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amena25

Bewertungen

Insgesamt 281 Bewertungen
Bewertung vom 10.07.2023
Die Spur der Aale / Ein Fall für Greta Vogelsang Bd.1
Wacker, Florian

Die Spur der Aale / Ein Fall für Greta Vogelsang Bd.1


ausgezeichnet

Ungewöhnliche Schmuggelware

Als in Frankfurt am Main frühmorgens eine Wasserleiche gefunden wird, muss Staatsanwältin Greta Vogelsang anrücken, da sie Bereitschaftsdienst hat. Zwar übernimmt schon bald die Abteilung Kaptalverbrechen die Ermittlungen, doch Greta Vogelsang lässt der Fall nicht los. Denn bei dem Toten handelt es sich um den Zollfahnder Lars Mathissen, der Greta Vogelsang Hinweise zu einem Schmuggelnetzwerk gegeben hatte. Offenbar hatte der Zollfahnder konkrete Informationen zum Schmuggel mit wertvollen Glasaalen. Doch Greta Vogelsang ging den Hinweisen aus Zeit- und Prioritätsgründen nicht nach. Nun nagen Zweifel an ihr. Hat Lars Mathissens Tod womöglich mit dem Schmuggelnetzwerk zu tun? Als sich dann auch noch Matthissens Tochter bei Greta Vogelsang meldet, nimmt die Staatsanwältin eigene Ermittlungen auf. Ihre Kollegen sind skeptisch, doch als eine weitere Leiche gefunden wird und auch Greta Vogelsang selbst eine Drohung erhält, erkennen sie, wie global vernetzt, gefährlich und skrupellos das Schmuggelnetzwerk ist.
Greta Vogelsang als Staatsanwältin im Dezernat für Umweltverbrechen und Artenschutzdelikte ist eine interessante Persönlichkeit, eigenwillig und stur, kämpferisch und nachdenklich. Ihr Privatleben mit Lebenspartner Mika und ihrer dementen Mutter spielt eine Rolle, verdrängt allerdings nie den Fall in den Hintergrund.
Ein interessanter, ungewöhnlicher Fall, spannend und schlüssig erzählt. Man darf sich schon auf den 2. Band mit Greta Vogelsang freuen.

Bewertung vom 15.05.2023
Wolfskinder
Buck, Vera

Wolfskinder


ausgezeichnet

Subtile Spannung
Jakobsleiter – so heißt eine abgelegene Siedlung hoch oben in den Bergen. Die Bewohner leben abgeschieden von der modernen Welt, nach ganz eigenen Regeln. Sie tragen biblische Namen, leben im Einklang mit der Natur und meiden andere Menschen, vor allem die kleine Stadt unten im Tal. Dort wohne das Böse, wird schon den Kindern eingetrichtert. Die Jugendlichen Jesse und Rebekka gehen im Tal zur Schule, werden dort aber ausgelacht, ausgegrenzt oder sogar von den Mitschülern verprügelt. Nur die neue Lehrerin interessiert sich für die beiden. Doch plötzlich verschwindet Rebekka spurlos. Sie wollte der Gemeinschaft in Jakobsleiter entkommen und hat offenbar jemanden kennengelernt. Doch Jesse macht sich große Sorgen, ob sie wirklich freiwillig verschwunden ist.
Auch die junge Redaktionsvolontärin Smilla ist von Rebekkas Verschwinden betroffen. Vor zehn Jahren ist ihre Freundin Juli beim gemeinsamen Campen spurlos verschwunden. Seither leidet Smilla darunter, dass sie zurückgeblieben ist und weiterleben darf. Als ihr dann auch noch ein verwildertes Mädchen vor das Auto läuft, das verblüffende Ähnlichkeit mit Juli hat, macht auch Smilla sich auf die Suche nach den vermissten jungen Frauen.
Die Spannungen zwischen den Bewohnern von Jakobsleiter und den Talbewohnern spitzen sich zu. Währenddessen kommt Smilla einem Geheimnis auf die Spur, das alle zutiefst erschüttert.
,,Wolfskinder“ wird aus der Perspektive verschiedener beteiligter Figuren erzählt, was die Spannung subtil steigert. So weiß der Leser lange nicht, wer was verbirgt. Das Ende ist überraschend und schlüssig.

Bewertung vom 11.05.2023
Die marmornen Träume
Grangé, Jean-Christophe

Die marmornen Träume


gut

Weniger wäre mehr gewesen
Berlin im Jahr 1939: Der Psychoanalytiker und Traumforscher Simon Kraus verdient sein Geld nicht nur mit seinen Therapiestunden. Er verführt auch gerne seine Klientinnen, um sie anschließend zu erpressen. Besonders pikant dabei ist, dass es sich bei seinen Klientinnen fast ausnahmslos um Ehefrauen hochrangiger Nazi-Funktionäre handelt. Für Simon Kraus ist dies ein äußerst lukratives Geschäft, allerdings spielt er als jüdischer Psychoanalytiker in dieser Zeit auch sehr mit dem Feuer.
Als eine von Simon Kraus Klientinnen grausam ermordet wird, soll der SS-Offizier Franz Beewen das Verbrechen aufklären. Die Tote gehörte zum sogenannten Wilhelmklub, einem Zirkel reicher Nazi-Frauen, der sich jeden Tag im Hotel Adlon trifft. Bald schon gibt es weitere Leichen. Von seinen Klientinnen erfährt Kraus, dass ihnen ,,Der Marmormann“ in Alpträumen erschienen sei. Da Beween weiß, dass er alleine kein Verbrechen aufklären kann, holt er sich Simon Kraus und die Psychiaterin Minna von Hassel zur Unterstützung, die Angst hat, ihre Klinik und ihre Patienten zu verlieren.
Alle drei beteiligen sich aus sehr unterschiedlichen Gründen an der Suche nach dem Mörder und geraten dabei tief in den Sumpf der Nazi-Verbrechen.
Das sehr ungleiche Trio muss erst so einige Differenzen überwinden, um gemeinsam zu handeln. Das wirkt manchmal nicht ganz realistisch, vielleicht aber doch menschlich.
Keiner der drei ist ein wirklicher Sympathieträger, dafür haben alle drei zu viele schlechte Seiten. Und doch nimmt man ihnen den Kampf gegen das Böse ein Stück weit ab.
Denkt man dann, der Täter ist gefasst, wird man doch schnell eines Besseren bzw. Schlechteren belehrt. Denn so mancher Beteiligte entpuppt sich als eine völlig andere Person mit gänzlich anderen Motiven als bisher vermutet. Das führt zu einigen überraschenden Wendungen, zieht die Handlung allerdings auch sehr in die Länge. Hier wäre meines Erachtens weniger mehr gewesen.

Bewertung vom 29.04.2023
Erinnere dich!
Reiter, Max

Erinnere dich!


weniger gut

Gute Idee – schlechte Umsetzung
Vor 20 Jahren verschwand die Abiturientin Maja spurlos bei einer Bergwanderung mit ihren Schulkameraden. Ihr damaliger Freund Arno Seitz hat seitdem jede Erinnerung daran erfolgreich verdrängt.
Inzwischen ist er als Dozent an der Uni Berlin tätig. Dort unterrichtet er Literatur. Bei einem Kurs über die Erzählungen Edgar Allan Poes fällt ihm ein junger Stundet auf, der ihm eine selbst verfasst Geschichte über eine verschwundene junge Frau zu lesen gibt. Diese erinnert Arno Seitz unangenehm an die damaligen Geschehnisse. Nun kommt auch noch eine Einladung zu einem Abiturtreffen in der Heimatstadt, zu dem Arno zunächst auf keinen Fall gehen will. Doch dann lässt er sich doch darauf ein, obwohl er mit den alten Schulkameraden und den damaligen Geschehnissen eigentlich nichts mehr zu tun haben möchte. Ein ihm zugespieltes Handy sendet ihm mehr oder weniger kryptische Botschaften, die mit Maja und ihrem wahrscheinlichen Tod zu tun haben. Und immer lautet der Appell an Arno: Erinnere dich!
Beim Abiturtreffen kommen dann natürlich viele verdrängte Gefühle und längst vergessene Geschichten wieder hoch. Zudem besucht Anja, die kleine Schwester Majas, die ihr zudem sehr ähnlichsieht, das Abitreffen. Auf ihren Wunsch hin beschließen die ehemaligen Freunde, die Wanderung von damals und die Übernachtung auf der Hütte, bei der Maja damals verschwand, zu wiederholen. Für Arno beginnt eine Reise in die Vergangenheit und eine Reise in seine verdrängte Erinnerung. Doch zunehmend weiß er, und damit auch der Leser, nicht mehr, was tatsächlich passiert ist. Realität und Fiktion verschwimmen.
Die Idee klingt spannend, die Verknüpfung mit E.A. Poe wirkt zunächst auch originell. Allerdings ist die Umsetzung stellenweise recht holprig und nicht immer überzeugend. Arnos Seitz so wie auch die meisten anderen Figuren wirken blass, teilweise klischeehaft. Die Dialoge wirken oft hölzern und wenig authentisch. Die Geschichte zieht sich ziemlich in die Länge, einige Wendungen tragen leider auch nicht zur Spannungssteigerung bei.
Schade. Von dieser Geschichte hatte ich mir deutlich mehr versprochen.

Bewertung vom 29.04.2023
Nachtjagd
Fjell, Jan-Erik

Nachtjagd


ausgezeichnet

Wirklich gut!

Normalerweise bin ich vorsichtig, wenn ein Buch als ,,Spitzentitel“ und der Verfasser als ,,Bestsellerautor“ angekündigt werden. Doch in diesem Fall hat sich das absolut bestätigt. ,,Nachtjagd“ ist ein über 500 Seiten starker, extrem spannender und schlüssig konstruierter Krimi.
Als am Ufer eines Sees in Norwegen die Leiche einer jungen Frau gefunden wird, fühlt sich Kriminalkommissar Anton Brekke von der Polizei Oslo stark an die Vorgehensweise des Serienmörders Stig Hellum erinnert. Hellum ist vor einiger bei einem Gefangenentransport die Flucht gelungen und seitdem spurlos verschwunden. Hat der Serienkiller womöglich das Morden wieder aufgenommen?
Für Anton Brekke und seinen jungen Kollegen Magnus Thorp beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.
Parallel dazu wird ein zweiter Handlungsstrang erzählt. Der zum Tode verurteilter Mörder Nathan Sudlow sitzt seit Jahren in Texas im Gefängnis. Kurz vor seiner Hinrichtung erzählt er einem Priester seine Geschichte. Die beiden Handlungsstränge werden äußerst geschickt ineinander verwoben und es dauert geraume Zeit, bis man versteht, wie die Morde in Norwegen mit Nathan Sudlow verbunden sind. Dabei wird die Spannung stets gesteigert, zudem kommt es zu einigen überraschenden Wendungen.
Die Figuren sind charakterstark und authentisch. Selbst mit dem verurteilten Mörder Nathan Sudlow sympathisiert man, als man seine Geschichte allmählich erfährt. Besonders gelungen ist das Ermittlerduo Brekke und Thorp. Anton Brekke, stets missgelaunt und mürrisch, befürchtet, an einer tödlichen Krankheit zu leiden, weshalb er noch mürrischer und gereizter auftritt. Der elegante und gutaussehende Magnus Thorp dagegen muss sich an der neuen Arbeitsstelle und gegenüber dem erfahrenen Brekke erst noch beweisen. Sehr unterhaltsam sind die flapsigen Dialoge zwischen den beiden Ermittlern.
Beste Unterhaltung – gerne mehr davon!

Bewertung vom 19.04.2023
Der Bojenmann
Schlenz, Kester;Jepsen, Jan

Der Bojenmann


ausgezeichnet

Witzig, philosophisch, gruselig!
Mitten in der Elbe wird von einem arglosen Paddler eine Leiche entdeckt. Anstelle der hölzerne Kunstfigur „Bojenmann“, die offenbar über Nacht abgesägt wurde, wurde eine Leiche gruselig in Szene gesetzt. Besonders makaber: die Leiche ist plastiniert. Nur so konnte sie in dieser Position platziert werden.
Kommissar Thies Knudsen, leitender Ermittler des LKA in Hamburg Altona, hat so etwas noch nie gesehen. Auch seine Kolleginnen, Dörte Eichhorn, genannt das Eichhörnchen, und die Forensikerin Susi „Spusi“ Diercks, sind zunächst ratlos, was das bedeuten soll. Doch bald schon tauchen weitere, ähnlich schockierend in Szene gesetzte Leichen auf. Ein Serienmörder geht um in Hamburg, und er will seine plastinierten Opfer zur Schau stellen.
Glücklicherweise hat Kommissar Knudsen seinen guten alten Freund Oke Andersen, der direkt an der Elbe in Övelgönne lebt. Andersen ist sehr belesen und philosophisch bewandert, weshalb er, als ehemaliger Lotse, den Spitznamen La Lotse trägt. Ihn kann Kommissar Knudsen bei einem guten Essen und einer Flasche Bier immer um Rat fragen. La Lotse Andersen lässt der Fall der plastinierten Leichen nicht mehr los. Er recherchiert auf eigene Tour und findet schließlich eine Spur, die zum ,,Duckdalben“, einer internationalen Seemannsmission führt. Offensichtlich hat der Mörder sich dort seine Opfer ausgesucht.
,,Der Bojenmann“ ist ein spannender Krimi, mit einigen gruseligen Details (Gunther von Hagens lässt grüßen), aber auch vielen witzigen Dialogen und philosophischen Gedanken.
Toller Start einer neuen Serie – gerne mehr von Kommissar Knudsen und seinem Kumpel Oke La Lotse!

Bewertung vom 06.04.2023
Northern Spy - Die Jagd
Berry, Flynn

Northern Spy - Die Jagd


ausgezeichnet

Eindringlich

Tessa arbeitet im Büro der BBC in Belfast, als sie plötzlich ihre Schwester Marian in den Fernsehnachrichten sieht. Sie soll einem Raubüberfall begangen haben und außerdem Mitglied der IRA sein. Tessa fällt aus allen Wolken, da sie und ihre Schwester sich immer gegen Gewalt und Terror eingesetzt haben und auch so erzogen wurden.
Während nach Marian gefahndet wird, beginnen sich bei Tessa die Zweifel zu mehren. Wie genau kannte sie ihre Schwester Marian wirklich? Und man erlebt hautnah mit, wie sich das Leben für sie, als Schwester einer Terrorverdächtigen, plötzlich von Grund auf verändert hat.
Als Tessa die Wahrheit erfährt, muss sie sich entscheiden, zwischen ihren Idealen und der Realität. Eine sehr große Rolle spielt dabei auch ihr kleiner Sohn Finn, den sie um alles in der Welt schützen will.
,,Northern Spy“ ist nicht unbedingt ein Thriller, eher ein Roman mit subtiler Spannung und auch überraschenden Wendungen. Einen Großteil der Handlung nehmen Tessas Gedanken, ihr innerer Konflikt und ihr Ringen um eine Entscheidung ein. Bedrückend sind auch die fast schon nebenbei erwähnten Einschränkungen des alltäglichen Lebens in Nordirland, wo jeder Gang vor die Haustür mit tödlicher Gefahr verbunden sein kann.
Das macht ,,Northern Spy“ in meinen Augen zu einer wirklich empfehlenswerten Lektüre.

Bewertung vom 04.04.2023
30 Tage Dunkelheit
Madsen, Jenny Lund

30 Tage Dunkelheit


ausgezeichnet

Genial!

Die dänische Schriftstellerin Hannah Krause-Bendix ,,schreibt die Art von Büchern, in denen ein alter Mann einen Schluck Kaffee nimmt und über vierzig Seiten hinweg nachdenkt, bevor er einen weiteren Schluck nimmt. Und dann ist nicht nur der Kaffee kalt geworden. Die meisten Leser sind es auch.“ (S. 11). Deshalb ist ihr Erfolg auch recht überschaubar, während andere ihrer Schriftstellerkollegen mit ihren kommerziellen Büchern sehr gut beim Publikum ankommen. Wenigstens hält ihr langjähriger Lektor Bastian noch zu ihr, trotz des geringen Erfolgs ihrer immerhin als literarisch anspruchsvoll gelobten Bücher.. Bei einer Buchmesse soll Hannah ihre Bücher signieren, was aber praktisch niemanden interessiert, während ihr Erzfeind Jørn, den Hannah hasst wie die Pest, auf der Buchmessen-Bühne interviewt wird. Hannah rastet vor laufenden Kameras aus und schimpft, dass jeder Idiot in einem Monat einen Krimi schreiben könne. Um ihren Ruf zu retten, muss sie sich nun dieser Herausforderung stellen. Von ihrem Lektor Bastian wird sie nach Island geschickt, mitten im Winter in eine völlig abgelegene Ecke. Dort darf sie bei Ella, einer alten Bekannten Bastians, wohnen, schreiben und mit möglichst wenig Alkohol auch wieder zu sich selbst finden. Vielleicht wollte Bastian sie aber auch einfach möglichst weit wegschicken? Hannahs ertränkt ihre Schreibblockade erst einmal im Alkohol.
Doch als Ellas Neffe unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden wird, wird plötzlich die Realität eine Idealvorlage für Hannahs Krimi. Handelt es sich beim Tod des Neffen um Mord? Je mehr Hannah nachforscht, desto seltsamere Dinge Geschehen. Auch ihre Gastgeberin Ella verhält sich äußerst merkwürdig. Und dann taucht auch noch ausgerechnet Hannahs Erzfeind Nummer 1, der Schriftstellerkollege Jørn auf und klaut ihr womöglich ihre Ideen.
Das ist der erster Krimi, der mich nicht hauptsächlich wegen der spannenden Handlung oder wegen des originellen Schauplatzes, sondern wegen des genialen Humors überzeugen konnte. Das liegt vor allem an der Hauptfigur Hannah, die neben selbstkritischen auch sehr böse Gedanken über ihre Mitmenschen äußert und sich immer wieder völlig daneben benimmt, was zu gefährlichen, aber teilweise auch urkomischen Situationen führt.

Bewertung vom 04.04.2023
Südlich von Porto lauert der Tod
da Silva, Mariana

Südlich von Porto lauert der Tod


sehr gut

Mord in der portugiesischen Dorfidylle

Die junge Polizistin Ria Almeida reist in die portugiesische Heimat ihres Vaters, um ihren geliebten Großvater zu beerdigen. Doch außerdem will sie ihren Urlaub dazu nutzen, sich über ihre weitere Zukunft klarzuwerden. Eigentlich ist Ria Almeida Polizistin in Stuttgart, wo sie auch aufgewachsen ist. Doch mit den Kollegen dort und besonders mit ihrem Chef möchte sie nichts mehr zu tun haben. Eigentlich will sie mit Polizeiarbeit insgesamt nicht mehr zu tun haben.
Doch als in dem kleinen Ort Torreira eine junge Frau tot aufgefunden wird, erwacht Rias berufliche Neugier. Durch ihren Schwager João, der das Dorfrevier leitet, ist sie stets gut informiert. Zudem ist der örtliche Bestatter Nuno auch noch ihr bester Freund seit Kindertagen. Allerdings scheint der Tod der jungen Raquel nur ein tragischer Unfall gewesen zu sein. Nur Raquels Schwester, die die Tote gefunden hatte, will nicht an einen Unfall glauben.
Doch als dann plötzlich die Leiche über Nacht aus Nunos Beerdigungsinstitut verschwindet, ist allen Beteiligten klar, dass die Schwester der Toten Recht hatte: es gibt jemanden, der eine nähere Untersuchung der Leiche verhindern will. Ria Almeidas Ermittlerinstinkt ist geweckt. Zusammen mit ihrem Schwager João macht sie sich auf die Suche nach dem Täter. Dumm nur, dass sie ja eigentlich gar keine Polizistin ist, zumindest keine portugiesische. Doch das weiß der leitende Kommissar Baptista noch nicht, da weder Ria noch João es ihm bisher so genau gesagt haben. Der Ärger für Ria ist also vorprogrammiert!
Auch wenn die eigentliche Krimihandlung nicht nervenaufreibend spannend oder überraschend ist, hat mich das Buch gut unterhalten. Rias Orientierungssuche zwischen deutscher und portugiesischer Heimat, das Gefühl der sausade, der melancholischen Sehnsucht, die ganz nebenbei erzählten Besonderheiten der portugiesischen Lebensart vermitteln einen authentischen und überaus liebenswerten Eindruck. Ein richtiger Blickfang ist das sehr schön gestaltete Cover mit den farbenfrohen Fischerbooten und den weiß-blauen Fliesen.

Bewertung vom 06.03.2023
Der Inselmann
Gieselmann, Dirk

Der Inselmann


sehr gut

Einsamkeit
Der zehnjährige Hans zieht mit seinen Eltern auf eine unbewohnte Insel, mitten in einem großen See. Gründe für diese ,,Flucht“ werden nur angedeutet. Auch genauere Orts- oder Zeitangaben werden nicht genannt, lassen sich stellenweise aber aus der Handlung erschließen. So spielt die Handlung sich vermutlich Anfang der 60er Jahre im Osten Deutschlands ab.
Für die Eltern ist der Umzug eine Flucht vor der Stadt und vor der Realität. Für Hans bedeutet die Insel trotz der harten Lebensbedingungen eine große Freiheit. In der Natur findet er ein Zuhause, das ihm die emotional sehr verkümmert wirkenden Eltern nicht bieten können. Doch als die Behörden auf den Jungen aufmerksam werden, muss Hans täglich zur Schule rudern. Dort findet sich der einzelgängerische Junge nur schwer zurecht und wird Opfer bösartiger Mitschüler und unverständiger Lehrer. Da er dann beginnt, die Schule zu schwänzen, wird er in ein Internat für schwer erziehbare Kinder eingewiesen. Das gnadenlose System dort kann er nur mit seinem Wunsch, auf seine Insel und in die Einsamkeit zurückzukehren, ertragen. Doch erst Jahre später kehrt er dorthin zurück.
Der Roman ist sehr poetisch geschrieben und wirkt, nicht nur durch die ausdrucksstarke Sprache, sondern auch aufgrund der oft nur angedeuteten Realität, märchenhaft. Dieser poetische Stil wirkt stellenweise allerdings auch etwas überladen.
Besonders die Passagen, in denen Hans in der Schule oder im Internat Unverständnis und Quälereien ausgesetzt ist, sind sehr ergreifend. Auch die Sprachlosigkeit zwischen ihm und seinen Eltern, die sich dann auch auf alle seine menschlichen Kontakte auswirkt, ist bedrückend. Hans‘ Eigensinn und Wunsch nach Einsamkeit wird durch seine Lebensgeschichte verständlich. Dennoch hinterlässt die Lektüre bei mir einen zutiefst traurigen und melancholischen Eindruck.