Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Rezifeder
Wohnort: 
Köln
Über mich: 
Leseratte

Bewertungen

Insgesamt 61 Bewertungen
Bewertung vom 04.10.2009
Die Abenteuer des Baron von Krähenschreck
Pullman, Philip

Die Abenteuer des Baron von Krähenschreck


ausgezeichnet

Die Vogelscheuche Baron von Krähenschreck steht auf einem Feld im Frühlingstal. Mitten in einer Gewitternacht fährt ein Blitz in sie hinein und erweckt den Baron zum Leben. Die Vogelscheuche ist entzückt von ihren neuen Möglichkeiten, braucht aber zunächst ein zweites Bein, um laufen zu können. Dabei hilft ihr der Waisenjunge Jack, der zufällig vorbeikommt und sich als Diener anbietet.

Danach ist Baron von Krähenschreck voller Tatendrang. Sein Ziel ist, zu Ruhm und Reichtum zu gelangen und anschließend das Frühlingstal, das er als sein Reich betrachtet, wieder aufzubauen. Jack ahnt zwar, dass sein neuer Herr nicht besonders clever ist, steht ihm aber treu zur Seite. Auf ihren Abenteuern geraten die zwei unter anderem an eine Räuberbande, werden Bühnenschauspieler, ziehen in den Krieg und stranden auf einer Insel.

Sie wissen jedoch nicht, dass sie von Anfang an verfolgt werden. Der Clan der kriminellen Buffalonis, die in der Gegend herrschen, hat sich an ihre Fersen geheftet, denn die Vogelscheuche bedeutet aus noch unerklärlichen Gründen eine Bedrohung für sie ...

Philip Pullmans Roman um den sagenhaften Baron von Krähenstück ist ein kindgerecht aufbereiteter Schelmenroman, der Anklänge an Don Quichotte und "Der Zauberer von Oz" zu einem lustigen Kabinettstück vereint. Aus fast jedem Satz spricht der äußerst gelungene Humor der Geschichte und die absurden Abenteuer der beiden sind für Kinder genauso amüsant wie für Erwachsene. Dabei ist die Handlung gleichzeitig dramatisch und spannend. Mehrfach stehen die beiden vor dem Problem, dass Jack nichts zu essen hat, sie geraten an eine Räuberbande, die Jack mit einer List austricksen muss und vor allem müssen sie sich gegen die mafiöse Familie Buffaloni wehren, die ganz bestimmte Gründe hat, die Vogelscheuche auszuschalten. Die Geschichte ist wendungsreich und frei von Längen, der Ausgang ist ideal und nicht zu vorhersehbar.

Eigentlich ist die Vogelscheuche alias Baron von Krähenschreck alles andere als ein Sympathieträger. Der Baron ist sehr von sich überzeugt, reißt stets das Ruder an sich, ist eitel, neigt zu melodramatischen Anwandlungen und lässt sich nur sehr ungern eines Besseren belehren. So übersteigert, wie er dargestellt wird, kann man aber kaum anders, als ihn auf seine verquere Art liebzugewinnen, als verrückte Parodie, die sich mit seinen zahlreichen Schwächen dennoch ins Herz schließen lässt.

Insgesamt ist das Buch für seine turbulente Handlung noch etwas zu knapp geraten. Öfter wünscht man sich, dass sich nicht sofort das nächste Abenteuer an das vorherige reiht, sondern alles ein bisschen langsamer angegangen wird. Vor allem das Ende ist zwar inhaltlich sehr schön, aber doch sehr überstürzt, ein paar zusätzliche Seiten hätten dem Werk noch besser getan.

Ein sehr vergnügliches Kinderbuch, das sich genauso schön für Erwachsene liest. Die Handlung ist sehr witzig und dabei auch spannend, der Hauptcharakter ist prima gelungen. Schade ist nur, dass das Buch etwas kurz ist.

Bewertung vom 04.10.2009
Benjamin Blümchen als Koch / Benjamin Blümchen Bd.23 (1 Audio-CD)

Benjamin Blümchen als Koch / Benjamin Blümchen Bd.23 (1 Audio-CD)


sehr gut

Ausnahmsweise hat Benjamin keinen Appetit auf Zuckerstückchen, sondern auf etwas Herzhaftes. Zusammen mit Otto sucht er ein neues Lokal auf. Zunächst gibt es Probleme mit der Bedienung, anschließend müssen Benjamin und Otto lange in der Schlange stehen, bis sie endlich an der Reihe sind. Der Hamburger schmeckt zwar sehr gut, trotzdem ist Benjamin unzufrieden mit dem Restaurantbesuch.

Zurück im Zoo schlägt Otto seinem Freund vor, selber ein Restaurant zu eröffnen. Benjamin ist ganz begeistert von der Idee. Er möchte die Zoobesucher bewirten, vor allem die Kinder, da man bisher nur Eis im Zoo kaufen kann ...

So ein Leckermaul, wie Benjamin bekanntlich ist, darf der Beruf des Kochs natürlich nicht in seiner Sammlung fehlen. Die Folge macht Kindern Lust darauf, mal eigenständig zu kochen. Für Eltern bietet es eine Anregung, sich mit den Kindern gemeinsam daran zu begeben und einfache Rezepte nachzukochen. Detailliert und auch für kleine Hörer gut nachvollziehbar wird erzählt, wie Benjamin die Zutaten zusammenkauft und leckere Spaghetti Bolognese daraus kocht. Zusätzlich wird hier wieder einmal vermittelt, dass sich mit Improvisation viel bewältigen lässt. Benjamin hat natürlich kein Geld, um einfach so ein Restaurant zu bauen, also wird das leerstehende Affenhaus dafür verwendet. Die Möbel werden ihnen geschenkt, dafür müssen sie allerdings erst wieder hergerichtet werden. Aber es ist typisch für Benjamin, dass er lieber aus alten Sachen etwas Neues zusammenbaut, anstatt viel Geld auszugeben und vermittelt den kleinen Hörern, dass man mit einer Portion Beherztheit auch schwierigere Unterfangen angehen kann.

Wie fast alle Berufefolgen ist auch diese nicht mit besonders viel Spannung gesegnet. Es ist nun einmal keine aufregende Geschichte, sondern eine Alltagsgeschichte, die Kinder gut zum Einschlafen benutzen können. Dafür ist die Geschichte aber umso lustiger mit vielen Anspielungen auf Benjamins Verfressenheit.

Viele bekannte Stimmen sind in den Nebenrollen zu hören. Die unfreundliche Bedienung Fräulein Petra wird von Eva-Maria Werth gesprochen, die in zahlreichen Bibi- und Benjamin-Folgen Auftritte hat, etwa regelmäßig als Bibis Klassenlehrerin und bei Benjamin sehr häufig als Passantin, Sekretärin oder Verkäuferin. Den Geschäftsführer alias Manfred Schuster kennt man als Bibis Schuldirektor, mit bayrischem Dialekt mehrfach in der Rolle eines Bauern oder auch als Benjamins Oberarzt in seiner Krankenhausfolge. Der Verkäufer Otto Czarski spricht bei "Bibi und Tina" regelmäßig den mürrischen Mühlenhofbauern und bei Benjamin in vielen Folgen den Oberbrandtrat Lichterloh.

Eine lehrreiche Alltagsgeschichte über einen neuen Beruf von Benjamin. Die Folge ist humorvoll und unterhaltsam, auch die Sprecherleistungen sind sehr gut. Die einzige kleine Schwäche liegt in der mangelnden Spannung, was aber nicht weiter ins Gewicht fällt.

Bewertung vom 12.09.2009
Der Mord an Harriet Krohn
Fossum, Karin

Der Mord an Harriet Krohn


gut

Nach dem Tod seiner geliebten Frau Inga geht es mit Charles Olav Torp nur noch bergab. Seine Spielsucht gerät außer Kontrolle, seine Schulden werden immer höher. Vor allem unter der Distanz zu seiner Tochter Julie leidet er stark. Als sich seine Spielschulden auf 200.000 Kronen belaufen und er fürchtet, von seinen Gläubigern zusammengeschlagen zu werden, fasst er einen grausigen Entschluss:

Er erschlägt die alte Harriet Krohn, durchsucht ihre Wohnung, findet 200.000 Kronen in bar und Silberbesteck. Mit dem Geld bezahlt er seine Schulden, für den Erlös des Silbers kauft er einen stolzen Fuchswallach und schenkt ihn seiner reitbegeisterten Tochter, die ihr Glück kaum fassen kann. Endlich verbringt er wieder regelmäßig Zeit mit Julie, zumal er im Reitstall eine Anstellung findet. Doch die Angst, dass man seine Spur findet, nimmt kein Ende ...

Karin Fossums Krimis um Hauptkommissar Konrad Sejer zeichnen sich stets durch einen besonderen Fokus auf die Seelenzustände der Figuren und psychologische Tiefe aus. Von Beginn an ist der Leser über den Täter im Bilde. Er verfolgt unentwegt Charles' Gedankengänge, die Vorbereitungen für den Mord und die Tat selbst sowie sein anschließendes Martyrium, seine ständige Angst vor Entdeckung. In kleinen Rückblicken wird man in seine Vergangenheit geführt. Man erfährt, wie er schon während seiner Ehe allmählich auf die schiefe Bahn geriet und der Faszination des Glücksspiels erlag.

Dass man Charles einerseits für den Mord verabscheut und andererseits hin und wieder in Versuchung gerät, ihn wegen seines Schicksals zu bedauern, bildet einen interessanten Spannungspunkt, der den Leser fesselt - obwohl dies keiner der konventionellen Krimis ist, bei denen man den Mörder erraten muss. Dennoch bleiben genug Faktoren übrig, die bis zum Schluss ungewiss sind. Man fragt sich, ob Charles von Kommissar Sejer gefasst werden wird oder sich womöglich selber stellt, ob seine Tochter, bei der der plötzliche Geldsegen natürlich Misstrauen erweckt, hinter die schreckliche Tat kommt, oder ob Charles sogar zusammenbricht und aus Verzweiflung Selbstmord begeht.

Im Gegensatz zu anderen Werken der Autorin taucht der ermittelnde Kommissar Sejer hier nur am Rande auf. Wer die Reihe also vorwiegend wegen seiner Person verfolgt, wird in diesem Band sicher zunächst leicht enttäuscht werden. Gewöhnungsbedürftig ist auch der Stil des Buches, es dominieren die Hauptsätze, die sich oft anstelle eines Nebensatzes aneinanderreihen.

Ein interessanter Krimi aus der Kommissar-Sejer-Reihe, in dem man intensiv an der Psyche des Mörders teilnimmt.

Bewertung vom 12.09.2009
Der Musterknabe
Redmond, Patrick

Der Musterknabe


sehr gut

England, 1945: Die sechzehnjährige Anna Sidney erwartet ein Kind vom Soldaten Edward, der kurz nach ihrem Kennenlernen in den Krieg gezogen ist. Obwohl er Anna versprochen hat, sie danach zu heiraten, kehrt er nicht mehr zurück. Ihr Sohn Ronnie wird zu ihrem Lichtblick im Leben, den sie gegen alle widrigen Umstände behält. Ronnie wächst zu einem hübschen, intelligenten Jungen heran, der von Anna vergöttert wird und sie für ihr bisheriges Leid entschädigt. Niemand ahnt etwas von seinem eiskalten Charakter unter der strahlenden Fassade.

Im idyllischen Oxfordshire lebt die kleine Susan Ramsey, ein bildhübsches Mädchen, das eine besonders enge Beziehung mit ihrem liebevollen Vater hat. Auch als ihre Mutter nach einem Nervenzusammenbruch in eine Klinik muss, beweist sie Tapferkeit. Doch kurz nach der Genesung stirbt Susans Vater an einem Herzinfarkt und ihre Welt bricht zusammen. Aus Angst vor Einsamkeit heiratet ihre Mutter Andrew Bishop, der Susan über Jahre hinweg sexuell missbraucht.

Ronnie und Susan sind vierzehn, als sie sich auf der Schule begegnen.Endlich kann Susan ihr schreckliches Geheimnis jemandem anvertrauen. Ronnie begeht als Liebesbeweis ein furchtbares Verbrechen. Langsam erahnt Susan seinen dunklen Charakter ...

Zwei parallel verlaufende Handlungsstränge versprechen doppelte Spannung. Ronnie ist der unberechenbare Psychopath mit dem Engelsgesicht, der einerseits geniale Schulleistungen erbringt und andererseits vor nichts zurückschreckt, wenn es darum geht, sich zu rächen oder seine Mutter zu beschützen.

Im anderen Handlungsstrang dreht sich die Spannung um die Frage, ob und wie sich Susan gegen ihren Stiefvater zu Wehr setzen kann und wird gesteigert, als die beiden Stränge in sich zusammenfallen und sich Ronnie und Susan an der Schule begegnen. Es ist eine Freundschaft zwischen zwei schönen Menschen, die dunkle Geheimnisse in sich tragen und sich danach sehnen, einen Seelenpartner zu finden, dem sie sich anvertrauen können.

Der ausgefeilteste Charakter ist eindeutig "Susie Star", wie Susan Ramsey von ihrem liebevollen Vater genannt wird.Trotz ihrer märchenhaften Schönheit ist sie kein zaghaftes Püppchen. Der durch Susans Stiefvater macht aus dem Thriller phasenweise ein berührendes Psychodrama. Susans Zwiespalt, sich entweder gegen ihren Peiniger zu wehren oder zu riskieren, dass diese Wahrheit ihre Mutter entgültig den Verstand verlieren lässt, wird bewegend und realistisch geschildert, ebenso wie die Veränderung, die im früher so lebenslustigen Mädchen vorgeht.

Es gibt insgesamt nur Kleinigkeiten an diesem Werk zu kritisieren. Gerade im Vergleich mit Susan fällt die Charakterisierung von Ronnie ein wenig ab. Er ist teilweise ein Klischee-Psychopath, wie man ihn schon aus vielen anderen Romanen kennt - nach außen hin intelligent, gutaussehend und höflich, innerlich eiskalt und abgestumpft. Insgesamt ein durch und durch spannender Thriller über einen Psychopathen und das berührende Schicksal eines jungen Mädchens vor dem Hintergrund der fünfziger Jahre.

Bewertung vom 12.09.2009
Tender Bar
Moehringer, J. R.

Tender Bar


sehr gut

Der siebenjährige JR lebt mit seiner Mutter in Manhasset auf Long Island im Haus seines Großvaters, einem meist mürrischen alten Mann. JRs Mutter versucht immer wieder, sich und ihren Sohn alleine zu versorgen und auszuziehen, kehrt jedoch früher oder später aus Geldmangel zurück. Seinen Vater, einen Radio-Moderator aus New York, hat sie wegen dessen Gewalttätigkeiten bereits kurz nach seiner Geburt verlassen. JRs Vater weigert sich, Unterhalt zu zahlen und nimmt keinen Anteil an seinem Sohn. Dafür verfolgt JR seine Radiosendungen als Ersatz für die väterliche Zuwendung.

Ein wichtiger Punkt in JRs Leben ist sein Onkel Charlie. Nachdem Charlie als junger Mann durch eine Krankheit sämtliche Kopf- und Körperhaare verloren hat, zieht er sich in die Bar zurück, in der er hinter der Theke arbeitet. Im "Dickens" treffen sich Männer, um über bei Alkohol über Frauen, Wetten, Sport und das Leben an sich zu reden. Bereits als Kind ist JR fasziniert von diesem Ort.

Während JRs Mutter zum Geldverdienen nach Arizona zieht, um sich endlich ein wenig Unabhängigkeit zu verschaffen, besucht er die High School und arbeitet nebenbei in einem Buchladen. Die skurrilen Betreiber, Bud und Bill, unterstützen JRs Wunsch, an der Universität von Yale zu studieren. Wider Erwarten wird JR angenommen, die Freude durch die harte Arbeit in Yale aber gedämpft. Und immer wieder findet er Halt im "Dickens", wo er sein erstes Bier trinkt, sein erstes Baseballspiel sieht, Sinatra hört und die Gesellschaft der Männer sucht, die ihm wie Ersatzväter sind ...

Ein Junge und kein Vater, dafür eine gemütliche Bar und ein Haufen trinkfester Männer, welche die Vaterrolle gerne übernehmen - das ist der Dreh- und Angelpunkt dieses Werkes, das in den USA wie mittlerweile auch in Deutschland gefeiert wird und bereits zu einem der am höchsten gelobten Werke des frühen Jahrhunderts aufgestiegen ist.

JR berichtet von seinem Leben, angefangen von seiner Kinderzeit bis er Mitte zwanzig ist und New York verlässt. In kleinen Episoden erzählt er von den Menschen, die ihn auf diesem Weg umgeben. JR wird früh zu einer Sympathie- und Identifikationsfigur für den Leser. Durch sein ganzes Leben zieht sich ein permanenter Wechsel von Licht und Schatten. Wünsche, Hoffnungen und Träume wechseln sich mit Erfolgen und schmerzlichen Niederlagen ab. Mit dem Studiumsplatz in Yale scheint JR zunächst das Glück gepachtet zu haben, bis er feststellt, dass er weder zu den elitären Kreisen seiner Kommilitonen gehört noch die Professoren mit seinen Arbeiten beeindrucken kann. In Yale begegnet JR der bildhübschen Sidney, einer reichen Oberschichtstochter mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein, die ihn gekonnt um den Finger wickelt und ihm den Kosenamen "Trouble" verpasst - mit Recht, denn Sidney verschafft JR den ersten ernsthaften Schmerz und Kummer in seinem Leben, und wieder ist es das Dickens mit den Männern darin, das er als Zuflucht wählt.

Manche Episoden sprühen vor Charme und leisem Humor, andere bewegen und berühren, aber manchmal ziehen sich belanglose Schilderungen allzu zäh über die Seiten und man wünscht, Moehringer würde der Lesefreundlichkeit zuliebe ein wenig straffen, denn nicht alle eigenen Erlebnisse sind für den Leser genauso interessant wie für den Autobiographen. Vor allem zu Beginn ist Geduld gefordert, denn Moheringer ist ein sehr gemächlicher Erzähler, der sich Zeit für seine Schilderungen nimmt, so unspektakulär sie manchmal auch daherkommen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.09.2009
Die sieben Tore / Die drei Fragezeichen - Hörbuch Bd.108 (1 Audio-CD)

Die sieben Tore / Die drei Fragezeichen - Hörbuch Bd.108 (1 Audio-CD)


sehr gut

Justus Jonas wird auf das abgelegene Anwesen des reichen Mr. Carter gerufen. Als der eigenbrödleriche Mann sieht, wie jung Justus ist, will er ihn zunächst nicht mit seinem Fall beauftragen. Da es für Justus jedoch zu spät ist, mit dem Bus zurückzufahren, bleibt er über Nacht. Widerwillig erklärt ihm Mr. Carter auf sein Drängen hin den Auftrag: Justus soll die "sieben Tore" auf dem Grundstück finden, mehr will Mr. Carter nicht sagen.

Bei seiner nächtlichen Erkundung auf dem Gelände trifft Justus auf den Gärtner. Von ihm erfährt er, dass Mr. Carter vor einem halben Jahr einen schweren Autounfall hatte und wochenlang im Koma lag. Dabei verlor er auch die Erinnerung an die letzten neun Monate vor dem Unfall. Seitdem ist er verzweifelt auf der Suche nach einem Weg, sein Gedächtnis an diese Zeit wiederzufinden. Ein Brief soll ihn vor kurzem besonders verstört haben.
Als Justus Mr. Carter am nächsten Vormittag mit diesen Informationen konfrontiert, zeigt er ihm den Brief. Ein Unbekannter fordert Mr. Carter darin auf, nach den "sieben Toren" zu suchen, wenn er sein Gedächtnis wiedererlangen will. Später am Tag stoßen Peter und Bob hinzu. Gemeinsam suchen sie das gesamte Haus ab, um das Rätsel der sieben Tore zu lösen, Mr. Carter seine Erinnerungen wiederzugeben und herauszufinden, wer der anonyme Briefeschreiber ist. Nicht nur, dass sie sehr wenige Hinweise haben, sie treffen auch Mr. Carters Freundin Enid, die sie überreden will, die Suche aufzugeben ...

Back to the roots heißt es in dieser Folge für die drei Fragezeichen, denn die Episode vereint nahezu alles, was man von den Klassikern kennt: Einen undurchschaubaren Auftraggeber, ein unheimliches Anwesen und ein Rätsel, das gelöst werden muss.

Das liegt vor allem an Mr. Carters riesigem, verwinkeltem Anwesen und an seinem zurückhaltenden Charakter. Mr. Carter ist ein Nachtmensch, er hasst laute Geräusche, ist nach seinem Unfall immer noch abgemagert wie eine Vogelscheuche und gibt kaum eine Information freiwillig preis. Natürlich fehlt auch nicht der unheimliche Butler, der die Angewohnheit hat, wie aus dem Nichts aufzutauchen und die drei Fragezeichen gehörig zu erschrecken. Mr. Carters Charakter ist schwer zu beurteilen und daher auch die Frage, was er womöglich zu verbergen hat.

Erfreulich an der Geschichte ist außerdem, dass der Hörer bei den Ermittlungen mitraten kann. Das Rätsel der "sieben Tore" wird erst kurz vor Schluss gelöst und bis dahin kann man seine grauen Zellen anstrengen, was es mit dieser Botschaft wohl auf sich hat.

Außer den drei Hauptsprechern, die wie üblich überzeugen, ist vor allem Claus Wilcke hervorzuheben. Er ist der ideale Sprecher für den mysteriösen Caspar Carter, den er mit rauher Stimme und bedächtiger Sprechweise perfekt verkörpert. Auf dem Hörspielsektor kennt man ihn vor allem als König Julius aus der Kindergruselreihe "Hui Buh".

Die Geschichte ist so gut inszeniert, dass man kaum etwas daran bemängeln kann. Etwas übertrieben ist das Ende gestaltet, Mr. Carters abschließenden Worten hätte ein bisschen weniger Pathos gutgetan. Zudem stört seine extreme Überraschung darüber, dass Justus so gut informiert ist über ihn und nicht ahnt, wer ihm diese Informationen zukommen ließ.

Eine sehr spannende und geheimnisvolle Folge mit einem düsteren Schauplatz und kniffligen Rätseln. Die drei Detektive bekommen es mit einem interessanten Auftraggeber und einem ungewöhnlichen Fall zu tun. Eine ruhige Episode mit dichter Atmosphäre, die sehr positiv an die frühen Fälle der Serie erinnert und wieder einmal mit hervorragenden Sprechern besetzt wurde.

Bewertung vom 11.09.2009
Das Albtraumreich des Edward Moon
Barnes, Jonathan

Das Albtraumreich des Edward Moon


ausgezeichnet

London im Jahr 1901: Der Bühnenzauberer Edward Moon, mittlerweile über vierzig, hat seine besten Zeiten hinter sich gelassen. Moons Leidenschaft gilt allerdings dem Lösen von Kriminalfällen. In über sechzig Fällen hat er als Hobbydetektiv ansehnliche Erfolge verzeichnet und Scotland Yard große Dienste erwiesen. Moon sehnt sich danach, endlich wieder einen solchen Fall bearbeiten zu können.

Kurz darauf wird er von Inspektor Merryweather berufen, eine seltsame Mordserie aufzuklären. Bereits zwei Männer, die aus reichen Familien stammten und dem Laster verfielen, stürzten aus ungeklärten Gründen aus einem unbewohnten Gebäude in einer finsteren Gegend, das früher als Wasserturm diente. Das zweite Opfer erzählt im Sterben noch, von einem affenartigen Wesen mit Schuppen im Gesicht angefallen worden zu sein.

Edward Moon ist überzeugt davon, den Mörder finden zu können. Gemeinsam mit seinem Assistenten, dem riesigen, stummen Schlafwandler mit dem kindlichen Gemüt, nimmt er die Fährte auf. Sein Weg führt ihn in die Unterwelt des viktorianischen London, in Opiumhöhlen, einen Wanderzirkus mit Kuriositätenkabinett und zu einem Geheimbund. Bei seinen gefährlichen Ermittlungen kommt Moon einer großen Verschwörung auf die Schliche ...

Den Leser erwartet ein buntes Potpourri von bizarren Gestalten, von denen man einige rasch ins Herz schließt. Im Mittelpunkt steht Edward Moon, durchaus recht häufig ein mürrischer Charakter, den man dennoch aufgrund seines trockenen Humors lieb gewinnt, wie es der Erzähler beinah abfällig vermutet. Moon ist alles andere als ein fehlerfreier Mensch, dabei aber auf eine liebenswürdige Art verschroben. Eine besondere Rolle kommt dem Erzähler zu, der bis über die Mitte des Buches hinaus seine Identität verschweigt, immer wieder kommentierende Einwürfe hinzugibt und auch vor kleinen Lügen nicht zurückschreckt.

Die interessanteste Gestalt ist zweifellos der Schlafwandler, der dem Original den Titel verlieh, und der durchgehend bei diesem Namen genannt wird. Zwar ist die Figur des freundlichen Riesen alles andere als originell, dennoch ist der stumme Zauber-Gehilfe viel mehr als ein bloßes Abziehbild. Ob er wirklich stumm ist oder nur nicht sprechen möchte, weiß nicht einmal Edward Moon selbst, zumindest scheint es ihm zu genügen, sich mittels handlicher Kreidetafel in telegrammartigen Äußerungen zu verständigen - auch wenn es dabei hin und wieder zu Komplikationen kommt.

Die Halbwelt, in der sich Edward Moon bewegt, ist eine seltsame Ansammlung voller in ihrer Übertriebenheit leicht parodistischer Klischees des viktorianischen London. In den dunklen Gassen bewegen sich zahlreiche zwielichtige Gestalten, in den Wanderzirkussen leben unaussprechliche Geschöpfe. Es ist eine finstere, bedrohliche Welt, in der die Untoten Jagd auf Menschen machen und ein Zeitreisender Warnungen über Bombenangriffe auf London ausspricht, gleichzeitig aber auch eine Karikatur etlicher Schauerromane, in denen die Unholde durch die Straßen streifen und dunkle Pläne schmieden.

So brillant der Roman auch in der ersten Hälfte und vor allem im ersten Drittel daherkommt, er besitzt auch Schwächen, die vor allem gegen Ende zu Tage treten. Der geradlinige Handlungsverlauf wird verlassen und durch überflüssige Nebensächlichkeiten angereichert. Anstatt den Fokus weiterhin auf skurrile Begebenheiten zu legen, rücken wilde Verschwörungstheorien in den Mittelpunkt, die unnötig aufgebauscht werden, als wolle der Roman sich dadurch zusätzliche Wichtigkeit verleihen.

0 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2009
Die letzte Spur
Link, Charlotte

Die letzte Spur


gut

Die Hochzeitseinladung ihrer ehemaligen Kinderfreundin Rosanna in Gibraltar sorgt für einen Lichtblick in Elaine Dawsons trübem Alltag. Doch Elaine hat Pech, Nebel verhindert den Flug und sie sitzt hilflos am Flughafen Heathrow. Ein Anwalt, der ihre missliche Lage erkennt, bietet ihr eine Übernachtung bei sich zuhause an. Elaine nimmt dankbar an - und verschwindet spurlos.

Fünf Jahre später: Rosanna Hamilton fühlt sich in ihrer Ehe und ihrem Leben auf Gibraltar immer weniger glücklich. Sie sehnt sich danach, wieder in ihrem alten Beruf als Journalistin zu arbeiten. Dankbar nimmt sie ein Angebot ihres ehemaligen Chefs an und reist nach London. Sie soll eine Zeitungsserie über vermisste Personen schreiben, darunter auch über den ungelösten Fall von Elaine. Rosanna rollt den Fall wieder auf, nicht nur aus journalistischem Interesse, sondern auch um ihre Schuldgefühle über das Verschwinden der Freundin zu bewältigen.

Dabei konzentriert sie sich auf den Anwalt Marc Reeve - den Mann, der Elaine damals mit nach Hause nahm. Obwohl er stets beteuerte, Elaine am nächsten Tag zum Flughafen zurückgebracht zu haben und die Polizei ihm nie etwas nachweisen konnte, wurde er den Verdacht nie los. Besonders Geoffrey versuchte mit allen Mitteln, sein Leben zu zerstören. Nur widerstrebend zeigt er sich zur Kooperation mit Rosanna bereit. Doch bald stößt die Journalistin auf Hinweise, dass Elaine möglicherweise noch lebt ...

Verschwundene Personen, ein unbekannter Mörder und Frauen in Gefahr, das sind die Zutaten, die Charlotte Link nicht zum ersten Mal für einen Spannungsroman verwendet. Sollide wie üblich versteht es Charlotte Link, durchgängig Spannung aufzubauen. Trotz des Umgangs stellen sich erfreulicherweise keine Längen ein. Vielmehr fesselt den Leser von Beginn an die Frage, was mit Elaine Dawson geschehen sein mag. Dabei sind viele Möglichkeiten denkbar: Wurde Elaine auf dem Weg zum Flughafen entführt und ermordet? Wird sie vielleicht irgendwo gefangen gehalten und fristet vielleicht ein Dasein als Zwangsprostituierte? Gab es vielleicht einen Unfall, bei dem sie unbemerkt ums Leben kam? Oder ist Elaine gar freiwillig aus ihrem Leben ausgestiegen, hat eine neue Identität angenommen und will gar nicht gefunden werden? Alles scheint möglich und zugleich nichts davon wirklich realistisch.

Aber nicht nur die Suche nach Elaine Dawson, sondern auch die Schicksale der Menschen, die mit ihrem Fall verwoben sind, sorgen für Spannung. Vordergründig geht es dabei um Rosanna Hamilton, die nicht verwinden kann, dass es ihre Hochzeitseinladung war, die zum Verschwinden von Elaine führte, der sie nie besonders nah stand und bei der sie wusste, dass eine solche Reise die junge Frau womöglich überfordern würde. Im Fokus liegt aber auch Rosannas Ehe- und Familienleben. Nie hat sie sich auf Gibraltar eingelebt, stattdessen vermisst sie ihr ländliches Kingston St. Mary und ihre abwechslungsreiche Arbeit als Journalistin.

Schwächen gibt es allerdings auch, denn trotz der eingebauten Nebenhandlungen, die sich um die Probleme der Figuren abseits der Suche nach der Vermissten drehen, besitzt das Buch keine wirkliche Tiefe und wirkt nicht lange nach dem Lesen nach. Zwar lässt einen das Schicksal der Charaktere nicht kalt, aber es reicht nicht, um den Leser mitleiden zu lassen. Dazu kommt, dass die Dialoge oft gestelzt klingen, gerade in emotionalen Momenten zu überlegt und dadurch nicht realistisch.

Ein solider Thriller von Erfolgsautorin Charlotte Link, der sich um mysteriöse Frauenmorde und die Suche nach einer verschwundenen Person dreht. Für Spannung ist durchgehend gesorgt, auch dank der überraschenden Wendungen. Kleine Schwächen liegen in der mangelnden Tiefe, die das Werk nicht weit über einen durchschnittlichen Unterhaltungsroman ohne größere Ansprüche hebt.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2009
Das Feuermal
Kaes, Wolfgang

Das Feuermal


sehr gut

Detektiv Max Maifeld, Spezialist für dubiose Fälle, erhält einen brisanten Auftrag: Er und sein Team sollen ein gestohlenes Bild ausfindig machen und dem anonymen Auftraggeber zurückbringen. Bei dem Gemälde, das er in Spanien aufspürt, handelt es sich vermutlich um ein bisher unbekanntes Frühwerk von Dalí. Bei der Übergabe stellt sich jedoch heraus, dass der vermeintliche Besitzer gar nicht der Auftraggeber war. Dieser wiederum scheint Max rund um die Uhr zu beobachten und ein persönliches Interesse zu verfolgen, das weit über die Bildbeschaffung hinausgeht.

Zur gleichen Zeit geschehen in der Köln-Bonner Gegend zwei spektakuläre Morde. Der eine Tote ist ein abgehalfterter Journalist, der andere ein alter Mann kurz vor dem Leberzirrhosentod. Das Kommissarenteam Josef Morian und Antonia Dix stellt bald eine Verbindung zwischen den Mordfällen und ihrem Freund Max her. Der Journalist recherchierte kurz vor seinem Tod über Max' Vergangenheit, der alte Mann arbeitete als Knecht für den Großunternehmer Franz Brandesser, dessen Sohn Walther einst aus unbekannten Gründen eine Operation für den damals dreijährigen Max bezahlte.
Allen Warnungen von Morian und Antonia zum Trotz stürzt sich Max in die Recherchen. Dabei führt ihn sein Weg zurück in das abgeschiedene Eifeldorf seiner Kindheit, wo ein dunkles Geheimnis seiner Familie ans Licht kommt. Sein Leben scheint noch enger mit dem Fremden verknüpft als befürchtet. Der einzige Hinweis auf den Mörder ist das Feuermal, das sein Gesicht entstellt. Fieberhaft ermitteln Morian und Antonia, um ihrem Freund zu helfen - denn auch er droht ein Opfer des Rachefeldzuges zu werden ...

"Das Feuermal" ist der vierte Fall von Kommissar Josef Morian und seiner Kollegin Antonia Dix und wie schon die vorherigen Bände ein überzeugender Thriller mit einem durchweg sympathischen Ermittler-Duo. Diesmal liegt der Fokus nicht auf Morian und Antonia, sondern auf ihrem gemeinsamen Freund Max Maifeld, der ihnen schon bei früheren Fällen als Privatdetektiv zur Seite gestanden hat und hier einmal von ihrer Hilfe profitiert.

Die Handlung setzt ein mit dem Mord an Journalist Pelzer und setzt somit direkt ein Ausrufezeichen. Längen gibt es bis zum Schluss keine, dafür sorgen schon allein die häufigen Schauplatzwechsel. Mal konzentriert sich die Handlung auf Antonia Dix, mal auf Josef Morian, der anfangs noch im Urlaub weilt, dann wieder auf Hurl oder auf Max, die ebenfalls teilweise unabhängig voneinander unterwegs sind. Über den Täter steht lange Zeit nur fest, dass er durch ein Feuermal gezeichnet ist, sich auf einem Rachefeldzug befindet und auf Max fixiert ist, mit dem ihn etwas zu verbinden scheint. Mehrere Dorfbewohner scheinen in die Geschehnisse involviert zu sein. Zum einen entsteht die Spannung durch die Frage, was sie über den Mörder wissen, zum anderen durch die Geheimnisse, die Max nach und nach in seiner eigenen Familie aufdeckt. Wolfgang Kaes gelingt es, glaubwürdig die kleine, verschrobene Welt der Dorfbewohner aufzuzeigen, die sich gegen jeden äußeren Einfluss wehren und die düstere Vergangenheit abschotten.

Da die ersten drei Viertel so gelungen aufbereitet werden, stellt sich beim Leser automatisch eine hohe Erwartungshaltung an das Finale ein, die nicht ganz bestätigt werden kann. Im Vergleich zur vorherigen Handlung verläuft das Ende relativ unspektakulär. Offene Fragen werden zwar beantwortet, doch einen richtigen Showdown, wie man ihn lange Zeit vermutet, gibt es nicht. Ein weiterer kleiner Makel sind die Ermittlungsarbeiten von Max bezüglich des Bildes, die zu einfach ablaufen.