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Insgesamt 181 Bewertungen
Bewertung vom 28.03.2023
Wolfskinder
Buck, Vera

Wolfskinder


ausgezeichnet

Ein fesselnder und atmosphärischer Thriller

Inhalt: Jesse und Rebekka sind in Jakobsleiter, einer versteckt in den Bergen liegenden Siedlung, großgeworden. Das Leben dort scheint aus der Zeit gefallen: Die Dorfbewohner sind Selbstversorger, tiefreligiös, lehnen jedweden technischen Fortschritt ab und leben mit den Widrigkeiten der Natur. Den beiden Jugendlichen ist während ihrer gesamten Kindheit eingebläut worden, dass in der Stadt das „Böse“ lauere. Doch anders als für Jesse ist Jakobsleiter für Rebekka zu eng geworden; trotz aller Warnungen will sie in die Stadt. Aber: Ehe Jesse und Rebekka ausführlich über Rebekkas Plan reden können, ist sie plötzlich spurlos verschwunden. Und damit ist sie nicht die Einzige. Immer wieder verschwinden in den Bergen rund um Jakobsleiter Frauen, wie die Journalistin Smilla recherchiert hat. Allerdings schenkt ihr niemand glauben; ihre Rechercheergebnisse werden als Phantastereien abgetan – bis sie auf Beweise stößt, die ein wohlgehütetes Geheimnis offenbaren...

Persönliche Meinung: Puh, ich habe jetzt lange darüber gebrütet, wie ich die Rezension am besten schreiben kann, ohne zu viel zur Handlung zu verraten. Mein Inhaltsteaser zu „Wolfskinder“ greift nämlich eigentlich zu kurz. Die Handlung ist viel komplexer und vielschichtiger, als es zunächst den Anschein hat. Denn: „Wolfskinder“ wird in mehreren, sich abwechselnden Handlungssträngen aus fünf verschiedenen Ich-Perspektiven erzählt. Eigentlich würde ich gerne zu jedem Handlungsstrang etwas schreiben, weil jeder Strang seinen ganz eigenen Reiz und eine besondere Spannungskurve besitzt; das würde allerdings zu sehr spoilern. Seht mir daher nach, wenn ich im Folgenden inhaltlich etwas vage bleibe. Ist nur zu eurem besten 🙃 Also dann, los geht’s. „Wolfskinder“ ist ein Thriller von Vera Buck, der durch seine unterschiedlichen Handlungsstränge eine fesselnde wie abwechslungsreiche Lektüre ist. Die zwei Haupthandlungsstränge drehen sich jeweils um die Suche nach einer vermissten Person: Während Jesse sich auf der Suche nach Rebekka befindet, treibt Smilla ein „Cold Case“ um: Vor 10 Jahren ist ihre beste Freundin Juli verschwunden, als die beiden in den Wäldern um Jakobsleiter campten. Die Handlung ist – über die einzelnen Handlungsstränge hinweg – sehr spannungsreich: Viele der auftretenden Figuren sind undurchsichtig, scheinen irgendein Geheimnis zu verbergen, sodass die Zahl der potentiellen Verdächtigen in Bezug auf die Vermisstenfälle hoch ist. Auch Jakobsleiter und die die Siedlung umgebenden Wälder sind geheimnisumwittert: Irgendwas scheint mit dieser Siedlung nicht ganz richtig zu sein, ohne dass man es (zu Beginn) wirklich greifen könnte. Zudem durchzieht die gesamte Handlung ein Hauch Mystery. Das Erzähltiming in „Wolfskinder“ ist wirklich perfekt: In bester slow burn-Manier erfährt man nach und nach immer mehr über Jakobsleiter, die Figuren und die Vermisstenfälle, ohne dass auf einen Schlag zu viel preisgegeben wird. Dementsprechend überraschend ist auch die Auflösung der Handlung, die mit einem (zweifachen) Twist besticht. Der Schreibstil von Vera Buck ist anschaulich und bildreich, sodass während der Lektüre eine dichte Atmosphäre der Düsternis und Bedrohlichkeit entsteht. Insgesamt ist „Wolfskinder“ ist ein fesselnder Thriller, der mit undurchsichtigen Figuren, einer düsteren Atmosphäre und einem tollen Erzähltiming auftrumpft.

Bewertung vom 24.03.2023
Haus der Stimmen
Carrisi, Donato

Haus der Stimmen


ausgezeichnet

Ein Thriller mit Sogwirkung, den man kaum beiseitelegen kann

Inhalt: Eigentlich ist Pietro Gerber Kinderpsychologe; mit erwachsenen Patient*innen hat er noch nie gearbeitet. Umso verwundeter ist er, als er plötzlich einen Anruf von einer Kollegin aus Australien erhält, die ihn bittet, eine ihrer Patientinnen zu übernehmen: die 30-jährige Hanna Hall. Hanna ist davon überzeugt, als Kind einen Mord begangen zu haben, doch ihre gesamte Kindheit hat sie nur verwaschen in Erinnerung. Nach anfänglichem Zögern nimmt Pietro Hanna als Patientin an. Gemeinsam reisen die beiden per Hypnose in Hannas Kindheit – doch schnell wird deutlich: Die Therapie wird nicht nur das Leben von Hanna verändern…

Persönliche Meinung: „Haus der Stimmen“ ist ein Thriller von Donato Carrisi. Es handelt sich um den Auftakt einer neuen Reihe, die sich um den Psychologen Pietro Gerber dreht. Erzählt wird die Handlung aus zwei Perspektiven: der personalen Perspektive Pietros und der Ich-Perspektive Hannas. Pietros Perspektive spielt dabei (hauptsächlich) in der Gegenwart. Hier wird einerseits thematisiert, welchen Einfluss die Therapiesitzungen mit Hanna auf ihn haben (die Grenzen zwischen Patient und Psychologe verwischen immer mehr), andererseits spielt in diesem Erzählstrang noch ein weiterer kleiner Fall von Pietro eine Rolle (zu dem ich hier nichts spoilern möchte). Hannas Perspektive ist in der Vergangenheit angesiedelt: Es handelt sich um ihre unter Hypnose getätigte Erzählung ihrer Kindheitserlebnisse. Die Spannungskurve von „Haus der Stimmen“ ist sehr hoch. Dies hängt einerseits mit der Figur Hanna zusammen. Denn: Sie weist Züge einer unzuverlässigen Erzählerin auf, sodass man sie bis zuletzt nicht wirklich einschätzen kann. Sind ihre Abweichungen von der Wahrheit in einem schweren Trauma begründet? Oder verfolgt sie mit ihren Abweichungen eine eigene Agenda, deren Ziel nur sie weiß? Von Hanna scheint permanent eine gewisse Bedrohung für Pietro auszugehen, ohne – und das ist atmosphärisch klasse umgesetzt – dass man die Bedrohung hundertprozentig greifen könnte. Außerdem werden innerhalb der Handlung verschiedene Spannungselemente perfekt gesetzt: Immer wieder finden sich kleinere und größere „Irritationsmomente“, durch die man das zuvor Gelesene neu beurteilt; kaum eine Figur scheint das zu sein, was sie vorgibt (dies gilt neben Hanna besonders für Pietro selbst). Zudem zeichnet sich „Haus der Stimmen“ mit einer Vielzahl unerwarteter Wendungen aus, die in einem großen Twist am Ende der Handlung kulminieren. Der Schreibstil von Donato Carrisi ist sehr flüssig und lässt sich angenehm lesen. Insgesamt ist „Haus der Stimmen“ ein Thriller, der mit einer fesselnden, wendungsreichen und ausgeklügelten Handlung auftrumpft – ein Thriller mit Sogwirkung, den man kaum beiseitelegen kann.

Bewertung vom 24.03.2023
Gib mir deine Angst
Konen, Leah

Gib mir deine Angst


ausgezeichnet

Ein fesselnder Psychothriller mit zwei unzuverlässige Erzählerinnen

Inhalt: Eigentlich wollte Sam mit ihren beiden Freundinnen Margaret und Diana einen entspannten Wochenendausflug in die Adirondacks machen. Alle drei hatten vor Kurzem unschöne Trennungen erlebt und möchten sich von dem Stress, den diese mit sich brachten, erholen. Doch an einer Tankstelle endet die Fahrt unfreiwillig; der Wagen steht still – ausgerechnet in Catskill, wo Sams Ex-Mann mit seiner neuen Partnerin wohnt. Da die Autoreparatur erst am nächsten Tag fertig ist, müssen Sam, Margaret und Diana wohl oder übel die Nacht in Catskill verbringen. Das Beste aus der Situation machend, besuchen die drei das Eamon’s, eine Bar vor Ort. Doch als Margaret und Sam am nächsten Morgen verkatert im Ferienhaus wach werden, ist Dianas Bett unbenutzt – und kurze Zeit später wird eine Leiche in der Nähe des Eamon’s gefunden…

Persönliche Meinung: „Gib mir deine Angst“ ist ein Psychothriller von Leah Konen. Erzählt wird die Handlung wechselweise aus den Ich-Perspektiven von Sam und Margaret, deren Sorgen und Ängste um ihre verschwundene Freundin anschaulich dargestellt werden. Spannung entsteht im Thriller besonders dadurch, dass viele der Figuren Geheimnisse in sich verbergen, sodass man als Lesender nicht genau weiß, wem man vertrauen kann. Das gilt vor allem für die beiden Ich-Erzählerinnen Margaret und Sam: Beide erzählen ihren Freundinnen nicht alles, verdrehen in bestimmten Momenten die Wahrheit und besitzen dadurch jeweils Züge einer unzuverlässigen Erzählinstanz. Dementsprechend schwierig ist es während der Lektüre, die beiden „richtig“ einzuschätzen; vor dem Hintergrund ihrer Verheimlichungen ist man permanent unsicher, wozu die beiden noch fähig sind. Für weitere Spannung sorgen einige in der Handlung platzierte falsche Fährten, die oft mit unerwarteten Wendungen einhergehen. Der Erzählstil von Leah Konen ist sehr flüssig und fesselnd, sodass man einerseits nur so durch die Seiten des Buches fliegt, andererseits den Thriller kaum beiseitelegen kann. Das Ende des Thrillers trumpft mit einem zweifachen Twist auf, der mir insgesamt gut gefallen hat – gleichzeitig blieb für mich aber die Hintergrundgeschichte einer Figur, die bei der Auflösung eine große Rolle spielt, etwas zu sehr im Dunkeln. Insgesamt ist „Gib mir deine Angst“ ein spannender, fesselnd geschriebener Psychothriller, der mir besonders aufgrund seiner beiden unzuverlässigen Erzählerinnen gefallen hat.

Bewertung vom 20.02.2023
Wer die Hölle kennt / Alex Stern Bd.2
Bardugo, Leigh

Wer die Hölle kennt / Alex Stern Bd.2


ausgezeichnet

Eine gelungene Fortsetzung

Vorab: Da es sich bei „Wer die Hölle kennt“ um den zweiten Band der „Alex Stern“-Reihe handelt, finden sich in der Rezension leichte Spoiler zu „Das neunte Haus“, dem ersten Band der Reihe.

Inhalt: Alex und Dawes versuchen das Unmögliche: Sie wollen in die Hölle reisen, um ihren Freund Darlington zu retten, der dort seit einem Jahr festgehalten wird. Dafür müssen sie allerdings zunächst den Ort finden, von dem der Einstieg in die Hölle gelingen kann – was eines der bestgehütetsten Geheimnisse Yales ist. Doch damit nicht genug: Auf dem Campus geschehen Morde, bei deren Aufklärung Alex behilflich sein muss – und plötzlich nimmt auch noch ein unliebsamer Protagonist aus Alex‘ Vergangenheit Kontakt mit ihr auf…

Persönliche Meinung: „Wer die Hölle kennt“ ist ein (Urban)-Fantasyroman von Leigh Bardugo. Er schließt direkt an die Handlung des Vorgängerbandes „Das neunte Haus“ an, sodass es sinnvoll ist, die Reihe chronologisch zu lesen (Man kann den Roman auch ohne Kenntnis des Vorgängers lesen, da alle für das Verständnis nötigen Informationen genannt werden. Allerdings spoilert man sich für die Handlung des ersten Bandes stark). Erzählt wird der Roman bis auf einige wenige Kapitel aus der personalen Perspektive von Alex, die bei Lethe nun unfreiwillig die Rolle des Vergil einnehmen muss. Im Vergleich zum ersten Band ist die Handlung von „Wer die Hölle kennt“ stringenter und linearer. Es existieren weniger Nebenhandlungen (diese nehmen zudem einen kleineren Raum ein); der Fokus liegt auf der Rettung Darlingtons aus der Hölle. Dadurch ist „Wer die Hölle kennt“ zwar nicht so komplex wie „Das neunte Haus“, gleichzeitig aber auch nicht so verwirrend (Zu Beginn von „Das neunte Haus“ hatte ich permanent das Gefühl, nicht alles komplett zu verstehen, was die Lesefreude geschmälert hat. Dieses Gefühl kam bei „Wer die Hölle kennt“ nicht auf). Die Handlung von „Wer die Hölle kennt“ knüpft die offenen Fäden des Vorgängerbandes stimmig und ausgeklügelt weiter (Besonders die spezielle Rolle Darlingtons ist hier klasse). Auch wird sich verstärkt auf einzelne Figuren konzentriert, die bereits im ersten Band aufgetreten sind: Diese Figuren spielen nun eine größere Rolle, wodurch sie insgesamt lebendiger und facettenreicher wirken. Innerhalb der Handlung finden sich einige Krimielemente, viele Rätsel und mehrere Wendungen, sodass „Wer die Hölle kennt“ eine packende Lektüre ist. Das Ende des Romans ist zwar insgesamt nicht ganz so twistig und einschneidend wie das des ersten Bandes, aber trotzdem überraschend. Der Erzählstil von Leigh Bardugo lässt sich flüssig lesen und ist bildhaft sowie detailliert. Insgesamt ist „Wer die Hölle kennt“ eine gelungene und stimmige Fortsetzung von „Das neunte Haus“, die mir im Großen und Ganzen noch eine Spur besser als der erste Band gefallen hat.

Bewertung vom 03.01.2023
Die letzte Party / Ffion Morgan Bd.1
Mackintosh, Clare

Die letzte Party / Ffion Morgan Bd.1


ausgezeichnet

Ein spannender und wendungsreicher Krimi

Inhalt: Das traditionelle Neujahrsschwimmen im walisischen Cwm Coed wird durch einen Todesfall überschattet: Im See Llyn Drych treibt die Leiche des bekannten Sängers Rhys Lloyd. Da die Leiche vom anderen – englischen – Ufer des Sees stammt, bekommt die walisische Polizistin Ffion Morgan mit Leo Brady einen englischen Kollegen zur Seite gestellt. Schnell stellt sich heraus: Lloyd hat es sich in der Vergangenheit mit vielen Leuten mehr als verscherzt; fast jede*r im Dorf hat ein Motiv für die Tat und die Zahl der potentiellen Verdächtigen ist hoch. Erschwerend kommt hinzu, dass Ffion fast ihr Leben lang in Cwm Coed gelebt hat, wodurch ihr manchmal die nötige Distanz zum Fall fehlt…

Persönliche Meinung: „Die letzte Party“ ist ein Kriminalroman von Clare Mackintosh. Die Handlung des Krimis spielt am fiktiven walisischen See Llyn Drych, durch den sich die walisisch-englische Grenze zieht. Während sich auf walisischer Seite bereits seit unzähligen Jahren das Dorf Cwm Coed befindet, war auf englischer Seite nur Wald – bis dort vor Kurzem auf Betreiben von Rhys Lloyd „The Shore“ gebaut wurde, ein luxuriöses Feriendomizil, das den Bewohnern von Cwm Coed ein Dorn im Auge ist. Die Spannungen zwischen Cwm Coed und The Shore sind schön ausgestaltet und sorgen – zusätzlich zum Mordfall – für Konfliktpotential innerhalb der Handlung. Erzählt wird der Krimi aus einer Vielzahl von (personalen) Sichtweisen: Neben den Hauptperspektiven der beiden Ermittelnden Ffion und Leo werden immer wieder die Perspektiven verschiedener Dorfbewohner/Bewohner von The Shore eingenommen. So schlüpft man u.a. in die Perspektiven von Rhys, seiner Frau Yasmin, seinem Geschäftspartner Jonty, der Postbotin Ceri, dem lokalen Bootsverleiher Steffan, Seren (der Schwester von Ffion) und Mia (einer Freundin von Ffion). Aber keine Sorge. Trotz der Vielzahl der Perspektiven verliert man nicht den Überblick: Jeder Perspektivwechsel wird deutlich markiert. Außerdem werden die Perspektivwechsel in „Die letzte Party“ sehr stimmig eingesetzt. Oftmals erlebt man während der Lektüre eine Szene doppelt – aus zwei unterschiedlichen Perspektiven –, sodass Dinge, die (scheinbar) eindeutig waren, plötzlich wieder hinterfragt werden müssen. Die Handlung wird auf drei Zeitebenen erzählt. Den Haupthandlungsstrang bilden die Ermittlungen von Leo und Ffion. Ein zweiter Handlungsstrang spielt an Silvester – auf der titelgebenden letzten Party, die Rhys nicht überleben wird. Der dritte Handlungsstrang erzählt die Anfänge von The Shore und liefert hintergründige Konfliktpunkte. Sukzessiv lernt man auf den unterschiedlichen Zeitebenen die verschiedenen Figuren (besser) kennen, sodass sich, je weiter die Lektüre voranschreitet, mehr und mehr ein Gesamtbild von Cwm Coed und The Shore ergibt. Die Spannungskurve des Krimis ist hoch, was besonders daran liegt, dass jede der handelnden Figuren ein Geheimnis mit sich trägt; jede Figur ist auf eine eigene Art undurchsichtig, wodurch es zu einigen unerwarteten Wendungen kommt. Dementsprechend knifflig und offen ist auch die Frage nach der Täterfigur. Diese Frage wird in „Die letzte Party“ mit einem überraschenden, kaum zu erahnenden Twist beantwortet. Der Schreibstil von Clare Mackintosh ist anschaulich und lässt sich flüssig lesen. Insgesamt ist „Die letzte Party“ ein spannender und wendungsreicher Kriminalroman mit vielen undurchsichtigen Figuren und einem überraschenden Ende.

Bewertung vom 30.12.2022
Liebe in Zeiten der Follower
Leßmann, Max Richard

Liebe in Zeiten der Follower


ausgezeichnet

Eindrücklich, emotionsgeladen und nachhallend

„Liebe in Zeiten der Follower“ ist ein Gedichtband von Max Richard Leßmann, der rund 150 Gedichte versammelt. Leßmann hat in den vergangenen vier Jahren täglich ein Gedicht auf Instagram gepostet; in „Liebe in Zeiten der Follower“ finden sich seine liebsten Gedichte – quasi ein best of. In diesen Gedichten, die mal kürzer, mal länger sind, gelingt Leßmann etwas Besonderes: Er verpackt große Emotionen in konziser Weise eindrücklich. Inhaltlich drehen sich die Gedichte um das Erwachsenwerden, das Verschwinden von Personen aus dem eigenen Leben, Versagensängste, Gedankenkarusselle, Introspektionen des Selbst und nicht zuletzt: die Liebe. In die Gedichte eingeflochten finden sich außerdem immer auch kluge Gedanken, Überlegungen und Beobachtungen über das Leben. Besonders das Thema „Liebe“ nimmt einen großen Raum im Gedichtband ein. Der Liebe wird dabei in all ihren Facetten nachgespürt – als Seelenverwandtschaft, Geborgenheit und Begehren, zugleich aber auch als unerfüllt und schmerzhaft. Je nach Thema differiert der Ton des jeweiligen Gedichts: So sprühen einige Gedichte vor Zuversicht und Hoffnung; andere sind eher sehnsüchtig und melancholisch. Die Aufmachung des Gedichtbandes ist hochwertig: ein kompaktes Hardcover, in dem jede Seite andersfarbig gestaltet ist (so wie die Posts auf Leßmanns Instagram-Kanal). Insgesamt ist „Liebe in Zeiten der Follower“ ein Gedichtband mit vielen eindrücklichen, nachhallenden und emotionsgeladenen Texten, die zum Nachdenken anregen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.12.2022
Fucktown
Swobodnik, Sobo

Fucktown


ausgezeichnet

Ein Kriminalroman der besonderen Art

Inhalt: Ein Serienmörder hält Berlin in Atem. Sein Handeln erscheint diffus, ist aber immer außerordentlich brutal. Obwohl er während seiner Taten viele Spuren hinterlässt, gelingt es der Kommissarin Mechthild nicht, ihn dingfest zu machen. Zur Unterstützung kontaktiert sie ihren alten Kollegen Bo, der, nun in einem Kloster lebend, Berlin den Rücken gekehrt hatte, da die Stadt ihn zu verschlingen drohte…

Persönliche Meinung: „Fucktown“ ist ein Kriminalroman von Sobo Swobodnik. Erzählt wird die Handlung von einer allwissenden Erzählerin, die eine Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven einnimmt (neben Mechthild, Bo und der Täterfigur auch weitere Polizisten, einen Politiker, einen Journalisten und verschiedene Figuren aus der Unterwelt Berlins). Interessant ist die Identität der allwissenden Erzählerin: Es ist die Stadt Berlin selbst, die in die Köpfe und Wohnungen der handelnden Protagonisten schaut. Die Kapitel von „Fucktown“ sind kurz; erzähltechnisch werden häufig schnelle Schnitte genutzt, sodass das Tempo der Handlung vergleichsweise hoch ist. Die Identität des Täters steht für die Lesenden – anders als für die Ermittelnden – bereits früh fest, allerdings schmälert dies nicht die Spannung des Romans. Denn: Viele Figuren – unabhängig ob „gut“ oder „schlecht“ – haben etwas zu verbergen, besitzen irgendeine Lasterhaftigkeit, die sukzessiv offenbart wird. Der Titel „Fucktown“ bezieht sich dabei auf zweierlei: Einerseits auf das Handeln der Figuren (diese sind ziemlich triebgesteuert). Andererseits auf die Stadt Berlin selbst, die als Moloch gezeichnet wird, der die dort längere Zeit verweilenden Menschen verschlingt, sie dabei transformiert und das Schlechteste in ihnen hervorkehrt (dieser Aspekt wird im Roman eindrücklich und nachhallend dargestellt). Neben dem Serienmörder tritt Berlin gewissermaßen als heimliche Antagonistin auf – allerdings wider Willen. Denn: Mehrmals beklagt sich die Stadt über ihre Rolle; häufig äußert sie Gesellschaftskritik und weist eine Schuld von sich. Die Wortwahl wie die Szenenbeschreibungen von „Fucktown“ sind explizit, meist umgangssprachlich mit einer Tendenz ins Obszöne (z.T. sind die Szenen wirklich harter Tobak). Insgesamt ist „Fucktown“ ein Kriminalroman der besonderen Art – dreckig (was hier nicht abwertend gemeint ist), freiheraus und ausgestattet mit einer interessanten Erzählstimme.

Bewertung vom 12.12.2022
Labyrinth der Freiheit / Wege der Zeit Bd.3
Izquierdo, Andreas

Labyrinth der Freiheit / Wege der Zeit Bd.3


ausgezeichnet

Ein gelungenes Finale

Inhalt: Berlin, 1922. Die Stadt ist geprägt von Widersprüchen. Während des Tags Armut und Arbeitslosigkeit dominieren, stürzen sich des Nachts Feierwütige in verschwenderische Partys. In diesem Spannungsfeld versuchen die drei Freunde Carl, Isi und Artur ihren Platz zu finden: Carl schlägt sich als Kameramann bei der UFA durch, Artur baut seine Geschäfte in der Halbwelt aus und Isi versucht den Menschen eine Stimme zu geben, die selbst keine haben. Doch ehe es sich die drei versehen, geraten sie in den Fokus einer rechtsnationalen Verschwörung…

Persönliche Meinung: „Labyrinth der Freiheit“ ist ein historischer Roman von Andreas Izquierdo. Es handelt sich um den dritten Band der „Wege der Zeit“-Reihe, die das Leben (und Erwachsenwerden) der drei Freunde Carl, Isi und Artur erzählt. Zwar schließt die Handlung von „Labyrinth der Freiheit“ nahezu unmittelbar an den Vorgänger „Revolution der Träume“ an, aber da alle nötigen Informationen ausgeführt werden, kann man „Labyrinth der Freiheit“ auch ohne Kenntnis der Vorgänger lesen (Mein Tipp wäre aber, die Reihe chronologisch zu lesen. Die Entwicklung der Charaktere über die Bände hinweg ist wirklich sehr stark, sodass das Lesevergnügen viel größer ist, wenn man die Bücher der Reihe nach liest). Erzählt wird der dritte Band – mit einem feinen Humor – aus der Ich-Perspektive von Carl, der im Freundestrio eher den besonnenen Part einnimmt (Dazu im Gegensatz greifen Isi und Artur den Teufel gerne schon mal bei den Hörnern). Der Erzählstil ist sehr anschaulich, lebendig und dreidimensional, sodass man unweigerlich mit den Freunden fiebert. Zu der Handlung möchte ich gar nicht so viel vorwegnehmen. Nur: Die drei Freunde haben mit verschiedenen Rückschlägen zu kämpfen, müssen über sich hinauswachsen und auch mal Wege gehen, vor denen sie eigentlich zurückschrecken. Dadurch bleibt die Handlung bis zuletzt spannend und wendungsreich. Außerdem wechseln sich in der Handlung einfühlsame und luftige Szenen mit Szenen voller Tragik ab, sodass man sich während der Lektüre auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle begibt. Sehr schön wird auch der historische Hintergrund des Romans beleuchtet: So spielt neben der Bedrohung durch nationalistische Verbünde und der Inflation, die mit all ihren Folgen anschaulich dargestellt wird, besonders die Geschichte des Films eine Rolle (Als Kameramann bei der UFA arbeitet Carl bspw. für Fritz Lang, der einige denkwürdige Auftritte im Roman hat). Die historischen Persönlichkeiten, Ereignisse und Gegenstände werden dabei authentisch in die Handlung eingebaut; ohne, dass es gezwungen wirkt. Das Ende des Romans spannt einen stimmigen Bogen über die drei Bände hinweg und ist sehr passend/versöhnlich. Der Schreibstil von Andreas Izquierdo lässt sich sehr flüssig lesen: Er ist abwechslungsreich, anschaulich und wortgewaltig. Insgesamt ist „Labyrinth der Freiheit“ ein schön geschriebener historischer Roman mit tollen Protagonisten. Kurzum: Ein gelungenes Finale der „Wege der Zeit“-Reihe! (gegen weitere Bände hätte ich aber trotzdem nichts einzuwenden 🙃)

Bewertung vom 08.12.2022
Hinter den Spiegeln so kalt
Grimm, Liza

Hinter den Spiegeln so kalt


ausgezeichnet

Ein spannender, einfühlsam erzählter Fantasyroman

Inhalt: Seit mehreren Jahren wird Finja von einer Angst vor Spiegeln geplagt, weshalb sie fast alle Spiegel in ihrem Haus abgehängt hat. Als plötzlich ihre Tochter Hannah verschwindet, wird die Angst real: Hannah war zuletzt im Badezimmer, einem der wenigen Räume mit Spiegel; kurz nach ihrem Verschwinden war der Spiegel zudem mit Eiskristallen bedeckt, was eigentlich – und besonders im Juli – unmöglich ist. Finja ist sich sicher: Der Spiegel hat Hannah verschluckt. Aber niemand glaubt ihr, ihre Spiegeltheorie wird als Hirngespinst abgetan – bis Finja eine selbsternannte Hexe aufsucht…

Persönliche Meinung: „Hinter den Spiegeln so kalt“ ist ein phantastischer Roman von Liza Grimm. Erzählt wird der Roman in drei sich abwechselnden Handlungssträngen, die jeweils auf einer anderen Zeitebene spielen (Im Folgenden gehe ich ganz kurz auf den Inhalt des jeweiligen Handlungsstrangs ein, bleibe aber bewusst vage und spoilere nicht). Der Haupthandlungsstrang spielt in der Gegenwart, ein paar Wochen nach Hannahs Verschwinden. Im Fokus steht hier die verzweifelte Suche Finjas nach Hannah. Ein weiterer Handlungsstrang spielt vier Jahre zuvor und erzählt von dem geborgenen Leben, das Finja mit ihrem Mann Mika und Hannah führte. Der dritte Handlungsstrang ist chronologisch zwischen den beiden schon vorgestellten Strängen angesiedelt: Nach einem bestimmten Ereignis, das sich vier Jahre zuvor zugetragen hatte, ist Finja auf der Suche nach einem neuen Glück, nach neuer Geborgenheit – was durch Hannahs Verschwinden jäh beendet wird. In allen drei Strängen wird die Perspektive von Finja eingenommen. Sehr schön ist dabei die lebendige und anschauliche Beschreibung ihrer Gefühlswelt: Ihr Gefühl der Geborgenheit mit Mika und Hannah, der Verlust ihres persönlichen Glücks, das Hoffen, ein neues Glück gefunden zu haben, sowie ihre Verzweiflung nach Hannahs Verschwinden sind sehr gut nachzuspüren, sodass man beim Lesen unweigerlich mit ihr fühlt. Daneben trumpft „Hinter den Spiegeln so kalt“ mit einer spannenden Handlung auf: Jeder Handlungsstrang ist durchzogen von Spannungspartikeln, offenen Fragen und phantastischen Elementen, deren Tragweite und tatsächlicher Gehalt sukzessiv offenbart wird. Dementsprechend wendungsreich und überraschend ist die Handlung im Gesamten. Auch die Auflösung von „Hinter den Spiegeln so kalt“ ist besonders: Sie beinhaltet ein hartes und wichtiges Thema, wodurch der Roman einen hohen Tiefgang erhält (dieses Thema kann triggern, daher ist es wichtig, die im Buch abgedruckten Triggerwarnungen zu beachten). Der Schreibstil von Liza Grimm ist detailliert, plastisch und eingängig, sodass man den Roman sehr flüssig lesen kann. Insgesamt ist „Hinter den Spiegeln so kalt“ ein vielschichtiger, spannender und tiefgehender Fantasyroman, der einfühlsam erzählt wird.

Bewertung vom 04.12.2022
Kalt und still / Hanna Ahlander Bd.1
Sten, Viveca

Kalt und still / Hanna Ahlander Bd.1


sehr gut

Ein spannender Krimi mit lebendig gezeichneten Figuren

Inhalt: In kürzester Zeit steht das Leben der Stockholmer Polizistin Hanna Ahlander völlig Kopf: Zuerst wird sie von ihrem Chef suspendiert – völlig zu Unrecht, denn sie hat sich für die restlose Aufklärung eines Falls stark gemacht, der von ihren Kollegen unter den Teppich gekehrt wurde. Dann macht plötzlich ihr langjähriger Partner Schluss, der sie zudem nun drängt, aus der gemeinsamen Wohnung zu ziehen. Um etwas Abstand zu gewinnen, begibt Hanna sich nach Åre, in das Ferienhaus ihrer Schwester. Kurz nach Hannas Ankunft verschwindet in dem Ort eine junge Frau – mitten in der Nacht bei 20 Grad Minus. Hannas Ermittlerinstinkt ist geweckt.

Inhalt: „Kalt und still“ ist ein Kriminalroman von Viveca Sten. Es handelt sich um den Auftakt einer neuen Reihe rund um die Ermittlerin Hanna Ahlander. Erzählt wird die Handlung aus einer Vielzahl verschiedener personaler Erzählperspektiven. So werden neben Hannas Sicht auch die Perspektiven von Daniel Lindskog (der leitende Ermittler in Åre), Amanda (das verschwundene Mädchen), Edda (eine Freundin von Amanda) und Amandas Eltern eingenommen. Durch die verschiedenen Perspektivierungen ergeben sich immer wieder neue Mosaiksteinchen, die nach und nach ein Gesamtbild des Falles ergeben. Trotz der häufigen Perspektivwechsel und den eher kurzen Kapiteln des Krimis entfaltet sich die Handlung eher behutsam. Das fand ich aber gar nicht schlecht: Man bekommt Zeit, die handelnden Figuren (mit ihren authentisch dargestellten privaten Problemen und psychischen Belastungen) kennenzulernen, wodurch der weitere Handlungsverlauf eine größere Wucht erhält. Auch bleibt Zeit, sich stärker im Ort Åre zu orientieren, der mit seinem immerwährenden Schnee atmosphärisch beschrieben wird. Die Spannung innerhalb der Handlung steigert sich stetig: Während zunächst noch von einem Unglück ausgegangen wird, steht schnell fest, dass es sich bei Amandas Verschwinden um ein Verbrechen handelt. Die Frage nach der Täterfigur ist dabei gar nicht so einfach zu beantworten: Häufig werden falsche Fährten gelegt und es existieren mehrere Verdächtige, die ein potentielles Motiv haben und denen man nicht zwangsläufig trauen kann. Der Schreibstil von Viveca Sten lässt sich sehr flüssig lesen und ist eingängig. Insgesamt ist „Kalt und still“ ein spannender Kriminalroman mit einer tragischen Handlung und interessanten, lebendig gezeichneten Figuren.