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Buchschmerle
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Bochum
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Lese, seitdem ich denken kann und bin grundsätzlich leseneugierig auf alles. Jedes Genre kann tolle Bücher bereit halten, man muss sie nur zwischen all den weniger faszinierenden Texten finden. Meine Homepage: http://www.individual-reality.com

Bewertungen

Insgesamt 22 Bewertungen
Bewertung vom 21.03.2014
Flammendes Erwachen / Falling Kingdoms Bd.1
Rhodes, Morgan

Flammendes Erwachen / Falling Kingdoms Bd.1


weniger gut

Die wunderschöne Prinzessin, die ihren arroganten Verlobten nicht heiraten will und davonläuft. Der mutiger Bauer, der gegen die Unterdrückung seines Standes kämpft. Ein blutrünstiger Herrscher, der aus Machtgier alles tun würde, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Eine uralte Magie, die wiederentdeckt werden muss, um ebendiese Welt zu retten.

Das sind nur einige der typischen Fantasy-Klischees, die „Flammendes Erwachen“ zu bieten hat. Der Roman spielt im Land des Westens, das in drei Königreiche aufgeteilt ist: Das arme Paelsia, dem es an Nahrung mangelt und hauptsächlich von mittellosen Bauern bevölkert wird. Limeros, ein gelehrtes und gläubiges Land, das von einem strengen Herrscher regiert wird, und Auranos, das reichste und schönste aller drei Königreiche, das seinen Glauben an die Götter verloren hat. Früher, als es noch ausreichend Magie in der Welt gab, waren alle drei Länder friedlich vereint. Jetzt allerdings zieht Krieg herauf.

Wir erleben die Ereignisse aus der Sicht von drei verschiedenen Erzählern, die jeweils einem anderen Königreich angehören und einen anderen Blick auf die Geschehnisse haben. Die 16-Jährige Cleo ist die jüngste auranische Prinzessin, die zunächst etwas eingebildet und naiv durch die Welt geht, aber mit der Zeit lernen muss, stark zu sein und sich selbst zu behaupten. Jonas, ein armer Bauer aus Paelsia, musste mit ansehen, wie sein Bruder getötet wird und zettelt deshalb einen Aufstand an. Magnus, Prinz von Limeros, muss nicht nur unter seinem grausamen Vater bestehen, sondern auch noch seine aufkeimenden Gefühle für seine Schwester Lucia verbergen, die eine ganz besondere Gabe hat. Alle drei treten im Laufe der Geschichte miteinander in Verbindung und spielen bei der Entscheidung über das Schicksal der Königreiche eine entscheidende Rolle.

Auch wenn die unterschiedlichen Sichtweisen eine gute Idee sind und so Einblicke in die unterschiedlichen Kulturen geben, bleibt Flammendes Erwachen allzu vorhersehbar. Es kommt keine richtige Spannung oder Nähe zu den Charakteren auf, da sie wie Abziehbildchen typischer Märchen- und Fantasyfiguren wirken. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass in den meisten Fällen allein schon an der Haarfarbe die Gesinnung offensichtlich ist (blond = gut, schwarz = böse). Die Dialoge sind platt, der Sprachstil nicht so herausragend, dass er die Charaktere aufwerten könnte. Das Tempo und die Struktur des Romans haben Potenzial, da sich der Roman flüssig lesen lässt. Mit interessanteren Charakteren und neuen Ideen hätte eine spannende Geschichte entstehen können. Vielleicht schafft Morgan Rhodes dies ja im zweiten Teil, denn „Flammendes Erwachen“ ist der erste Teil einer Serie.

Nicht nur wegen der jungen Hauptcharaktere hatte ich das Gefühl, dass sich „Flammendes Erwachen“ eher als Jugendbuch eignen würde. Wer noch nicht viel Fantasy gelesen hat, könnte die ganze Geschichte als weniger vorhersehbar empfinden und auch die zahlreichen Liebesgeschichten könnten bei einem jungen Publikum Anklang finden. Fans von wirklich tiefgehenden Charakteren kann ich den Roman jedoch nicht empfehlen.

Bewertung vom 23.02.2014
Kommando Känguru / Die sagenhafte Saubande Bd.1
Weger, Nina Rosa

Kommando Känguru / Die sagenhafte Saubande Bd.1


ausgezeichnet

Die Menschen sind schon komisch. Im Fernsehen, in Videospielen und in Comics finden wir Leute mit Superkräften immer bewundernswert und möchten sein wie sie, aber wenn uns im echten Leben jemand erzählt, dass er mit Tieren sprechen kann, zeigen wir ihm einen Vogel. Genau mit diesem Problem hat Matheo jeden Tag zu kämpfen, denn es glaubt ihm einfach keiner, dass er hört, was Tiere sagen. Weil alle anderen ihn ein bisschen „sonderbar“ finden, hat er keine Freunde – dass seine Eltern hochallergisch gegen Tiere sind und man sich erst umziehen muss, bevor man zu ihm spielen gehen darf, macht alles nicht besser.

Doch alles ändert sich als er mit seiner Tante Ulla einen Ausflug in den Tierpark machen muss. Im Bus trifft er die Pudel Toffy und Nero, die - ganz anders als alle Tiere, die er bisher kannte - total aufgeschlossen sind und sich mit ihm anfreunden. Im Tierpark wird es dann erst so richtig spannend, denn ein großes Aufgebot an Polizei und Reportern ist vor Ort: Die Känguruhdame Alice wurde entführt. Matheo macht sich zusammen mit den Pudeln an die Arbeit, den Fall zu lösen, und nimmt den verdächtigen Zoodirektor unter die Lupe. Aus dem anfänglichen Spiel wird Ernst, denn schnell wird klar, dass das Leben von Alice auf dem Spiel steht!

Während der Aufklärung der Entführung gewinnt das Trio noch drei weitere Freunde hinzu. Da wäre zum einen Max, ein ehemaliges Spürschwein, das schon viel von der Welt gesehen hat und ein echter Experte in Sachen Polizeiarbeit ist – wäre da nicht seine große Schwäche für alles Fressbare. Dr. Black ist eine neunmalkluge Krähe, die zu alles und jedem einen Vortrag halten kann. Und die sechste im Bunde ist Polly, das Nachbarsmädchen der Pudel, das ebenfalls nicht viele Freunde hat, weil sie durch ein steifes Knie behindert ist und nicht so schnell laufen kann. Zunächst will auch Matheo sie nicht mitnehmen, da er vor ihr nicht frei mit den Tieren sprechen kann, aber durch ihre freche Schnauze und großen Mut rettet sie die „sagenhafte Saubande“ aus vielen brenzligen Situationen und wächst allen ans Herz.

Nina Weger hat eine tierische Geschichte vom gemeinsam anders sein geschrieben. Der spannende Kriminalfall wird immer wieder durch die liebenswerten und lustigen Charaktere aufgelockert. Es ist einfach zu komisch, wenn die beiden Pudel sich gegenseitig anzicken oder Polly mit ihrem Behindertenausweis dafür sorgt, dass ihr „Begleitschwein“ Max im Bus mitfahren darf. Für Kinder zwischen 7-10 Jahren ist das Buch sowohl von der Geschichte als auch vom Sprachstil ideal.

Es gibt nur einen einzigen kleinen Kritikpunkt: Die witzigen Illustrationen stimmen nicht immer mit dem Text überein. So soll Polly z.B. einen Pullover mit einem brüllenden Monster tragen und die Illustration zeigt ein Monster, das die Zunge rausstreckt. Da das aber der Spannung und dem Witz des Buchs keinen Abbruch tut, vergebe ich trotzdem gerne fünf Sterne. Ich bin gespannt, welche Abenteuer die sagenhafte Saubande nach dem Kommando Känguruh noch zusammen erleben wird.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.01.2014
Ich versprach dir die Liebe
Sibley, Priscille

Ich versprach dir die Liebe


sehr gut

Einen geliebten Menschen zu verlieren ist immer schlimm. Aber wenn jemand schon sein ganzes Leben hinter sich hatte, ist es etwas anderes, als wenn jemand in der Mitte seines Lebens gewaltsam aus der Welt gerissen wird. Matt Beaulieu fühlt sich machtlos als er ins Krankenhaus gerufen wird, weil seine geliebte Frau Elle nach einem Sturz mit Hirnblutungen eingeliefert wurde. Zunächst ist er fest entschlossen, die Geräte abstellen zu lassen, damit Elle nicht das gleiche Schicksal wie ihre Mutter erleidet, die aufgrund einer Krankheit lange leiden musste. Doch es ändert sich alles als Matt erfährt, dass Elle schwanger ist.

Wer darf über ein Leben entscheiden, das noch nicht für sich selbst entscheiden kann? Matt steht zwischen den Stühlen. Seine eigene Mutter setzt ihn unter Druck, Elle loszulassen, damit sie nicht monatelang leiden muss. Gleichzeitig ist er sich sicher, dass Elle alles für das kleine Leben in ihrem Bauch getan hätte. Ihm fehlen jedoch die Beweise. Zu allem Überfluss bekommt die Öffentlichkeit von dem Fall Wind und er muss sich nicht nur aufdringlichen Reportern stellen, sondern auch noch vor Gericht dafür einsetzen, seine Frau und sein Kind am Leben zu erhalten. Sein ganzes Leben zerbricht vor seinen Augen und das Kind ist die einzige Hoffnung, die ihm bleibt.

Priscille Sibley hat mit „Ich versprach dir die Liebe“ einen Roman geschrieben, der traurig und nachdenklich macht. Sie beschreibt eindrücklich, wie stark Tod und Leben miteinander verknüpft sind und dass es in manchen Situationen zwar gute Argumente, aber kein „richtig“ und „falsch“ gibt. Wir lernen Matt und Elle sozusagen im „Rückwärtslauf“ kennen. Nach und nach bekommen wir als Leser durch Tagebucheinträge und Erinnerungen immer mehr über die Vergangenheit und die Beziehung der beiden erzählt, die schon als Teenager eine ganz besondere Verbindung zueinander hatten. Und ein ganz besonderes Geheimnis hüteten.

„Ich versprach dir die Liebe“ ist kein Buch, das man lesen sollte, wenn man schwanger ist oder eine Schwangerschaft plant, denn auch wenn es viele positive Momente gibt, ist es doch sehr aufwühlend von den Fehlgeburten, dem unerfüllbaren Kinderwunsch und der Gefahr für das Baby in Elles Bauch zu lesen. Auf der anderen Seite ist es schön, die schönen Seiten der Beziehung der beiden zu entdecken und sie näher kennenzulernen. Obwohl ich üblicherweise eine andere Richtung von Romanen bevorzuge, konnte ich sehr stark mit den Charakteren mitfühlen, wollte mehr über sie erfahren und wissen, ob Matt sein Kind retten kann. Das Buch ist an einigen Stellen sehr romantisch, aber es driftet nie langweiligen Kitsch ab, sondern bleibt immer glaubwürdig. Gegen Ende wurde es dann allerdings leider sehr vorhersehbar weswegen ich einen Stern abgezogen habe.

Allen, die romantische Geschichten mögen und auch mit einem ersten Unterton und einem schwierigem Thema klar kommen, sollten dieses Buch aber auf jeden Fall lesen.

6 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.09.2013
Bis wir uns wiedersehen
Jefferies, Dinah

Bis wir uns wiedersehen


sehr gut

Selbst eine Mutter, die ihre Kinder verloren hat, bleibt eine Mutter. In jeder Sekunde, in jedem Augenblick. „Bis wir uns wiedersehen“ erzählt eine Familiengeschichte vom Verloren sein und Suchen. Wir begleiten Lydia Cartwright auf ihrer ganz persönlichen Odyssee, die damit beginnt, dass sie eines Tages ihr Haus in Malaysia betritt und ihr Mann Alec sowie ihre beiden Töchter Emma und Fleur verschwunden sind. Ohne Nachricht, ohne jeglichen Anhaltspunkt, was sie zur Abreise bewegt hat.

Wir als Leser wissen mehr als die geschockte Mutter, denn Dinah Jefferies hat ihrer Geschichte zwei Erzählerinnen geschenkt. Die 12-jährige Emma schreibt ein Tagebuch und lässt uns so ihre Gefühle und Erlebnisse aus der Ich-Perspektive miterleben. Genau wie ihre Mutter, kennt sie die Gründe für die plötzliche Abreise nicht und sieht sich plötzlich mit einer vollkommen neuen Lebensrealität konfrontiert – denn ihr Vater entreißt sie nicht nur der mütterlichen Fürsorge, sondern verfrachtet sie auch aus ihrem Geburtsland Malaysia in das winterliche England.

Die Geschichte entfaltet langsam aber mit Wucht ihr emotionales Potenzial. Dabei funktioniert sie immer auf sowohl auf der gesellschaftlichen, als auch auf der persönlichen Ebene. Gesellschaftliche Themen werden nicht lang und breit diskutiert oder kommentiert, sondern sind in die Lebensrealität der Figuren integriert. So erfahren wir fast nebenbei etwas über den malaysischen Notstand in den 1950er Jahren, politische Spionage, Waffenschmuggel, die Machtunterschiede zwischen Männern und Frauen, damalige Standesunterschiede zwischen „Farbigen“ und „Weißen“ sowie die unerbittliche gewaltreiche Kindererziehung.

Vor diesem Hintergrund entfaltet sich der persönliche Lebensweg von Lydia und Emma, die wie eine Achterbahnfahrt von Tiefschlägen und Hoffnungsschimmern durchzogen ist. Affären, die erste Liebe, Verrat, Generationskonflikte, Freundschaft – Dinah Jefferies lässt kein Lebensthema aus. Zusammen mit der teils märchenhaften Beschreibung der malaysischen Landschaft wirkt das leider manchmal etwas zu schnulzig und erinnert stückweise stark an eine Seifenoper. Insbesondere weil Lydias Liebesleben neben ihrer Mutterrolle stark im Fokus der Erzählung steht.

Diese „Kitschigkeit“ wird aber durch das zentrale Gefühlsthema, das sich durch den Roman zieht, nivelliert. Lydias und Emmas Leben sind immer wieder von Verlust geprägt. Dieses sensible Thema behandelt die Autorin mit viel Fingerspitzengefühl und Aufrichtigkeit – nicht zuletzt, da sie selbst den Tod eines Kindes verkraften musste. Und das merkt man in jedem Satz, den sie dieser Thematik widmet.

Es ist nicht so, dass das eigene Leben durch den Verlust plötzlich aufhört. Aber es wird immer wieder unterbrochen, von Erinnerungen, Schuldgefühlen und einem Gefühl von Sinnlosigkeit. Ein Leben durchsetzt von Vergangenheitspausen sozusagen. Als Leser möchte man den Figuren immer wieder beruhigend zusprechen und muss doch tatenlos mit ansehen, wie sie sich quälen.

„Bis wir uns wiedersehen“ ist ein Buch für Mütter und Töchter gleichermaßen. Eine Warnung muss jedoch ausgesprochen werden: Weiche Seelen sollten sich auf jeden Fall Taschentücher bereitlegen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.07.2013
Das Labyrinth der Träumenden Bücher / Zamonien Bd.6
Moers, Walter

Das Labyrinth der Träumenden Bücher / Zamonien Bd.6


weniger gut

„P.S.: Der Schattenkönig ist zurückgekehrt.“ Diese Zeile eines mysteriösen Briefs lässt Hildegunst von Mythenmetz erneut die Sicherheit der Lindwurmfeste verlassen und nach Buchhaim reisen, um dem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Doch wie hat die Stadt sich verändert, seitdem er letztes Mal aufgebrochen ist – immerhin ist sein letzter Besuch gut 200 Jahre her! Ein ganz neuer Trend hat das Leser-Paradies im Griff: Der Puppetismus.

Im Gegensatz zu Buchhaim scheint Walter Moers sich allerdings nicht weiterentwickelt zu haben. Man kann sich als Leser dem Verdacht nicht erwehren, dass er gedanklich „In der Stadt der Träumenden Bücher“ stecken geblieben ist. Bereits auf den ersten Seiten der Geschichte hat man das Gefühl, in einem Déjà-vu gefangen zu sein. Gedankengänge des Lindwurm-Schriftstellers, die Einreise nach Buchhaim und die dortigen Begegnungen mit alten Bekannten wirken lieblos wieder aufgerollt. Natürlich gibt es hier und da witzige Einfälle und skurrile Schöpfungen, vor allem in Bezug auf das neu eingeführte Puppentheater. Trotzdem bleibt beim Lesen die ganze Zeit die Frage im Hinterkopf „Und wann geht es jetzt endlich los?“. Wirkten sie im ersten Teil noch neuartig und verrückt, sind die langgezogenen Orts- und Geschichtsbeschreibungen im „Labyrinth der Träumenden Bücher“ nur noch ermüdend.

Schade, denn in den letzten Kapiteln zieht das Tempo an und die Handlung wird endlich spannender. Das alte „Buchhaim“-Gefühl kommt wieder auf und das Lesen macht richtig Spaß - bis die Erzählung abrupt abgeschnitten wird und wir mit einem fiesen Cliffhanger und einem „Fortsetzung folgt“ abgespeist werden.

„Die Stadt der Träumenden Bücher“ war ein großartiges, lustiges und kreatives Buch an das der Nachfolger „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ leider in seiner derzeitigen Form nicht anknüpfen kann. Vielleicht ändert sich das durch den dritten Band und einen besseren Blick auf das große Ganze. Für sich genommen ist der Roman allerdings mehr belangloses Geplänkel als eine unterhaltsame Geschichte.

9 von 13 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.06.2013
So wie Kupfer und Gold
Nickerson, Jane

So wie Kupfer und Gold


sehr gut

Schöne Kleider, Schmuck, eine prunkvolle Abtei als Zuhause – die Welt wird für die 17-Jährige Sophia zum Märchen als ihr reicher Patenonkel Bernard de Cressac sich ihrer annimmt und sie mit Geschenken und Zuneigung überschüttet. Nach dem Tod ihres Vaters verlässt sie ihre Geschwister und tauscht ihre ärmlichen Verhältnisse gegen den Alltag als feine junge Dame, die nichts anderes zu leisten hat, als ihrem Vormund „Monsieur Bernard“ die Zeit zu versüßen. Und das genießt er sichtlich, scheint das Verhältnis des charmanten Geschäftsmannes und Witwers zu seinem Mündel doch nicht nur platonischer Natur zu sein. Sophias Neugier lässt sie nicht ruhen, bevor sie alles über ihn und seine bereits verstorbenen Ehefrauen weiß. Und unmerklich zieht sie damit die kupfergoldene Schlinge fester um ihren Hals bis sie an der Düsternis der Vergangenheit zu ersticken droht.

Jane Nickerson hat ein viktorianisches Märchen geschaffen, das gleichermaßen durch Schönheit in seiner Sprache und düstere Spannung besticht. Sophia ist einerseits eine naive junge Frau ihrer Zeit, die von maßgeschneiderten Ballkleidern träumt und sich die Zeit mit Handarbeit und Reiten vertreibt, verkörpert aber auch die Intelligenz und Tatkraft moderner Frauenfiguren. So versucht sie sich u.a. für die Rechte von Sklaven einzusetzen, die zur Zeit des Romans (in der Mitte des 19. Jahrhunderts) im Süden der Vereinigten Staaten noch als reine Sachobjekte klassifiziert und misshandelt wurden. Dennoch erleben wir immer wieder, wie sie in ihrer gesellschaftlichen Rolle als Frau, die den Männern zu gefallen hat, gefangen ist. Die Erzählung schafft es dabei immer wieder gekonnt, die Brücke zwischen politischen und gesellschaftlichen Realitäten und dem Zauberhaften zu schlagen.

Bereits der Beginn des Buches macht deutlich, dass Nickersons Erstlingswerk eine Hommage an die alte Sage von „Blaubart“ ist. Sie erzählt die Geschichte neu - auf charmant düstere Weise, mit einem Hauch Krimi und einem Schuss Liebesroman. Durch das etwas zu märchenhafte Ende bleibt das Buch hinter seinem Potential noch mehr aufzurütteln allerdings etwas zurück.

Übrig bleibt die Moral von der Geschicht: Ganz gleich, was gesellschaftliche Konventionen verlangen, man hat in jeder Situation eine Wahl. Dieses Jugendbuch ist für Freunde von schauderhaften Märchen eine gute.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.03.2013
Mein Sommer nebenan
Fitzpatrick, Huntley

Mein Sommer nebenan


gut

Manchmal kann ein Sommer alles verändern. Häufig stehen diese Änderungen direkt vor deiner Haustür und warten darauf, dass du sie bemerkst. So geht es auch Samantha, die in ihren Sommerferien eigentlich nur Zeit mit ihrer besten Freundin verbringen und mit Nebenjobs ein bisschen Geld verdienen wollte. Aber als sie abends auf dem kleinen Vorsprung unter ihrem Fenster sitzt und die Nachbarn beobachtet, die so ganz anders sind als ihre ordnungsliebende, strenge Mutter, ändert sich von einem Moment auf den anderen alles. Denn so lernt sie Jase Garrett kennen und verliebt sich Hals über Kopf in ihn.

In Samanthas Sommermärchen ist Jase der perfekte Prinz: Er sieht gut aus, ist verständnisvoll und seine Familie nimmt sie sofort liebevoll auf. Auch als Leser kann man sich dem Charme der Großfamilie Garrett nicht entziehen, angefangen vom kleinen George, der sich vor so gut wie allem fürchtet, oder der jungen Andy, die an der Wahl des richtigen Bikinis für ihr erstes Date verzweifelt. Alles könnte so perfekt sein, wenn bei Samantha selbst nicht alles schief laufen würde. Denn ihre alleinerziehende Mutter ist als Kommunalpolitikerin andauernd unterwegs, kann Familien wie die Garretts – und somit auch Jase – nicht ausstehen und schleppt zu allem Überfluss auch noch einen unsympathischen neuen Freund an. Und obwohl Sam sich eigentlich komplett auf ihre erste große Liebe konzentrieren möchte, kann sie sich Zuhause plötzlich auf gar nichts mehr verlassen…

„Mein Sommer nebenan“ wird uns aus der Sicht der 17-jährigen Samantha erzählt. In seiner Stimmung ist das Buch sehr einfühlsam und unschuldig, durch seine einfache Sprache eignet es sich gut zum Durchschmökern. Huntley Fitzpatrick schafft es, liebenswerte Charaktere zu schaffen, mit denen man mitfühlt. Allerdings nur bis zu einem gewissen Grad, denn leider bleibt der Roman trotz der Krisen, die Sam durchlebt, immer etwas zu seicht. Das liegt vor allem auch an Jase, der einfach keine negative Eigenschaft zu haben scheint und abgesehen von seinen Geldproblemen einfach nur dem Idealbild eines ersten Freunds entspricht. Und auch Samanthas Konflikte machen nie ernsthaft den Eindruck, als ob sie nicht zu lösen wären. „Richtige“ und „falsche“ Entscheidungen sind viel zu offensichtlich angelegt und Charaktere finden unglaubwürdig schnell auf die „richtige Bahn“ zurück.

Liebe, Familie und unterschiedliche Lebenswege - wer nicht zu viel Grübeln möchte, für den ist „Mein Sommer nebenan“ zu empfehlen. Für mehr Tiefgang sind andere Jugendbücher besser geeignet. Aber manchmal ist es auch einfach schön, ein wenig zu träumen.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.03.2013
jPod
Coupland, Douglas

jPod


sehr gut

Wer mit Hausmeister Willie, Energy Drinks, ebay, Primzahlen und Tomb Raider nichts anfangen kann, der wird „jPod“ von Douglas Coupland nicht verstehen. Wer es tut, wird ihn lieben. Denn Ethan Jarlewski und seine fünf Programmiererkollegen verbringen die meiste Zeit ihres Tages damit, im Großraumbüro über irgendwelche Internetphänomene, Video- oder Zahlenspiele zu diskutieren, während sie nebenbei ein Skateboardspiel entwickeln. Wenn ihnen die Marketingabteilung nicht gerade irgendein niedliches Maskottchen für das nächste Game aufs Auge drückt, das sie gemeinschaftlich hassen und boykottieren. Die Mitglieder der Abteilung, deren Nachnamen alle mit J anfangen, sind dabei genauso überzogen wie schreiend komisch.

Der „jPod“ das sind:
• Der kettenrauchende, sich auf den Tod freuende Cancer Cowboy;
• die nymphomanische Bree, die schon mit jedem aus der Firma mindestens einmal geschlafen hat;
• der absolute Durchschnittstyp John Doe (der versucht seine irre Kindheit in einer Lesbenkommune durch Mittelmäßigkeit zu kompensieren);
• Mark, der Spießer, der einfach nur abgrundtief böse ist;
• Kaitlin, die Neue, die alle für Autisten hält und noch so naiv ist, zu glauben, dass sie irgendwann die Abteilung wechseln könnte;
• und Ethan, der sich mit einer Cannabis anbauenden Mutter, einem schauspielerndem Vater ohne Sprechrollen und Menschenhandel in seiner Wohnung herumschlagen muss. Der „Held“ der Geschichte.

Für wen das bereit zu abgedreht klingt, dem ist der Roman nicht zu empfehlen. Denn auch wenn Coupland es grandios schafft, die moderne Bildschirmgeneration mit seinen Figuren darzustellen, ist die ganze Geschichte doch mehr als absurd zusammengeflickt: „jPod“ liest sich mehr wie Textfragmente, oder eben das Internet. Eine richtige Handlung ist kaum festzustellen, eigentlich leben alle in den Tag hinein und Zufälle, die selbst für Zufälle viel zu seltsam sind, machen den Reiz der Geschichte aus. Lachflashs sind vorprogrammiert, wenn die jPodler z.B. Liebesbriefe an Ronald Mc Donald schreiben.

„jPod“ ist Gesellschaftskritik, Komödie und Kunst in einem. Eine spannende, logisch aufeinander aufgebaute Erzählung kann man hier lange suchen. Alle, die hingegen über eine Seite, auf der das Wort „Ramen-Nudeln“ immer wieder abgedruckt ist, lachen können, und auch kein Problem damit haben, wenn die Erzählform zwischen E-Mail, Dialog und unzusammenhängenden Listen wechselt, für die ist „jPod“ goldrichtig.

Bewertung vom 01.03.2013
Das Mitternachtskleid / Ein Märchen von der Scheibenwelt Bd.5
Pratchett, Terry

Das Mitternachtskleid / Ein Märchen von der Scheibenwelt Bd.5


weniger gut

Hexen helfen Kranken, bringen Kinder auf die Welt, bestatten die Toten, hören den Menschen zu, wenn sie Probleme haben. Moment mal – Hexen? Sind die nicht eigentlich böse, hässlich und erfreuen sich am Leid anderer? Genau mit diesen Vorwürfen muss sich Junghexe Tiffany Weh in letzter Zeit vermehrt herumschlagen. Irgendetwas Böses versucht die Menschen davon zu überzeugen, dass die Frauen mit dem spitzen Hut auf den Scheiterhaufen gehören. Und obwohl sie mit ihren Gefühlen für den jungen Baron und den Problemen in ihrem kleinen Dorf eigentlich schon genug am Hals hat, scheint dieses Böse es auch noch auf sie persönlich abgesehen zu haben…

„Das Mitternachtskleid“ erzählt die typische Geschichte vom Anderssein. Man sieht ein wenig anders aus, kann Dinge tun, die die Mehrheit nicht kann und schon ist man umgeben von Argwohn und Missgunst. Die Außenseiter-Story par excellence. Das alles eingebettet in eine märchenhafte Welt voll Kobolden, Magie und fliegenden Besen.

Leider schafft es Terry Pratchett nicht den Zauber eines Märchens heraufzubeschwören. Ernste Themen wie häusliche Gewalt und Totgeburt wechseln sich ab mit plumpem Slapstick Humor, und – leider nur allzu seltenen und meist ziemlich platten – parodistischen Anspielungen auf das Märchen-Genre. Kurzum, es macht den Anschein als wollte Pratchett Alles und herausgekommen ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Das Mitfiebern und Mitfühlen mit Tiffany Weh wird durch überdrehte Szenen zunichte gemacht. Aber für „einfach nur lustig“ führt die Geschichte wiederum zu viel märchenhafte Moral vor.

Das Einzige, was das Buch besonders machen könnte, sind die Details und einige liebenswerte Charaktere. Wie zum Beispiel der Anwalt, der in einen Frosch verwandelt wurde, aber sich von diesem Missgeschick nicht davon abhalten lässt, seinen Beruf weiter auszuüben. Diese kleinen Stärken kann das Buch aber nicht in die Handlung einbetten, es wirkt wirr und verspielt dadurch den Charme, den es eigentlich haben könnte.

„Das Mitternachtskleid“ ist kein durchweg schlechtes Buch. Über Humor lässt sich bekanntlich streiten und die lockere Schreibweise macht es zu einem guten „In-der-Bahn-Lesestück“. Eindruck macht es aber nicht.

P.S.: Für Pratchett-Kenner macht das Märchen von der Scheibenwelt bestimmt mehr her. Denn nur allzu oft scheint es so, dass hier von alten Bekannten die Rede ist, die einem als „Neuleser“ nichts sagen.