall als intelligente und scharfsinnige Frau vorgestellt worden ist, zu einem dümmlich kichernden, Champagner schlürfenden Mäuschen degradiert. Nein, lieber Herr Autor, das geht gar nicht!

Herzlich lachen musste ich über Mamies Auftritt beim Juwelier Tassos als exzentrische Madame Pommery. Tja, so ist das eben: Man sieht nur, was man kennt oder zu kennen glaubt.

Und der kleine Einkaufsbummel von Mamie, Geneviève und Letizia, ihrer zu Besuch weilenden Schwägerin, ist einfach zum Wiehern.

Der Schreibstil ist locker und leicht. Hinter dem Autorennamen René Laffite steckt ein österreichischer Krimiautor, der seiner Liebe zu Frankreich und dem savoir-vivre hier ausgiebig frönen darf. Geschickt nimmt er seine Leser auf eine kleine Besichtigungstour abseits der sonst üblichen touristischen Trampelpfade mit. An der Seite von Geneviève und Letizia erkunden wir den Montmartre, lassen uns bei einem formidablen Diner auf dem Eiffelturm verwöhnen und schnuppern in das Leben der Tänzerinnen des Moulin Rouge, das nicht nur aus Applaus und Glitzer, sondern vor allem aus harter Arbeit besteht.

Fazit:

Dieser gelungenen Fortsetzung gebe ich gerne 4 Sterne. Die Degradierung von Lunette Lizeroux kostet den 5. Stern.

Bewertung vom 16.08.2024
Die Knuedler-Verschwörung (eBook, ePUB)
Dominicy, Claude

Die Knuedler-Verschwörung (eBook, ePUB)


sehr gut

Luxemburg, das kleine, aber finanzkräftige Fürstentum mitten in Europa ist der Schauplatz dieses Krimis, der einen tiefen Blick auf die Abgründe der Politik gibt. Also nicht, dass sich diese Straftaten wirklich so abgespielt hätten, aber um ihre Macht zu erhalten, schrecken Politiker egal aus welchem Land, vor wenig zurück.

Doch von Beginn an:

Bei einem Empfang werden zwei hochrangige Politiker vergiftet. Wenig später ein dritter. Kriminalkommissarin Dany Kerner wird mit den Ermittlungen betraut, gleichzeitig von ihrem Vorgesetzten und dem Staatsanwalt nach allen Regeln der Kunst behindert und mit einem Disziplinarverfahren bedroht.

Dennoch kann Dany es nicht lassen und stochert weiter im Leben der Opfer herum. Dabei stößt sie auf zahlreiche Ungereimtheiten. Der Verdacht massiven Machtmissbrauchs steht im Raum. Nur wozu? Mehr Geld oder mehr Einfluss? Und was hat der Selbstmord eines Kommunalpolitikers mit der Mordserie zu tun?

Nachdem sie auf eine Mauer des Schweigens stößt, spannt sie einen Journalisten für ihre Recherchen ein. Dass Opfer, Polizeichef und Staatsanwalt in den selben Männerklubs verkehren, lässt an eine Verschwörung denken.

Meine Meinung:

Der Krimi hat mir sehr gut gefallen. Luxemburg als Schauplatz war für mich neu, die Willkür und Machenschaften mancher Politiker nicht.

Der Plot ist gut durchdacht und spannend angelegt. Einzig der Prolog passt nicht ganz dazu.
Ich habe recht bald geahnt, wer hinter den Morden stecken könnte und was das Motiv ist. Die Auflösung hat mir recht gegeben. Trotzdem hatte ich spannende Lesestunden, denn wie so oft, interessiert mich der Weg der Ermittler zum Täter.

Die privaten Probleme von Dany Kerner, sie ist mit einer Frau verheiratet, hätten nicht ganz so breit ausgewalzt werden müssen. Kurz hatte ich ja Danys Ehefrau, die selbst in der Politik mitmischt, in Verdacht, in der Mordserie eine Rolle zu spielen. Aber, obwohl die militante Umweltschützerin Dany das Leben mehr als schwer macht, ist sie für so ein Mordkomplott nicht intelligent genug.

Fazit:

Ein Krimi mit einer neuen Ermittlerin, der durchaus Zeug zu einer Reihe hat. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 16.08.2024
Die Tote von Nikosia
Essing, Hannah

Die Tote von Nikosia


sehr gut

Die Sonneninsel Zypern ist Schauplatz dieses Krimis, der die komplexen bürokratischen Verhältnisse des seit 1974 geteiltem Landes sehr gut wiedergibt, als man in der UN-Pufferzone, also im Übergangsbereich zwischen dem von den Türken annektierten und dem zypriotischen Teil der Insel, die Leiche einer jungen Frau findet.

Die politischen Machtstrukturen spiegeln sich unter den Ermittlern wieder, die sich aus Mitgliedern der UN-Truppe, der türkischen und der zypriotischen Polizei zusammensetzt. Zusätzlich unterstützt Monika Marx, eine pensionierte Ermittlerin aus Deutschland, die zypriotische Polizei als Beraterin. Es entbrennt ein Machtkampf, bei dem kaum jemand gewinnen kann und jeder dem anderen einen Täter unterjubeln will. Es scheint, als ginge es gar nicht darum, den Mörder einer jungen Frau zu fassen, sondern die politischen Eitelkeiten zu befriedigen.

Das wird von Monika Marx durchkreuzt, die mit ihrer Art nicht nur einmal ordentlich aneckt, sondern auch für Schmunzeln und manchmal auch für Kopfschütteln sorgt.

Meine Meinung:

Hannha Essing hat hier einen interessanten Krimi geschrieben, der die Lebensumstände auf der von Touristen beliebten Insel beschreibt. Er zeigt, dass man sich zwar 50 Jahre nach der widerrechtlichen Annexion von Nordzypern durch die Türkei mit dem Status Quo pragmatisch arrangiert hat, aber die Spannungen durchaus vorhanden sind. Schlimmeres kann durch die UNO-Truppen meistens verhindert werden. Allein die nervige Tatsache, dass die Ermittler mehrmals täglich, wenn sich ausweisen müssen, wenn sie von einem Ende der Insel zum anderen fahren müssen. Monika Marx erledigt das im sogenannten kleinen Dienstweg.

Viel Augenmerk legt sie auf das Kompetenzgerangel zwischen den Ermittlern. Monika Marx kann als Beraterin einiges übergehen. Dass sie den jungen Journalisten Noah zu den Ermittlungen mitschleppt ist ein wenig unglaubwürdig. Doch auf Zypern scheinen solche Extratouren niemanden aufzuregen.

Die Charaktere haben alle ihre Ecken und Kanten. Besonders Monika Marx ist eine vom Leben gebeutelte Person. Einerseits hat sie auf Grund ihrer Krankheit dauernd Schmerzen, nimmt Tabletten und frönt dennoch einem sehr ungesunden Lebensstil, zu dem neben üppigen Mahlzeiten auch ordentliche Mengen Alkohol gehören. Damit ist sie nicht unbedingt eine Sympathieträgerin, genauso wenig wie das Opfer, das intrigant und selbstsüchtig daherkommt.

Der Plot ist durchaus spannend und endet nach zahlreichen ermittlungstechnischen Sackgassen mit einer unerwartete Auflösung, die trotzdem stimmig ist.

Der Krimi lässt sich sehr gut lesen und bietet Einblick in die Geschichte und den Alltag auf der geteilten Insel.

Fazit:

Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 15.08.2024
Keine Schonzeit für Mörder
Preitler, Franz

Keine Schonzeit für Mörder


ausgezeichnet

Es ist Anfang Mai des Jahres 1914. Noch weiß niemand, dass dieses Jahr die Welt in den Abgrund stürzen wird. Einen kleinen Vorgeschmack bekommt die Gegend um Mürzzuschlag als Alois Birnstingl, Kommandant der Gendarmerie, und der junge Revierjäger Johann Freidl einen Wilderer im Wald stellen. Wenig später sind zwei der drei Männer tot. Birnstingl vom Wilderer erschossen, der Wilderer durch zwei Stiche ins Herz vom Aufsichtsjäger in Notwehr - wie er behauptet - getötet. Einigen Dorfbewohnern kommt die Geschichte nicht geheuer vor und der Freispruch des jungen Revierjägers beim nachfolgenden Prozess, spaltet das Dorf.

Doch die weltpolitischen Ereignisse, also der Mord an Thronfolger Franz Ferdinand und seiner Frau und der daraufhin folgende Ausbruch des Großen Krieges, sowie die Kriegsbegeisterung der Bevölkerung übertüncht zunächst das lokale Ereignis.

Erst als der Nachfolger des getöteten Birnstingl sich der Sache annimmt, kommen die Intrigen innerhalb der Dorfgemeinschaft ans Tageslicht.

Meine Meinung:

In seinem dritten Krimi, der in der Gegend rund um Mürzzuschlag spielt, hat Autor Franz Preitler wieder zahlreiche historische Fakten mit fiktiven Elementen kombiniert. Er nimmt seine Leser in eine vielschichtige Dorfgemeinschaft mit. Zahlreiche verdeckt und offen geführte Fehden bestimmen den Alltag. Auch das Thema Fortschritt versus Tradition finden ebenso Platz wie die verbotene Liebe zwischen zwei Männern und die Herabwürdigung der Töchter als Spielball zur Vermehrung des Besitzes der Väter.

Sehr gut ist die Stimmung im Dorf beschrieben. Manch einer sympathisiert mit dem Wilderer, denn der verbotenen Abschuss des Wildes gilt bei manchen als Mutprobe und dient anderen zum Überleben.

Geschickt integriert Franz Preitler historische Persönlichkeiten in seine Geschichte. So darf der Dichter Peter Rossegger (1843-1918) wieder auftreten und setzt dessen Freund, dem Fotografen Franz Josef Böhm (1874-1938), der das Heimatmuseum in Mürzzuschlag gegründet hat, ein Denkmal. Auch das fiktive Postwirtsehepaar Pfandl hat mit Sophie (1873-1963) und Toni Schruf (1863-1932) ein reales Vorbild.

Fazit:

„Keine Schonzeit für Mörder“ ist ein eindringlicher historischer Kriminalroman, der gekonnt Fakten mit Fiktion verquickt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.