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Benne

Bewertungen

Insgesamt 44 Bewertungen
Bewertung vom 12.10.2022
Unsre verschwundenen Herzen
Ng, Celeste

Unsre verschwundenen Herzen


sehr gut

Auf der Suche nach der Mutter und andere Vorkommnisse

Es kann sein, dass aus Celeste Ngs Feder imposante Romane erscheinen. Ihr zuvor erschienenes Buch „Kleine Feuer überall“ hat mich beeindruckt, aber erst die Umsetzung als Serie hat mich umgehauen. Mit ihrem neu erschienenen Roman geht es mir wiederum ähnlich wie mit ihrem Debüt „Was ich euch nicht erzählte“. Eigentlich ist alles da, was ich für ein tolles Leseerlebnis brauche: Starke Protagonist:innen, abwechslungsreiche Handlung, feine Sprache. Dennoch hat mir auch dieses Mal etwas gefehlt. Denn, wenn ich ehrlich bin war die Handlung im Kern gar nicht abwechslungsreich. In Dialogen und viel zu langen Rückblenden geschieht das Wahre, aber im Jetzt, ist die Geschichte von Bird schnell erzählt: Er lebt mit seinem Vater in einem Studierendenwohnheim, seine Mutter hat er seit Jahren nicht mehr gesehen, nachdem in den USA asiatisch aussehende Menschen diskriminiert wurden und immer noch werden. Also sucht er sie.
Der erste Teil des Buches, der sich um Birds Geschichte, seine Vergangenheit und die Sehnsucht nach seiner Mutter dreht, ist am interessantesten. Eine kindliche Sichtweise, die jedoch bereits erwachsene Züge trägt und jeden Tag mit Zeichen auf der Straße konfrontiert wird, die ihn nachdenklich machen. Dann vollzieht sich ein tonaler Wechsel am Midpoint der Geschichte. Dieser nimmt die Energie heraus, die Klimax zerbricht und der Story fehlt es an Substanz. Was vorher noch abwechslungsreich und unvorhersehbar war, dümpelt nun vor sich hin. Zwischen den Charakteren passiert erstaunlich wenig, bei allem was passieren könnte. Dialoge tragen keinerlei Anführungszeichen, ein Mittel, was meinetwegen angewandt werden darf, aber nicht, wenn ich dafür eine Stelle fünfmal lesen muss und danach immer noch nicht weiß, ob der zweite Satz zur wörtlichen Rede gehört oder nicht. Ng ist offensichtlich eine Verfechterin vieler stilistischer Mittel. Analogien, Metaphern und Vergleiche werden gestreut wie Salz auf einen zugefrorenen Gehweg am Morgen. Manchmal ist weniger mehr.

Dabei bleibt „Unsre verschwundenen Herzen“ trotzdem ein ausdrucksstarker Roman, der eine klare Message am Ende vermitteln kann. Die Prämisse ist klug, die Umsetzung ein wenig schwammig. In der Story stecken viele Ansätze, die Leser:innen durchaus lange zu denken geben.

Bewertung vom 15.09.2022
Verbrenn all meine Briefe
Schulman, Alex

Verbrenn all meine Briefe


ausgezeichnet

Schwedische Geschichte, schwedische Schicksale

Alex Schulmans neuer Roman spielt wieder einmal auf unterschiedlichen Zeitebenen. In der Gegenwart hinterfragt der Protagonist, wie das ständige Gefühl der Wut in ihn kam und vom wem es stammt. Er forscht in seiner eigenen Vergangenheit und stößt auf seinen Großvater Sven Stolpe, verheiratet mit Karin, die wiederum eine Affäre mit Olof Lagercrantz hatte. Namen, die es nicht nur zufälligerweise im echten Leben gibt, sondern auch tatsächlich im Leben von Schulman vorkamen. Eine Autobiografie seiner Großeltern? Ein reiner Roman? Am Ende der Lektüre bin ich unschlüssig, habe aber dennoch Gefallen daran gefunden.

Die 304 Seiten sind nicht vollgepackt mit dichter Handlung. Schulman springt hin und her, lässt auf der jeweiligen Zeitebene nicht allzu viel passieren, aber schafft es dennoch, mit wenigen Worten die Menschen zu charakterisieren, als hätte ich sie persönlich getroffen. Ich verstehe traurige Motive, Schicksalsschläge, kann Entscheidungen nachvollziehen und spüre nichts anderes als Schulman selbst. Sein einzigartiges Talent ist das mühelose Verweben einzelner Handlungsstränge. Mit viel Fingerspitzengefühl transportiert er eine Geschichte, die durchaus nahegehen kann.

Bewertung vom 13.08.2022
Kaltherz
Faber, Henri

Kaltherz


sehr gut

Ein Thriller besser als der Andere

Alle paar Jahre machen sich Autor:innen einen Namen am deutschen Thriller-Himmel. Romy Hausmann gelang der Schritt mit „Liebeskind“ und Henri Faber zuletzt 2021 mit „Ausweglos“. Ein rasanter Thriller, der vor allem mit knappen Sätzen, dichter Handlung und einer durchdachten Handlung punkten konnte. Schade, dass der Thriller dennoch klischeebehaftet war (Stichwort „Bösewicht“). Auch „Kaltherz“ schafft es scheinbar nicht vollkommen ohne Klischees.
Das Buch erfindet das Thriller-Rad nicht neu. Muss es aber auch nicht. Viel mehr setzt es bekannte Elemente in neuer Form zusammen. Überzeugt in jedem einzelnen Kapitel und legt ein Tempo an den Tag, das seinesgleichen sucht. Selbst nach zwei Dritteln der Handlung, wenn viele Thriller an Spannung verlieren, lässt „Kaltherz“ die Bombe platzen. Erst auf den letzten 30-40 Seiten verliert sich die Geschichte in unnötig langem Suchen nach Erklärung. Das Ende selbst hingegen ist an der richtigen Stelle des Plots angesetzt. Ich bin mir sicher, dass noch Großes von Henri Faber kommen wird, ein Autor, den man auf jeden Fall im Blick haben sollte.

Bewertung vom 15.07.2022
Als das Böse kam
Menger, Ivar Leon

Als das Böse kam


sehr gut

Schaurig beklemmender Mikrokosmos


Ivar Leon Menger hat bereits zahlreiche Hörspielserien („Monster 1983“, „Ghostbox“), Hörbuchserien („Darkside Park“, „Die schwarze Stadt“), sowie Bücher und Kurzfilme veröffentlicht. Im Sommer 2022 erscheint sein Romandebüt „Als das Böse kam“ im dtv-Verlag. Ein kleines, feines, aber rasantes Buch, das es faustdick hinter den Ohren hat und in dem der Autor seine Stärken durch das Schreiben der Hörbücher zum Einsatz bringt.
Der Thriller spielt im Norden Europas. Juno und ihre Familie leben auf einer Insel, getrennt vom Rest der Welt. Und so soll es auch bleiben, meinen ihre Eltern. Sie verstecken sich nämlich vor einer Bedrohung von außen und verlassen sie einmal die Insel, müssen sie um ihr Leben fürchten. Viel mehr darf nicht verraten werden, denn mit diesem Vorwissen taucht man direkt in die Story ein und begleitet die Protagonistin Juno aus der Ich-Perspektive. Die Handlung deckt nur einige Tage ab, es passiert sehr viel in sehr weniger Zeit. Das macht das Buch zu einem wahren Pageturner, obwohl es keinen Überfluss an Cliffhangern gibt, das einfachste Mittel, um Leser:innen bei der Stange zu halten.
Menger hat bereits viel Erfahrung im Schreiben von Hörspielen und Hörbüchern. Medien, die beinahe ausschließlich vom Dialog leben, der die Geschichte tragen muss. In „Als das Böse kam“ setzt er diese perfektionierte Fähigkeit ein: Die Charaktere sind nah, glaubhaft, ihre Aktionen sind einfach nachzuvollziehen und sie sprechen wie echte Menschen. Der Roman ist ein Vorzeigeexemplar eines modernen Thrillers, der zwar das Rad nicht neu erfindet, aber dennoch mit einem unheimlichen Setting, einer dynamischen Familienkonstellation und einem flotten Hergang punkten kann. Er ist der spannendste, sehr kleine, Ausschnitt aus dem Alltag eines jungen Mädchens, in deren Leben etwas schief läuft.

Bewertung vom 13.01.2022
Zum Paradies
Yanagihara, Hanya

Zum Paradies


sehr gut

Zum Paradies und noch viel weiter

Hanya Yanagihara entwickelt sich andauernd weiter. Während ihr Debüt „Das Volk der Bäume“ Norton Perina in den Mittelpunkt stellte, weitete sie in ihrem 2015 erschienen Roman „Ein wenig Leben“ den Kreis auf die einzigartige Freundschaft von vier Männern aus. Sechs Jahre danach spannt sie mit „Zum Paradies“ einen Bogen um Jahrhunderte und Familiendynastien und versucht in all dem einen gemeinsamen, immerwährenden Nenner zu finden.

Viele Jahre nach „Ein wenig Leben“, was Leser:innenherzen zerstörte und süchtig machte, erwarten Tausende ein weiteres hochemotionales Meisterwerk, bereiten sich emotional gar vor auf den inneren Schmerz, der wiederkommen wird. „Zum Paradies“ verhält sich hingegen anders als die bisher erschienenen Bücher der Autorin. Es ist weder eine Charakterstudie, noch eine zeitlose Erzählung eines besonderen Freundschaftsbündnisses. Vielmehr schafft sie hiermit einen monumentaleren Roman: Mehr Charaktere, mehr Schauplätze, mehr Regeln, mehr Verbote, aber (!) weniger Namen, als man zuvor denkt. Denn die Namen der Hauptpersonen kehren immer wieder, das macht die scheinbar unabhängigen Abschnitte der verschiedenen Jahrhunderte nicht eindeutiger, sondern erschwert eine schnelle Zuordnung der Personen ohne einzigartigen Namen.

Es könnte das Haus am Washington Square sein, welches der eigentliche Protagonist des Buches ist. Dieser Ort verbindet 1893, 1993 und 2093. Jedes Jahrhundert, dessen Geschehnisse Yanagihara fiktionalisiert, steht für sich und findet vermutlich eigene Fans. Buch 1 offenbart, wie eloquent die Autorin ist und wie meisterhaft sie es versteht, das Ende des 19. Jahrhunderts allein durch die Sprache - und endlose Schachtelsätze - fühlbar zu machen. Das zweite Buch ist unserer Zeit wohl am nächsten und präsentiert die unaufregendsten Ereignisse, denn das dritte Buch dreht sich um eine Pandemien (Plural!), Isolation, Angst, Freiheitsdrang und all das, was man 2022 nachvollziehen kann. Sie entwickelt ein Zukunftsszenario, das erst Ende des 21. Jahrhunderts spielt, aber in den Köpfen der Menschen bereits stattfand.

Hanya Yanagihara schafft mit „Zum Paradies“ erneut ein großes Werk über Identität, Herkunft, Sexualität, Großeltern (ja, wirklich), Bedürfnisse und das Paradies, das wir alle finden können und manchmal nicht da liegt, wo wir es vermuten.

Bewertung vom 03.10.2021
Was bleibt, wenn wir sterben (eBook, ePUB)
Brown, Louise

Was bleibt, wenn wir sterben (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ratgeber, Erfahrungsbericht, Denkanstoß

Nach dieser Lektüre geht es gar nicht anders, als über den Tod reden zu wollen. Louise Brown, ehemals Journalistin, heute Trauerrednerin, fasst in ihrem kurzen Buch das zusammen, was sie in ihrem neuen Beruf gelernt und erlebt hat.
Ohne einer bestimmten Struktur oder Chronologie zu folgen, streut Brown innerhalb von 265 Seiten Anekdoten ihres eigenen Lebens ein. Im Mittelpunkt steht dabei der Tod ihrer Eltern, der sie erstmals und ohne Vorbereitung knallhart mit dem Tod als allgegenwärtiges Thema konfrontierte. Dazu kommen Geschichten ihrer Arbeit, Trauerreden, die sie selbst hielt. Im Laufe ihrer Arbeit als Trauerrednerin begegnete sie Menschen, die das Ableben eines ihnen geliebten Menschen völlig unterschiedlich wahrnahmen, es humorvoll verarbeiteten oder in tiefer Trauer versanken. Brown macht dem/der Leser/in dabei klar, dass jeder seine/ihre eigenen Mechanismen zur Trauerbewältigung haben darf. Ebenso darf und sollte man sich im Voraus mit dem eigenen Tod und denen der Angehörigen beschäftigen. Er ist unausweichlich und nicht zu leugnen.
In mir als Leser weckt dieses Sachbuch sicherlich das Bedürfnis über den Tod generell nachzudenken, vor allem aber, wie ich mit dem Tod von Menschen in meiner Umgebung umgehen kann. Wie ich Anteilnahme ausspreche (Dabei gibt es kein Richtig und kein Falsch), wie und wann ich trauere und vor allem, wie man den Tod als das ansieht was er ist: Ein Teil des Lebens, nicht das Ende davon.

Bewertung vom 24.09.2021
Der Tod und das dunkle Meer (eBook, ePUB)
Turton, Stuart

Der Tod und das dunkle Meer (eBook, ePUB)


weniger gut

Ein Buch, das zu viel wollte

Ich rechne es Stuart Turton hoch an, dass er seine Romane mit solch einer Masse an Infos füllen kann und viele Handlungsstränge jongliert, ohne selbst den Überblick zu verlieren. Ich habe leider häufig den roten Faden verloren; war von Anfang an überhaupt einer da? Anfangs wusste ich, dass das Buch von einem Unheil auf einem Schiff handelt und zwei Detektiven, die ein Rätsel zu lösen haben. Noch vor all diesen Infos befindet sich ein Personenverzeichnis. In seinem Vorgängerroman „Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle“ war das Personenverzeichnis originell und die Zeichnung in der Buchklappe absolut hilfreich, um das Setting zu verstehen. Die Namen, Eigenheiten und Relevanz der Charaktere in „Der Tod und das dunkle Meer“ konnte ich mir trotz des Verzeichnisses nicht merken und die Zeichnung des Schiffes – die nicht im eBook enthalten war! – würde mir keine Hilfestellung geben.
Als wäre das nicht schon genug, lässt leider auch die Spannung der Handlung auf sich warten. Hunderte Seiten Gespräche, Vermutungen, hin und wieder kuriose Gegebenheiten und erstaunlich wenig vom Detektiv Pipps. Turton hat es dennoch drauf, die Sprache und Atmosphäre schriftlich darzustellen. Es fühlte sich an wie im 17. Jahrhundert, der Sprachgebrauch half aber nicht dem Lesefluss.
Dieses Buch sei nur einer geringen Zielgruppe empfohlen: Leser/innen, die langsame Kriminalgeschichten mögen, eine Masse an handelnden Personen und eine beinahe Überforderung an Informationen aus der Vergangenheit.

Bewertung vom 09.09.2021
Harlem Shuffle
Whitehead, Colson

Harlem Shuffle


gut

Anderer Whitehead-Roman, gleiche Probleme

Whitehead hat seinen Platz in der Literaturwelt und auf dem Schriftstellerolymp längst gefunden. Nachdem ich mit Begeisterung „Underground Railroad“ las (zumindest beim ersten Mal lesen) und mich „Die Nickel Boys“ emotional unberührt zurück ließ, wagte ich einen weiteren Versuch und las „Harlem Shuffle“. In diesem Roman stellt der Autor die Rolle der Schwarzen in den USA, vor allem in Harlem, diesmal subtil und verwebter dar. Im Voraus ist die Gesellschaftskritik natürlich nicht sofort augenscheinlich, „Harlem Shuffle“ ist vielmehr ein Gangster- und Krimiroman mit versteckter Sozialkritik. In seinen Büchern gibt es immer eine Ebene zu entschlüsseln, die in diesem Roman lange verschlossen bleibt. Zahlreichen Charakteren will er Leben einhauchen, erzwingt ihnen eine Persönlichkeit, aber in Wirklichkeit vergisst man einige von ihnen im nächsten Moment wieder. Sein roter Faden ist verknotet und zerschnitten, ich konnte der Handlung selten folgen. Whiteheads Erzählstil hat sein Übriges getan, flüssig und angenehm lesbar ist dieser leider nicht.

Bewertung vom 08.08.2021
Die Überlebenden
Schulman, Alex

Die Überlebenden


ausgezeichnet

Drei Brüder in einem beeindruckenden Mikrokosmos

Da besteht doch irgendeine Verbindung zwischen dem trostlosen Cover mit der Farbe von vertrockneter Erde und dem anmutigen Schreibstil Schulmans, der eine Geschichte – seine (!) Geschichte – zu Papier brachte. Zu dem Buch würden die wenigsten Menschen greifen. Es ruft einfach nicht danach, gekauft zu werden, sondern in der Ecke zu lungern als kleiner, versteckter Schatz.

Man kann in Zeiten von allseits präsenter sozialer Medien froh sein, dass der Roman „Die Überlebenden“ vom schwedischen Autoren Alex Schulman, Unterstützung durch starke Kampagnen hat. Denn er ist es wert gelesen zu werden – wirklich! Innerhalb von 304 Seiten erzählt der Autor einerseits die Geschichte dreier junger Brüder rückwärts. Es ist eine besondere Nacht, in der man ihnen begegnet, aber ein chronologisch erzähltes Leben, in welchem man sie wiederum als Kinder und Jugendliche kennenlernt. Die Zeitebenen springen daher deutlich zwischen den Kapiteln hin und her, eine originelle Idee, die scheinbar nur in diesem Kontext funktioniert. Wie auf das Buch zugeschrieben. Selbst in der chronologischen Erzählweise verschwimmt die Vergangenheit mit der Gegenwart, Erinnerungen des Damals und Schilderungen des Jetzt geben sich die Hand. Schulman schafft es mit dieser feinfühligen Art eine fiktive Familie schaffen, die ihren Ursprung in seinem eigenen Leben findet. Von dieser Familie auf Papier möchte man sich gar nicht mehr trennen, so zerrissen und toxisch sie auch manchmal sein mag.

„Die Überlebenden“ ist nicht nur ein Buch, was kurzfristig in aller Munde ist, es wird lange nachhallen und ist ein rundum gelungener Roman. Zwar hebt die Geschichte nicht unbedingt die Laune beim Lesen, aber es sind doch gerade die schmerzhaften Gefühle durch Bücher, die einem das eigene Leben wertschätzen lassen und mich jedes Mal aufs Neue beeindrucken, welche Kraft Wörter haben.

Bewertung vom 24.02.2021
Hard Land
Wells, Benedict

Hard Land


ausgezeichnet

Der Mix der Wells-Bücher

Es ist das, was Benedict Wells kann: Coming-of-Age, Familiendrama, eine ordentliche Menge Trauer und Tränen, Herzschmerz, aufblühende Freundschaften. In „Hard Land“ macht es der Mix, nicht nur aus den Eigenschaften, sondern vor allem aus den vorangegangenen Büchern.

Im Zentrum steht die Kleinstadt, in dem der Protagonist Sam mit seiner Familie, aber ohne Freunde wohnt. Der Roman umspannt hauptsächlich den Sommer, in dem er die Macht der Freundschaft entdeckt und seine Mutter verliert (Keine Spoiler, das wird bereits im ersten Satz bereits verraten). Die Geschichte enthält zahlreiche Schmankerl, die als Gesamtbild sehr charmant wirken. So werden dem Leser die Wichtigkeit des ersten Satzes vermittelt, man lernt Gedichte aus einem anderen Blickwinkel zu sehen, schätzt Songs der 80er und den Einfluss kleiner Kulturstätten auf das Wohlbefinden des Einzelnen.

Titelgebend ist der im Buch besprochene Gedichtband „Hard Land“. Die Suche nach der Message darin beschäftigt Sam mehrere Jahre lang. Dadurch, dass dies im Unterricht als auch während privater Gespräche Thema ist, begegneten mir als Leser die Motive des Gedichtbands im direkten Vergleich mit dem Roman selbst sehr häufig. Die Analyse von „Hard Land“ im Roman erklärt Wells Buch viel zu stark, es nimmt leider ein wenig den Reiz das Buch selbst zu entdecken und die Personen eigenständig zu beurteilen. Es wirkt wie eine Bedienungsanleitung für den Roman selbst.

„Hard Land“ hat den Roadmovie-Charakter und die Leichtigkeit und Unbeschwertheit aus „Becks letzter Sommer“, die emotionale Tiefe und Lebensweisheiten aus „Vom Ende der Einsamkeit“ und das feste, unerschütterliche Band der Freundschaft von „Fast genial“. Es ist das wohl zugänglichste, aber keinesfalls zu vernachlässigende Buch des Autors.