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Anne Lay

Bewertungen

Insgesamt 154 Bewertungen
Bewertung vom 14.02.2023
Der Totentanz zu Freiburg / Begine Serafina Bd.7
Fritz, Astrid

Der Totentanz zu Freiburg / Begine Serafina Bd.7


ausgezeichnet

Serafina, inzwischen die Gattin des Stadtarztes von Freiburg, freut sich über den Besuch ihres Sohnes. Dann wird jedoch beim Possenspiel, das auch Vitus mitgestaltet, ein Mitglied des Stadtrates erstochen und der Sohn gerät unter Verdacht ...

Für mich war es das erste Buch aus der Reihe um die Figur Serafina. Sie scheint nach sehr wechselvoller Geschichte endlich in Freiburg ihr Glück gefunden zu haben, ist die Gattin des Stadtarztes, mit dem sie ein gemeinsames Töchterchen hat. Ihre Vorgeschichte wird an passender Stelle eingeflochten und die hat es in sich, so dass ich überlege, noch weitere Bände der Reihe zu lesen.

In diesem Fall geht es um ihren Sohn Vitus, der mit einer Gauklertruppe nach Freiburg kommt und dort auftritt. Während der Aufführung wird ein Freiburger Bürger ermordet und Vitus gerät unter Verdacht. Beim Lesen ertappe ich mich, mit heutiger "Krimierfahrung" an die Geschichte heranzugehen und muss mich innerlich zurückpfeifen. Es gibt keine Erkenntnisse der Forensik, Fingerabdrücke und ähnliches sind noch unbekannt. Auch ist das Rechtssystem vollkommen anders. Welches Wort gilt was? Spricht ein freier Bürger oder ein herumreisender Gaukler? Die Gesellschaft der Zeit wird in diesem Roman lebendig und die vollkommen andere Gedankenwelt deutlich.

Die Geschichte, die fast etwas zu idyllisch beginnt, nimmt schnell an Fahrt auf und Serafina und ihre Familie bestehen die Gefahren mit Witz und mutigem Einsatz.

Mit hat es großen Spaß gemacht, diesen Roman zu lesen. Auch ohne die Vorgängerbände zu kennen, bin ich gut in die Geschichte hineingekommen und überlege, noch weitere Bände zu lesen.

Bewertung vom 23.12.2022
Die Henkerstochter und die Schwarze Madonna / Henkerstochter Bd.9
Pötzsch, Oliver

Die Henkerstochter und die Schwarze Madonna / Henkerstochter Bd.9


ausgezeichnet

Die Henkerstochter und die schwarze Madonna von Altötting - dieses schon damals beliebte Ziel einer Wallfahrt, zieht nun auch die Familie Kuisl an und aus verschiedenen Gründen machen sie sich gemeinsam auf den Weg.

Wieder sind Jahre vergangen, Paul lernt bei seinem Onkel und hadert mit den Aufgaben eines Henkers und mit der Frau seines Onkels bzw. dem neugeborenen Sohn, sein Bruder Peter hat noch immer Kontakt zum Kurfürsten Maximilian von Bayern und gleich zu Beginn wird an einer Schachpartie zwischen den beiden sehr eindrucksvoll deutlich, wie strategisch Max an alle Menschen in seiner Umgebung herangeht, dass sie letztlich für ihn Schaufiguren in seinem Lebensplan sind. Er hat große Pläne und verpflichtet Peter - wozu werde ich hier nicht verraten. Aber die Pläne des Kurfürsten schließen in diesem Fall auch die Eltern und sogar den Großvater mit ein, so dass sich alle gemeinsam auf die Wallfahrt begeben ...

Sehr gekonnt werden Fährten gelegt, bekommen die Familienmitglieder Geheimnisse anvertraut, die sich niemandem (!) weitergeben dürfen. Die Ereignisse überschlagen sich bald und immer wieder kommen sie der Aufklärung der Ereignisse näher, um dann wieder in die Irre geführt zu werden. Ich haben den Roman sehr gern gelesen, konnte ihn bisweilen kaum aus der Hand legen, obwohl ich eigentlich anderes zu tun gehabt hätte.

Die Geschichte ist in sich abgeschlossen, wobei für mich als langjährigen Begleiter von Magdalena und Simon Fronwieser, schon der Anfang wie ein Familientreffen ist. Was ist geschehen seit dem letzten Zusammentreffen (dem Vorgängerroman)? Die Figuren sind lebendig und stimmig entworfen, gut auseinanderzuhalten und auch der Kriminalfall ist klassisch gekonnt erzählt, mit einem Bösewicht, der gleich zu Beginn sehr mysteriös eingeführt wird.

Bewertung vom 08.12.2022
Weihnachtszauber im November (eBook, ePUB)
Jantzen, Nele

Weihnachtszauber im November (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Maike fährt zu ihren Eltern an die Ostsee. Der Anlass ist leider, dass ihr Vater schwer krank ist. Weil sogar fraglich ist, ob er Weihnachten noch erleben wird, hatte sie die Idee, das Weihnachtsfest einfach in den November vorzuverlegen.

Die Idee finde ich rührend und zu erleben, wie die drei erwachsenen "Kinder" - Maike ist mit Abstand die Jüngste - damit umgehen, liest sich spannend. Da ist die große Schwester Britta, die in Bayern einen Bauernhof betreibt und deren Tochter in Maikes Alter ist, und der Bruder Olaf, der schon im Ruhestand ist und plötzlich ungeahnte Gedanken einbringt ...

Es wird trubelig und zu keinem Augenblick wird die Menge der Personen unübersichtlich, weil alle Charaktere fein ausgearbeitet und gezeichnet sind, so dass ich nie Zweifel habe, wer wer ist. Wunderbar ist es für mich, diesen Zusammenhalt in dieser Familie zu erleben. Sie sorgen sich um einander, auch wenn es zwischendurch mal unharmonische Töne gibt. Familienlbande, wie aus dem Leben gegriffen mit Höhen und Tiefen.

Das macht für mich die Stärke dieses Buches aus und auch den Bezug zu Weihnachten. Ach ja, dann ist da noch dieser Nachbar ...

Mit hat es großen Spaß gemacht, Maike auf ihrem Weg zu begleiten. Es gab auch das ein oder andere Tränchen bei diesem berührenden Thema. Die Autorin hat es geschafft, mich mitzunehmen - nein mitzureißen. Nach zwei Tagen war das Buch ausgelesen, obwohl ich eigentlich gar keine Zeit hatte. Es wegzulegen, ist mir nur schwer gelungen. Chapeau!

Bewertung vom 30.10.2022
Mondschein, Flan und Winterherzen
Jensen, Stina

Mondschein, Flan und Winterherzen


ausgezeichnet

Carola lebt allein, nachdem ihr Sohn ausgezogen ist, arbeitet zu viel und bringt ihre kreisenden Gedanken mit einem Glas Wein zur Ruhe.

Genau damit habe ich zu Beginn gefremdelt. Aus der Ich-Perspektive lese ich von ihrer Überlastung, ihrem ständigen Da-Sein für die Gäste im Hotel, die Gestaltung, das Programm, ... Lese, wie sie ihre eigene Überlastung nicht als solche wahrnimmt und kann mich damit (leider) voll identifizieren. Dann kommt durch einige kleine Szenen der Verdacht auf, sie könne auch ein Alkoholproblem haben. Ist das wirklich so?

Nach einem Unfall nimmt sie den ernsten Rat ihrer Ärztin auf, sich eine Auszeit zu nehmen. Kurzfristig ist eigentlich kein Platz für eine Kur zu bekommen, aber ausgerechnet auf Mallorca ist jemand abgesprungen und so macht sich Carola auf den Weg dorthin und zu sich selbst.

Mit jeder Seite, die ich tiefer in die Geschichte eintauche, wird Caro mir sympathischer. Ihre Selbsterkenntnis, ihre Erfahrungen auf der Insel durch ihre Gespräche und Erlebnisse nehmen mich mit, lassen mich meinen eigenen Alltag vergessen. In einem Rutsch hatte ich das Buch ausgelesen.

Vielleicht ist es ein (zu?) ernstes Thema für einen Weihnachtsroman und eigentlich kommt Weihnachten auch nur am Rande vor, aber es ist die Geschichte einer bewundernswerten Frau, die sich selbst hinterfragt und einen Neuanfang startet. Absolut lesenswert, finde ich, und fast ein Muss, wenn ich an die anderen Geschichten im Allgäu denke, zu denen mich die Autorin bereits mitgenommen hat.

Bewertung vom 30.10.2022
Der Klang der Erinnerung (eBook, ePUB)
Browning Wroe, Jo

Der Klang der Erinnerung (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Im walisischen Aberfan rutscht eine Halde und begräbt eine Grundschule unter sich.

Diese furchtbare Szene habe ich in "The Crown" gesehen, dort natürlich aus einer anderen Blickrichtung beleuchtet, und als ich im Klappentext davon las und dass es um einen Einbalsamierer geht, musste ich dieses Buch unbedingt lesen.

William hat gerade seinen Abschluss als Einbalsamierter, als in die Feier die Nachricht vom Unglück in Aberfan platzt. Er macht sich sofort mit dem notwendigen Material, u.a. Särgen, auf den Weg. Vor Ort beginnt er sogleich mit seiner Arbeit und ich lese von seinem Mitgefühl, der allgegenwärtigen Trauer der Eltern und auch von Williams Schulzeit, in der er begeistert im Chor sang. Irgendetwas ist damals geschehen ...

Das unfassbare Leid dieser Katastrophe in Wales beeindruckt den jungen William nachhaltig und so habe ich die Szene des jungen Erwachsenen immer im Hinterkopf, wenn die Handlung in die Schul- und Ausbildungszeit Williams zurückspringt.

Es ist die Schilderung eines Erwachsen-Werdens unter ganz besonderen äußeren Umständen. Ist die Familiendynastie Lavery ist William nicht der erste Einbalsamierer, hierzulande wohl als Bestatter bezeichnet, was nicht ganz das Gleiche ist. Konflikte innerhalb der Familie, die nach und nach geschildert werden, Schulzeit, Freunde und schließlich das sich Stellen gegenüber den Geistern, die William nach dem Einsatz in Aberfan begleiten, sind eindrucksvoll und einfühlsam geschildert. Einerseits hatte ich mehr Musik erwartet, bin aber tief berührt von der besonderen Beziehung, die William dazu hat.

Es ist ein historischer Roman in meinen Augen, der 1966 spielt - also vor einem Menschenleben. Mir macht es große Freude, die Beziehungen, das Denken der damaligen Zeit in Wales nachzuvollziehen und gebe daher eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 14.09.2022
Gretas Geheimnis / Die Winzerin Bd.2
Engel, Nora

Gretas Geheimnis / Die Winzerin Bd.2


ausgezeichnet

Weiter geht es mit Greta, die ihr Erbe nur dann bekommt, wenn sie den Kellermeister des Guts heiratet: den schweigsamen Bruno.

Was am Beginn in Rückblenden und aktuellem Geschehen berichtet wird, lässt mich wieder dort anknüpfen, womit der erste Band endet. Die Bedingung, an die Gretas Vater ihr Erbe geknüpft hat, ist aus meiner heutigen Sicht ein Unding. Greta unterwirft sich dem und heiratet Bruno, und zumindest Respekt voreinander steht am Beginn dieser Ehe.

Im Hintergrund wird deutlich, dass Familie Hellert, Gretas Ziehfamilie, noch nicht aus dem Spiel ist, welchen Einfluss deren Ränke auf Gretas Leben haben.

Über die Handlung will ich hier nicht mehr verraten. Es ist ein turbulentes Auf und Ab, neue Figuren und alte Bekannte treten auf, während Greta ihren Weg sucht und geht. Gleichzeitig kommt die Geschichte in der Zeit meiner eigenen Kindheit und Jugend an und vieles kommt mir wieder in Erinnerung. Ach ja, damals ... und ja, genau so war das ...

Dadurch wird das Buch für mich zu einer spanneden Zeitreise in ein Stück selbst erlebter westdeutscher Geschichte. Viele Erinnerungen werden heraufbeschworen und einige Male habe ich geahnt, was dann kurze Zeit später tatsächlich so erzählt wurde.

Es gab Passagen, die mich zu Tränen gerührt haben, die mich haben mitleiden lassen, so dicht und einfühlsam waren die Ereignisse geschildert.

Daher gibt es von mir eine klare Leseempfehlung und ich freue mich auf den dritten Teil von Gretas Geschichte.

Bewertung vom 28.08.2022
Findelmädchen (eBook, ePUB)
Bernstein, Lilly

Findelmädchen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Helgas großer Traum ist es, das Gymnasium zu besuchen. Sie liebt Literatur und hat sich in ihrer Zeit in Frankreich gegen alle Widerstände in die neue Sprache eingefunden. Dann ändert ein Brief alles: Der Vater ist aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt und will seine Kinder wieder bei sich haben. Helga und ihr älterer Bruder Jürgen machen sich also auf nach Köln, wo sie den Krieg zuletzt in einer Kinderbande überlebt haben.

Von der ersten Seite an tauche ich ein in die Atmosphäre, die die Autorin schafft. Natürlich kenne ich Bilder der zerstörten Stadt, habe die ein oder andere Dokumentation über die Nachkriegszeit gesehen und mich auch mit dem Teil der Ausstellung im "Haus der deutschen Geschichte" beschäftigt, die das Schicksal der Flüchtlinge 1945 und der vielen Kinder aufgreift, die in den Wirren von ihren Eltern getrennt worden waren.

Hier wird dieser Teil der deutschen Geschichte lebendig und die Vielzahl der elternlosen Kinder bekommt ein Gesicht, nämlich das von Helga und Jürgen, die Glück haben und von den Eltern eines anderen Mitglieds ihrer Kinderbande mitgenommen werden. Wobei das Leben in Frankreich, unmittelbar nach dem Krieg nicht einfach war, auch das erfahre ich durch Helgas Schilderungen.

Und nun kommt der Aufruf, zum Vater zu fahren, dem Vater, an den sich beide kaum erinnern können.

Die Zeit des Wiederaufbaus nach dem Krieg, die moralische Enge der neuen BRD und der Versuch des Vaters, seine Tochter vor Fehlern zu bewahren, werden zu einer spannenden Handlung verknüpft. Zeitweise kann ich das Buch kaum aus der Hand legen, bin berührt von Helgas Erlebnissen im Kinderheim, sehe die leitende Schwester meiner eigenen Kindergartenzeit vor mir, während ich entsetzt die Handlungen dieser fiktiven Frau verfolge. Auch hier gelingt es der Autorin, dem Unfassbaren, das in Dokumentationen aufgedeckt wurde, ein Gesicht zu geben, mich mitlfühlen zu lassen.

Wenn ich sehr kritisch auf das Werk schaue, so ist vielleicht zu viel in eine Geschichte gepackt worden, sind die "Zufälle" zu viel, aber im Hinblick auf eine spannende Geschichte und die Beschränkung auf eine übersichtliche Anzahl an Protagonisten, kann ich die Entscheidung verstehen. Zumal sie mich beim Lesen nicht gestört hat. Ich war mitten im Roman, habe mitgelitten, mich geärgert über ... Aber das sollte jede(r) selbst lesen.

Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 16.07.2022
Hinter den Dünen - Der Nordmann und die kleine Meerjungfrau (eBook, ePUB)
Jantzen, Nele

Hinter den Dünen - Der Nordmann und die kleine Meerjungfrau (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Kaum hat sich Sophie hat von Daniele getrennt, schon steht mit Thore ein neuer Mann auf dem Hof. Dieser entspricht genau ihrem Traum: Ein Nordmann wie er im Buche steht.

Schnell kommen die beiden in Kontakt, zumal Thore, einer der Architekten, die den Hof umgestalten sollen, quasi dienstlich auf den Darß kommt.

Es ist eine bisweilen klassische Liebesgeschichte, aber mit viel Liebe erzählt und ich treffe begeistert wieder auf die Menschen auf dem Künstlerhof Sommer, die ich schon durch andere Abenteuer begleitet habe. Wird es dieses Mal gutgehen mit dem Schmetterlingen in Sophies Bauch?

Mit gefällt die Umgebung, in der dieses Sommerabenteuer spielt. Begeistert begleite ich Sophie und vorher ihre Schwester Greta auf den Darß. Leider war ich noch nicht selbst dort, aber mit jedem Buch, das dort spielt, wird mein Interesse größer.

Frech und fröhlich lotst mich Sophie durch ihren "Alltag" zwischen ihrem Plan, ihr Studium nun doch nicht weiterzuführen, sondern es mit dem Bachelor gutsein zu lassen, und dem Kümmern um die Großeltern und den Künstlerhof. Ein Leben, das voller Aufbrüche steckt und mich wieder träumen lässt.

Bewertung vom 05.07.2022
Jahre im Wandel (eBook, ePUB)
Marienhagen, Elisabeth

Jahre im Wandel (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Beginnend mit dem Jahr 1924 begleite ich Magdalena, deren Geschichte ich noch nicht kenne - es war das erste Buch der Reihe für mich.

Das harte Leben auf dem Land mit viel Arbeit von früh bis spät, die auch durch Knechte und Mägde nur "so gerade" zu schaffen ist, beeindruckt mich. Ohne die vielen Kleinigkeiten, die unseren heutigen Alltag erleichtern, muss Magdalena auskommen und tagtäglich ihre Aufgaben meistern.

In diesem Band geht es um die Zeit, in die Hitlers Machtergreifung fällt. Erste Ereignisse, die ihn betreffen, aber noch als nebensächlich eingeschätzt werden, dann die Veränderungen in der Dorfgemeinschaft bis hin zum Krieg machen dieses Buch für mich zu einem Stück erlebbarer Geschichte. Dabei sind sowohl die Hauptcharaktere, wie auch die Nebenfiguren im Buch für mich sehr eindrücklich und liebevoll entworfen und gezeichnet. Ich leide mit ihnen, erlebe ihre Furcht und Sorgen und fühle mich an Erzählungen meiner Eltern erinnert, die - Jahrgang 20 - von früher erzählten, oder eben auch nicht erzählten, weil die Zeit für sie abgeschlossen war.

Ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen, immer gespannt, was nun folgen wird. Dabei habe ich einiges über jüdische Lebensweisen erfahren und darüber, wie diese unselige Zeit ihren Anfang nahm. Gerade habe ich mit Band 1 begonnen, weil mir der Erzählstil, lebendig und bildhaft, so gut gefällt. Auch finde ich es wunderbar, mir aus der Sicht einer fiktiven Figur ein Bild früherer Zeiten zu machen. Weil mich das seit jeher bei historischen Romanen fasziniert: Was machen die "großen" Ereignisse früherer Zeiten mit den einfachen Menschen? Wie haben sie gelebt und gedacht?

Bewertung vom 05.07.2022
Wie man sich einen Lord angelt (eBook, ePUB)
Irwin, Sophie

Wie man sich einen Lord angelt (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Katherine Talbot, Kitty, wird mir gleich im ersten Kapitel vorgestellt als Waise, deren Verlobter das nicht offiziell ausgesprochene Verlöbnis zurücknimmt. Eigentlich war alles geregelt, dachte sie bislang, hatte sich doch die Eheschließung bislang nur verschoben, weil zunächst ihre Mutter, dann ihr Vater gestorben war. Und nun steht sie plötzlich mit ihren Schwestern vor einem Schuldenberg da, der sie das Haus, in dem sie aufgewachsen sind, kosten kann, und ohne vermögenden Ehemann. Was tun?

Die Handlungsmöglichkeiten einer Frau im 19. Jahrhundert waren begrenzt. Es gab nur wenige "Berufe", denen eine Tochter aus gutem Haus - und das scheint es zu sein - nachgehen kann. Gouvernante? Aber Kitty entsinnt einen anderen Plan: Sie will mit Hilfe einer Nenn-Tante Dorothy in London dort einen neuen Gatten finden. Gesagt getan, mit ihrer Schwester Cecily macht sich Kitty auf nach London.

Mit großem Vergnügen begleite ich die Vorbereitung der jungen Damen auf die Saison in London, das Abwägen, wer in Frage käme für ernstere Bemühungen, ihre Einkäufe und die Einführung in die gesellschaftlichen Dos und Don'ts ... Was mich vor allem begeistert, sind freche Formulierungen, Andeutungen und vor allem später, als sie immer wieder mit Lord Radcliff aneinandergerät, die gegenseitigen Sticheleien. Ich habe das Gefühl, dass sich die Autorin hier gut auskennt und mit spitzer Feder die Geschehnisse beschreibt.

Das rückt sogar die Abgebrühtheit, mit der Kitty agiert, die sie mich als Protagonistin in schlechterem Licht sehen lassen sollte, in den Hintergrund.

Natürlich ist klar, wie es ausgeht, aber der Weg dorthin hat mich an einigen Stellen überrascht, was mir sehr gut gefallen hat.

Das Ende hingegen ist recht schnell erzählt. Schade, hätten dem Buch hier noch zwei oder drei zusätzliche Szenen gutgetan. Aber das ist "Jammern auf hohem Niveau". Insgesamt fühle ich mich sehr gut unterhalten und habe zeitweise das Buch kaum aus der Hand legen mögen.