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Ste

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Insgesamt 181 Bewertungen
Bewertung vom 14.08.2023
Talus - Die Runen der Macht
Grimm, Liza

Talus - Die Runen der Macht


sehr gut

Eine gelungene Fortsetzung

Vorab: „Talus – Die Runen der Macht“ ist der dritte Band der „Talus“-Reihe. In der Rezension finden sich daher leichte Spoiler zu den ersten beiden Bänden der Reihe.

Inhalt: Nach dem Fall des Würfels Talus hat sich die magische Welt unterhalb Edinburghs verändert: Während die Tarotleger an Macht gewannen, versiegten die Kräfte der Elementarhexen. In dieser neuen Ordnung versucht der Tarotleger Maxwell die Rätsel seiner Vergangenheit zu entschlüsseln. Die Runenhexe Jessica hingegen begibt sich auf die Suche nach Talus, um mithilfe des Würfels ihren Herzenswunsch zu erfüllen. Währenddessen sucht ihre Freundin Emily, eine Kräuterhexe, nach einem Heilmittel für ihre Schwester, die unter einer rätselhaften Krankheit leidet…

Persönliche Meinung: „Talus – Die Runen der Macht“ ist ein Fantasyroman von Liza Grimm. Da die Handlung von „Die Runen der Macht“ die Handlungsfäden des zweiten Bandes („Talus – Die Magie des Würfels“) aufgreift, ist es sinnvoll, die Reihe chronologisch zu lesen. Erzählt wird „Die Runen der Macht“ wechselweise aus den personalen Perspektiven von Maxwell, Jessica und Emily. Während Jessica und Emily bereits Auftritte in den vorherigen beiden „Talus“-Bänden hatten, ist Maxwell eine neue Figur im „Talus“-Universum. Anders als die ersten beiden „Talus“-Bände, die meist in Edinburgh gespielt haben, sind die Handlungsorte von „Die Runen der Macht“ die magischen Höhlen unter Edinburgh. Das Worldbuilding ist dabei wirklich toll: Jede Höhle ist individuell gezeichnet und besitzt unterschiedliche Regeln, nach denen das Leben in der jeweiligen Höhle funktioniert. Sehr schön sind auch die verschiedenen Querverweise zu den ersten beiden „Talus“-Bänden. So werden im dritten Band einerseits die Charakterentwicklungen/Geschichten von Jessica und Emily zu einem schönen Ende geführt, andererseits trifft man einige alte Bekannte aus den ersten beiden Bänden wieder. Diese treten – was besonders spannend ist – teilweise in Rollen auf, die man nach dem Ende des zweiten Bandes nicht unbedingt vermutet hätte. Die Handlung von „Die Runen der Macht“ entfaltet sich zunächst behutsam, steigert aber kontinuierlich die Spannung, da man nie so genau weiß, auf welcher Seite die auftretenden Gruppierungen stehen. Zudem finden sich einige überraschende Wendungen. Das Ende der Handlung ist insgesamt stimmig, allerdings wurde es für mich etwas zu rasch erzählt (dieses Gefühl hatte ich besonders beim Showdown). Der Schreibstil von Liza Grimm ist anschaulich, bildhaft und lässt sich sehr flüssig lesen. Insgesamt ist „Talus – Die Runen der Macht“ ein schön geschriebener Fantasyroman, der die im zweiten Band noch eher offen gelassenen Handlungsfäden stimmig aufgreift und zu einem gelungenen Ende führt.

Bewertung vom 13.08.2023
Die Empfänger
Leuchtenberger, Michael

Die Empfänger


ausgezeichnet

Eine Sammlung atmosphärischer Grusel- und Horrorgeschichten

„Die Empfänger“ ist eine Kurzgeschichtensammlung von Michael Leuchtenberger, die elf Geschichten versammelt. Die Kurzgeschichten lassen sich schwerpunktmäßig im Bereich des Horrors/Grusels ansiedeln, wobei in jeder Geschichte unterschiedliche Gattungselemente genutzt werden. So finden sich eher klassische Gruselgeschichte („Am Ypsilon links“, „Der Denunziant“, „Exponat 55a“, „Die Klagesteine“) neben („Survival“)-Horrorgeschichten („Wo ist Lex?“, „Wildwasser“, „Unausweichlich“). Zusätzlich finden sich vier Geschichten, die sich dem Gruselspektrum im weiteren Sinne zuordnen lassen, allerdings nicht völlig in diesem aufgehen. So handeln bspw. „Cosima“ und „Die Kapsel“ von alltäglichen Situationen: Während in „Cosima“ das Schauder- und Rätselhafte eines unverhofften Aktenfundes thematisiert wird, behandelt „Die Kapsel“ auf eindringliche Weise introspektiv eine Autofahrt. „Die Stunde ist um“ hingegen besitzt einen experimentellen Charakter und beschreibt episodenartig eine Szene, die sich an einem bestimmten Platz zuträgt. „Kohlmanns Spielwaren“, in der ein magisches Artefakt im Mittelpunkt steht, zeichnet sich durch schöne Stephen King-Vibes und eine Spur Coming of Age aus. Jeder Geschichte sind interessante Insights nachgestellt, in denen Michael Leuchtenberger Einblicke in den Entstehungsprozess der jeweiligen Geschichte gibt. Die Handlungsorte der Kurzgeschichten sind sehr abwechslungsreich: So besucht man – um nur einzelne Handlungsorte zu nennen – u. a. ein Museum, einen Jahrmarkt sowie einen Escape Room (im weiteren Sinne); zugleich finden sich aber auch eher alltägliche Handlungsorte wie das Büro oder das Auto. Zeitlich spielen die Geschichte meist in der Gegenwart bzw. jüngsten Vergangenheit. Ausnahmen bilden hier „Die Stunde ist um“, deren Handlung zeitlich nicht genau festgelegt ist, und „Die Klagesteine“, welche Anfang des 19. Jahrhunderts spielt. Eine große Stärke der Geschichten ist ihre jeweilige atmosphärische Dichte: In jeder Geschichte wird erzähltempomäßig perfekt ein subtiler Grusel aufgebaut, der – mal eher in Richtung Mystery, mal in Richtung Horror tendierend – nahezu ohne Blutvergießen daherkommt. Der Schreibstil von Michael Leuchtenberger ist angenehm, anschaulich und lässt sich flüssig lesen. Insgesamt versammelt „Die Empfänger“ elf atmosphärisch dichte, abwechslungsreiche Grusel-/Horrorgeschichte, die erzählerisch perfekt austariert sind und daher auch nach der Lektüre noch längere Zeit nachhallen.

Bewertung vom 05.06.2023
Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1
Bonetto, Andrea

Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1


sehr gut

Ein spannender Krimi mit schönem Italien-Flair

Inhalt: Commissario Vito Grassi ist ein waschechter Römer. Doch als sein Vater, zu dem er seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte, plötzlich verstirbt und ihm ein kleines Rustico in Ligurien hinterlässt, entscheidet Vito, dort sein Glück zu versuchen. In Ligurien angekommen, erwartet ihn nicht nur die rätselhafte Toni, die, ihm unbekannt, seit Längerem im Rustico seines Vaters lebt: Direkt an seinem ersten Tag wird er als leitender Ermittler in einem neuen Fall eingesetzt. Eine Frau wurde tot in einem alten Eisenbahntunnel nahe der Küste gefunden; scheinbar verunfallt – wäre da nicht ein Detail, das Rätsel aufgibt…

Persönliche Meinung: „Abschied auf Italienisch“ ist ein Kriminalroman von Andrea Bonetto, der den Auftakt einer neuen Reihe um den Commissario Vito Grassi bildet. Erzählt wird die Handlung aus der personalen Perspektive von Vito. Die Handlung des Krimis entfaltet sich behutsam: Zunächst lernt man die einzelnen Figuren (neben Vito und Toni u. a. die neuen Kolleg*innen Vitos) sowie die ligurische Landschaft, in dem der Krimi spielt, näher kennen. Eine große Stärke des Krimis ist dabei seine Atmosphäre: Durch sprachliche Einsprengsel, bestimmte Figuren (mit besonderen Eigenarten) und malerische Beschreibungen der Cinque Terre kommt ein wirklich schöner Italien-Flair auf, sodass man am liebsten sofort ins Auto steigen und die Küste Liguriens entlangfahren möchte. Der Fall, in dem Vito ermittelt, ist spannend aufgebaut und lädt zum Miträtseln ein: Man ist während der Lektüre immer auf Augenhöhe mit Vito, sammelt gemeinsam mit ihm nach und nach neue Informationen und geht Hinweisen nach, sodass sich schrittweise ein Gesamtbild ergibt. Die Auflösung lässt sich daher ab einem bestimmten Punkt erahnen; wie genau/warum alles zusammenhängt, ist allerdings überraschend. Eine besondere Note erhält der Krimi zudem durch Kompetenzgerangel, das sich im Roman zwischen den einzelnen Organisationen des italienischen Polizeisystems entwickelt. Daneben spielt auch das Privatleben der einzelnen Figuren innerhalb der Handlung eine wichtige Rolle: Während bspw. der Tod seines Vaters Vito mehr belastet, als er sich eingestehen möchte, hat Toni eine ganz eigene Geschichte mit der italienischen Polizei. Der Schreibstil von Andrea Bonetto ist bildhaft und lässt sich angenehm lesen. Insgesamt ist „Abschied auf Italienisch“ ein spannender Kriminalroman mit einem schönen Italien-Flair.

Bewertung vom 29.05.2023
Die schlafenden Geister des Lake Superior / Peter Grant Bd.10
Aaronovitch, Ben

Die schlafenden Geister des Lake Superior / Peter Grant Bd.10


ausgezeichnet

Ein spannender und kurzweiliger Fantasyroman

Inhalt: Kimberley Reynolds, Spezialagentin des FBI für übernatürliche Geschehnisse, ist auf dem Weg nach Eloise, Wisconsin: Ein ehemaliger Kollege, der dort lebt, hat rätselhafte Ereignisse gemeldet, reagiert allerdings nicht mehr auf Kontaktaufnahmen. In Eloise angekommen, trifft Kimberley auf die Zerstörungen eines eigentlich unmöglichen Schneesturms – und der Exkollege ist spurlos verschwunden…

Persönliche Meinung: „Die schlafenden Geister des Lake Superior“ ist ein Urban Fantasy-Kurzroman von Ben Aaronovitch. Die Handlung spielt im „Die Flüsse von London“-Universum, ist aber ein Spin-off der Hauptreihe um Peter Grant, sodass man den Roman auch ohne Kenntnis der Reihe lesen kann. Protagonistin und Ich-Erzählerin der Handlung ist die FBI-Agentin Kim Reynolds, die schon den ein oder anderen Auftritt in der „Die Flüsse von London“-Reihe hatte und nun – nach den Begegnungen mit Peter Grant – die Expertin für übernatürliche Zwischenfälle beim FBI ist. Ähnlich wie in den Peter Grant-Romanen vermengt sich auch in „Die schlafenden Geister des Lake Superior“ Fantasy mit Krimi: So ermittelt Kim nicht nur im Fall des verschwundenen Exkollegen, sondern versucht außerdem herauszufinden, warum das Wetter in Eloise verrücktspielt – wobei beide Fälle mit einer schönen Portion Fantasy angereichert sind. Die Fantasy tendiert dabei diesmal leicht in Richtung Horror (Ohne zu viel spoilern zu wollen: Es gibt einige wirklich atmosphärische Szenen mit einem schönen Grusel). Was mir ebenfalls sehr gut gefallen hat: Durch die Perspektivierung von Kim wird das Universum der „Die Flüsse von London“-Reihe wieder ein Stück größer und erhält ein paar neue, interessante Aspekte hinzu. Die Handlung besitzt durch einige rätselhafte Momente eine schöne Spannungskurve und endet mit einem überraschenden Twist. Der Schreibstil von Ben Aaronovitch ist gewohnt flüssig und anschaulich; im Vergleich zu den Peter Grant-Romanen aber ein bisschen lakonischer, was ich aber nicht weiter schlimm fand. Insgesamt ist „Die schlafenden Geister des Lake Superior“ ein kurzweiliger und spannender Fantasyroman, der eine schöne Ergänzung der „Die Flüsse von London“-Reihe ist.

Bewertung vom 28.05.2023
Die letzten Hexen von Blackbird Castle
Bachmann, Stefan

Die letzten Hexen von Blackbird Castle


ausgezeichnet

Ein spannender Phantastik-Jugendroman, der eine dichte Atmosphäre besitzt

Inhalt: Das Leben der zwölfjährigen Zita Brydgeborn ändert sich schlagartig, als plötzlich eine Vogelscheuche über die Gartenmauer steigt und ihr einen Brief übergibt: Sie soll die Alleinerbin von Blackbird Castle sein, einem riesigen Schloss, das einsam auf einer Bergkuppe liegt. Dort angekommen, erwarten sie aber nicht nur zwei Diener, die bestimmte Dinge nicht sagen können, eine Nachlassverwalterin, die sie nicht ausstehen kann, und einige Geheimnisse, die im Gemäuer von Blackbird Castle schlummern – Zita erfährt außerdem, dass sie eine Hexe ist…

Persönliche Meinung: „Die letzten Hexen von Blackbird Castle“ ist ein phantastischer Jugendroman von Stefan Bachmann. Erzählt wird die Handlung aus der Ich-Perspektive Zitas, die wir bei ihrer Ausbildung zur Hexe begleiten (das Hexensein funktioniert im Roman etwas anders als üblich, was eine schöne Abwechslung zu altbekannten Hexenmotiven ist). Gleichzeitig erkundet man während der Lektüre gemeinsam mit Zita Blackbird Castle. Denn: Dort passieren einige merkwürdige Geschehnisse, deren Ursprung Zita ans Licht bringen möchte. Eine große Stärke des Romans ist seine Atmosphäre: In bildhafter, mit schönen Vergleichen und Metaphern gespickter Sprache werden hier viele dichte, leicht schaurige Szenerien entworfen (Ich will hier jetzt nicht zu viel spoilern, welche Orte Zita aufsucht. Nur: Man findet in „Die letzten Hexen von Blackbird Castle“ quasi alles, was das Gothic novel-Herz begehrt, allerdings so verpackt, dass es sich auch für jüngere Lesende eignet). Was mir ebenfalls gut am Roman gefallen hat, sind die vielen originellen phantastischen Elemente: Klar, bestimmte Motive, Gegenstände etc. hat man irgendwie so schon mal gelesen, aber es findet sich über die gesamte Handlung hinweg doch recht viel Anderes und Neues. Die Handlung entfaltet sich zunächst behutsam, gewinnt dann aber, durch leichte Mysteryelemente und Gruselmomente, immer mehr an Spannung. Die Handlung schließt zudem mit einem überraschenden Twist, der schön aufgebaut wird. Der Schreibstil von Stefan Bachmann ist anschaulich, reich an satten Bildern und lässt sich sehr flüssig lesen. Insgesamt ist „Die letzten Hexen von Blackbird Castle“ ein spannender Phantastik-Jugendroman, der erzählerisch mit einer dichten Atmosphäre auftrumpft.

Bewertung vom 02.05.2023
Die Zentrale
Etzold, Veit

Die Zentrale


ausgezeichnet

Eine spannende Fortsetzung

Inhalt: Nachdem die Bankerin Laura Jacobs einen Komplott bei der BWG Bank entdeckt hat, wird sie von der Chefetage zum Hauptquartier der Bank beordert, um dort mit bei der restlosen Aufklärung des finanziellen Skandals behilflich zu sein. Doch je länger Laura sich mit den Finanzen der Bank beschäftigt, desto deutlicher wird: Der von ihr entdeckte Komplott ist nur die Spitze des Eisbergs…

Persönliche Meinung: „Die Zentrale – Allein gegen das System“ ist ein Thriller, der in der Finanz- und Bankenwelt spielt. Es handelt sich um den zweiten Band der „Laura Jacobs“-Reihe, die mit „Die Filiale“ begonnen hat. Da „Die Zentrale“ inhaltlich auf „Die Filiale“ aufbaut, ist es sinnvoll, die Bände chronologisch zu lesen (fängt man mit „Die Zentrale“ an, spoilert man sich für den ersten Band). Erzählt wird die Handlung aus der personalen Perspektive von Laura Jacobs in vielen, eher kurzen Kapiteln, sodass sich der Thriller flott lesen lässt. Auch kommt es innerhalb der Handlung zu mehreren Wechseln des Handlungsortes, wodurch der Thriller vergleichsweise temporeich ist. Der „Thrill“ des Buches ist nicht effektheischend, sondern schön subtil: Laura hat es mit einer anonymen „Macht“ zu tun, die sich blinde Flecke des Bankensystems zunutze macht und meisterhaft darin ist, ihre Spuren zu verwischen. Daher verliert sich Laura mehrfach in den Irrwegen des Systems und steht plötzlich vor Sackgassen. Außerdem weiß man während der Lektüre nie so genau, wem Laura tatsächlich trauen kann, wodurch sich eine latente Spannung durch den Thriller zieht. Der Schreibstil von Veit Etzold ist angenehm und lässt sich flüssig lesen. Insgesamt ist „Die Zentrale“ ein thematisch aktueller und spannender Thriller, der mit einigen unerwarteten Wendungen auftrumpft.

Bewertung vom 27.04.2023
Morgen, morgen und wieder morgen
Zevin, Gabrielle

Morgen, morgen und wieder morgen


sehr gut

Geschichten, Geschichten und wieder Geschichten

Inhalt: Harvard in den 1990ern. Sam und Sadie waren in ihrer Jugend mal beste Freunde – doch dann hat Sadie etwas in Sams Augen Unverzeihliches getan. Mittlerweile ist Sam seiner ehemaligen besten Freundin fast zehn Jahre erfolgreich aus dem Weg gegangen. Doch plötzlich steht Sadie in einer U-Bahn-Station vor ihm, und drückt ihm nach einem kurzen Gespräch eine Diskette mit einem von ihr programmierten Computerspiel in die Hand. Zunächst zögert Sam, spielt es dann aber doch – und ist begeistert. So begeistert, dass er Sadie vorschlägt, gemeinsam Computerspiele zu produzieren.

Persönliche Meinung: „Morgen, morgen und wieder morgen“ ist ein Coming of Age-Roman von Gabrielle Zevin. Inhaltlich dreht sich der Roman um Freundschaft, die Liebe, Hoffnungen, Enttäuschungen, Erfolg und Scheitern. Dies alles spielt sich vor dem zeitlichen Hintergrund der 90er und 2000er ab, sodass sich viele popkulturelle Referenzen zu diesen Zeiten im Roman finden. Hauptaugenmerk ist dabei die Gaming-Szene dieser Jahre: Sam und Sadie haben in ihrer Kindheit/Jugend bereits viel gemeinsam gezockt; nun wollen sie ihr Hobby zum Beruf machen. Zu Beginn des Romans spielen dementsprechend auch eher technische Aspekte der Spieleentwicklung eine größere Rolle. Dies legt sich aber nach den ersten hundert Seiten: Verstärkt werden die Games, die Sam und Sadie programmieren, als Geschichten verstanden, deren Handlungsverläufe im Roman durchdacht, diskutiert und kritisiert werden (man könnte den Roman auch „Geschichten, Geschichten und wieder Geschichten“ nennen 🙃). Dementsprechend spielt das „Erschaffen“ von Erzählungen und Erzählwelten in „Morgen, morgen und wieder morgen“ eine große Rolle. Die auftretenden Figuren, allen voran Sadie und Sam, besitzen Ecken und Kanten: Mal kann man sich mit ihnen identifizieren, mal fällt – durch bestimmte Handlungen – das Sympathisieren schwer, früher oder später kann man aber immer ihr Verhalten zumindest nachvollziehen. Erzählerisch ist der Roman brillant: Hauptsächlich wird die Handlung von einem allwissenden Erzähler erzählt, der meist in die personalen Perspektiven von Sam und Sadie schlüpft und auch mal foreshadowing betreibt, allerdings finden sich immer wieder alternative erzählerische Kniffe. So begibt sich der Erzähler bspw. in einem Kapitel in eine Parallelwelt, in einem anderen Kapitel hingegen wird erzählerisch die Arbeitsweise von Sam und Sadie nachgebildet. Erzählerisch wie inhaltlich mein liebstes Kapitel ist „Der NPC“: Dies wird aus der Du-Perspektive erzählt, wodurch die Distanz zwischen Erzählfigur und Leser*in schrumpft; zugleich ist es hochemotional, tragisch und in Bezug auf das Tempo perfekt erzählt (ohne Witz: Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich beim Lesen dieses Kapitels keine Tränen in den Augen hatte). Wirklich ein kleines Meisterstück! Insgesamt ist „Morgen, morgen und wieder morgen“ ein anschaulich geschriebener, interessant erzählter Coming of Age-Roman mit einigen unerwarteten Wendungen. Zwar steht die Gamingwelt im Fokus, allerdings können auch Lesende, die eigentlich nichts mit Games am Hut haben, ihre Freunde an „Morgen, morgen und wieder morgen“ haben, da Spiele hier als Geschichten/Erzählungen (wie man sie auch in Büchern findet) verstanden werden.

Bewertung vom 25.04.2023
Wir Verratenen
Taysen, Jana

Wir Verratenen


ausgezeichnet

Ein vielschichtiger, schön geschriebener Roman, der sich durch lebendige Figuren auszeichnet

Vorab: „Wir Verratenen“ ist der finale Band der „Wir Verlorenen“-Trilogie. Es finden sich in der Rezension daher leichte Spoiler zu den Vorgängerbänden. Weiterlesen erfolgt auf eigene Gefahr 🙃

Inhalt: Die Gefahr scheint gebannt: Nach Jahren des blanken Überlebenskampfes hat Smilla den sicheren Hafen Brüssel gefunden. Dort versuchen die Überlebenden der Plage eine neue, friedliche sowie gerechte Gesellschaft aufzubauen. Doch: So sehr Smilla es auch wünscht, das Leben ist nicht mehr so unbeschwert wie noch vor der Plage. Die Traumata, die die letzten Jahre ausgelöst haben, zeigen sich, jetzt, wo die existenzielle Gefahr bewältigt ist, mit voller Wucht. Zugleich wird in jüngster Zeit auch die fragile Sicherheit, die in Brüssel herrscht, bedroht. Einerseits übt die Untergrundorganisation Magnolia Anschläge auf das Gemeinwesen aus, andererseits häufen sich mysteriöse Todesfälle in der Stadt…

Persönliche Meinung: „Wir Verratenen“ ist ein dystopischer Roman von Jana Taysen. Die Handlung des Romans ist in sich abgeschlossen und zu Beginn wird man kurz up to date gebracht, was in den vorherigen Bänden passiert ist, sodass man „Wir Verratenen“ auch ohne Kenntnis der Vorgänger lesen kann. Für ein tieferes Verständnis der Figurenbeziehungen ist es aber natürlich sinnvoll, die Bände chronologisch zu lesen (kennt man die Geschichten der Figuren, ist außerdem das Mitfiebern größer und bestimmte Situationen/Ereignisse treffen eine*n während des Lesens tiefer). Erzählt wird die Handlung – wie schon die Vorgänger – aus der personalen Perspektive von Smilla, die sich nun, gemeinsam mit Jera, Julius, Giorgio und Nadja, in Brüssel in (relativer) Sicherheit befindet. Allerdings hat der Überlebenskampf der vergangenen Jahre seine Spuren hinterlassen: Alte, schlecht verheilte (mentale) Wunden reißen unvermittelt auf und die Protagonisten müssen sich nun verstärkt mit psychischen Verletzungen auseinandersetzen. Die daraus resultierenden Konflikte (innerlich und zwischen den Figuren) werden anschaulich, authentisch und mit einer sehr großen Intensität nachgezeichnet. Ebenfalls sehr schön in Bezug auf die Figurenzeichnung ist, dass die Figuren nicht nach einem einfachen Schwarz-weiß-Schema funktionieren: Sie weisen insgesamt in ihren Gedanken und Handlungen Schattierungen auf, sodass sie sich nicht zwangsläufig nach „Gut“ und „Böse“ differenzieren lassen. So vielschichtig die auftretenden Figuren sind, so vielfältig ist auch die Handlung von „Wir Verratenen“: Der Roman vereint unterschiedliche Genres in sich. Es finden sich – neben der Dystopie – eine Liebesgeschichte, Elemente von Abenteuer- und Spannungsromanen, ein Hauch Coming of Age und Anleihen eines Gesellschaftsromans (das hört sich jetzt vielleicht alles nach „viel“ an, aber keine Sorge: Die unterschiedlichen Gattungselemente sind wohldosiert; die Handlung ist stimmig und nicht überfrachtet). Eine weitere Stärke des Romans ist seine diskursive Offenheit: Innerhalb von „Wir Verratenen“ werden einzelne Themenfelder (bspw. die Frage nach der „richtigen“ Gesellschaftsordnung) diskutiert, ohne – und das ist das Besondere – dass den Lesenden eine Meinung aufgedrängt wird; was er*sie über die Meinungen der Figuren denkt, wird letztlich ihm*ihr überlassen (der wirklich gelungene Epilog setzt hier quasi auf einer Metaebene nochmal eins drauf). Für Spannung innerhalb des Romans sorgen besonders die großen Fragen, wer hinter Magnolia steckt und was es mit den mysteriösen Todesfällen auf sich hat. Auf dem Weg zur Beantwortung dieser Fragen finden sich immer wieder unerwartete Wendungen, auf die ich hier aber nicht näher eingehen möchte 🙃 Der Schreibstil von Jana Taysen ist anschaulich, bildhaft und lässt sich sehr angenehm lesen. Insgesamt ist „Wir Verratenen“ ein vielschichtiger Roman, der eine spannende sowie emotionale Handlung besitzt und mit lebendig ausgestalteten Figuren auftrumpft – ein wirklich schöner Abschluss der „Wir Verlorenen“-Trilogie.

Bewertung vom 03.04.2023
Hinter Liebfrauen
Bekeschus, Mario

Hinter Liebfrauen


ausgezeichnet

Ein spannender Regionalkrimi mit viel Lokalkolorit und tollen Figuren

Inhalt: Eigentlich sollte sich Kommissar Wim Schneider nach überstandener OP auf Kur in Bad Harzburg erholen. Doch als eine Angestellte der Klinik auf ungeklärte Weise verunglückt, kann Wim die Füße nicht mehr stillhalten und beginnt im Geheimen seine Ermittlungen. Ein paar Dutzend Kilometer weiter nördlich ermittelt auch die braunschweigische Kommissarin Rosalie Helmer in einem neuen Fall: Ein Mann ist von einem Hochhaus gestürzt – und auch hier ist zweifelhaft, ob es sich tatsächlich um einen Unfall handelt…

Persönliche Meinung: „Hinter Liebfrauen“ ist ein Regionalkrimi von Mario Bekeschus. Nach „Gaußberg“ ist es der zweite Niedersachsen-Krimi um den Kommissar Wim Schneider. Da der Fall von „Hinter Liebfrauen“ in sich abgeschlossen ist, kann der Krimi auch ohne Kenntnis des ersten Bandes gelesen werden; für ein tiefergehendes Verständnis der Figurenbeziehungen ist es aber natürlich sinnvoll, die Bände chronologisch zu lesen. Grob gesagt, lässt sich der Krimi in zwei Handlungsstränge einteilen: Während Wim in Bad Harzburg den Tod der Angestellten der Kurklinik untersucht, versucht Rosalie in Braunschweig das Schicksal des gestürzten Mannes zu klären. Dabei gibt es zwischen den beiden Handlungssträngen immer mal wieder Berührungspunkte. Erzählt wird „Hinter Liebfrauen“ aus einer Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven. So werden, um nur ein paar zu nennen, die personalen Sichtweisen von Wim, Rosalie und Mads, einem neuen Kollegen von Rosalie, eingenommen (daneben spielen auch die Perspektiven von verschiedenen Figuren eine Rolle, die in unterschiedlicher Weise in den jeweiligen Fall involviert sind. Um wen genau es sich handelt, möchte ich hier nicht spoilern 🙃). Generell ist für mich eine große Stärke des Krimis, dass – neben dem eigentlichen Kriminalfall – auch das (Privat-)Leben der Hauptfiguren eine wichtige Rolle spielt. Dieses ist authentisch dargestellt und nicht immer konfliktfrei, was einerseits dazu führt, dass die Figuren eine größere Tiefe, Individualität und Lebendigkeit erhalten. Andererseits sorgt dies dafür, dass auf einer weiteren Ebene – zusätzlich zur eigentlichen Krimihandlung – Spannung(en) und ein Mitfiebern während des Lesens entstehen. Durch die unterschiedlichen Perspektiven ist die Handlung zudem abwechslungsreich und besitzt ein schönes Tempo. Zu dem Fall (oder den Fällen?) von „Hinter Liebfrauen“ möchte ich gar nicht so viel vorwegnehmen. Nur: Er ist spannend, wendungsreich und besitzt einen schönen Komplexitätsgrad. Gleichzeitig berührt er ein Thema, das eine große gesellschaftliche Relevanz besitzt (zwecks Spoilervermeidung möchte ich hier nicht näher ins Detail gehen). Zudem trumpft „Hinter Liebfrauen“ mit einer gehörigen Portion Lokalkolorit auf: Beide Handlungsorte – Braunschweig und Bad Harzburg – werden in ihren Besonderheiten anschaulich beschrieben (kleine persönliche side note: Am coolsten fand ich, dass Wim im Harz eine Route wandert, die ich auch schon gewandert bin 😀). Der Schreibstil von Mario Bekeschus lässt sich angenehm und flüssig lesen, sodass man durch die Seiten von „Hinter Liebfrauen“ fliegt. Insgesamt ist „Hinter Liebfrauen“ ein spannender sowie komplexer Regionalkrimi, der mit schön ausgestalteten Figuren und Lokalkolorit auftrumpft.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.04.2023
Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen
Onda, Riku

Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen


sehr gut

Ein spannender, verschachtelter Roman mit vielen Wendungen

Inhalt: Aki und Hiro verbringen ihre letzte Nacht in der gemeinsamen Wohnung in Tokio. Lange verspürten sie eine tiefe Verbundenheit, doch diese zerbrach nach einer Bergwanderung: Ihr Bergführer verunglückte während der Wanderung auf unerklärliche Weise – und nun verdächtigen Aki und Hiro sich gegenseitig, einen Mord begangen zu haben. In der letzten Nacht in ihrer Wohnung wollen beide klären, was bei der Bergwanderung geschah, doch während ihres Gesprächs offenbaren sich noch ganz andere Wahrheiten…

Persönliche Meinung: „Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen“ ist ein Spannungsroman der japanischen Autorin Riku Onda. Der gesamte Roman hat die Struktur eines Kammerspiels: Er spielt in einer Nacht an einem begrenzten Handlungsort – der leergeräumten Wohnung – und kommt mit wenigen Figuren aus. Erzählt wird die Handlung wechselweise aus den Ich-Perspektiven von Aki und Hiro, deren Gespräch einen Hauptteil der Handlung ausmacht. In diesem blicken sie auf den Tag des Unglücks zurück, befruchten sich permanent gegenseitig, sodass bei ihnen Erinnerungen auftauchen, die sie bis dato verdrängt hatten. Diese Erinnerungen führen dazu, dass der (ohnehin schon fragile) Zustand ihrer Beziehung immer wieder neu hinterfragt bzw. definiert wird. Die Handlung des Romans entfaltet sich zunächst eher behutsam, bis es nach ca. 50 Seiten zur ersten größeren Wendung kommt; danach nimmt der Twist-Takt zu. Zudem zeichnet sich der Roman durch eine latente Spannung aus, die besonders durch den uneindeutigen und unterschwellig bedrohlichen Charakter der Beziehung von Aki und Hiro aufkommt. Man kann sich die Handlung insgesamt wie eine Matrjoschka-Puppe vorstellen: Augenscheinlich wollen Aki und Hiro nur klären, wie es zu dem Unfall kam, doch jede Antwort/Erkenntnis führt zu einer neuen Frage, die die beiden beantworten müssen – bis sie sich letztlich zum wahren Kern vorgearbeitet haben. Die Richtung, in die sich die Handlung bewegt, ist dabei völlig unvorhersehbar. Der Erzählstil von „Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen“ ist angenehm behutsam; er bildet das vorsichtig tastende Verhalten von Aki und Hiro perfekt ab. Insgesamt ist „Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen“ ein spannender, kammerspielartiger Roman, der besonders durch seinen verschachtelten Aufbau und seine unerwarteten Wendungen besticht.