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MB
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Rösrath

Bewertungen

Insgesamt 443 Bewertungen
Bewertung vom 09.08.2022
Winkelmann, Andreas

Das Letzte, was du hörst


gut

Spannend!
Natürlich ahnt man nach den ersten Seiten noch nicht die Hintergründe, die Untergründe, die tiefere Ebene, die Vorgeschichte, die Andreas Winkelmanns neuer Thriller "Das letzte, was du hörst" so spannend und am Ende auch ein wenig verwirrend machen. Winkelmann arbeitet nach bewährten Muster: Er schafft einen unmittelbaren Bezug zum Leser, indem er ihm als Rahmenhandlung etwas anbietet, was den meisten Leser:innen vertraut sein dürfte: Podcasts hören, die einen unterstützen sollen, sich in seiner Persönlichkeit weiter zu entwickeln. Das kombiniert er mit einem zweiten bewährten Muster: Eine Familientragödie mit traumatisierender Wirkung in der Vorgeschichte des Täters. Drittes bewährtes Muster: Der ganz lange Zeit sehr offensichtliche Täter ist zwar nicht ohne Schuld, aber dann doch nicht der eigentliche Mörder. Viertes bewährtes Muster: Identifikationsfiguren geraten in Gefahr um Leib und Leben. Lässt sich flüssig lesen und anhören - total solide Thriller-Kost. Und: Man wird am Ende doch eine sehr skeptische Haltung gegenüber Podcasts entwickelt haben, die den Anspruch haben, das eigene Leben positiv zu verändern. Und das ist gut so!

Bewertung vom 08.08.2022
Mentges, Jennifer

Elternhaus


ausgezeichnet

Spannung bis zum Schluss.
Es ist schon einige Zeit her, dass ich einen so gut geschriebenen und bis zur letzten Seite spannenden Thriller in Händen hatte - ein wahrer Pageturner! Der Autorin Jennifer Mentges gelingt es, eine derart düstere Atmosphäre zu kreieren, dass es einem immer wieder kalt den Rücken runterläuft. Vielleicht merkt man da auch die erfahrene Drehbuchautorin, die mit Worten nicht nur Bilder sondern auch Emotionen transportieren kann! Familie Winkler zieht aus dem Süden der Republik in eine seit Jahren leerstehende, alte Villa in einem noblen Hamburger Elbvorort. Die Welt scheint in Ordnung - aber der Schein ist trügerisch... Und natürlich hat das Haus eine Geschichte - und zwar eine düstere... und ab der ersten Beschreibung der Villa ist auch klar, was passieren wird, nämlich dass die Geschichte des Hauses Auswirkungen auf die neuen Bewohner und ihr Familienglück haben wird. Düstere Geschichten neigen zu einer Wiederholung - und das so lange bis etwas wieder gut gemacht, die Vergangenheit bereinigt wird. Und so gewinnt Tobias Hansen, um dessen Elternhaus es sich bei der Villa handelt, eine immer größere Präsenz in der Villa und im innerfamiliären Ablauf - er schleicht sich gewissermaßen zurück in sein Elternhaus. Kapitel für Kapitel werden für die Lesenden aus anfänglichen Ahnungen, dass da Bösartiges im Spiel ist, böse Gewissheiten und die Hoffnung auf Rettung. Und am Ende? Da ist es wie bei Stephen Kings 'Carry'... das Vergangene ist noch längst nicht bereinigt! Unbedingt nachts lesen, wenn man allein (...und schutzlos) zuhause ist.

Bewertung vom 03.08.2022
Noort, Tamar

Die Ewigkeit ist ein guter Ort


sehr gut

Vom Suchen und vom Finden.

Bewertung vom 31.07.2022
Pfister, Kristina

Ein unendlich kurzer Sommer


ausgezeichnet

Klasse!!!
"Ein unendlich kurzer Sommer" von Kristina Pfister ist definitiv mein Sommerbuch des Jahres! Und der Titel behält Recht - ein Sommer allein ist viel zu kurz, um mehrere Leben wieder auf Kurs zu bringen. Da ist Lale, die eine Auszeit von ihrer Beziehung nimmt, und bei ihrer 'weg-von-Reise' auf einem abgewrackten Campingplatz im Niemandsland landet, mit dem diffusen Ziel, ihr Leben zu sortieren, welches durch den Tod ihres Bruders - für den sie sich die Schuld gibt - durcheinandergeraten ist. Da ist Chris, der nach dem Tod seiner demenzkranken Mutter einen Brief findet, der einen Hinweis auf seinen Vater enthält, und sich von der Insel Reunion aus aufmacht, zu eben diesem Campinfplatz (und dort natürch eine Liebesverhältnis mit Lale beginnt, die aber verheiratet ist). Da ist Gustav, fortgeschritten krebskrank, der sich mehr für sein Sterben als für seinen alten Campingplatz interessiert (und insgeheim seiner alten Liebe hinterhertrauert, der Mutter von Chris, hingegen nicht weiß, dass er vor über 30 Jahren Vater geworden ist). Da ist James, Weltenbummler mit hobbypsychologischem Lebenskonzept und alter Freund von Gustav, der von Flo's Mutter für die letzten Lebensmonate zu Griesgrams Gustavs emotionaler Unterstützung hergebeten und zum Campingplatz gerufen wird. Und da ist der 17-jährige Flo - stets Außenseiter gewesen wegen seiner Kinderlähmung, der in diesem Sommer erwachsen wird. Dies ist das Ausgangsszenario für einen auf seine ganz eigene Weise außergewöhnlichen und berührenden Sommer, der einiges verändern wird. Da sind so fantastische Passagen, in der einen erarbeitet Lale mit Gustav seine 'Löffel-Liste' und Gustav fragt daraufhin: "Habt ihr denn kein eigenes Leben?". Oder so fantastische Dialoge wie "Hier ist schon irgendwie alles leichter, findest du nicht?" "Vermutlich. Man kann ein bisschen jemand anders sein. Eine Zeitlang." Oder so ganz unvermittelt ein Satz wie "Die Welt ist größer, wenn man offen ist." Wer also jetzt noch zögert, sich diese wunderbare Geschichte zu Gemüte zu führen, dem ist auch nicht mehr zu helfen...

Bewertung vom 30.07.2022
Kupferberg, Shelly

Isidor (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein wichtiges Buch. "Ein jüdisches Leben" von Shelly Kupferberg ist ein wichtiges Buch. Kein Roman, sondern vielmehr das Ergebnis einer Frage an die eigene Familiengeschichte, der Versuch, Herkunft zu ergründen und schlussendlich eine individuelle Geschichte in Familien- und Zeitgeschichte einzubetten. Shelly betreibt Spurensuche. Über ihren Großvater Walter erfährt sie von Isidor, Walters Onkel, der es irgendwie geschafft hatte, sich aus ärmlichen Verhältnissen in Galizien hochzuarbeiten, hinein in einen mondänen Status innerhalb der Kulturmetropole Wien; Isidor hat seinen jüdischen Vornamen 'Israel' abgelegt, hat es zum Kommerzialrat Dr. Isidor Geller, Berater des österreichischen Staates, Multimillionär, Opernfreund und Kunstsammler geschafft; auf zwei gescheiterte Ehen folgt eine Liebesbeziehung zu einer ungarischen Sängerin. Der Bericht beeindruckt vor allem durch seine detaillierte Recherche und den Rückgriff auf Archivmaterial. Aber "Ein jüdisches Leben" ist weit mehr als lediglich die Rekonstruktion einer erstaunlichen Lebensgeschichte; die Einbettung in den historischen Kontext, die prägende Wirkung von Zeitgeschichte auf die individuelle Lebensgeschichte stechen besonders hervor: Der Anschluss Österreichs an Nazideutschland und die große Frage, die sich der zunehmend bedrohten und aus der Öffentlichkeit vertriebenen jüdischen Bevölkerung stellt - zu flüchten oder eine Form des sich Arrangierens zu finden. Ein Kontrast, welcher besonders gut herausgearbeitet ist, ist das Verhältnis der jüdischen, sehr der feinen Kultur verbundene Lebensart zu der grobschlächtigen Art der Nationalsozialisten. "Ein jüdisches Leben" ist ein Ausrufezeichen!

Bewertung vom 25.07.2022
Hennig von Lange, Alexa

Die karierten Mädchen / Heimkehr-Trilogie Bd.1


gut

Geschichte als Geschichte...
Alexa Hennig von Lange hat sich mit "Die karierten Mädchen" einen historischen Stoff vorgenommen und versucht, diesen literarisch umzusetzen. Das Ausgangsmaterial für das auf drei Bände angelegte Romanwerk sind die von ihrer eigenen Großmutter besprochenen Cassetten ihrer Lebensgeschichte - die ein Geheimnis enthüllen. Eigentlich eine gute Voraussetzung für eine sehr individuelle Perspektive auf die Zeit der 20-er bis hinein in die 60-er Jahre - wobei der erste Band bis in die Zeit vor dem zweiten Weltkrieg hineinreicht. Als Leser wird man aber das Gefühl nicht los, dass die Geschichte, wie sie im Buch erzählt wird, ein Kompromiss ist: Um den Cassetten-Aufzeichnungen der eigenen Großmutter gerecht zu werden, fehlt das Literarische, die Eigenleistung der Autorin; die Autorin bietet in ihrem Roman zwar weit mehr, als ein in gut lesbare Sprache umgesetztes Transskript, es gelingt ihr zudem durchaus, die beständig näherrückende Bedrohung des Nationalsozialismus zu schildern, allerdings in einer eher nüchternen Weise, weil die ausführliche und vertiefte Schilderung der inneren ünd äußeren Konflikte zwischen Anpassung und Widerständigkeit an der Oberfläche verbleiben. So wünscht man den beiden kommenden Bänden ein wenig mehr Tiefgang - dafür müsste sich Alexa Hennig von Lange aber wohl etwas mehr von der Erzählvorlage ihrer Großmutter lösen - und das bedeutet sicher einen inneren Konflikt.

Bewertung vom 19.07.2022
Kaspari, Carla

Freizeit


sehr gut

Genial tragikomisch!
Wir werden in "Freizeit" von Carla Kaspari Zeugen, wie Carla Kaspari als ihr alter ego 'Franziska' ein Buch schreibt, wie sie - ausgehend von den Beobachtungen ihrer Generation - Schreibideen generiert und diese mittels der Notizfunktion ihres allgegenwärtigen Smartphones festhält. Was sich zunächst relativ banal anhört, entpuppt sich schließlich als ziemlich genial! Oder um es mit der Mail von Franziskas Lektorin an Franziska im Buch auf den Punkt zu bringen: "Das könnte wirklich das Porträt einer Generation werden." Und das ist es nach meiner Einschätzung auch geworden; Vergleiche hinken immer, aber dieser nicht ganz so dolle - Carla Kaspari ist die deutsche 'Sally Rooney', nur besser, weil bei S.R. zu viel rumgelabert wird und C.K. mit ihren scharfen Beobachtungen Vieles auf den Punkt bringt und es schafft, das Lebensgefühl einer Generation einfühlbar zu machen. Und so ist es weniger die Handlung (siehe Klappentext), sondern vielmehr die Summe der (Selbst-) Beobachtungen, die das Buch so lesenswert machen: "...das erste Mal... keine größeren Einwände dagegen zu haben, dass ein Tag danach verlangt, durch ihn hindurchzuexistieren." "Franziska inhaliert und drückt die Zigarette aus. Sie ist im selben Moment traurig darüber, weil sie weiß, dass damit die einzige aktive Tätigkeit endet, zu dersie sich in diesem Moment imstande fühlt." "Franziska denkt, dass Entscheidungen fast nie richtig oder falsch sind, sondern meistens gefällt werden, damit es weitergeht." "Sie beschäftigt sich kurz mit der Frage, ob es Wahnsinn ist, Text zu produzieren in einer Welt, die nur noch aus Text und Code besteht." Es ensteht das Bild einer Generation, de sich stets für das Gute, das Richtige, das Besondere entscheiden will - und genau daran verzweifelt, vor lauter Reflexionsarbeit das Leben vergisst. Das wunderbare Buch gehört allerdings überhaupt und gar nicht in die Sparte Humor...- wobei es nicht humorlos, sondern auf seine ganz eigene Weise tragikomisch ist...

Bewertung vom 16.07.2022
Reece, Francesca

Ein französischer Sommer


gut

Kann man lesen...
Die Inhaltsbeschreibung des Romans und eine bepreiste Kurzgeschichte der jungen Autorin Francesca Reece haben mich neugierig gemacht auf ihren ersten Roman "Ein französischer Sommer"... und durchaus Erwartungen geweckt. Die Autorin verfügt auch über einen durchaus hochwertigen Schreibstil und kann Gedanken bildhaft auf den Punkt bringen; die beiden nachfolgenden Zitate mögen das unter Beweis stellen: "Knirschend und knarrend wie eine dieser altmodischen Münzzählmaschinen setzte sich mein Gehirn in Gang." und "Wir sind eine Familie, die ausschließlich aus Anekdoten und Toten besteht." Da ist das Buch wirklich stark. Weniger überzeugend allerdings fand ich den Erzählfluss; der ständige Wechsel der Erzählzeit und der Erzählperspektive sorgen dafür, dass die Geschichte nie so richtig 'Fahrt aufnimmt' (die junge Leah, schon bald Assistentin des berühmten und um einiges lebensälteren Schriftstellers Michael auf der einen Seite und Michael selbst, der Ende der 60-er Jahre in Leahs Alter war und seine wilden Jahre seinerzeit mit Astrid geteilt hat, die offensichtlich eine große Ähnlichkeit mit Leah hatte und der nun als gealterter Mann Assistentin Leah seine Tagebücher aus dieser Zeit digitalisieren lässt). Ein Stoff mit großem Potenzial, bei dem sich die Autorin leider etwas verzettelt. Dabei ist es ein Stoff mit großem Potenzial. Dieser Stoff in den Händen eines guten Serien-Drehbuch-Schreibers und es gibt beste Unterhaltung.

Bewertung vom 08.07.2022
Kürthy, Ildikó von

Morgen kann kommen


sehr gut

Toll!!! Schwergewichtige Themen mit Leichtigkeit auf den Punkt gebracht!!! Und dabei noch eingebunden in eine alltagsnahe Handlung mit hohem Identifikationspotenzial, der man gerne und mit einer gesunden Mischung aus Ernst und Dauergrinsen folgt - vor allem für sich in der Lebensmitte befindliche Lesende. Genau das gelingt der Rheinländerin Ildikó von Kürthy in hervorragender Weise! Ruth Wertheimer wird 51; ihr Mann Karl, vor Selbstbewusstsein und Geltungsbedürfnis strotzend, bekleidet die erfolgreiche Fernsehrolle des Kommissar Hansen und will eine Auszeit von der Beziehung. Karl spielt stets die erste Geige, Ruth die zweite - er ist der starke Mann und Ruth die Frau, die das erträgt und somit (so erläutert es Ruths Therapeut) die ebenso starke Frau an ihrer Seite. Und schnell wird klar, dass es Karl nicht immer so genau genommen hat mit der ehelichen Treue und das schon unmittelbar vor der Hochzeit, was zum abrupten Kontaktabbruch mit der Schwester geführt hat... In der Villa der Großmutter kommt es dann zu einem Zusammentreffen (nicht nur der Schwestern) nach Jahren und anderen Vorkommnissen. Das Besondere an diesem Buch ist nicht unbedingt die Geschichte - die ist zweifelsohne gut, aber sicher nicht das erste Mal erzählt - sondern vielmehr die Überlegungen und Gedanken zwischendurch, welche die Autorin zum Thema 'Lebensmitte', 'Wendepunkte', 'Beziehungsgestaltung' und Feminismus (zumindest eine 'light-Version') einfließen lässt! Unterhaltsame Sommerlektüre.

Bewertung vom 04.07.2022
Grue, Anna

Tod im Trödelladen


gut

Echt hygge...
Anna Grue ist mit 'Tod im Trödelladen' ein entspannter Krimi gelungen. Und wer es sich beim Lesen nicht mit diversen Leckereien und hyggeliger Atmosphäre gemütlich macht, der ist selbst schuld. Man muss auch nicht befürchten, dass einem die Spannung des kleinen Büchleins den Kreislauf in bedenkliche Höhen treibt. Drei Todesfälle rund um einen Trödelladen, der im Ehrenamt durch vorwiegend ältere Kolleg:innen betrieben wird; und was liegt näher - von Seiten der Polizei - als wegen des fortgeschrittenen Alters der Verstorbenen durchweg natürliche Ursachen zu vermuten. Doch weil die resolute Rentnerin Anne-Maj Mortensen, selbst im Laden beschäftigt, nicht daran glauben mag - eine verrückte Perücke erschien ihr äußerst seltsam - nimmt sie, sehr zum Missfallen der Polizei, in Eigenregie Ermittlungen auf. Und vielleicht ist dem Tod doch mit den Mitteln der Natur nachgeholfen worden, dem Gift der Eibe. Doch so einfach ist das alles nicht und schlussendlich vielleicht doch nicht ganz so gemütlich, weil am Ende Anne-Majs verwöhnter Dackel doch noch zum Retter wird. Leichte Lektüre, nett erzählt mit durchaus unerwarteten Wendungen.